2022-0.479.809 – Datenschutzbehörde Entscheidung
Text
GZ: 2022-0.479.809 vom 9. Jänner 2023 (Verfahrenszahl: DSB-D130.217)
[Anmerkung Bearbeiter: Namen und Firmen, Rechtsformen und Produktbezeichnungen, Adressen (inkl. URLs, IP- und E-Mail-Adressen), Aktenzahlen (und dergleichen), etc., sowie deren Initialen und Abkürzungen können aus Pseudonymisierungsgründen abgekürzt und/oder verändert sein. Offenkundige Rechtschreib-, Grammatik- und Satzzeichenfehler wurden korrigiert.
Der Name der Beschwerdegegnerin ist nicht pseudonymisiert worden, da eine Bearbeitung des Bescheidinhalts, die eine Identifizierung der Beschwerdegegnerin unmöglich gemacht oder doch deutlich erschwert hätte, nur durch weitgehende Beseitigung der Verständlichkeit des Inhalts der Entscheidung möglich gewesen wäre. Dem Geheimhaltungsrecht (§ 1 DSG) und Geheimhaltungsinteresse der Beschwerdegegnerin, einer juristischen Person, deren rechtmäßiges Handeln in der Entscheidung festgestellt worden ist, steht der gesetzliche Auftrag gemäß § 23 Abs. 2 DSG gegenüber, wobei es sich hier um eine Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung für die Allgemeinheit handelt, da einige Rechtsfragen hier erstmals behandelt worden sind. Die Entscheidung war daher, trotz Unmöglichkeit der vollständigen Pseudonymisierung, wegen Überwiegens des allgemeinen Interesses an der Veröffentlichung in die Entscheidungsdokumentation der Datenschutzbehörde aufzunehmen.]
BESCHEID
SPRUCH
Die Datenschutzbehörde entscheidet über die Datenschutzbeschwerde von Herrn Walter A*** (Beschwerdeführer) vom 14. Februar 2019 gegen die Wikimedia Foundation Inc. (Beschwerdegegnerin), vertreten durch die B*** Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, wegen der behaupteten Verletzung im Recht auf Löschung wie folgt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen .
Rechtsgrundlagen : Art. 3, Art. 4, Art. 5, Art. 17, Art. 51 Abs. 1, Art. 57 Abs. 1 lit. f sowie Art. 77 Abs. 1 der Verordnung (EU) 2016/679 (Datenschutz-Grundverordnung, im Folgenden: DSGVO), ABl. Nr. L 119 vom 04.05.2016, S. 1; §§ 9, 18 Abs. 1 sowie 24 Abs. 1 und Abs. 5 des Datenschutzgesetzes (DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 idgF; §§ 13 Abs. 8, 59 Abs. 1 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF; § 1 des Mediengesetzes (MedienG), BGBl. Nr. 314/1981 idgF.
BEGRÜNDUNG
A. Vorbringen der Parteien und Verfahrensgang
1. In der verfahrenseinleitenden Eingabe vom 14. Februar 2019, verbessert am 21. Februar 2019, brachte der Beschwerdeführer vor, dass er sich von der Beschwerdegegnerin in seinem Recht auf Löschung als verletzt erachte, da diese seinem Löschantrag vom 29. Juni 2018 nicht entsprochen habe. Erklärend führte der Beschwerdeführer hierzu aus, dass es sich bei der Beschwerdegegnerin um kein Medienunternehmen handle, sondern vielmehr um ein soziales Netzwerk, bei dem Nutzer anonym und ohne Redaktion sowie Redaktionsstatuten Beiträge veröffentlichen und bearbeiten können. Der ursprüngliche Datensatz, der ihn betreffe, sei nicht von der Beschwerdegegnerin aufgrund ihrer Recherchen, sondern von ihm selbst mangelhaft erstellt worden. Er wolle nunmehr aber nicht mehr Teil des Netzwerkes der Beschwerdegegnerin sein und bestehe auf die Löschung all seiner Daten. Zudem handle es sich um sensible Daten, weil es um sein Geburtsdatum, seine Herkunft und seine familiären Verhältnisse gehe. Der Beschwerde waren der Antrag auf Löschung vom 29. Juli 2018 sowie die Antwort der Beschwerdegegnerin angeschlossen.
2. In der Stellungnahme vom 29. Oktober 2020, ho. inhaltsgleich per Brief am 3. November 2020 eingegangen, führte die anwaltlich vertretene Beschwerdegegnerin zusammengefasst aus, dass es sich bei der Beschwerdegegnerin ausschließlich um eine in den USA und nach US-amerikanischem Recht eingerichtete Stiftung handle, welche die Online-Enzyklopädie www.wikipedia.org ins Leben gerufen habe. Die Beschwerdegegnerin verfüge weder über in der EU bestehende Niederlassungen noch Konzerngesellschaften oder sonstige verbundene Unternehmen. Die Stiftung biete ebenfalls keine Waren oder Dienstleistungen an Personen – wie den Beschwerdeführer – an. Die Beschwerdegegnerin selbst treffe keine Auswahl der Themen, über welche geschrieben werde. Diese werden von den Beitragenden selbst getroffen, welche sich auf öffentlich zugängliche Quellen, wie Zeitungsartikel oder sonstige Beiträge, stützen. Die Beschwerdegegnerin veröffentliche lediglich die Enzyklopädie-Einträge, die weder von ihr selbst erstellt noch in ihrer Verantwortung liegen würden, sondern vielmehr von einer Gemeinschaft von Mitwirkenden verfasst und bearbeitet werden. Eine Überwachung finde ebenfalls nicht statt. Daher gelange die Beschwerdegegnerin zu dem Schluss, dass die DSGVO nicht anwendbar sei. Da nach Rechtsansicht der Beschwerdegegnerin die DSGVO nicht vom territorialen Anwendungsbereich der DSGVO umfasst sei, müsse diese auch keinen Vertreter gemäß Art. 27 DSGVO bestellen. Unabhängig von der Nichtanwendbarkeit der DSGVO sei die Datenverarbeitung aufgrund eines berechtigten Interesses der Öffentlichkeit dennoch rechtmäßig. Die Beschwerdegegnerin betreibe eine Plattform, die den Erhalt und weiteren Aufbau der wohl bekanntesten Online-Enzyklopädie durch freiwillige und ehrenamtliche Autoren ermögliche. Die Beiträge würden seit jeher in Mehrautorenschaft erstellt und nach dem Prinzip des kollaborativen Schreibens fortwährend bearbeitet und diskutiert werden. Aktuell verfüge Wikipedia über 50 Millionen Beiträge zu allen erdenklichen Themen. Die Datenverarbeitung erfolge nicht im Interesse der Beschwerdegegnerin, sondern im Interesse der breiten Öffentlichkeit an Information. Außerdem erfolge die vom Beschwerdeführer pauschal inkriminierte Verarbeitung personenbezogener Daten ausschließlich zu journalistischen Zwecken. Der gegenständliche Sachverhalt sei somit dem Kernbereich der journalistischen Tätigkeit zuzuordnen. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer eine Person des öffentlichen Lebens, unter anderem Autor, Filmemacher, Kameramann und Regisseur, über den es zahlreiche Beiträge gebe. Dieser betreibe unter anderem selbst eine Webseite mit der URL http://waltera***.com . Es bestehe daher kein Zweifel, dass ein Interesse der Öffentlichkeit an seiner Person vorliege. Die verarbeiteten Daten des Beschwerdeführers würden eine Relevanz und Aktualität besitzen. Die Informationen vom Beschwerdeführer seien nicht nur auf der Plattform der Beschwerdegegnerin ersichtlich, sondern auch auf dessen eigener Homepage sowie anderen öffentlich zugänglichen Webseiten (zum Beispiel https://www.imdb.com/name/nm*4**0*9/ ). Das Recht auf Löschung bestehe zudem nicht absolut und sei somit nicht anwendbar.
3. In der Stellungnahme vom 20. November 2020 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er seine Beschwerde aufrecht halte und auch die DSGVO anwendbar sei. Dies zeige sich allein dadurch, dass die Beschwerdegegnerin unter dem Begriff Wikipedia mit entsprechenden Länderkennungen bzw. der Domainendung in einzelnen Ländern operiere. Würde man der Argumentation der Beschwerdegegnerin folgen, wäre die DSGVO weder auf Facebook, Twitter noch andere Medien anwendbar. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, dass der ursprüngliche Eintrag auf Wikipedia von ihm selbst erstellt worden sei und nicht von der Gemeinschaft der Beschwerdegegnerin. Fakt sei ebenfalls, dass die Einträge auf der Plattform von Dritten bearbeitet werden würden, was de facto eine Redaktion darstellen würde. Dies sei ein Charakteristikum eines Medienanbieters. Auch biete die Beschwerdegegnerin Dienstleistungen in Form von Daten von lebenden sowie bereits verschiedenen Personen an und lukriere hierdurch Geld. Die Informationen auf der Plattform würden zudem landesspezifisch aufbereitet werden. In der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 29. Oktober 2022 habe diese auch auf Seite 3, Absatz 3, bestätigt, dass es sich um ein soziales Netzwerk handle, in dem die Gestaltung des Inhaltes dem Nutzer überlassen werde, ohne sich eines Klarnamens bedienen zu müssen. Die Autoren würden zwar freiwillig und ehrenamtlich arbeiten, die Beschwerdegegnerin sei jedoch kommerziell tätig, was ein wesentliches Charakteristikum eines sozialen Netzwerks sei. Bei der Beschwerdegegnerin handle es sich daher um kein öffentlich-rechtliches Medium. Der Datensatz, welcher von ihm erstellt worden sei, sei auch seit dem 1. Juli 2020 nicht mehr aktualisiert worden. Er selbst könne seinen eigenen Datensatz nicht aktualisieren, weil ihm dies von der Beschwerdegegnerin bzw. den anonymen Autoren verweigert werde. Abschließend verwies der Beschwerdeführer darauf, dass das Vorbringen der Beschwerdegegnerin sehr widersprüchlich sei. Einerseits behaupte sie, bloß eine Plattform in der Form eines sozialen Netzwerks zu sein, andererseits werde die Löschung aus journalistischen Gründen verwehrt.
4. In der Aufforderung zur ergänzenden Stellungnahme vom 7. Jänner 2021 ist der Beschwerdeführer von der Datenschutzbehörde ersucht worden, zu erläutern, inwiefern sein Datensatz nicht der Aktualität entspricht.
5. In der Stellungnahme vom 13. Jänner 2021 führte der Beschwerdeführer aus, dass die letzten eingetragenen Filme aus dem Jahr 201* seien. Seither habe er jedoch an einem Dokumentarfilm, einem Kinofilm sowie in einer Serie mitgewirkt. [Anmerkung Bearbeiter/in: Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Funktionen bei zwei Organisationen aus Pseudonymisierungsgründen entfernt.] Darüber hinaus seien auch Fehler bei der Plattform der Beschwerdegegnerin in seiner „Vita“. Bei den Filmen „F***“ und „G***“ habe er nicht als führender Kameramann fungiert. Die Filme „J***“, „K***“, „L***“ sowie „M***“ seien mit falschen Titeln angeführt – „N***“ [Anmerkung Bearbeiter/in: Name der Hauptfigur] sei nicht Bestandteil der Filmtitel. Die verlinkten Seiten zu den Filmen der N***-Reihe seien allesamt mangel- bzw. fehlerhaft. Auf keiner der Seiten werde der Produzent Xaver V***, O***film, erwähnt, der einen maßgeblichen Anteil an der Entstehung und dem Aussehen der Filme gehabt habe. Beim Film „M***“ seien vollkommen falsche Kameraleute angegeben – zudem er als alleiniger Urheber. Die Auflistung der Mängel zeige, dass die Tätigkeit der Wikipedia „Redakteure“ ausschließlich aus Copy Paste anderer Webseiten bestehe. Eine journalistische Überprüfung der Informationen fände nicht statt, sie werde auch nicht aktuell gehalten.
6. Die Datenschutzbehörde forderte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 31. März 2021 auf, darzulegen, warum es ihm verwehrt werde, die Fehler in seinem Beitrag auf der Webseite der Beschwerdegegnerin abzuändern bzw. zu berichtigen.
7. Der Beschwerdeführer replizierte in seiner Stellungnahme vom 9. April 2021, dass die Redakteure der Beschwerdegegnerin es nicht zulassen würden, dass dieser Änderungen des Eintrages vornehme. Insbesondere verhindere ein User mit dem Pseudonym „Spacehawk**4“ die Änderungen, ohne hierbei redaktionell relevante Gründe anzuführen. Zwischen dem Zeitraum Juni 2013 und Februar 2014 habe er erfolglos versucht, selbst Änderungen bzw. die Löschung vorzunehmen, allerdings sei er dann als Nutzer gesperrt worden und könne seitdem seinen eigenen Beitrag nicht mehr bearbeiten. Danach habe er die Löschung des Eintrages bei der Beschwerdegegnerin beantragt, was von dieser jedoch verwehrt worden sei. Die Versionsgeschichten zu der Seite des Beschwerdeführers wie auch die Sperrung sei auf den Links: https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_A***?action=history offset=*5**25*7 und https://xtools.wmflabs.org/topedits/de.wikipedia.org/Spacehawk**4/0/Walter%20A*** ersichtlich.
8. Die Beschwerdegegnerin führte in ihrer Stellungnahme vom 27. April 2021 aus, dass Wikipedia nicht dazu diene, damit Personen Informationen oder Meinungen über sich selbst verbreiten bzw. sich promoten können. Die Online-Enzyklopädie habe vielmehr den Zweck, neutrale und sachliche Informationen über relevante Themen und Personen der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Der Beschwerdeführer habe den Beitrag ursprünglich selbst erstellt und seither immer wieder versucht, neue Informationen über seine Tätigkeit hinzuzufügen. Änderungen, welche nicht den Vorgaben der Beschwerdegegnerin entsprechen, würden durch die Wikipedia Community korrigiert werden. Am 7. Jänner 2009 habe der Beschwerdeführer versucht, eine nicht nachvollziehbare Webseite hinzuzufügen ( www.hof***.at ). Am 22. Juni 2013 habe der Beschwerdeführer weitere Informationen ohne Angabe entsprechender Quellen hinzugefügt und hierdurch de facto Eigenwerbung betrieben. Da die vorgenommenen Änderungen nicht den Richtlinien entsprochen hätten, seien diese von der Community wieder gelöscht und auch entsprechend nachvollziehbar dokumentiert worden. Erst ab dem Zeitpunkt, in dem die der reinen Eigenwerbung dienenden Änderungen des Beschwerdeführers nicht akzeptiert worden seien, habe dieser die Entscheidung getroffen, den Beitrag über ihn auf „Walter A*** ist ein Filmemacher und Autor“ zu reduzieren oder den Beitrag zu löschen. Der Beschwerdeführer sei jedoch eine Person, welche in Österreich bekannt sei. Aus diesem Grund habe die Community der Beschwerdegegnerin entschieden, dass ein grundsätzliches öffentliches Interesse bestehe und daher eine sachliche neutrale Darstellung seiner Tätigkeit zum Informationsaustausch beitragen könne. Der Beschwerdeführer sei mit dem Ergebnis unzufrieden gewesen und habe wiederholt versucht, den Beitrag umzuändern. Dies habe schlussendlich zu einer Sperre seines Accounts geführt.
9. Die Beschwerdegegnerin brachte in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 28. April 2021 unter Verweis auf ihre Stellungnahme vom 29. Oktober 2020 abermals vor, dass die DSGVO gegenständlich nicht anwendbar sei. Bei der Verarbeitung handle es sich nicht um eine Dienstleistung und auch nicht um eine Ware, welche dem Beschwerdeführer angeboten werde. Selbst für den Fall, dass die DSGVO anwendbar wäre, hätten die betroffenen Personen keinen Anspruch auf Löschung, weil das Medienprivileg vorliegen würde. Zudem bestehe der Beitrag über den Beschwerdeführer nur aus allgemeinen und neutralen Informationen zu einer bekannten Person des öffentlichen Lebens. Hinzu komme, dass die Daten des Beschwerdeführers öffentlich, teilweise von ihm selbst bekannt gegeben, zugänglich seien. Die Webseite der Beschwerdegegnerin sei die erste kollektive, universelle, mehrsprachige und gemeinnützige Online-Enzyklopädie. Bei der Beschwerdegegnerin liege das Relevanz-Prinzip vor. Dies bedeute, dass keine Artikel hinzugefügt werden, wenn diese keinen ausreichenden enzyklopädischen Wert hätten. Erst wenn die Kriterien dieses Prinzips erfüllt seien, der Beitrag keine Qualitätsmängel aufweise und zudem ein weiterer Mitwirkender den Beitrag überprüft habe, werde dieser veröffentlicht. Die Community bestehe aus erfahrenen Redakteuren und ebenso aus Menschen, welche sich gerade erst angemeldet haben. Es handle sich jedoch hierbei nicht um eine Rohdatensammlung, kein Verzeichnis natürlicher Personen, keine Gerüchteküche bzw. Plattform für Werbung, Propaganda oder Verschwörungstheorien und auch um keine Plattform für Selbstdarstellung. Es gebe zudem eigene Relevanzkriterien für jede eigene Sprachversion der Webseite. In der deutschsprachigen Version gebe es detaillierte Richtlinien zur Beurteilung der Relevanz von lebenden Personen.
Die Beschwerdegegnerin könne in Streitfällen selbst aktiv bzw. auch von der Community einbezogen werden. Darunter werden unter anderem anhaltender Vandalismus, zum Beispiel wiederholtes Editieren von Artikeln mit Unfug oder unangemessenem Inhalt oder das Wechseln der IP-Adressen, um die von der Gemeinschaft eingerichteten IP-Sperren zu umgehen, oder Belästigung anderer Benutzer bzw. Community-Mitglieder verstanden. Die Beschwerdegegnerin greife erst ein, wenn die Community aus irgendeinem Grund nicht in der Lage sei, das Problem selbst zu beheben.
Jeder Benutzer der Webseite der Beschwerdegegnerin – ob registriert oder nicht – könne an der Online-Enzyklopädie mitwirken. Ein registrierter Benutzer könne einen Benutzernamen auswählen und habe ebenfalls die Möglichkeit, seine E-Mail-Adresse anzugeben. Solange der Nutzer durch die angegebenen Daten seinen Klarnamen nicht preisgebe, könne die Beschwerdegegnerin die tatsächliche Identität der dahinterstehenden Person nicht wissen. Sollte der Nutzer nicht registriert sein, werde lediglich seine IP-Adresse als Benutzername verwendet. Mitwirkenden stehe es offen, neue Inhalte zu erstellen oder Beiträge von anderen zu ergänzen, korrigieren, verschieben, zusammenzuführen oder zu löschen. Ebenso sei ein Back-up-System eingebaut, wodurch auch die frühere Version eines Eintrages wiederhergestellt werden könne. Die Online-Enzyklopädie sei keine Plattform für Artikel, die die Mitwirkenden im Eigeninteresse über sich selbst schreiben. Das Hosten und Kuratieren solcher Inhalte sei kein Service, den die Beschwerdegegnerin den betroffenen Personen anbiete.
Im Hinblick auf den Beitrag des Beschwerdeführers sei auszuführen, dass es sich hierbei um einen kurzen und völlig sachlichen, nicht kontroversen Artikel handle, welcher fast ausschließlich den beruflichen Werdegang umfasse. Es seien keine Informationen bekannt gegeben worden, welche nicht auf der eigenen Seite des Beschwerdeführers bzw. auf der Plattform IMdB verfügbar seien.
Einige Nutzer hätten den Zugang zu speziellen technischen Hilfsmitteln, welche den Schutz der Enzyklopädie zum Ziel haben. Es handle sich hierbei um Administratoren, welche als „Admins“, „Sysop“ oder “Operator“ fungieren. Sie haben die Möglichkeit, über die Löschung von nicht relevanten Beiträgen zu entscheiden, Artikel abzusichern oder Benutzer, welche gegen die Grundprinzipien verstoßen, zu sperren. Diese Personen seien Freiwillige und würden in keinerlei Dienstverhältnis oder sonstigen vertraglichen Beziehung zur Beschwerdegegnerin stehen. Sie seien daher in ihren Beiträgen genauso frei wie jeder andere Mitwirkende.
Die Beschwerdegegnerin sei an der Erstellung neuer Artikel oder zu Beiträgen an bestehenden Artikeln nicht beteiligt.
Von der Beschwerdegegnerin würden keine redaktionellen Kontrollen ausgeübt werden. Im Übrigen nehme diese bei der Veröffentlichung von Beiträgen weder selbst eine besondere Rolle ein noch stelle sie diese sicher. Ebenso wenig verfüge die Beschwerdegegnerin über einen Chefredakteur, einen Redaktionsausschuss sowie über eine Verwaltungsstelle oder ähnliche Einrichtung. Wie bereits erwähnt, könne jeder Mitwirkende – jeder normale Nutzer der Webseite – einen Beitrag prüfen und bearbeiten (einschließlich der Freigabe neuer Artikel). Die Beschwerdegegnerin prüfe, kontrolliere oder entscheide nicht über Inhalte, außer in seltenen Fällen, einer sogenannten Office Action (Vandalismus), wenn alle Maßnahmen der Community versagen.
Die Beschwerdegegnerin konzentriere sich auf die Beschaffung von Geldern, Verteilung von Zuschüssen, Kontrolle der Server, Entwicklung und den Einsatz von Software sowie die Öffentlichkeitsarbeit zur Unterstützung der Wikimedia-Projekte. Die Beschwerdegegnerin stelle für die Mehrheit der Beiträge das technische Werkzeug zur Verfügung. Grundsätzlich könne die Löschung von Artikeln nur von den Administratoren durchgeführt werden, jedoch habe die Beschwerdegegnerin Eingriffsrechte. In der Praxis erfolge eine Löschung bei Vorliegen von Urheberrechtsverletzungen, aus Gründen des Kindesschutzes oder bei Fällen, in denen die Sicherheit von Personen gefährdet sei. In der Regel geschehe dies bei all jenen Fällen, wo schnelles Handeln erforderlich sei.
10. Im Rahmen der Stellungnahme vom 10. Mai 2021 merkte der Beschwerdeführer im abschließenden Parteiengehör an, dass dieser in der Eingabe der Beschwerdegegnerin keinen neuen Informationswert erkenne. Zu Beginn des Schreibens werde auf die Pressefreiheit verwiesen und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die Beschwerdegegnerin keine redaktionelle Tätigkeit ausübe und hierdurch kein Medium sei. Schlüssig sei diese Argumentation jedenfalls nicht. Zwischen dem vom Beschwerdeführer über ihn erstellten Eintrag und dem ersten Versuch, diesen zu aktualisieren, seien mittlerweile sechs Jahre vergangen. Eine korrekte Aktualisierung oder die Löschung könne man auch von der Beschwerdegegnerin erwarten. Auch stelle sich die Frage, warum die DSGVO nicht anwendbar sei, wenn auf der österreichischen Webseite ausdrücklich auf diese verwiesen werde. Ein Medium sei die Beschwerdegegnerin jedenfalls nicht.
B. Beschwerdegegenstand
Beschwerdegegenständlich stellt sich die Frage, ob der Beschwerdeführer dadurch in seinem Recht auf Löschung verletzt worden ist, weil die Beschwerdegegnerin sich weigert, dessen Löschantrag vom 29. Juni 2018 zu entsprechen.
C. Sachverhaltsfeststellungen
1. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen österreichischen Künstler, welcher durch seine Funktion als Filmemacher, Drehbuchautor und Kameramann einer breiteren Öffentlichkeit in Österreich bekannt ist.
Bei der Beschwerdegegnerin handelt es sich um eine Betreiberin einer Internetplattform unter der URL wikipedia.org , auf welcher in Form eines Nachschlagwerkes Informationen zu den unterschiedlichsten Themengebieten von den Webseitenbesuchern verfasst bzw. abgeändert werden. Die Beschwerdegegnerin verfügt über insgesamt 38 Zweigvereine, welche sich die jeweiligen landesspezifischen Domainendungen (z.B. Griechenland, Schweden, Spanien, Finnland, Dänemark und Österreich) innerhalb der Europäischen Union gesichert haben. Über wikipedia.eu wird man direkt an die Webseite der Beschwerdegegnerin weitergeleitet. Bei den anderen Webseiten ist es zunächst erforderlich, einen Suchbegriff in der Suchleiste einzugeben und erst danach wird man auf die Seite www.wikipedia.org der Beschwerdegegnerin mit landesspezifischer Spracheinstellung weitergeleitet. Die Webseite www.wikipedia.at wird von der Wikimedia Oesterreich Gesellschaft zur Foerderung freien Wissens betrieben. Hierbei handelt es sich um einen in Österreich befindlichen Wikimedia-Zweigverein mit Sitz in der Ö***platz 6*, **** L***dorf, welcher am 2. Februar 2022 gegründet worden ist. Wikimedia Österreich unterstützt die Webseiten der Beschwerdegegnerin.
Screenshot von der Whois-Abfrage bezüglich der Webseite mit der URL www.wikipedia.at (Formatierung nicht 1:1 dargestellt):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Das an dieser Stelle als grafische Datei wiedergegebene Dokument kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt. Es gibt u.a an, dass der Verein „Wikimedia Oesterreich Gesellschaft zur Foerderung freien Wissens“ Registrant (Inhaber) der Domain ist.]
Screenshot von der Whois-Abfrage bezüglich der Webseite mit der URL www.wikipedia.org (Formatierung nicht 1:1 dargestellt):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Das an dieser Stelle als grafische Datei wiedergegebene Dokument kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt. Es gibt u.a an, dass die Beschwerdegegnerin Registrant (Inhaberin) der Domain ist.]
Screenshot von der Whois-Abfrage bezüglich der Webseite mit der URL www.wikipedia.fr (Formatierung nicht 1:1 dargestellt):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Das an dieser Stelle als grafische Datei wiedergegebene Dokument kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt. Es gibt u.a an, dass der Verein „ASSOCIATION WIKIMEDIA FRANCE“ Registrant (Inhaber) der Domain ist.]
Screenshot bezüglich der Verfügbarkeit der Europäischen-Domain-Endungen von ,, wikipedia ‘‘ (Formatierung nicht 1:1 dargestellt):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Das an dieser Stelle als Faksimile (grafische Datei) wiedergegebene Dokument kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt. Es gibt u.a an, dass der Domainname „Wikipedia“ in sämtlichen angeführten nationalen Versionen vergeben ist.]
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen ergeben sich aus der verfahrenseinleitenden Eingabe des Beschwerdeführers vom 14. Februar 2019, verbessert am 21. Februar 2019, sowie aus der Stellungnahme der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin vom 28. Oktober 2019 und der amtswegigen Recherche vom 12. Dezember 2022 auf den Webseiten mit der URL https://who.is/whois und www.world4you.com/de.
2. Jeder Benutzer der Webseite der Beschwerdegegnerin kann – unabhängig davon, ob dieser registriert ist oder nicht – einen Beitrag verfassen, korrigieren, ergänzen oder auch löschen. Von der Gemeinschaft der Nutzer werden Administratoren gewählt. Diesen kommen erweiterte Rechte (Löschungs- und Absicherungsrecht von nicht relevanten Beiträgen, Sperren von Nutzern) zu. Die Administratoren und auch die sonstigen Mitwirkenden stehen in keinem Dienstverhältnis oder sonstigen vertraglichen Beziehung zur Beschwerdegegnerin. Diese verfügt weder über einen Chefredakteur, einen Redaktionsausschuss oder eine Verwaltungsstelle noch über eine ähnliche Einrichtung. Auch die Inhalte der einzelnen Nutzerbeiträge werden von dieser nicht im Vorfeld geprüft, kontrolliert oder entschieden.
Die Beschwerdegegnerin ist primär für die Finanzierung (Beschaffung von Geldern), Kontrolle der Server, Entwicklung sowie den Einsatz der Software, die Verteilung von Zuschüssen und die Öffentlichkeitsarbeit für sämtliche Projekte zuständig. Sie verfügt darüber hinaus über Durchgriffsrechte in selten auftretenden außerordentlichen Ausnahmefällen (sogenannten „Office Actions“), wo rasches Handeln erforderlich ist (Urheberrechtsverletzungen, Kindesschutz, Gefährdung der Sicherheit von Personen) oder für Interessenkonflikte, welche innerhalb ihrer Plattform durch die Nutzer selbst nicht lösbar sind. In diesen Fällen bleibt aufgrund der geringen Handlungszeitspanne für den Durchlauf der normalen Community Prozesse nicht genügend Zeit.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf die Stellungahme vom 28. April 2021 der Beschwerdegegnerin.
3. Der Beschwerdeführer hat unter der URL https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_A*** am 26. Februar 2006 um 10:44 unter seinem Benutzernamen Waltera*** einen Eintrag über sich selbst auf der Webseite der Beschwerdegegnerin verfasst.
Screenshot des ursprünglichen Quellentextes vom 26. Februar 2006 um 10:44 Uhr (Formatierung nicht 1:1 dargestellt):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Das an dieser Stelle als Faksimile (grafische Datei) wiedergegebene Dokument kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt. Es gibt u.a an, dass eine Person mit dem Usernamen Waltera*** am 26. Februar 2006 eine Änderung des den Beschwerdeführer betreffenden Wikipedia-Eintrags vorgenommen hat.]
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen ergeben sich aus der verfahrenseinleitenden Eingabe des Beschwerdeführers vom 14. Februar 2019, verbessert am 21. Februar 2019, sowie aus der Stellungnahme der anwaltlich vertretenen Beschwerdegegnerin vom 28. Oktober 2019 und der amtswegigen Recherche vom 12. Dezember 2022 und vom 14. Dezember 2022 (Aufruf der URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Walter_A*** oldid=*5*7**2).
4. Der Eintrag über den Beschwerdeführer ist sowohl von ihm selbst als auch von mehreren Usern zwischen dem 26. Februar 2006 und dem 13. Juni 2021 abgeändert worden. Der Eintrag des Beschwerdeführers ist zuletzt am 13. Juni 2021 um 7:54 Uhr bearbeitet worden.
Zeitlicher Ablauf der Bearbeitungen (Formatierung nicht 1:1 dargestellt):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Das an dieser Stelle als Faksimile (grafische Datei) wiedergegebene Dokument kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt.]
Screenshot der aktuellsten Version vom Eintrag über den Beschwerdeführer (Formatierung nicht 1:1):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Das an dieser Stelle als Faksimile (grafische Datei) wiedergegebene Dokument kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt.]
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich sowohl auf die übereinstimmenden Parteienvorbringen als auch auf die Webseite der Beschwerdegegnerin, unter welcher es ebenfalls möglich ist, die einzelnen Bearbeitungen zu vergleichen.
5. Der Beschwerdeführer hat am 29. Juni 2018 um 19:50 Uhr einen Antrag auf Löschung bei der Beschwerdegegnerin gestellt.
Screenshot des Antrages auf Löschung vom 29. Juni 2018 um 19:50 Uhr (Formatierung nicht 1:1 dargestellt):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Das an dieser Stelle als Faksimile (grafische Datei) wiedergegebene Dokument kann mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurde daher entfernt. Es ist an die E-Mail-Adresse info-de@wikimedia.org gerichtet und begehrte die Löschung der durch eine URL genau bezeichneten „Seite“ mit dem Wikipedia-Eintrag über den Beschwerdeführer.]
6. Die Beschwerdegegnerin hat dem Antrag des Beschwerdeführers nicht entsprochen.
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen ergeben sich aus der unbestrittenen verfahrenseinleitenden Eingabe vom 14. Februar 2019, verbessert am 21. Februar 2019, des Beschwerdeführers.
7. Die auf der Webseite der Beschwerdegegnerin über den Beschwerdeführer offengelegten Informationen sind auch auf anderen Internetseiten veröffentlicht. Auszug von den öffentlich zugänglichen Informationen auf der Seite https://noev1.orf.at/magazin/daheiminnoe/****.html (Formatierung nicht 1:1):
[Anmerkung Bearbeiter/in: Die an dieser Stelle als Faksimiles (grafische Dateien) wiedergegebene Dokumente können mit zumutbarem Aufwand nicht pseudonymisiert werden und wurden daher entfernt. Es handelt sich um die auszugweise Wiedergabe eines Artikels aus der Online-Regional- und Gesellschaftsberichterstattung des Österreichischen Rundfunks (ORF), in dem auch auf bisherige Arbeiten des Beschwerdeführers Bezug genommen wird.]
Beweiswürdigung : Diese Feststellungen stützen sich auf die amtswegige Recherche vom 14. Dezember 2022 auf den Webseiten mit der URL https://www.society***.org/ereignisse/a***-walter/, https://www.mkmnoe.at/****/referentin/walter-a***, https://freelancer***experts.com/de/Walter-A***_*44*08.html , https://noev1.orf.at/magazin/daheiminnoe/****.html und https://www.imdb.com/name/nm*4**0*9/ und die amtlich durchgeführte ZMR-Abfrage über den Beschwerdeführer am 16. Dezember 2022.
D. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus:
D.1. Bezeichnung der Beschwerdegegnerin
Obwohl der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde Herrn Charles Tr***, Legal Counsel of Wikimedia Foundation als Beschwerdegegner bezeichnete, ist bei verständiger Würdigung der Beschwerde davon auszugehen, dass sich die Beschwerde gegen die Wikimedia Foundation Inc. richtete (vgl. dazu den Beschluss des VwGH vom 28. April 2021, Ra 2019/04/0138). Auch die Beschwerdegegnerin ging davon aus, dass sich die Beschwerde gegen sie richtet.
D.2. Verfahrensgegenstand
Gemäß Art. 57 Abs. 1 lit. f DSGVO muss die Datenschutzbehörde den Gegenstand der Beschwerde in angemessenem Umfang untersuchen. Der „Gegenstand der Beschwerde“ ist die durch das Vorbringen der Partei bei Antragstellung (hier: bei Beschwerdeerhebung) dem Umfang nach festgelegte Verwaltungssache, die „in Verhandlung stehende Angelegenheit“ gemäß § 59 Abs. 1 AVG. Daraus folgt, dass es dem Beschwerdeführer nicht freisteht, während des laufenden Verfahrens den Gegenstand der Beschwerde durch ein neues Vorbringen auszuweiten. Verfahrensgegenständlich ist somit ausschließlich die Löschung des Beitrags über den Beschwerdeführer auf der Plattform der Beschwerdegegnerin (vgl. verfahrenseinleitende Eingabe vom 14. Februar 2019 sowie Verbesserung vom 21. Februar 2019).
Gemäß § 13 Abs. 8 zweiter Satz AVG darf durch die Antragsänderung die Sache ihrem Wesen nach nicht geändert und die sachliche und örtliche Zuständigkeit nicht berührt werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 26. Mai 2021, Ra 2019/04/0071, entschieden, dass dieser bei einer Änderung des Antrags im Rahmen des § 13 Abs. 8 AVG nur dann entscheiden darf, wenn das Wesen der Sache nicht verändert und zudem die Grenze des Beschwerdegegenstandes nicht überschritten wird (vgl. dazu auch Köhler , § 28 VwGVG, in: Köhler/Brandtner/Schmelz [Hrsg.], VwGVG Kommentar [2021] Rz. 41).
Die vom Beschwerdeführer in der Stellungnahme vom 13. Jänner 2021 vorgebrachten und mit seinem Beitrag verlinkten Artikel zu einzelnen Filmen, in welchen dieser mitgewirkt hat, sind nicht Beschwerdegegenstand dieses Verfahrens. Aus der verfahrenseinleitenden Eingabe geht eindeutig der Beschwerdegegenstand hervor.
D.3. Zur Anwendbarkeit der DSGVO und zur Zuständigkeit der Datenschutzbehörde
Bei der Beschwerdegegnerin handelt es sich um eine nicht gewinnorientierte Stiftung mit Sitz in den USA. Die USA sind als Drittstaat im europarechtlichen Kontext zu betrachten. Die Beschwerdegegnerin betreibt eine Online-Enzyklopädie, auf welcher personenbezogene Daten (Vor- und Nachname, Geburtsdatum, Werdegang, Filmographie) des Beschwerdeführers automatisiert verarbeitet werden. Zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung verfügt die Beschwerdegegnerin als Dachorganisation über 38 Vereine (von der Beschwerdegegnerin als Zweigvereine bezeichnet), wovon sich zumindest einer in Österreich befindet (vgl. Punkt 1 der Feststellungen).
Gemäß Art. 3 Abs. 2 lit. a DSGVO findet die DSGVO Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten von betroffenen Personen, die sich in der Europäischen Union befinden, durch einen nicht in der Union niedergelassenen Verantwortlichen, wenn die Datenverarbeitung im Zusammenhang damit steht, dass einer betroffenen Person in der Union Waren oder Dienstleistungen angeboten werden, unabhängig davon, ob von dieser betroffenen Person eine Zahlung zu leisten ist.
Die Beschwerdegegnerin selbst bietet den österreichischen Webseitenbesuchern durch ihre Online-Enzyklopädie Informationen über die unterschiedlichsten Themen an. Die (österreichischen) Nutzer gelangen über die Webseite der Beschwerdegegnerin zu den Informationen über den Beschwerdeführer, welche in deutscher Sprache aufbereitet sind. Der Begriff Dienstleistung wird in der DSGVO nicht näher erläutert, ist jedoch sehr weit auszulegen . Offenkundig ist, dass die Beschwerdegegnerin Informationsdienstleistungen anbietet und diese auch auf den österreichischen Markt ausgerichtet hat („Marktortprinzip“). Aus Art. 3 Abs. 2 lit. a zweiter Halbsatz DSGVO geht zudem ausdrücklich hervor, dass die Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit keine Rolle spielt (ein Suchmaschinenbetreiber verlangt für die Zurverfügungstellung von Informationen in der Regel auch vom Endkonsumenten keine entgeltliche Gegenleistung, vgl. Ernst in Paal / Pauly , DS-GVO Art. 3 Rz 17).
Nach Art. 3 Abs. 2 lit. a DSGVO muss die Datenverarbeitung mit einem Angebot von Waren oder Dienstleistungen „in der Union“ im Zusammenhang stehen. Auch wenn der Wortlaut nicht von „ausrichten“ spricht, wie es noch in der Vorversion des Vorschlags der Kommission („ directed to “) und eines früheren Entwurfsvorschlags des Parlaments („ aimed at “) gefordert wurde, ergibt sich aus ErwGr. 23 doch eindeutig, dass das Angebot im Sinne des Marktortprinzips auf in der Union aufhältige betroffene Personen ausgerichtet sein muss (vgl. Klar in Kommentar Kühling/Buchner 2017).
Der EuGH hält in der Rechtssache Pammer/Reederei Karl Schlüter GmbH Co und Hotel Alpenhof/Heller (verbundene Rechtssachen C-585/08 und C-144/09) fest, dass die einzelnen Komponenten immer gesamt zu betrachten und dass unter anderem die Endungen der Top-Level-Domain-Adresse, die Verwendung einer Sprache, der Sitz des Kundenkreises sowie die Erleichterung des Zugangs zur Webseite als wesentliche Faktoren zu berücksichtigen sind. Die sprachliche Gestaltung der Informationsdienstleistung kann gemäß ErwGr. 23 ein Indiz für das Anbieten für den europäischen (gegenständlich den österreichischen) Markt sein.
Die Beschwerdegegnerin verfügt in Summe – wie bereits oben ausgeführt – über 38 nationale Vereine, welche zum Teil ihren Sitz in der Europäischen Union haben (unter anderem in Österreich, Frankreich, Deutschland, Belgien und Schweden). Die einzelnen nationalen Webseiten leiten entweder direkt oder über einen Zwischenschritt auf die Homepage der Beschwerdegegnerin weiter. Aufgrund der Struktur und engen Verzweigung der Webseiten der nationalen Zweigvereine und jener der Beschwerdegegnerin liegt unstrittig eine Erleichterung des Zugangs vor.
Wird der Name des Beschwerdeführers auf der für den Marktort Österreich ausgerichteten Webseite „http://wikipedia.at“ eingegeben, welche ebenfalls mit der länderspezifischen Top-Level-Domainendung „.at“ ausgestattet ist, erfolgt eine automatische Weiterleitung auf https://de.wikipedia. org /wiki/Walter_A***. Es wird zwar von der Datenschutzbehörde nicht verkannt, dass die österreichische Seite auf die Organisation Wikimedia Oesterreich Gesellschaft zur Foerderung freien Wissens , bei der es sich um eine Zweigstelle in Form eines Vereins der Beschwerdegegnerin in Österreich handelt, registriert ist. Dies zeigt jedoch offenkundig die enge Verzahnung der (Zweig-) Vereine der Beschwerdegegnerin mit dieser selbst auf und auch das damit einhergehende Ziel, den österreichischen Nutzern den Zugang zu erleichtern. Aufgrund der automatischen Weiterleitung (nach der Eingabe eines Suchbegriffes) von „http://wikipedia. at “ zu https://de.wikipedia. org sind keine weiteren Zwischenschritte vom Webseitenbesucher zu setzen.
Hinzu kommt, dass der Beitrag über den Beschwerdeführer nur in zwei Sprachen (deutsch und ***isch) verfügbar ist. Somit ist die Informationsdienstleistung über den Beschwerdeführer offenkundig auf den deutschsprachigen Raum gerichtet, und nicht bloß auf den US-amerikanischen. Auch die Filmproduktionen, in denen der Beschwerdeführer mitgewirkt hat, sind mit einem Bezug zu Österreich gekennzeichnet.
Hervorzuheben ist, dass die Seite des Beschwerdeführers nicht in englischer Sprache abrufbar ist, welche die offizielle Amtssprache des Landes mit dem Hauptsitz der Beschwerdegegnerin ist. Somit werden Informationen spezifisch auf einzelne Länder bzw. Regionen aufbereitet.
Allein aus diesen Einzelpunkten geht in der Gesamtschau hervor, dass die Beschwerdegegnerin offensichtlich beabsichtigt, österreichische Nutzer für ihre Informationsdienstleistung zu gewinnen. Die Internetnutzer werden auch bewusst von der Webseite mit der „at.“ Domainendung (von einem national errichteten Verein der Beschwerdegegnerin) auf deren eigene Homepage weitergeleitet.
Der sachliche und räumliche Anwendungsbereich liegt vor und die DSGVO ist somit anwendbar.
D.4. Zur Verantwortlicheneigenschaft
Die Festlegung der datenschutzrechtlichen Rollenverteilung ist für das Beschwerdeverfahren nach § 24 DSG bzw. Art. 77 Abs. 1 DSGVO von entscheidender Bedeutung, zumal bestimmt wird, wer für die Einhaltung der jeweiligen Datenschutzbestimmungen verantwortlich ist.
Gemäß Art. 4 Z 7 DSGVO ist „Verantwortlicher“ die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet .
Wesentliches Kriterium ist die Entscheidungskomponente. Die Rolle des Verantwortlichen ergibt sich somit in erster Linie aus dem Faktum, dass eine bestimmte Stelle entschieden hat, personenbezogene Daten für ihre eigenen Zwecke zu verarbeiten. Der „Zweck“ beschreibt dabei ein erwartetes Ergebnis, während die „Mittel“ die Art und Weise festlegen, wie das erwartete Ergebnis erreicht werden soll (vgl. Art. 29-Datenschutzgruppe, Stellungnahme 1/2010 zu den Begriffen „für die Verarbeitung Verantwortlicher“ und „Auftragsverarbeiter“, WP 169, noch in Bezug auf Art. 2 lit. d der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG).
Entscheidend für die Zuweisung der Verantwortlichkeit ist daher, wer über die wesentlichen Aspekte der Mittel der Verarbeitung entscheidet. Für die Zuschreibung der Verantwortlicheneigenschaft ist es nicht erforderlich, dass der Verantwortliche selbst Daten verarbeitet, sich im Besitz der verarbeiteten Daten befindet oder über die physische Herrschaft verfügt. Trifft er die Entscheidung, dass Daten zu verarbeiten sind, sind ihm sämtliche Personen und Stellen funktional zuzurechnen, die unter seiner Aufsicht bzw. Anweisung Schritte einer Datenverarbeitung vornehmen (Hilfsorgane).
Gegenständlich bringt die Beschwerdegegnerin in der Stellungnahme vom 28. April 2021 vor, dass sie nicht die Verantwortliche bezüglich der Inhalte sei.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Beschwerdegegnerin in derselben Stellungnahme vorbringt, dass sie für die Beschaffung von Geldern, Kontrolle der Server, Entwicklung der Software sowie Öffentlichkeitsarbeit zur Unterstützung aller ihrer Projekte – denklogisch dadurch auch für ihre Webseite – zuständig ist sowie in jenen Fällen unmittelbar eingreife, wo schnelles Handeln erforderlich ist, dh. in Fällen von Urheberrechtsverletzungen, Kindesschutz, Sperrung von IP-Adressen bzw. wenn die Sicherheit von Personen gefährdet ist, und ebenfalls in jenen Konflikten vermittle, wo die Gemeinschaft (bestehend aus Nutzern und Administratoren) auf der Plattform selbst keine Lösung findet. Von der Gemeinschaft der Nutzer werden Administratoren gewählt. Diesen kommen – wie unter Punkt 2 der Feststellungen ausgeführt – normale (Verfassen, Korrigieren, Ergänzen und Löschen von Beiträgen) und erweiterte Rechte (Löschungs- und Absicherungsrecht von nicht relevanten Beiträgen, Sperren von Nutzern) zu. Die Administratoren und auch die sonstigen Mitwirkenden (restlichen Nutzer) stehen in keinem Dienstverhältnis oder sonstigen vertraglichen Beziehung zur Beschwerdegegnerin.
Daher ist die Beschwerdegegnerin insbesondere vor dem Hintergrund der Administratoren, die ebenfalls über die Zwecke und Mittel entscheiden, zumindest als gemeinsame datenschutzrechtliche Verantwortliche nach Art. 4 Z 7 DSGVO zu qualifizieren.
D.5. Anwendbarkeit des Medienprivilegs
Zum Vorbringen der Unzuständigkeit der Datenschutzbehörde in der Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vom 4. Oktober 2021 ist zunächst allgemein darauf hinzuweisen, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 DSG Rechtsschutz ausschließlich im Wege der ordentlichen Gerichte nach dem MedienG möglich und keine Zuständigkeit der Datenschutzbehörde gegeben ist.
Die nationale Regelung in § 9 DSG knüpft an Art. 85 DSGVO, einer Grundsatzbestimmung samt Öffnungsklausel, an (vgl. Suda/Veigl in Gantschacher/Jelinek/Schmidl/Spanberger , Datenschutzgesetz 1 § 9 Rz. 1, noch mit Bezug auf § 9 DSG idF BGBl. I Nr. 165/1999 idF BGBl. I Nr. 120/2017 [Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018]).
Art. 85 DSGVO regelt die Verarbeitung und Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und normiert in Abs. 1, dass „auf die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes im Sinne des Mediengesetzes – MedienG, BGBl Nr 314/1981, zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes (…)‘‘ die Bestimmungen des DSG sowie näher genannte Kapitel der DSGVO keine Anwendung finden.
Nach ständiger Spruchpraxis der Datenschutzbehörde müssen für die Anwendung des Medienprivilegs zwei Voraussetzungen kumulativ vorliegen : Erstens muss eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes im Sinne des Mediengesetzes vorliegen und zweitens hat diese Verarbeitung zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes zu erfolgen (vgl. dazu ua. den Bescheid vom 2. Dezember 2019, GZ: DSB-D124.352/0003-DSB/2019, sowie vom 18. Dezember 2019, GZ: DSB-D123.768/0004-DSB/2019).
Es ist daher davon auszugehen, dass nur bei Vorliegen der beiden Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 DSG Rechtsschutz ausschließlich im Wege der ordentlichen Gerichte nach MedienG möglich ist und keine Zuständigkeit der Datenschutzbehörde besteht (vgl. den Bescheid der DSB vom 13. August 2018, GZ: DSB-D123.077/0003-DSB/2018).
In allen anderen Fällen ist die Datenschutzbehörde zur inhaltlichen Behandlung zuständig, hat jedoch im Rahmen der Abwägung das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art. 11 EU-GRC bzw. Art. 10 EMRK zu berücksichtigen.
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 MedienG wird unter einem „Medium“ jedes Mittel zur Verbreitung von Mitteilungen oder Darbietungen mit gedanklichem Inhalt in Wort, Schrift, Ton oder Bild an einen größeren Personenkreis im Wege der Massenherstellung oder der Massenverbreitung verstanden.
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 6 MedienG ist ein „Medienunternehmen“ ein Unternehmen, in dem die inhaltliche Gestaltung des Mediums besorgt wird sowie seine Herstellung und Verbreitung (Z 1 leg. cit.) oder seine Ausstrahlung oder Abrufbarkeit (Z 2 leg. cit.) entweder besorgt oder veranlasst werden.
Gemäß § 1 Abs. 1 Z 11 MedienG ist ein „Medienmitarbeiter“ ein Mitarbeiter, der in einem Medienunternehmen oder Mediendienst an der inhaltlichen Gestaltung eines Mediums oder Mitteilungen des Mediendienstes journalistisch mitwirkt, sofern er als Angestellter des Medienunternehmens oder Mediendienstes oder als freier Mitarbeiter diese journalistische Tätigkeit ständig und nicht bloß als wirtschaftlich unbedeutende Nebenbeschäftigung ausübt.
Der OGH führt in seiner ständigen Rechtsprechung unter anderem in seiner Entscheidung zu 6 Ob 6/14x vom 15. Dezember 2014 aus, dass ein Medienunternehmer im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 6 MedienG erst dann ein Medienunternehmer wird, wenn dieser über den Zweck der bloß privaten Verbreitung von Inhalten hinaus ein Unternehmen – mit einem Mindestmaß an unternehmerischen Strukturen – betreibt, dessen Unternehmenszweck die inhaltliche Gestaltung der Website ist, die von einer Redaktion und einer Vielzahl Angestellter beziehungsweise freier Medienmitarbeiter vorgenommen wird (vgl. RIS-Justiz RS01298 und Noll in Berka/Höhne/Noll , Mediengesetz³ [2012] § 1 Rz 25, 48).
Wie unter Punkt 2 der Feststellungen ausgeführt, verfügt die Beschwerdegegnerin weder über einen Chefredakteur, einen Redaktionsausschuss, eine Verwaltungsstelle noch über eine ähnliche Einrichtung. Ebenso wenig werden von der Beschwerdegegnerin die Inhalte auf der Webseite „www.wikipedia.org“ geprüft, kontrolliert oder entschieden, welche Beiträge der Nutzer veröffentlicht werden oder nicht. Dies geschieht allein durch die Nutzer der Webseite selbst. Nur in den wenigen auftretenden Fällen von „ Office-Actions “, wo der „ normale Communitybearbeitungsprozess ‘“ aufgrund des erforderlichen raschen Handelns nicht zur Anwendung gelangen kann, schreitet die Beschwerdegegnerin selbst ein. Es handelt sich hierbei um Ausnahmefälle, die den Kindesschutz, Urheberrechtsfälle oder derart eskalierende Streitigkeiten betreffen, welche die Gemeinschaft der Nutzer nicht selbst lösen kann.
Letztgenanntes ist auch beschwerdegegenständlich der Fall.
Der Beschwerdegegenstand konnte innerhalb der „Community“ nicht gelöst werden und ist vom Beschwerdeführer aus diesem Grund eine Beschwerde direkt gegen die Beschwerdegegnerin eingebracht worden. Im Vorfeld ist von dieser weder der Inhalt des Beitrages recherchiert noch aufbereitet worden. Dies ist alles durch den Beschwerdeführer bzw. andere Nutzer geschehen.
Aus dem Bisherigen ergibt sich, dass eine redaktionelle Tätigkeit von der Beschwerdegegnerin nicht durchgeführt wird. Einerseits, weil die entsprechenden Strukturen – wie von der Beschwerdegegnerin selbst in ihrer Stellungnahme vom 28. April 2021 vorgebracht worden ist – nicht vorhanden sind (kein Chefredakteur, Redaktionsausschuss oder ähnliches) und andererseits auch – abgesehen von wenigen Ausnahmefällen von eingetretenen Office-Actions – die Beiträge von den Nutzern der Webseite selbst erstellt, überarbeitet und auch gelöscht werden. Somit wird grundsätzlich weder der Inhalt von der Beschwerdegegnerin verfasst noch von dieser kontrolliert. Die einzelnen Beiträge der Webseiten werden von den Nutzern, wie von der Beschwerdegegnerin ausführlich über den gesamten Verfahrensgang vorgebracht, welche sich überdies in keinem vertraglichen oder dienstlichen Verhältnis zur Beschwerdegegnerin befinden, erstellt, abgeändert bzw. gelöscht. Es handelt sich hierbei weder um Angestellte, noch freie Mitarbeiter der Beschwerdegegnerin. Die Community bildet ein eigenes „Ökosystem“, in welches die Beschwerdegegnerin grundsätzlich – außer in den oben genannten Ausnahmefällen – nicht eingreift. Eine redaktionelle Bearbeitung oder Endabnahme der einzelnen veröffentlichten Artikel wird grundsätzlich von der Beschwerdegegnerin selbst oder von dieser zuzurechnenden Person zu keinem Zeitpunkt vorgenommen.
Nachdem derjenige als Medieninhaber verstanden wird, welchem die inhaltliche und redaktionelle Letztverantwortung für die über das Netz verbreiteten Inhalte obliegt (vgl. OGH 4 Ob 226/05x vom 24. Jänner 2006), ist gegenständlich auszuführen, dass die Beschwerdegegnerin nicht an der inhaltlichen Gestaltung beteiligt ist, wodurch es dieser somit an der elementaren Qualifikation fehlt, um als Medieninhaber qualifiziert zu werden. Auch für eine Haftung im Rahmen des Mediengesetztes bedarf es dieser gegenständlich nicht vorliegenden Qualifikation. Das gilt auch für den elektronischen Bereich ( Litzka/Strebinger , MedienG 5 § 1 Rz 17 mwN).
Zusammengefasst ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren, dass die Beschwerdegegnerin nur die finanziellen, technischen und strukturellen Voraussetzungen für die Nutzer zur Verfügung stellt, sich jedoch nicht an der inhaltlichen Gestaltung der Enzyklopädie, welche über zwei Millionen Artikel zu den unterschiedlichsten Themen in deutscher Sprache umfasst, beteiligt.
Somit ist die erste Voraussetzung des § 9 Abs. 1 DSG („ die Verarbeitung von personenbezogenen Daten durch Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes im Sinne des Mediengesetzes“) nicht gegeben und kann dahingestellt bleiben, ob die zweite Voraussetzung vorliegt.
Im Ergebnis gelangt § 9 Abs. 1 DSG nicht zur Anwendung . Folglich ist eine Zuständigkeit der Datenschutzbehörde zur Behandlung der Beschwerde gegeben (vgl. dazu auch den Bescheid vom 18. Dezember 2019, GZ: DSB-D123.768/0004-DSB/2019).
D.6. Einhaltung der Grundsätze der Datenverarbeitung
Bei der Verarbeitung von personenbezogenen Daten sind alle in Art. 5 DSGVO genannten Grundsätze der Datenverarbeitung einzuhalten. Gegenständlich moniert der Beschwerdeführer, dass die eingetragenen Daten nicht der sachlichen Richtigkeit entsprechen bzw. sich nicht auf dem neuesten Stand befinden (vgl. Art. 5 Abs. 1 lit. d DSGVO). Der Grundsatz der Richtigkeit verpflichtet den Verantwortlichen, dafür Sorge zu tragen, dass die Daten zum einen sachlich richtig, zum anderen erforderlichenfalls auf dem neuesten Stand sind. In Bezug auf die sachliche Richtigkeit können nur Tatsachenangaben angewendet werden und keine Werturteile. Die angegebenen personenbezogenen Daten des Beschwerdeführers im Hinblick auf seinen Namen, Geburtsdatum, Familienstand, künstlerische Erwerbstätigkeit (Filmemacher, Regisseur, Kameramann und Autor) sowie Werdegang entsprechen der Richtigkeit und sind von diesem im Rahmen des Ermittlungsverfahrens auch nicht bestritten worden.
Hinsichtlich der angegebenen Werke ist von diesem in seinen Stellungnahmen vom 13. Jänner 2021 sowie 9. April 2021 vorgebracht worden, dass die angeführten Titel nicht richtig und zudem die neuesten Werke nicht eingetragen worden seien. Festzuhalten ist, dass die angegebenen Titel der Richtigkeit entsprechen, jedoch der fiktive Name des Hauptdarstellers [Anmerkung Bearbeiter/in: gemeint wohl: der Hauptfigur] als Zusatz angegeben worden ist. Dies dient offenkundig dem Zweck, um dem jeweiligen Webseitenbenutzer die Entscheidungsmöglichkeit zu geben, entweder auf den Filmtitel oder auf den Namen des fiktiven Filmcharakters zu klicken. Hierdurch wird dieser zu zwei unterschiedlichen Einträgen weitergeleitet, zum einen zum Filmeintrag, in dem auch der Originalfilmtitel ( https://de.wikipedia.org/wiki/J***(Film)) angeführt wird, zum anderen zum Eintrag über den fiktiven Filmcharakter (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/N*** ). Somit kann gegenständlich keine Unrichtigkeit festgestellt werden. Es handelt sich hierbei um den Strukturaufbau der Webseite, um dem jeweiligen Nutzer mehr Informationen zur Verfügung zu stellen. Im Ergebnis finden sind auch keine Daten wieder, die sich als falsch, unwahr, unzutreffend oder verfälschend qualifizieren lassen.
Im Hinblick auf das Vorbringen des Beschwerdeführers bezüglich der Unvollständigkeit seines Beitrages ist auszuführen, dass hierbei auf den Gesamtkontext unter Berücksichtigung aller Umstände abzustellen ist. Dabei ist auf den konkreten Verarbeitungskontext Rücksicht zu nehmen. Die Rechtspflicht des Verantwortlichen zur Vervollständigung besteht nur in jenen Fällen, in denen die hinzugefügten Informationen für den Verarbeitungsprozess tatsächlich relevant sind, um die objektive Richtigkeit der Daten zu gewährleisten.
Der gegenständliche Zweck ist, allgemeine Informationen über den Beschwerdeführer, welche den internen Relevanzkriterien entsprechen, für die Nutzer der Webseite der Beschwerdegegnerin aufzubereiten. Darunter ist jedoch nicht zu verstehen, dass sämtliche Werke, in denen der Beschwerdeführer mitgewirkt hat, abschließend aufzuzählen sind, sondern genügt hierfür lediglich ein Überblick der Filmographie, um dem Verarbeitungszweck ausreichend nachzukommen. Auch ergibt sich kein unzutreffendes Bild über den Beschwerdeführer, welches durch Hinzufügen weiterer Daten korrigiert werden müsste (vgl. Herbst in DS-GVO Kommentar Kühling Buchner 2017). Überdies ist auch im Eintrag selbst angemerkt, dass es sich bei der Filmographie nur um eine Auswahl handelt (vgl. Punkt 4 der Feststellungen).
Somit ist gegenständlich auch nicht gegen den Verarbeitungszweck im Sinne des Art. 5 Abs. 1 lit. d DSGVO verstoßen worden.
D.7. Recht auf Löschung
D.7.1. Allgemeines
Verfahrensgegenständlich monierte der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Löschung gemäß Art. 17 DSGVO verletzt zu sein.
Gemäß Art. 17 DSGVO hat eine betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen die unverzügliche Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten zu verlangen, sofern eine der in Abs. 1 genannten Voraussetzungen erfüllt ist.
Das Recht auf Löschung gemäß Art. 17 Abs. 1 DSGVO besteht allerdings gemäß Art. 17 Abs. 3 lit. a DSGVO dann nicht, soweit die Verarbeitung zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist. Der Zweck dieser Ausnahme besteht darin, zu verhindern, dass die freie Meinungsäußerung und Information , die eine essentielle Grundlage der Demokratie bilden, unter Berufung auf den Datenschutz ausgehebelt werden (vgl. Koreng/Feldmann ZG 2012, 311). Die Ausnahmeregelung ist nicht allein auf den Bereich des Journalismus bzw. „professioneller“ Medien beschränkt, sondern umfasst auch Meinungsäußerungen im nicht-professionellen Bereich, etwa von (Gelegenheits-)Bloggern oder in sozialen Medien. Eine Regelung, die der Meinungs- und Informationsfreiheit einen absoluten Vorrang gegenüber dem Grundrecht auf Datenschutz einräumen würde, gibt es nicht und wäre auch nicht mit der Grundrechtecharta vereinbar. Die beteiligten Rechte sind also in ihrer jeweiligen Bedeutung und nach dem jeweiligen Grad ihrer Gefährdung gegeneinander abzuwägen. Eine solche Abwägung sieht im Übrigen auch die Öffnungsklausel des Art. 85 DSGVO für die nationalen Gesetzgeber vor. Es hat daher in weiterer Folge im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO eine Bewertung der berechtigten Interessen der Beschwerdegegnerin (als Informationsdienstleister) und Dritter (der Allgemeinheit, welche den Informationsdienst in Anspruch nimmt) zu erfolgen und sind diese mit den Interessen sowie möglichen Folgen für den Beschwerdeführer, die sich durch die gegenständliche Verarbeitung ergeben, abzuwägen.
In die Abwägung einzubeziehen sind auf der Seite des Betroffenen seine durch Art. 7 und 8 EU-GRC sowie Art. 8 EMRK gewährleisteten Grundrechte auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie auf Schutz personenbezogener Daten und auf der Seite des Verantwortlichen oder Dritter das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung bzw. auf freie Information gemäß Art. 11 Abs. 1 EU-GRC sowie Art. 10 Abs. 1 EMRK.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) und in weiterer Folge der EuGH haben in ihrer Rechtsprechung für die Zwecke der Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens und dem Recht auf freie Meinungsäußerung eine Reihe relevanter Kriterien entwickelt (vgl. hierzu etwa das Urteil des EGMR vom 7. Februar 2012, 39954/08 [ Axel Springer gg Deutschland ] oder das Urteil des EuGH vom 14. Februar 2019, C-345/17 [ Buivids ]). Entsprechend hierzu sind in eine solche Abwägung folgende Kriterien einzubeziehen:
- Die Rolle der betroffenen Person im öffentlichen Leben und das Informationsinteresse der Öffentlichkeit ;
- die sachliche Richtigkeit der veröffentlichten Informationen ;
- der Zweck und der Kontext der Veröffentlichung;
- die Art der betroffenen Information, insbesondere ihre Sensitivität für das Privatleben des Betroffenen, und die Wahrscheinlichkeit oder der tatsächliche Eintritt eines materiellen bzw. immateriellen Schadens durch die Datenverarbeitung; sowie
- die seit der Veröffentlichung der Daten vergangene Zeit.
Eine Gewichtung dieser Kriterien ist einzelfallbezogen vorzunehmen und hängt von den jeweiligen Umständen des jeweiligen Sachverhalts ab.
Daher ist in weiterer Folge eine Abwägung der berechtigten Interessen der Beschwerdegegnerin und Dritter (der Allgemeinheit, welche in der Enzyklopädie der Beschwerdegegnerin nachliest) einerseits und der Interessen des Beschwerdeführers andererseits vorzunehmen.
Das Interesse der Beschwerdegegnerin liegt darin, eine Online-Enzyklopädie zu betreiben, welche Informationsdienstleistungen der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Das Interesse der Allgemeinheit besteht darin, diese unentgeltlich angebotene Informationsdienstleistung in Anspruch zu nehmen (vgl. den Bescheid der DSB vom 15. Jänner 2019, GZ: DSB-D123.527/0004-DSB/2018, wonach das in Art. 11 EU-GRC verankerte Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit) festgeschrieben ist.
Demgegenüber steht das Interesse des Beschwerdeführers, dass seine Daten auf der Webseite der Beschwerdegegnerin gelöscht werden.
Die Datenschutzbehörde merkt gegenständlich an, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt, welcher einer breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Ein Indiz für „Öffentlichkeit“ ist es, wenn Informationen zur öffentlichen Rolle und zu den Aktivitäten einer Person gefunden werden können. Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass eine Person des öffentlichen Lebens eine natürliche Person ist, über die aufgrund ihrer Funktionen bzw. ihrer Verpflichtungen in den Medien berichtet wird (vgl. Art-29-Datenschutzgruppe , Leitlinien für die Umsetzung des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union in der Sache C-131/12, WP 225, S. 16). So hat auch das Bundesverwaltungsgericht bereits ausgeführt, dass Personen, über die aufgrund ihrer Funktion/Verpflichtungen medial berichtet wird, als Personen des öffentlichen Lebens zu werten sind (Erkenntnis vom 20. Mai 2021, GZ W214 2232956 1 mwN).
Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen Filmemacher, Regisseur, Kameramann und Autor (vgl. Punkt 1 der Feststellungen). Unstrittig erfüllt dieser daher die Qualifikation für eine Person des öffentlichen Lebens.
Wie bereits unter D.6. der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, handelt es sich hierbei auch um keine Daten, welche sich als falsch, unwahr, unzutreffend oder verfälschend qualifizieren lassen.
Alle auf der Webseite der Beschwerdegegnerin veröffentlichten Informationen über den Beschwerdeführer sind online auf diversen anderen Internetwebseiten, unter anderem auch auf jener des Beschwerdeführers selbst, für jedermann verfügbar. Ebenfalls berichtet der österreichische Rundfunk über den Beschwerdeführer (vgl. Punkt 7 der Feststellungen).
Die Intensität des Eingriffs ist aufgrund der Art und der Offenlegung der gegenständlichen Informationen vom Beschwerdeführer durch die Beschwerdegegnerin als gering einzustufen.
D.7.2. Ergebnis
Vor dem Hintergrund all dieser Überlegungen kommt die Datenschutzbehörde zu dem Ergebnis, dass die berechtigten Interessen der Allgemeinheit gemäß Art. 11 EU-GRC am Informationszugang gegenüber den dargelegten Beeinträchtigungen der berechtigten Interessen des Beschwerdeführers überwiegen.
Der Tatbestand des Art. 17 Abs. 3 lit. a DSGVO ist daher erfüllt, weshalb die Beschwerdegegnerin dem Antrag des Beschwerdeführers zu Recht nicht entsprochen hat.
Demzufolge liegt keine Verletzung im Recht auf Löschung vor, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.