JudikaturVwGH

Ra 2022/04/0049 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
29. Januar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak, den Hofrat Dr. Mayr, die Hofrätin Mag. Hainz Sator und die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, über die Revision der Datenschutzbehörde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. März 2022, Zl. W245 2244313 1/8E, betreffend eine datenschutzrechtliche Angelegenheit (weitere Partei: Bundesministerin für Justiz; mitbeteiligte Partei: Mag. T S in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

1 1. Der Mitbeteiligte erhob mit Schreiben vom 8. Dezember 2019 eine Datenschutzbeschwerde.

2 2. Mit Bescheid vom 23. April 2021 lehnte die Revisionswerberin (im Folgenden: belangte Behörde) die Behandlung der Beschwerde gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO ab.

3 Begründend führte sie zusammengefasst aus, der Mitbeteiligte habe mit seiner Datenschutzbeschwerde in erster Linie eine „Richtigstellung“ der im Rahmen des Verfahrens zu 24 Cg 51/16x 17 vor dem Landesgericht St. Pölten vom Beschwerdegegner erstatteten Stellungnahme vom 25. Jänner 2018 begehrt. Das Vorbringen des Mitbeteiligten gehe zusammengefasst dahin, dass die bezeichnete Stellungnahme „in hohem Ausmaß falsch, gelogen und betrügerisch“ sei und bestimmt bezeichnete Ausführungen durch jüngere Gutachten widerlegt seien. In den drei Jahren vor Erlassung der verfahrensgegenständlichen Entscheidung habe der Mitbeteiligte insgesamt 29 Beschwerden eingebracht, welche zum Großteil die sachverständige Einschätzung des Gesundheitszustandes des Mitbeteiligten im Rahmen von behördlichen sowie gerichtlichen Verfahren beträfen. Vor dem Hintergrund der Gesamtanzahl der insgesamt bisher eingebrachten Beschwerden sowie des vom Mitbeteiligten wiederholt dargelegten „Kerns“ der Beschwerdeführung sei im vorliegenden Fall sowohl das Kriterium der „offenkundigen Unbegründetheit“ als auch jenes der „Exzessivität“ im Sinne des Art. 57 Abs. 4 DSGVO erfüllt.

4 3.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, hob den Bescheid der belangten Behörde ersatzlos auf und trug dieser die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von den gebrauchten Gründen auf.

5 Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

6 Das Verwaltungsgericht begründete sein Erkenntnis zusammengefasst damit, dass der Bescheid der belangten Behörde eine offenkundige Unbegründetheit oder eine Exzessivität der Antragstellung durch den Mitbeteiligten nicht dartue, auch wenn der belangten Behörde zuzugestehen sei, dass der Mitbeteiligte eine nicht unerhebliche Anzahl von Anbringen an sie gerichtet habe.

7 Zum Begriff der offenkundigen Unbegründetheit führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, diese sei regelmäßig nur dann gegeben, wenn die Datenschutzbeschwerde gar keinen Bezug zu datenschutzrechtlichen Fragstellungen bzw. Verstößen aufweise. Die Revisionswerberin gehe davon aus, dass verfahrensgegenständlich ein offenkundig unbegründeter Antrag des Mitbeteiligten vorliege, weil letzterer die „Richtigstellung“ bestimmter Passagen in dem von ihm bezeichneten Gutachten verlange. Indem die belangte Behörde anführe, dass ein Gutachten aus datenschutzrechtlicher Sicht dann „richtig sei, wenn die fachlichen Einschätzungen des Gutachters korrekt wiedergegeben würden“, nehme diese bereits eine inhaltliche Bewertung des Antrages vor. Dies setze eine gültige Eingabe voraus, weshalb eine offenkundige Unbegründetheit einer Anfrage gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO nicht angenommen werden könne. Dem bekämpften Bescheid seien keine Ausführungen zu entnehmen, die eine offenkundige Unbegründetheit im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung begründen würden.

8 Exzessivität einer Beschwerdeführung könne nur angenommen werden, wenn diese ohne berechtigten Grund erfolge. Ein Antrag sei nicht schon deshalb exzessiv, weil er einen hohen Bearbeitungsaufwand auslöse. Da eine Weigerung nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig sein solle, müssten die betreffenden Anträge dahingehend geprüft werden, ob die Antragstellung offensichtlich schikanös bzw. rechtsmissbräuchlich erfolge, was eine nachvollziehbare Auseinandersetzung mit den einzelnen Anträgen erforderlich mache, um willkürliches Vorgehen zu vermeiden. Die Begründung der belangten Behörde erweise sich in diesem Zusammenhang als nicht nachvollziehbar, insbesondere weil die Exzessivität nicht nur von der hohen Anzahl der Anfragen, sondern auch vom schikanösen und rechtsmissbräuchlichen Charakter der Anträge abhänge. Im Übrigen sei nicht klar, wie viele der Verfahren vor der belangten Behörde bereits beendet worden seien. Diese Verfahren könnten zu einer Exzessivität im Sinne des Art. 57 Abs. 4 DSGVO nicht beitragen. Auch der Begründung, dass es sich bei „einem Gutteil“ der eingebrachten Anträge um die Einschätzung des Gesundheitszustandes des Mitbeteiligten handle, sei nicht zu entnehmen, wie viele Verfahren von diesem Thema betroffen seien. Ferner verweise die belangte Behörde zu Unrecht auf weitere Bescheidbeschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht, da der Revisionswerberin ab Aktenvorlage nur mehr die Rolle einer Verfahrenspartei zukomme, sodass diesbezüglich eine maßgebliche Belastung der Revisionswerberin nicht mehr vorliege.

9 Art. 57 Abs. 4 DSGVO sei ein Vorrang der Handlungsalternative betreffend die Vorschreibung einer angemessenen Gebühr nicht zu entnehmen. Die belangte Behörde habe die Handlungsalternative „Weigerung“ herangezogen, ohne dies schlüssig zu begründen. Insgesamt seien die Ausführungen der belangten Behörde nicht geeignet gewesen, ihre Weigerung, die Beschwerde des Mitbeteiligten zu behandeln, zu begründen.

10 3.2. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der belangten Behörde. Der Mitbeteiligte erstattete eine Stellungnahme zur Revision.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision bringt im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung unter anderem vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu den Voraussetzungen des Art. 57 Abs. 4 DSGVO, insbesondere sei unklar, ob zur Erfüllung des Tatbestandes der „Exzessivität“ zusätzlich zur Anzahl der eingebrachten Anträge ein weiteres Element etwa eine Missbrauchsabsicht hinzutreten müsse. Ferner bedürfe es der Klärung, ob der Tatbestand der „offenkundigen Unbegründetheit“ nur dann vorliege, wenn die entsprechende Eingabe gar keinen Bezug zu einer datenschutzrechtlichen Fragestellung aufweise.

Die Revision ist schon aufgrund dieses Vorbringens zulässig.

12 4.1. Die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz Grundverordnung) samt Erwägungsgründen lautet auszugsweise:

„...

(10) Um ein gleichmäßiges und hohes Datenschutzniveau für natürliche Personen zu gewährleisten und die Hemmnisse für den Verkehr personenbezogener Daten in der Union zu beseitigen, sollte das Schutzniveau für die Rechte und Freiheiten von natürlichen Personen bei der Verarbeitung dieser Daten in allen Mitgliedstaaten gleichwertig sein. Die Vorschriften zum Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten von natürlichen Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sollten unionsweit gleichmäßig und einheitlich angewandt werden. ...

(11) Ein unionsweiter wirksamer Schutz personenbezogener Daten erfordert die Stärkung und präzise Festlegung der Rechte der betroffenen Personen sowie eine Verschärfung der Verpflichtungen für diejenigen, die personenbezogene Daten verarbeiten und darüber entscheiden ...

...

(59) Es sollten Modalitäten festgelegt werden, die einer betroffenen Person die Ausübung der Rechte, die ihr nach dieser Verordnung zustehen, erleichtern, darunter auch Mechanismen, die dafür sorgen, dass sie unentgeltlich insbesondere Zugang zu personenbezogenen Daten und deren Berichtigung oder Löschung beantragen und gegebenenfalls erhalten oder von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch machen kann. ...

...

(63) Eine betroffene Person sollte ein Auskunftsrecht hinsichtlich der sie betreffenden personenbezogenen Daten, die erhoben worden sind, besitzen und dieses Recht problemlos und in angemessenen Abständen wahrnehmen können, um sich der Verarbeitung bewusst zu sein und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können. ... Verarbeitet der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person, so sollte er verlangen können, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Information oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor er ihr Auskunft erteilt.

...

(129) ... Die Befugnisse der Aufsichtsbehörden sollten in Übereinstimmung mit den geeigneten Verfahrensgarantien nach dem Unionsrecht und dem Recht der Mitgliedstaaten unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist ausgeübt werden. Insbesondere sollte jede Maßnahme im Hinblick auf die Gewährleistung der Einhaltung dieser Verordnung geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sein, das Recht einer jeden Person, gehört zu werden, bevor eine individuelle Maßnahme getroffen wird, die nachteilige Auswirkungen auf diese Person hätte, zu achten ist und überflüssige Kosten und übermäßige Unannehmlichkeiten für die Betroffenen zu vermeiden sind. ...

...

Artikel 12

Transparente Information, Kommunikation und Modalitäten für die Ausübung der Rechte der betroffenen Person

...

(2) Der Verantwortliche erleichtert der betroffenen Person die Ausübung ihrer Rechte gemäß den Artikeln 15 bis 22. In den in Artikel 11 Absatz 2 genannten Fällen darf sich der Verantwortliche nur dann weigern, aufgrund des Antrags der betroffenen Person auf Wahrnehmung ihrer Rechte gemäß den Artikeln 15 bis 22 tätig zu werden, wenn er glaubhaft macht, dass er nicht in der Lage ist, die betroffene Person zu identifizieren.

...

(5) Informationen gemäß den Artikeln 13 und 14 sowie alle Mitteilungen und Maßnahmen gemäß den Artikeln 15 bis 22 und Artikel 34 werden unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Bei offenkundig unbegründeten oder insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung exzessiven Anträgen einer betroffenen Person kann der Verantwortliche entweder

a) ein angemessenes Entgelt verlangen, bei dem die Verwaltungskosten für die Unterrichtung oder die Mitteilung oder die Durchführung der beantragten Maßnahme berücksichtigt werden, oder

b) sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden.

Der Verantwortliche hat den Nachweis für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags zu erbringen.

...

Artikel 16

Recht auf Berichtigung

Die betroffene Person hat das Recht, vom Verantwortlichen unverzüglich die Berichtigung sie betreffender unrichtiger personenbezogener Daten zu verlangen. Unter Berücksichtigung der Zwecke der Verarbeitung hat die betroffene Person das Recht, die Vervollständigung unvollständiger personenbezogener Daten - auch mittels einer ergänzenden Erklärung - zu verlangen.

...

Artikel 52

Unabhängigkeit

...

(4) Jeder Mitgliedstaat stellt sicher, dass jede Aufsichtsbehörde mit den personellen, technischen und finanziellen Ressourcen, Räumlichkeiten und Infrastrukturen ausgestattet wird, die sie benötigt, um ihre Aufgaben und Befugnisse auch im Rahmen der Amtshilfe, Zusammenarbeit und Mitwirkung im Ausschuss effektiv wahrnehmen zu können.

...

Artikel 57

Aufgaben

(1) Unbeschadet anderer in dieser Verordnung dargelegter Aufgaben muss jede Aufsichtsbehörde in ihrem Hoheitsgebiet

a) die Anwendung dieser Verordnung überwachen und durchsetzen;

...

e) auf Anfrage jeder betroffenen Person Informationen über die Ausübung ihrer Rechte aufgrund dieser Verordnung zur Verfügung stellen und gegebenenfalls zu diesem Zweck mit den Aufsichtsbehörden in anderen Mitgliedstaaten zusammenarbeiten;

f) sich mit Beschwerden einer betroffenen Person oder Beschwerden einer Stelle, einer Organisation oder eines Verbandes gemäß Artikel 80 befassen, den Gegenstand der Beschwerde in angemessenem Umfang untersuchen und den Beschwerdeführer innerhalb einer angemessenen Frist über den Fortgang und das Ergebnis der Untersuchung unterrichten, insbesondere, wenn eine weitere Untersuchung oder Koordinierung mit einer anderen Aufsichtsbehörde notwendig ist;

...

(2) Jede Aufsichtsbehörde erleichtert das Einreichen von in Absatz 1 Buchstabe f genannten Beschwerden durch Maßnahmen wie etwa die Bereitstellung eines Beschwerdeformulars, das auch elektronisch ausgefüllt werden kann, ohne dass andere Kommunikationsmittel ausgeschlossen werden.

(3) Die Erfüllung der Aufgaben jeder Aufsichtsbehörde ist für die betroffene Person und gegebenenfalls für den Datenschutzbeauftragten unentgeltlich.

(4) Bei offenkundig unbegründeten oder insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung exzessiven Anfragen kann die Aufsichtsbehörde eine angemessene Gebühr auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen oder sich weigern, aufgrund der Anfrage tätig zu werden. In diesem Fall trägt die Aufsichtsbehörde die Beweislast für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter der Anfrage.

...

Artikel 77

Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde

(1) Jede betroffene Person hat unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde, insbesondere in dem Mitgliedstaat ihres Aufenthaltsorts, ihres Arbeitsplatzes oder des Orts des mutmaßlichen Verstoßes, wenn die betroffene Person der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen diese Verordnung verstößt.

...“

13 § 24 des Bundesgesetzes zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten (Datenschutzgesetz DSG), BGBl. I Nr. 165/1999 in der Fassung BGBl. I Nr. 120/2017, lautet auszugsweise:

„Beschwerde an die Datenschutzbehörde

§ 24. (1) Jede betroffene Person hat das Recht auf Beschwerde bei der Datenschutzbehörde, wenn sie der Ansicht ist, dass die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten gegen die DSGVO oder gegen § 1 oder Artikel 2 1. Hauptstück verstößt.

...

(5) Soweit sich eine Beschwerde als berechtigt erweist, ist ihr Folge zu geben. Ist eine Verletzung einem Verantwortlichen des privaten Bereichs zuzurechnen, so ist diesem aufzutragen, den Anträgen des Beschwerdeführers auf Auskunft, Berichtigung, Löschung, Einschränkung oder Datenübertragung in jenem Umfang zu entsprechen, der erforderlich ist, um die festgestellte Rechtsverletzung zu beseitigen. Soweit sich die Beschwerde als nicht berechtigt erweist, ist sie abzuweisen.

...

(8) Jede betroffene Person kann das Bundesverwaltungsgericht befassen, wenn die Datenschutzbehörde sich nicht mit der Beschwerde befasst oder die betroffene Person nicht innerhalb von drei Monaten über den Stand oder das Ergebnis der erhobenen Beschwerde in Kenntnis gesetzt hat.

...“

14 4.2. Der EuGH hat in seinem in Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens des VwGH vom 27. Juni 2023, Ra 2023/04/0002, ergangenen Urteil vom 9. Jänner 2025, C 416/23, unter anderem zu Recht erkannt, dass der in Art. 57 Abs. 4 DSGVO enthaltene Begriff „Anfrage“ auch Beschwerden nach Art. 57 Abs. 1 Buchst. f und Art. 77 Abs. 1 DSGVO wie fallgegenständlich relevant umfasst.

15 Art. 57 Abs. 4 DSGVO normiert zwei alternative Voraussetzungen die „offenkundige Unbegründetheit“ oder „Exzessivität“ von Anfragen , die die Aufsichtsbehörde in diesen Ausnahmefällen entweder zur Weigerung, aufgrund der Beschwerde tätig zu werden, oder zur Vorschreibung einer angemessenen Gebühr auf der Grundlage der Verwaltungskosten berechtigt, wobei die DSGVO die Begriffe „offenkundig unbegründet“ und „exzessiv“ nicht näher definiert.

16 Die Beurteilung, ob eine Beschwerde im Sinne des Art. 57 Abs. 4 DSGVO als „offenkundig unbegründet“ oder „exzessiv“ anzusehen ist, erfordert hinsichtlich der jeweiligen Beschwerde eine objektive Beurteilung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles.

17 Über die Weigerung, unter Heranziehung dieser Bestimmung inhaltlich tätig zu werden, hat die Behörde immer in Bescheidform abzusprechen, um auch in diesen Fällen einen Rechtsschutz zu gewährleisten. Ein bloßes Ignorieren der Anfrage (Beschwerde) ist nicht erlaubt (vgl. die Ausführungen von Zavadil in Knyrim, DatKomm Art. 57 Rz. 27).

18 Im vorliegenden Fall hat die Revisionswerberin als Aufsichtsbehörde die Ablehnung der Beschwerde des Mitbeteiligten auf beide Tatbestände gestützt, weshalb auf diese in der Folge getrennt einzugehen ist.

4.4. Zur offenkundigen Unbegründetheit

19 Die Revisionswerberin beurteilte die Beschwerde des Mitbeteiligten vor dem Hintergrund des Begehrens als „offenkundig unbegründet“, weil zusammengefasst die Richtigstellung gutachterlicher Einschätzungen begehrt werde. Eine solche sei aber nur dann aus datenschutzrechtlicher Sicht einer Prüfung zugänglich, insoweit es sich um die Frage der korrekten Wiedergabe handle. Das Verwaltungsgericht führt dazu aus, die Revisionswerberin nehme mit dieser Ansicht bereits eine inhaltliche Bewertung des Antrages vor, was eine gültige Eingabe voraussetze.

20 4.4.1. Das Vorliegen einer offenkundigen Unbegründetheit ist aus objektiver Sicht zu beurteilen. An die Annahme der Offenkundigkeit der Unbegründetheit als Ausnahmebestimmung, die die Verpflichtung zum (unentgeltlichen) Tätigwerden der Aufsichtsbehörde betrifft, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Eine Datenschutzbeschwerde ist dann offenkundig unbegründet, wenn bei vernünftiger Betrachtung des Vorbringens keinerlei Erfolgschance für den Einschreiter besteht, mit anderen Worten, wenn die Beschwerde schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann (vgl. wiederum Zavadil in Knyrim, DatKomm Art. 57 Rz. 28). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass eine offenkundige Unbegründetheit jedenfalls dann angenommen werden kann, wenn eine Beschwerde gar keinen Bezug zu datenschutzrechtlichen Fragestellungen bzw. Verstößen aufweist, d.h. mit anderen Worten, wenn das Antragsvorbringen in Verbindung mit dem Antragsbegehren ein (Rechtsschutz)Anliegen verfolgt, das dem Regime des Datenschutzes von vornherein nicht unterliegt (vgl. Polenz in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, DS GVO Art. 57 Rn. 58).

21 Die rechtliche Beurteilung des Vorliegens einer „offenkundigen Unbegründetheit“ hat damit auf Basis des jeweiligen Vorbringens und des darauf gestützten Begehrens in der Datenschutzbeschwerde zu erfolgen. Die Feststellung des Inhalts des Antragsvorbringens bildet die maßgebliche Sachverhaltsgrundlage für die Rechtsfrage der „offenkundigen Unbegründetheit“.

22 4.4.2. Fallbezogen ergibt sich daraus, dass die belangte Behörde grundsätzlich zu Recht die Frage geprüft hat, ob die Beschwerde des Mitbeteiligten ausgehend vom Beschwerdevorbringen ein Rechtsschutzziel verfolgt, das unter Anwendung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen zumindest denkmöglich zum Erfolg führen kann.

23 Zur Beantwortung dieser Frage ist von Folgendem auszugehen: Art. 16 DSGVO gibt der betroffenen Person einen Anspruch (ein subjektives Recht) gegen den Verantwortlichen auf Berichtigung von unrichtigen personenbezogenen Daten, die über sie gespeichert sind. „Unrichtig“ ist ein objektives Kriterium und bedeutet, dass die über die betroffene Person gespeicherte (oder sonst verarbeitete) Information nicht mit der Realität übereinstimmt. Dieses Kriterium ist nur bei Tatsachenangaben anwendbar, nicht aber bei Werturteilen (vgl. VwGH 9.5.2023, Ro 2020/04/0037, Rn. 44; vgl. auch Herbst in Kühling/Buchner DS GVO Art. 16 Rn. 8f).

24 Auf Tatsachenangaben beruhende Schlussfolgerungen eines Sachverständigen im Rahmen eines Gutachtens sind subjektiver Natur. Sie stellen die Meinung eines Gutachters dar, deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit sich einer Tatsachenüberprüfung entzieht und dementsprechend soweit es sich um den stellungnehmenden Inhalt der geäußerten gutachterlichen Meinung handelt von vornherein auch keiner Berichtigung im Sinne des Art. 16 DSGVO zugänglich ist. Die „Richtigstellung“ einer gutachterlichen Meinung im Sinne einer Anpassung an eine andere ebenso subjektive Meinung, kann daher von vornherein nicht erfolgreich zum Gegenstand einer datenschutzrechtlichen Beschwerde gestützt auf Art. 16 DSGVO gemacht werden.

25 Insofern sich laut Wiedergabe im angefochtenen Erkenntnis (Seite 2) die verfahrensgegenständliche Eingabe des Mitbeteiligten auf das Recht auf Berichtigung gemäß Art. 16 DSGVO gestützt und begründend das Vorbringen enthalten hat, die zu berichtigende Stellungnahme sei „in hohem Ausmaß falsch, gelogen und betrügerisch“, lässt dies kein Anliegen einer datenschutzrechtlichen Berichtigung im Sinne einer Korrektur objektivierbarer Daten gemäß Art. 16 DSGVO erkennen. Davon ausgehend könnte entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sehr wohl darauf geschlossen werden, dass der betreffenden Beschwerde bereits ausgehend von ihrem Vorbringen auch ohne nähere Prüfung keine Erfolgschance zukomme.

26 Allerdings hat das Verwaltungsgericht sich darauf beschränkt, auszuführen, dass die belangte Behörde nicht in der Lage gewesen sei, aufgrund der vorgenommenen Feststellungen die Rechtmäßigkeit der Ablehnung zu begründen, ohne jedoch eigene Feststellungen zu den vom Verwaltungsgericht selbst für maßgeblich erachteten Tatsachen zu treffen, um seiner wenn auch auf die Frage der Ablehnung der Beschwerde beschränkten Entscheidungspflicht nachkommend darauf eine rechtliche Beurteilung zu gründen (vgl zum Prinzip der Amtswegigkeit und meritorischen Entscheidungspflicht VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066, Pkt 6.2.).

27 Da das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, liegt fallbezogen ein sekundärer Feststellungsmangel vor, der zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG führen muss.

28 4.4.3. Zu ergänzen ist im Hinblick auf die Frage der Wahl der Handlungsalternative gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO (Vorschreibung einer angemessenen Gebühr oder Verweigerung der Behandlung der Beschwerde), dass dem Verwaltungsgericht entsprechend der jüngsten Rechtsprechung des EuGH dahingehend zuzustimmen ist, dass eine Aufsichtsbehörde gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO durch eine mit Gründen versehene Entscheidung grundsätzlich wählen kann, ob sie eine angemessene Gebühr auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangt oder sich weigert, aufgrund der Anfrage tätig zu werden; sie hat jedoch alle relevanten Umstände zu berücksichtigen und sich zu vergewissern, dass die gewählte Option geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist (vgl. EuGH 9.1.2025, C 416/23, Rn. 66 ff). Auch diese Beurteilung hat das Verwaltungsgericht im Falle eines Beschwerdeverfahrens grundsätzlich selbst vorzunehmen.

Erweist sich eine Beschwerde als offenkundig unbegründet, kann die Vorschreibung einer Gebühr nicht als geeignet angesehen werden, weil dem Beschwerdeführer ansonsten eine Gebühr im Zusammenhang mit einer Beschwerde abverlangt würde, der vor dem Hintergrund der datenschutzrechtlichen Bestimmungen von vornherein keine Erfolgschance zukommt.

4.5. Zur Exzessivität

29 4.5.1. Der EuGH hat in seinem bereits oben erwähnten Urteil vom 9. Jänner 2025, C 416/23, ferner zusammengefasst zu Recht erkannt, dass Art. 57 Abs. 4 DSGVO dahin auszulegen ist, dass Anfragen nicht allein aufgrund ihrer Zahl während eines bestimmten Zeitraums als „exzessiv“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden können, da die Ausübung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befugnis voraussetzt, dass die Aufsichtsbehörde das Vorliegen einer Missbrauchsabsicht der anfragenden Person nachweist, und Art. 57 Abs. 4 DSGVO dahin auszulegen ist, dass eine Aufsichtsbehörde bei exzessiven Anfragen durch eine mit Gründen versehene Entscheidung wählen kann, ob sie eine angemessene Gebühr auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangt oder sich weigert, aufgrund der Anfrage tätig zu werden, wobei sie alle relevanten Umstände berücksichtigen und sich vergewissern muss, dass die gewählte Option geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist.

30 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 29. Jänner 2025, Ra 2023/04/0002, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen werden kann, in einem in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht gleichgelagerten Fall gestützt auf das oben genannte Urteil des EuGH vom 9. Jänner 2025, C 416/23, zur Frage der Voraussetzungen für eine Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO zusammengefasst ausgeführt, dass eine Missbrauchsabsicht gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO dann anzunehmen ist, wenn die entscheidenden Gründe der beschwerdeführenden Partei für die Einbringung einer Vielzahl von Datenschutzbeschwerden nicht in der Verfolgung der ihr aus der DSGVO zukommenden Rechte liegen und die beschwerdeführende Partei ohne diese sachfremden Gründe die Vielzahl an Datenschutzbeschwerden nicht erhoben hätte.

31 Mit anderen Worten ist das Einbringen einer Datenschutzbeschwerde dann missbräuchlich, wenn die beschwerdeführende Partei die Beschwerden zur Erzielung eines nicht durch die datenschutzrechtlichen Bestimmungen geschützten Zwecks (etwa Publicity, Feindseligkeit, Sensationslust) erhebt, insbesondere jedoch dann, wenn der beschwerdeführenden Partei die Unrichtigkeit ihres Rechtsstandpunktes bewusst sein muss, etwa weil sie dieselbe oder ähnliche Beschwerden bereits erfolglos erhoben hat.

32 Dies steht auch in Einklang damit, dass Art. 57 Abs. 4 DSGVO laut EuGH die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofs widerspiegelt, nach der es im Unionsrecht einen allgemeinen Rechtsgrundsatz gibt, wonach sich die Bürger nicht in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf unionsrechtliche Normen berufen dürfen (vgl. EuGH 9.1.2025, C 416/23, Rn. 49, sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Auch wenn keine geradezu schikanöse Absicht mit einer Antragstellung verbunden ist, kann es nämlich als missbräuchlich angesehen werden, wenn eine Person die Ressourcen der Behörde in Anspruch nimmt, obwohl sich bereits aus dem Beschwerdevorbringen ergibt, dass mit der betreffenden Eingabe offenkundig andere Ziele verfolgt werden als die Durchsetzung des Schutzes, den die Bestimmungen der DSGVO gewähren.

33 Die Missbrauchsabsicht muss auch hinsichtlich der von der Datenschutzbehörde konkret nach Art. 57 Abs. 4 DSGVO abgelehnten Beschwerde bestehen (vgl. VwGH 29.1.2025, Ra 2023/04/0002).

34 Die Frage, ob eine Beschwerdeerhebung exzessiv im Sinne des Art. 57 Abs. 4 DSGVO ist, hängt aber entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts nicht davon ab, ob die konkrete Beschwerde zu einer Überlastung der Aufsichtsbehörde führt oder nicht. Weder kann nämlich die Behandlung einer Beschwerde aus einem anderen Grund als dem Vorliegen eines der Tatbestände des Art. 57 Abs. 4 DSGVO abgelehnt werden, noch ist die Aufsichtsbehörde verpflichtet, die Behandlung einer Beschwerde ohne Vorschreibung einer Gebühr in Behandlung zu nehmen, wenn diese sich als im Sinne des Art. 57 Abs. 4 DSGVO in Missbrauchsabsicht eingebracht erweist, weil die missbräuchliche Inanspruchnahme der Ressourcen der Aufsichtsbehörde mit sich bringt, dass die Kapazitäten für andere Rechtsschutzanliegen nicht zur Verfügung stehen.

35 4.5.2. Im vorliegenden Fall hat die Revisionswerberin gestützt auf eine nicht unerhebliche Anzahl von Beschwerden des Mitbeteiligten auf eine Exzessivität im Sinne des Art. 57 Abs. 4 DSGVO geschlossen. Nun ist dem Verwaltungsgericht zwar nach dem oben Gesagten darin zuzustimmen, dass alleine der Verweis auf die Zahl der eingebrachten Beschwerden nicht ausreicht, um die Weigerung, tätig zu werden, zu begründen. Die Revisionswerberin hat jedoch auch darauf hingewiesen, dass der Mitbeteiligte bereits zuvor inhaltsgleiche bzw. ähnliche Beschwerden eingebracht habe und ihm aus diesen Verfahren bereits bekannt sein müsse, dass sein Begehren nicht zu Recht bestünde.

36 Das Verwaltungsgericht war aufgrund der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Ablehnungsbescheid der Revisionswerberin verpflichtet, über die Frage der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Datenschutzbeschwerde wegen Vorliegens der Exzessivität gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO zu entscheiden und falls erforderlich den zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Datenschutzbeschwerde gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO maßgeblichen Sachverhalt amtswegig selbst zu erheben, sofern nicht die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung vorliegen (siehe zu alldem VwGH 29.1.2025, Ra 2023/04/0002). Gelangt dabei das Verwaltungsgericht nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens, das vorliegend die Einräumung von Parteiengehör zu der nunmehr geklärten Rechtslage zu umfassen hat, zum Ergebnis, dass die Ablehnung der Behandlung der Datenschutzbeschwerde gemäß Art. 57 Abs. 4 DSGVO aus den von der Datenschutzbehörde herangezogenen Gründen inhaltlich rechtswidrig ist, so hat es den betreffenden Bescheid (ersatzlos) zu beheben.

37 Da das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, hat es unterlassen, die zur Beurteilung der Exzessivität erforderlichen Feststellungen zu treffen, weshalb auch bezüglich dieses Tatbestandsmerkmals ein sekundärer Feststellungsmangel vorliegt.

38 4.6. Zusammengefasst hat das Verwaltungsgericht es verabsäumt, die im Sinne der obigen Rechtsausführungen notwendigen Feststellungen zu treffen, weshalb sekundäre Feststellungsmängel vorliegen, was zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG führen muss.

Wien, am 29. Jänner 2025

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