Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des A in W, vertreten durch Mag. Gerhard Posch, Rechtsanwalt in 4563 Micheldorf, Hauptstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 6. Mai 2022, LVwG S 1129/001 2021, betreffend Übertretungen des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mistelbach), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 29. April 2021 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe am 15. September 2020 um 8:10 Uhr an einem genauer bezeichneten Tatort mit einem dem Kennzeichen nach bezeichneten Lastkraftwagen und Anhänger gegen 1. die Einhaltung der täglichen Ruhezeit, 2. die Sicherung der Ladung und 3. die zulässige Gesamtlänge des Fahrzeuges verstoßen. Damit habe er zu 1. § 134 Abs. 1 KFG iVm Art. 8 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 561/2006, zu 2. § 102 Abs. 1 iVm § 101 Abs. 1 lit. e KFG und zu 3. § 102 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 7a KFG verletzt, weshalb über ihn zu 1. gemäß § 134 Abs. 1b KFG, zu 2. und zu 3. jeweils gemäß § 134 Abs. 1 KFG Geldstrafen samt Ersatzfreiheitsstrafen verhängt und ihm die Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgeschrieben wurden.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit der Maßgabe als unbegründet ab, als im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses die Tatumschreibung zu Spruchpunkt 2. konkretisiert und die Fundstellen der verletzten Verwaltungsvorschriften sowie der Strafsanktionsnormen ergänzt wurden. Das Verwaltungsgericht verpflichtete den Revisionswerber zur Zahlung eines Beitrags zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.
3 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Der Revisionswerber erachtet die Revision deshalb als zulässig, weil es im angefochtenen Erkenntnis durch die vorgenommene Konkretisierung zu einer Auswechslung der Tat gekommen sei, zumal sich die konkretisierten Angaben im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses mit dem ursprünglichen Spruch des Straferkenntnisses nicht decken würden und somit nicht mehr von einer „reinen“ Konkretisierung gesprochen werden könne (Hinweis auf VwGH 11.9.2019, Ra 2019/02/0094, VwGH 11.4.1984, 83/11/0024 und VwGH 23.12.1991, 88/17/0010). Der Spruch des Straferkenntnisses erschöpfe sich lediglich in der Wiedergabe des Gesetzestextes und dem Tatvorwurf sei nicht zu entnehmen, worin die konkrete Gefährdung durch die ungesicherte Ladung genau bestanden habe. Damit werde der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG nicht entsprochen (Hinweis auf VwGH 28.2.1958, 2009/56). Eine alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente enthaltende Verfolgungshandlung habe die belangte Behörde innerhalb der Verjährungsfrist nicht gesetzt. Das Verwaltungsgericht sei nach Eintritt der Verfolgungsverjährung nicht mehr zur Modifizierung des Spruchs des bekämpften Straferkenntnisses berechtigt gewesen (Hinweis auf VwGH 27.7.1994, 90/14/0099).
8 Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Das Tatverhalten muss im Spruch selbst und nicht erst in der Bescheidbegründung umschrieben sein. Ungenauigkeiten bei der Konkretisierung der Tat haben nur dann keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit des Strafbescheides, wenn dadurch keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Beschuldigten und keine Gefahr der Doppelbestrafung bewirkt wird. Die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat hat sich am jeweils in Betracht kommenden Tatbild zu orientieren, die Frage ihrer Übereinstimmung mit den Erfordernissen des § 44a Z 1 VStG ist folglich in jedem konkreten Fall einzeln zu beurteilen. Im Spruch sind die wesentlichen Tathandlungen konkret auszuführen und nicht mit den Worten des Tatbestandes (vgl. VwGH 16.2.2023, Ra 2021/02/0170, mwN).
9 Hinsichtlich der Angabe der als erwiesen angenommenen Tat in Spruchpunkt 2. des bekämpften Straferkenntnisses übersieht der Revisionswerber, dass die dort enthaltene Umschreibung insofern über den Gesetzestext hinausgeht, als die Ladung mit lediglich zwei Zurrgurten im Niederzurrverfahren gesichert gewesen sei, obwohl neun Zurrgurte notwendig gewesen seien. Damit geht die Darstellung des Tatgeschehens durch die belangte Behörde über die bloßen verba legalia hinaus, eine Abweichung von der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt somit nicht vor. Dass der Revisionswerber durch eine unzureichende Konkretisierung der Tat im Spruchpunkt 2. des Straferkenntnisses in seinen Verteidigungsrechten beschränkt oder dass er der Doppelbestrafungsgefahr ausgesetzt worden wäre, wird nicht aufgezeigt.
10 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Sache des Verwaltungsstrafverfahrens die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. VwGH 28.11.2022, Ra 2022/02/0200, mwN).
11 Ein „Austausch der Tat“ durch das Verwaltungsgericht durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrunde gelegten Sachverhaltes kommt nicht in Betracht. Eine Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und angewendeten Strafnorm) ist dagegen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zulässig, wenn es nicht zu einem „Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt. Auch berechtigt eine nicht ausreichende Umschreibung der Tat im Sinn des § 44a Z 1 VStG das Verwaltungsgericht nicht, das Straferkenntnis zu beheben. Es ist vielmehr verpflichtet, in der Sache selbst zu entscheiden und dabei die Tat in einer dem § 44a Z 1 VStG entsprechenden Weise zu präzisieren, darf aber dabei die Tat nicht auswechseln (vgl. etwa VwGH 8.3.2023, Ra 2022/03/0103, mwN).
12 Eine Verfolgungshandlung im Sinn der §§ 31 und 32 VStG muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zu Grunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (vgl. VwGH 7.9.2022, Ra 2022/02/0168, mwN). Verfolgungshandlung ist nach § 32 Abs. 2 VStG jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Beratung, Strafverfügung u. dgl.), wozu etwa der förmliche Vorhalt des Ermittlungsergebnisses zählt (vgl. etwa VwGH 29.2.2012, 2008/10/0191).
13 Der Revisionswerber wurde mit Schreiben der belangten Behörde vom 12. Februar 2021 vom Ergebnis der Beweisaufnahme in Kenntnis gesetzt und ihm wurde die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen. Mit dieser Sendung wurde dem Revisionswerber eine Aktenkopie, die unter anderem die Lichtbildbeilage enthält, übermittelt. Die darin befindlichen Bildbeschreibungen weisen etwa darauf hin, dass die Ladung durch zwei Zurrgurte mit einer Vorspannkraft von 300 daN im Niederzurrverfahren gesichert gewesen sei, dass ein Formschluss auf der linken Seite sowie zur Stirnwand und nach hinten gefehlt hätten, und dass keine rutschhemmenden Unterlagen verwendet worden seien.
14 Damit sind aber die vom Verwaltungsgericht mit seiner durch die Konkretisierung des Spruchpunktes 2. des bekämpften Straferkenntnisses präzisierten Sachverhaltselemente durch eine rechtzeitige Verfolgungshandlung der belangten Behörde gedeckt. Einen unzulässigen Austausch der Tat durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltes zeigt die Revision daher nicht auf. Das in der Revision zur Verfolgungsverjährung zitierte Erkenntnis VwGH 27.7.1994, 90/14/0099, ist schon deshalb nicht einschlägig, weil es die absolute Strafbarkeitsverjährung nach § 31 Abs. 5 FinStrG behandelt.
15 Das Verwaltungsgericht ist auch von den in der Revision zur Auswechslung der Tat zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes nicht abgewichen. Dem Erkenntnis VwGH 11.9.2019, Ra 2019/02/0094, lag eine innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist in der Strafverfügung enthaltene vollständige Tatanlastung zugrunde, sodass die dem Straferkenntnis fehlenden Elemente durch das Verwaltungsgericht bloß präzisiert wurden, ohne dabei die Tat auszuwechseln. Mit dem Erkenntnis VwGH 11.4.1984, 83/11/0024, wurde ausgesprochen, dass die Berufungsbehörde, wenn sie die Umschreibung der Tat in einem Straferkenntnis der Unterbehörde für unzureichend hält, berechtigt ist, die Tat in ihrem Bescheid näher zu umschreiben und etwa auch zeitlich zu präzisieren, ohne die Tat selbst auszuwechseln, also auf die von der Unterbehörde in Verfolgung gezogenen Tathandlungen beschränkt ist. Auch mit dem hier angefochtenen Erkenntnis wurde im Sinne dieser Rechtsprechung infolge rechtzeitiger Verfolgungshandlung keine unzulässige Auswechslung der Tat vorgenommen. Nach dem Erkenntnis VwGH 23.12.1991, 88/17/0010, wurde dort das Straferkenntnis verkündet, ohne den Beschuldigten namentlich zu nennen. Die Berufungsbehörde bestätigte den Spruch mit der Maßgabe, dass u.a. der Beschuldigte mit seinem Namen genannt wurde. Da der Beschuldigte zu Beginn der Strafverhandlungsschrift namentlich genannt war, bestand kein Zweifel, dass er mit dem verkündeten Straferkenntnis gemeint war, weshalb keine unzulässige Auswechslung der Tat vorlag. Eine Ergänzung des Namens erfolgte durch das hier angefochtene Erkenntnis nicht, weshalb schon deshalb kein Widerspruch zur genannten Rechtsprechung aufgezeigt wird.
16 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. Februar 2024