Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Dr. Schwarz und Dr. Terlitza als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Bundesministers für Finanzen gegen das am 14. September 2020 mündlich verkündete und am 23. September 2020 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, 1. VGW 002/092/7063/2020 15 und 2. VGW 002/V/092/7064/2020 1, betreffend Übertretungen des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. P SE und 2. Mag. G E, beide in W, beide vertreten durch Schaffer Sternad Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Wollzeile 17), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat den Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 5. Mai 2020 wurde der Zweitmitbeteiligte der siebenfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild iVm § 2 Abs. 2 und 4 Glücksspielgesetz (GSpG) iVm § 9 Abs. 1 VStG schuldig erkannt. Es wurden über ihn sieben Geldstrafen in der Höhe von jeweils € 3.000, (sowie im Nichteinbringungsfall jeweils eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Tag) verhängt. Er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Erstmitbeteiligten und somit als nach außen Berufener und für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich Verantwortlicher gemäß § 9 Abs. 1 VStG zu verantworten, dass sich die Erstmitbeteiligte als Unternehmerin am 18. Juli 2019 durch entgeltlich auf Erzielung von Einnahmen gerichtete Untervermietung eines näher genannten Lokals in W an die N GmbH an der Veranstaltung verbotener Ausspielungen beteiligt habe. Die Erstmitbeteiligte hafte gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängte Geldstrafe.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) der dagegen erhobene Beschwerde der beiden Mitbeteiligten Folge. Es hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein (Spruchpunkt I.). Weiters sprach es aus, dass die Mitbeteiligten keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten hätten (Spruchpunkt II.), sowie, dass eine ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei (Spruchpunkt III.).
3 Begründend stellte es u.a. (soweit für das Revisionsverfahren relevant) fest, dass bereits am 12. April 2019 in dem genannten Lokal in W eine Kontrolle durch die Finanzpolizei stattgefunden habe, im Zuge derer Glücksspielgeräte beschlagnahmt worden seien; davon habe die Erstmitbeteiligte mit E Mail vom 24. April 2019 Kenntnis erlangt. Weder die Erstmitbeteiligte noch der Zweitmitbeteiligte hätten davon Kenntnis gehabt, dass nach der Beschlagnahme von Eingriffsgegenständen am 12. April 2019 am 18. Juli 2019 wiederum in diesem Geschäftslokal mit Glücksspielgeräten verbotene Ausspielungen stattgefunden hätten. Als der Zweitmitbeteiligte am 20. Dezember 2019 durch Übermittlung der Aufforderung zur Rechtfertigung Kenntnis von den verbotenen Ausspielungen erlangt habe, habe er sogleich alles unternommen, „den Mieter loszuwerden“.
In rechtlicher Hinsicht begründete das Verwaltungsgericht, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine unternehmerische Beteiligung iSd. § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG Kenntnis von der Veranstaltung von Glücksspielen voraussetze (Verweis auf VwGH 30.8.2019, Ra 2018/17/0162). Nach den Feststellungen habe weder die Erst- noch der Zweitmitbeteiligte Kenntnis davon gehabt, dass (erkennbar gemeint: am 18. Juli 2019) im näher bezeichneten Geschäftslokal verbotene Ausspielungen veranstaltet worden seien.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision. Die Mitbeteiligten erstatteten im vom Verwaltungsgerichtshof geführten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof - ausschließlich - im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Verwaltungsgericht habe das Vorbringen der Finanzpolizei nicht berücksichtigt, wonach die Erstmitbeteiligte bereits im Juli 2018 darüber informiert gewesen sei, dass damals im verfahrensgegenständlichen Lokal verbotene Ausspielungen durchgeführt worden seien.
9 Die Frage, ob eine (weitere) Beweisaufnahme im Rahmen der Ermittlungen notwendig ist, unterliegt der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 19.4.2023, Ra 2022/17/0232, mwN, sowie zum Glücksspielrecht VwGH 19.4.2023, Ra 2021/17/0082, mwN). Einen solch gravierenden Verfahrensmangel zeigt das Zulässigkeitsvorbringen bereits deswegen nicht auf, weil der als Zeuge vernommene Einsatzleiter der Finanzpolizei der Amtshandlung am 18. Juli 2019 im Rahmen seiner Einvernahme im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 14. September 2020 angab, es gebe keine Beweise, die zwingend naheliegen würden, dass die beiden Mitbeteiligten am 18. Juli 2019 Kenntnis von den verbotenen Ausspielungen gehabt hätten.
10 Die Revision macht in diesem Zusammenhang überdies Aktenwidrigkeit geltend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt eine Aktenwidrigkeit nicht schon dann vor, wenn die Behörde oder das Verwaltungsgericht einen Sachverhalt feststellt, der lediglich mit dem Vorbringen einer Partei im Widerspruch steht. Vielmehr liegt eine Aktenwidrigkeit dann vor, wenn sich die Behörde (das Verwaltungsgericht) bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die auf Grund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. zum Ganzen VwGH 6.10.2021, Ra 2019/17/0121, mwN).
11 Aktenwidrigkeit ist somit dann gegeben, wenn die Entscheidung in ihrer Begründung von einem Sachverhalt ausgeht, der sich aus dem Akt überhaupt nicht oder nicht in der angenommenen Weise ergibt, wenn also die Feststellung jener tatsächlichen Umstände unrichtig ist, die für den Spruch der Entscheidung ausschlaggebend sind (vgl. erneut VwGH 6.10.2021, Ra 2019/17/0121, mwN).
12 Dass vorliegend der Akteninhalt in diesem Sinn nicht richtig also in unvertretbarer Weise nicht mit den vorgelegten Akten übereinstimmend wiedergegeben worden wäre, wird mit dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision nicht aufgezeigt, wobei insbesondere auf die oben wiedergegebene und aktenkundige Zeugenaussage des Einsatzleiters der Finanzpolizei verwiesen wird (vgl. oben Rn. 9).
13 Der Amtsrevisionswerber begründet die Zulässigkeit der Revision weiters damit, das Verwaltungsgericht habe „die Möglichkeit einer fahrlässigen Tatbegehung aber schon abstrakt unberücksichtigt gelassen, obwohl eine fahrlässige wenn nicht ohnehin bedingt vorsätzliche Tatbegehung [...] deutlich indiziert war“.
14 Eine unternehmerische Beteiligung im Sinne des § 52 Abs. 1 Z 1 viertes Tatbild GSpG setzt die Kenntnis von der Veranstaltung von Glücksspielen voraus (vgl. etwa VwGH 21.10.2021, Ra 2020/17/0060; 20.10.2022, Ra 2022/12/0106, jeweils mwN).
15 Entscheidungswesentlich ist die von der Amtsrevision nicht bestrittene Feststellung im angefochtenen Erkenntnis, wonach weder die Erst- noch der Zweitmitbeteiligte davon Kenntnis gehabt hätten, dass nach der Beschlagnahme von Eingriffsgegenständen am 12. April 2019 am 18. Juli 2019 wiederum im verfahrensgegenständlichen Geschäftslokal mit Glücksspielgeräten verbotene Ausspielungen stattfanden (vgl. bereits oben Rn. 3). Die Frage der Strafbarkeit einer fahrlässigen Tatbegehung stellt sich ausgehend von dieser Sachverhaltsgrundlage nicht.
16 Selbst wenn dieses Zulässigkeitsvorbringen allenfalls auch als Tatsachenrüge zu verstehen sein könnte, so würde es dennoch keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufzeigen, weil im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vorliegt, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. wiederum VwGH 19.4.2023, Ra 2021/17/0082; sowie 19.4.2023, Ra 2022/17/0232, mwN). Ein derartiges Vorgehen wirft der Amtsrevisionswerber aber nicht einmal im Ansatz auf.
17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
18 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG, in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 10. November 2023