Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des H A, vertreten durch Mag. a Hela Ayni Rahmanzai, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Invalidenstraße 11/Top 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Februar 2025, L532 22006223/19E, betreffend Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 sowie Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit Nebenaussprüchen und eines Einreiseverbots (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte am 3. August 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der im Instanzenzug mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. November 2021 abgewiesen wurde, wobei auch eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen wurde.
2Der Revisionswerber verblieb im Bundesgebiet und beantragte am 10. Februar 2022 die Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen nach § 56 AsylG 2005.
3 Dieser Antrag wurde zunächst da der Revisionswerber auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem Niederlassungsund Aufenthaltsgesetz (NAG) beantragt hattemit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 8. Juni 2022 nach § 58 Abs. 9 Z 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 2023 mit der Begründung behoben, dass der Revisionswerber den Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels nach dem NAG zwischenzeitlich zurückgezogen habe.
4Mit Bescheid vom 18. Oktober 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005 ab, erließ eine Rückkehrentscheidung gegen den Revisionswerber, stellte die Zulässigkeit seiner Abschiebung in den Irak fest, erließ ein auf drei Jahre befristetes Einreiseverbot gegen ihn, erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung ab und räumte keine Frist für die freiwillige Ausreise des Revisionswerbers ein.
5 Auf Grund der dagegen gerichteten Beschwerde des Revisionswerbers behob das Bundesverwaltungsgericht mit (Teil )Erkenntnis vom 2. Dezember 2024 den Ausspruch des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gegen die Rückkehrentscheidung.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde weiters insoweit Folge, als es dem Revisionswerber eine Frist für die freiwillige Ausreise einräumte. Im Übrigenalso hinsichtlich der Nichterteilung des begehrten Aufenthaltstitels nach § 56 AsylG 2005, der Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots sowie der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Irak wies es die Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
7 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 31.3.2025, Ra 2022/17/0016, mwN).
12In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. erneut VwGH 31.3.2025, Ra 2022/17/0016, mwN).
13Die Revision wendet sich in den Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit ausschließlich gegen die Erlassung der Rückkehrentscheidung und die dabei durch das Bundesverwaltungsgericht angestellte Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK.
14Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG (vgl. erneut VwGH 31.3.2025, Ra 2022/17/0016, mwN).
15Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFAVG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. erneut VwGH 31.3.2025, Ra 2022/17/0016, mwN).
16Das persönliche Interesse an einem Verbleib in Österreich nimmt grundsätzlich mit der Dauer des bisherigen Aufenthalts des Fremden zu. Die bloße Aufenthaltsdauer ist freilich nicht allein maßgeblich, sondern es ist anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalles vor allem zu prüfen, inwieweit der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit dazu genützt hat, sich sozial und beruflich zu integrieren. Bei der Einschätzung des persönlichen Interesses ist auch auf die Auswirkungen, die eine Aufenthaltsbeendigung auf die familiären oder sonstigen Bindungen des Fremden hätte, Bedacht zu nehmen (vgl. erneut VwGH 31.3.2025, Ra 2022/17/0016, mwN).
17 Der Revisionswerber begründet den Vorwurf der Rechtswidrigkeit der durch das Bundesverwaltungsgericht angestellten Interessenabwägung alleine mit der Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet. Vor dem Hintergrund, dass diese gemäß der vorzitierten Rechtsprechung nicht alleine maßgeblich ist und das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen eine Reihe weiterer Aspekte berücksichtigte, wie die Unsicherheit seines bisherigen Inlandsaufenthalts, dass er nach Abschluss seines Asylverfahrens trotz Verpflichtung zur Ausreise im Bundesgebiet verblieb, seine (nur geringen) Deutschkenntnisse, dass er (lediglich) in der Vergangenheit und nur zeitweise erwerbstätig war und seine Partnerschaft erst jüngst ohne Begründung eines gemeinsamen Wohnsitzes einging, legt der Revisionswerber nicht dar, dass diese Interessenabwägung mit einem im Revisionsverfahren aufzugreifenden Fehler belastet wäre.
18 Auch mit dem nicht näher substanziierten Verweis auf seinen „fast 10jährigen“ Aufenthalt im Bundesgebiet, der nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts neuneinhalb Jahre beträgt, vermag der Revisionswerber keinen im Revisionsverfahren aufzugreifenden Fehler aufzuzeigen. Selbst wenn der Revisionswerber damit der Sache nach behaupten sollte, dass auf ihn der privilegierende Maßstab für Fremde, die über oder knapp unter zehn Jahre im Bundesgebiet aufhältig waren, anzuwenden gewesen wäre, übersieht er, dass dieser Maßstab nur bei stärkerem Integrationserfolg heranzuziehen ist, den das Bundesverwaltungsgericht jedoch fallbezogen vertretbar verneint hat (vgl. zu diesem Maßstab sowie dem Erfordernis eines „stärkeren Integrationserfolgs“ VwGH 25.11.2022, Ra 2021/17/0026 bis 0029; 21.12.2021, Ra 2021/21/0079, jeweils mwN).
Soweit sich der Revisionswerber gegen die im Zusammenhang mit seinem Aufenthalt getroffenen Feststellungen wendet, bleibt er jede Begründung, weswegen diese nicht zutreffen sollen oder unschlüssig wären, schuldig.
19 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 28. Mai 2025