Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Vonier, über die Revision der I R in B, vertreten durch Dr. Paul Fuchs, Rechtsanwalt in 4600 Thalheim/Wels, Raiffeisenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 19. Februar 2021, Zl. LVwG 30.30 3122/2020 7, betreffend eine Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
I.
1 1.Mit Straferkennntnis der belangten Behörde vom 6. November 2020 wurde der Revisionswerberin zur Last gelegt, sie habe es als verantwortliche Beauftragte gemäß § 9 Abs. 2 VStG der [...] Filiale am Standort in F zu verantworten, dass durch eine in der dortigen Filiale beschäftigte Person zu einem näher genannten Zeitpunkt an einen jugendlichen Testkäufer alkoholische Getränke der Marke [...] zum Preis von € 12,99 im Zuge eines Testkaufs verkauft worden seien, obwohl dem betreffenden Jugendlichen der Genuss von Alkohol nach den landesrechtlichen Bestimmungen verboten gewesen sei.
2Die Revisionswerberin habe dadurch gegen § 367a in Verbindung mit § 114 GewO 1994 verstoßen, weshalb über sie eine Geldstrafe in der Höhe von € 300,(Ersatzfreiheitsstrafe: ein Tag) verhängt werde. Zudem habe die Revisionswerberin gemäß § 64 VStG € 30, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu bezahlen.
3 2.1. Die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass im Spruch des Straferkenntnisses die Wortfolge „der Gewerbetreibenden [...] Handels Gesellschaft m.b.H. Co Kommanditgesellschaft“ aufgenommen, die Wortfolge „verkaufen lassen“ durch die Wortfolge „abgeben lassen“ ersetzt und in den verletzten Rechtsvorschriften „iVm §§ 2 und 18 Abs. 1 Stmk. Jugendgesetz (StJG 2013), LGBl. Nr. 81/2013, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 69/2018“ aufgenommen würden (Spruchpunkt I.).
4 Zudem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revisionswerberin gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von € 60, zu leisten habe (Spruchpunkt II.) und dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei (Spruchpunkt III.).
5 2.2. In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die [...] Handels Gesellschaft m.b.H. Co Kommanditgesellschaft am Standort in F das freie Handelsgewerbe betreibe. Gewerberechtlicher Geschäftsführer sei Dipl. Kfm. AH. Die Gewerbeinhaberin habe der belangten Behörde die Revisionswerberin als Marktleiterin der gegenständlichen Filiale und als bestellte Beauftragte für die Einhaltung aller verwaltungsrechtlichen (insbesondere der lebensmittelrechtlichen und gewerberechtlichen) Vorschriften bekanntgegeben. Die Bestellungsurkunde liege im verwaltungsbehördlichen Akt auf.
6In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Gewerbeinhaberin zwar die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers angezeigt habe. Allerdings sei die Revisionswerberin zulässigerweise zur verantwortlich Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG für die gegenständliche Filiale und die Einhaltung der gewerberechtlichen Bestimmungen bestellt worden, was zu einem Verantwortungsübergang auf sie geführt habe.
7 Die Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht sei durch die Gewerbeinhaberin, deren bestellte Beauftragte in der in Rede stehenden Betriebsstätte die Revisionswerberin auch zur Tatzeit gewesen sei, verwirklicht worden, indem sie durch die Kassiererin an den noch nicht 16jährigen Jugendlichen eine Flasche [...] habe abgeben lassen. Der Wortlaut des § 114 GewO 1994 richte sich an den Gewerbetreibenden und es sei diesem unter anderem untersagt, alkoholische Getränke abgeben zu lassen, wenn dies nach den landesrechtlichen Jugendschutzbestimmungen verboten sei.
8 Die Revisionswerberin habe im Tatzeitpunkt kein Kontrollsystem eingerichtet, das den in näher bezeichneter Rechtsprechung ausgestellten Anforderungen entspräche und garantiere, dass die gesetzlichen Bestimmungen auch eingehalten würden.
Der Revisionswerberin sei es somit nicht gelungen, mangelndes Verschulden nachzuweisen, weshalb sie die Verwaltungsübertretung auch in subjektiver Hinsicht zumindest fahrlässig zu verantworten habe.
9 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
10 Im eingeleiteten Vorverfahren wurde von der belangten Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurück , in eventu die Abweisung der Revision beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11 1.In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis weiche von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, nach der die Gewerbeordnung 1994 keine Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten im Sinn des § 9 Abs. 2 VStG vorsehe. Das Verwaltungsgericht vermeine, dass durch die verantwortliche Beauftragung der Revisionswerberin dieser auch die Einhaltung der gewerberechtlichen Bestimmungen übertragen worden sei.
12 Die Revision erweist sich in Hinblick auf dieses Vorbringen als zulässig und aus nachstehenden Erwägungen auch als berechtigt.
13 2.§ 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl. Nr. 52, in der Fassung BGBl. I Nr. 3/2008, sieht vor, dass für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (nach § 9 Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich ist, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
14Es ergibt sich bereits aus dem klaren Wortlaut des § 9 Abs. 1 VStG, dass die darin getroffene Regelung nur subsidiär, das heißt nur dann zur Anwendung zu kommen hat, wenn in den im Einzelfall anzuwendenden besonderen Verwaltungsvorschriften nicht eine selbständige Regelung der Verantwortlichkeit nach außen getroffen ist (vgl. VwGH 26.2.2014, Ro 2014/04/0030, mwN). Als „Paradefall“ (so Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni, Verwaltungsstrafgesetz 1991 3 [2023] § 9 Rz. 20) einer abweichenden Sonderregelung gilt der gewerberechtliche Geschäftsführer (vgl. Stolzlechner/Müller/Seider/Vogelsang/Höllbacher , GewO 4[2020] § 370 Rz. 1). Nach der GewO 1994 sind Geldoder Verfallsstrafen gegen den Geschäftsführer bzw. den Filialgeschäftsführer zu verhängen, wenn die Bestellung eines solchen angezeigt oder genehmigt wurde (vgl. nochmals VwGH Ro 2014/04/0030, mwN). Die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers schließt somit die Verantwortlichkeit der statutarischen Vertretungsorgane im Sinn des § 9 VStG aus (vgl. Lewisch , aaO, Rz. 20 mwN).
15Mit Rücksicht auf die entsprechenden Sondernormen der GewO 1994 (§ 39 und § 370) ist somit in Hinblick auf die in § 9 Abs. 1 VStG normierte Subsidiarität für den Bereich des Gewerberechts § 9 Abs. 2 VStG nicht anwendbar. Nur dann, wenn ein gewerberechtlicher Geschäftsführer nicht bestellt wurde, ist das zur Vertretung nach außen berufene Organ der juristischen Person nach § 9 VStG (bzw. allenfalls der nach § 9 Abs. 2 VStG bestellte verantwortliche Beauftragte) für die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich (vgl. dazu bereits VwGH 23.11.1993, 93/04/0152, sowie aus jüngerer Zeit VwGH 1.8.2022, Ra 2022/03/0171, Rn. 17, sowie VwGH 23.1.2023, Ra 2020/04/0075, Rn. 17).
16 2.2. Im vorliegenden Fall stellte das Verwaltungsgericht fest, dass Dipl. Kfm. AH gewerberechtlicher Geschäftsführer der [...] Handels Gesellschaft m.b.H. Co Kommanditgesellschaft sei.
Nach dem oben Gesagten ist das Verwaltungsgericht daher zu Unrecht davon ausgegangen, dass es zu einem Verantwortungsübergang hinsichtlich der Einhaltung der gewerberechtlichen Bestimmungen auf die nach § 9 Abs. 2 VStG für die gegenständliche Filiale zur verantwortlichen Beauftragten bestellte Revisionswerberin gekommen sei (dass die Revisionswerberin zur Filialgeschäftsführerin gemäß § 47 GewO 1994 bestellt und sie angezeigt worden wäre, hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt).
17 Indem das Verwaltungsgericht dies verkannte und die gegenständliche Verwaltungsübertretung der Revisionswerberin anlastete, hat es seine Entscheidung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
18 3.Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
19Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 16. Dezember 2024