JudikaturVwGH

Ra 2016/18/0234 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
25. April 2017

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober, den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen den als Erkenntnis bezeichneten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2016, Zl. W233 2130480-1/3E, betreffend eine Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: M K), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

1 Der Mitbeteiligte, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 10. Jänner 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2 Mit Bescheid vom 8. Juli 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) Kroatien für die Prüfung des Antrages zuständig sei, ordnete gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung an und stellte fest, dass demzufolge die Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

3 Mit Verfahrensanordnung vom 11. Juli 2016 wurde dem Mitbeteiligten gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zur Seite gestellt. Mit Schriftsatz vom 19. Juli 2016 (Einlangen beim BFA) erhob der Mitbeteiligte, vertreten durch den beigestellten Rechtsberater, Beschwerde. Darin bestritt er die Zuständigkeit Kroatiens, bemängelte die vom BFA herangezogenen Länderberichte zu Kroatien und monierte, dass ihm im Zulassungsverfahren vor dem BFA kein Rechtsberater zur Seite gestellt worden sei.

4 Mit Erkenntnis vom 26. Juli 2016 gab das BVwG der Beschwerde des Mitbeteiligten gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG Folge, hob den bekämpften Bescheid auf und erklärte die Revision für nicht zulässig. Begründend führte es im Wesentlichen aus, dass dem Mitbeteiligten im Zulassungsverfahren kein Rechtsberater zur Seite gestellt worden sei und diese Mangelhaftigkeit auch nicht durch die Beigebung eines Rechtsberaters für das Beschwerdeverfahren beseitigt werden könne. Die Behörde werde im fortgesetzten Verfahren dem Mitbeteiligten in ordnungsgemäßer Weise Parteiengehör einzuräumen haben.

5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Zur Begründung der Zulässigkeit wird im Wesentlichen vorgebracht, das BVwG sei von den in der hg. Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen für eine Behebung des Bescheides nach § 21 Abs. 3 BFA-VG abgewichen. Darüber hinaus fehle es an Rechtsprechung zur Frage, ob eine im Zulassungsverfahren unterbliebene Rechtsberatung jedenfalls und ohne Relevanzdarstellung zur Rechtswidrigkeit des Bescheides führe. Nicht geklärt sei, ob das Verfahren in Fällen, in denen aus Versehen keine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 ausgefolgt worden sei, aufgrund der Anführung der Zulassung im Bescheid mit der Bescheiderlassung zugelassen werde.

6 Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Revision ist zulässig und begründet.

8 Vorweg ist festzuhalten, dass die angefochtene Entscheidung im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 5. Oktober 2016, Ra 2016/19/0208, auf dessen Erwägungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, rechtlich als Beschluss anzusehen ist, obwohl sie in Form eines Erkenntnisses ergangen ist.

9 In der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides führte das BFA unter anderem aus, dass das Verfahren am 31. Jänner 2016 nach Ablauf der in § 28 Abs. 2 AsylG 2005 vorgesehenen 20-Tages-Frist zugelassen worden sei und eine Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005 zugestellt worden sei. Diese Annahme findet in der Aktenlage keine Deckung.

10 Die Zulassung des Verfahrens erfolgt gemäß § 28 Abs. 1 AsylG 2005 - sofern dem Asylwerber ein Aufenthaltsrecht zusteht - durch Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte gemäß § 51 AsylG 2005. Im angefochtenen Erkenntnis trifft das Bundesverwaltungsgericht die Feststellung, dem Verwaltungsakt könne nicht entnommen werden, dass dem Mitbeteiligten eine Aufenthaltsberechtigungskarte ausgefolgt worden sei. Die Ausfolgung einer Aufenthaltsberechtigungskarte an den Mitbeteiligten stellt auch die Revision in Abrede. Mangels Ausfolgung der Karte war das Verfahren - trotz gegenteiliger Ausführungen in der Begründung des Bescheides des BFA - somit noch nicht als zugelassen anzusehen.

11 Gemäß § 49 Abs. 1 BFA-VG ist einem Asylwerber im Zulassungsverfahren kostenlos ein Rechtsberater amtswegig zur Seite zu stellen. An diesen Rechtsberater ist der Asylwerber gemäß § 29 Abs. 4 AsylG 2005 zu verweisen, wenn ihm mit Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 Z 3 bis 6 AsylG 2005 mitgeteilt wird, dass sein Antrag auf internationalen Schutz teilweise oder gänzlich abgewiesen oder zurückgewiesen wird oder beabsichtigt ist, seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

12 Die gesetzlich gebotene amtswegige Beistellung eines Rechtsberaters hat das BFA fallbezogen rechtswidrig unterlassen. Dies stellt einen Verfahrensmangel des verwaltungsbehördlichen Verfahrens dar.

13 Dieser Verfahrensmangel berechtigte das Bundesverwaltungsgericht fallbezogen aber nicht zur Behebung des angefochtenen Bescheides nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG:

14 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30. Juni 2016, Ra 2016/19/0072, auf dessen Erwägungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, erkannt, dass immer dann, wenn der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes durch die Verwaltungsbehörde Ermittlungsmängel anhaften, die nicht vom BVwG in der für die Erledigung des - im Rahmen des asylrechtlichen Zulassungsverfahren abzuwickelnden - Beschwerdeverfahrens gebotenen Eile beseitigt werden können, der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG stattzugeben ist. Ist hingegen davon auszugehen, dass das BVwG die Ermittlungsmängel rasch und ohne größeren Aufwand selbst beseitigen kann, hat es von einer Beschwerdestattgebung nach § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG Abstand zu nehmen und die Ergänzung des Ermittlungsverfahrens (samt der Feststellung allfällig fehlenden Sachverhaltes) selbst vorzunehmen.

15 Wenn nun das BVwG davon ausgeht, dass der Verfahrensmangel der unterlassenen Beistellung des Rechtsvertreters durch die Aufhebung des Bescheides gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG saniert werden könne, indem das BFA dem Mitbeteiligten in ordnungsgemäßer Weise Parteiengehör einräumt und den Mitbeteiligten unter Beiziehung eines amtswegig zur Seite gestellten Rechtsberaters einvernimmt, verkennt das BVwG, dass das Verfahren nach der Stattgebung der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 1 erster Satz BFA-VG ex lege als zugelassen anzusehen und damit dem Mitbeteiligten gerade kein Rechtsberater gemäß § 49 BFA-VG amtswegig zur Seite zu stellen wäre. Der Mangel der unterlassenen Beigebung eines Rechtsberaters im Zulassungsverfahren könnte in einem vor dem BFA fortzusetzenden Verfahren gar nicht saniert werden, weshalb das Vorliegen des Verfahrensmangels die Stattgebung der Beschwerde und Aufhebung des Bescheides gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG im Sinne der zitierten Rechtsprechung schon deshalb nicht rechtfertigt.

16 Eine Sanierung des Verstoßes war vielmehr dadurch möglich, dass dem Revisionswerber im Beschwerdeverfahren Unterstützung bzw. - wie fallbezogen tatsächlich geschehen ist - Vertretung durch einen Rechtsberater beigestellt wurde. In der Beschwerde neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel durfte gemäß § 20 Abs. 2 Z 1 BFA-VG nicht das Neuerungsverbot entgegen gehalten werden. Es bestand die Möglichkeit, der Beschwerde bei Vorliege der Voraussetzungen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Ausgehend davon ist nicht zu erkennen, dass der Revisionswerber in seinem Recht auf Parteiengehör bzw. allgemein in seinem durch Art. 47 GRC garantierten Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt wurde.

17 Die Behebung des bekämpften Bescheides mit der Begründung, der Verstoß gegen § 49 Abs. 1 BFA-VG erfordere die Zurückverweisung an das BFA, um dem Revisionswerber Parteiengehör einzuräumen und auf diese Weise das Verfahren zu sanieren, erweist sich aus den oben angeführten Gründen als unrichtig.

18 Die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war. Bei diesem Ergebnis war auf die übrigen in der Revision enthaltenen Ausführungen nicht einzugehen.

Wien, am 25. April 2017

Rückverweise