Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Anträge des Mag. H in S, vertreten durch Dr. Klaus Plätzer, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 5, den gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. April 2014, Zl. W 136 2005986- /2E, vom 9. April 2014, Zl. W 136 2006475-1/2E, vom 10. Juli 2014, Zl. W 136 2008367-1/9E, vom 24. Juni 2014, Zl. W136 2007483-1/13E, vom 3. November 2014, Zl. W136 2012963-1/4E, vom 25. November 2014, Zl. W136 2012967-1/4E, jeweils betreffend Einleitung von Disziplinarverfahren nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), erhobenen und zu den oben angeführten Zahlen protokollierten Revisionen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird den Anträgen nicht stattgegeben.
Mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts wurden gegen den Revisionswerber, einen Beamten der Landespolizeidirektion G (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof) wegen des Verdachtes der Begehung verschiedener, in den angefochtenen Erkenntnissen näher dargestellter Dienstpflichtverletzungen (wegen der Missachtung von Weisungen, Unterlassung der Meldung bzw. Anzeige von strafbaren Handlungen, Äußerungen über seinen Vorgesetzten, Unterlassung einer Meldung, rechtswidriger Vorgangsweisen in Verwaltungsstrafverfahren und wegen Unterdrückung eines Aktes) gemäß § 123 Abs. 2 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) Disziplinarverfahren eingeleitet.
§ 30 Abs. 1 und 2 VwGG lautet:
"Aufschiebende Wirkung
§ 30. (1) Die Revision hat keine aufschiebende Wirkung. Dasselbe gilt für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsfrist.
(2) Bis zur Vorlage der Revision hat das Verwaltungsgericht, ab Vorlage der Revision hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch auf Antrag des Revisionswerbers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses oder mit der Ausübung der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung bedarf nur dann einer Begründung, wenn durch sie Interessen anderer Parteien berührt werden. Wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben, ist von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei neu zu entscheiden.
(3) Der Verwaltungsgerichtshof kann ab Vorlage der Revision Beschlüsse gemäß Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn er die Voraussetzungen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über die aufschiebende Wirkung der Revision maßgebend waren, wesentlich geändert haben.
(4) Beschlüsse gemäß Abs. 2 und 3 sind den Parteien zuzustellen. Wird die aufschiebende Wirkung zuerkannt, ist der Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses aufzuschieben und sind die hiezu erforderlichen Anordnungen zu treffen; der Inhaber der durch das angefochtene Erkenntnis eingeräumten Berechtigung darf diese nicht ausüben.
(5) Auf die Beschlüsse der Verwaltungsgerichte sind die für ihre Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden."
Das Bundesverwaltungsgericht hat über die Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entschieden, daher ist nach Vorlage der Revision gemäß § 30 Abs. 2 VwGG der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die Anträge zuständig.
Der Revisionswerber begründet seine Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass er gemäß § 112 Abs. 1 und 3 BDG 1979 vom Dienst suspendiert worden sei und der Suspendierungsbescheid mit den verfahrensgegenständlich vorgeworfenen Dienstpflichtverletzungen begründet worden sei. Die Suspendierung sei zwar zwischenzeitig wieder aufgehoben worden. Von der Dienstbehörde würden aber weiterhin gegen den Revisionswerber Sanktionen verhängt, die ihn von der Erbringung von Mehrdienstleistungen (Überstunden und Journaldienste) unter anderem auf Grund des gegenständlichen Verfahrens ausschlössen. Damit entstehe für den Revisionswerber ein unverhältnismäßiger Nachteil, dem zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstünden. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wäre ein Mittel, das zur Einstellung von unsachlichen Diskriminierungen des Revisionswerbers durch die Dienstbehörde führen könnte.
Zwingende öffentliche Interessen stehen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen. Daher ist für die Entscheidung über den Antrag das Ergebnis einer "Abwägung aller berührten Interessen" im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG maßgeblich. Bei dieser in § 30 Abs. 2 VwGG vorgesehenen Interessensabwägung ist - vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung - eine Abwägung sämtlicher individueller und öffentlicher Interessen vorzunehmen, das Gesetz sieht insofern keine Einschränkung vor. Der Antragsteller hat in seinem Antrag zu konkretisieren, worin für ihn der unverhältnismäßige Nachteil gelegen wäre (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom 25. Februar 1981, VwSlg. 10.381 A/1981). Diese Konkretisierungspflicht ist grundsätzlich umso genauer einzuhalten, je weniger offensichtlich die Schwere und Unumkehrbarkeit der mit dem sofortigen Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Revisionswerber verbundenen Nachteile sind (vgl. den hg. Beschluss vom 5. Dezember 2013, AW 2013/09/0039, zu der vor der Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz geltenden, insofern gleichen Rechtslage).
Die vorläufige Maßnahme der aufschiebenden Wirkung einer beim Verwaltungsgerichtshof erhobenen Revision bewirkt, dass der "Vollzug" der angefochtenen Entscheidung in einem umfassenden Sinn ausgesetzt, also ihre Vollstreckbarkeit und die durch sie bewirkte Gestaltung der Rechtslage, ihre Tatbestandswirkungen und ihre Bindungswirkungen zum Zwecke der Sicherung eines möglichen Erfolges der Revision gemäß § 63 Abs. 1 VwGG suspendiert werden. Bis zur Entscheidung über die Revision dürfen aus der angefochtenen Entscheidung keine für den Revisionswerber nachteiligen Rechtsfolgen gezogen werden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Oktober 1995, Zl. 95/21/0521, vom 23. Juli 1999, Zl. 99/02/0081, vom 15. Oktober 1999, Zl. 99/19/0031, und die hg. Beschlüsse vom 4. Oktober 2000, Zl. AW 2000/21/0128, und vom 13. Juni 2002, Zl. 2000/06/0072, jeweils mit weiteren Nachweisen, und auch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Juni 1999, Slg. Nr. 15.508, zum Ganzen den hg. Beschluss vom 8. Jänner 2010, AW 2009/09/0120).
Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hätte im vorliegenden Fall zur Folge, dass das Disziplinarverfahren vorläufig bis zu den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes über die Revisionen in den Stand vor Erlassung der einzelnen Einleitungsbeschlüsse zurückversetzt wäre und mit seiner Weiterführung, insbesondere der Durchführung einer Disziplinarverhandlung jeweils bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Revisionen zugewartet werden müsste. Daran besteht ein gewisses Interesse, weil erst nach den Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes abschließende Klarheit darüber besteht, ob und in welchem Umfang das Disziplinarverfahren weitergeführt werden darf.
Die vom Revisionswerber vorgebrachten konkreten Auswirkungen der angefochtenen Einleitungsbeschlüsse auf die Entscheidung der Dienstbehörde, den Revisionswerber zu Mehrdienstleistungen einzuteilen, sind demgegenüber nicht nachzuvollziehen. Diesem Argument ist auch der Bundesminister in seiner Revisionsbeantwortung vom 4. Dezember 2014 - vom Revisionswerber unwidersprochen - entgegengetreten. Eine Rechtsvorschrift, die anordnete, dass Beamte, gegen die ein Disziplinarverfahren eingeleitet ist, von der Erbringung von Mehrdienstleistungen ausgeschlossen wären, ist nämlich nicht zu erkennen.
Zwar würde im Fall der Weiterführung des Disziplinarverfahrens vor Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Revisionen die gänzliche oder teilweise Aufhebung der angefochtenen Erkenntnisse im Umfang der Aufhebung die Rechtswidrigkeit eines auf den angefochtenen Einleitungsbeschlüssen aufbauenden Disziplinarerkenntnisses zur Folge haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/09/0138) und ist die Fortsetzung des Disziplinarverfahrens mit diesem Risiko belastet. Allein dieses Risiko führt im vorliegenden Fall angesichts des allgemeinen Interesses an der Vermeidung von Verfahrensverzögerungen im gegenwärtigen Verfahrensstand nicht zur Notwendigkeit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
Die Beurteilung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG ergibt im vorliegenden Fall daher, dass den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht stattgegeben werden konnte.
Wien, am 13. Jänner 2015
