JudikaturVwGH

Ra 2021/08/0006 6 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz

Rechtssatz
26. April 2022

Der EuGH hat bereits darauf hingewiesen, dass zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen können, unter anderem folgende Gründe gehören: der Schutz der Arbeitnehmer, die Verhinderung eines unlauteren Wettbewerbs durch Unternehmen, die ihren entsandten Arbeitnehmern einen Lohn zahlen, der unterhalb des Mindestlohns liegt, soweit dieses Ziel auch dem Schutz der Arbeitnehmer in Hinblick auf die Bekämpfung von Sozialdumping dient, sowie die Bekämpfung von Betrug, insbesondere Sozialbetrug, und die Verhinderung von Missbräuchen, namentlich die Bekämpfung der Schwarzarbeit, sofern dieses Ziel insbesondere mit dem Ziel, das finanzielle Gleichgewicht der Systeme der sozialen Sicherheit zu wahren, zusammenhängen kann (vgl. EuGH De Clercq, C-315/13, Rn. 65; sowie Maksimovic u.a., C-64/18, u.a., Rn. 37; jeweils mit weiteren Hinweisen). Die Pflicht zur Anmeldung von Dienstnehmern nach § 33 ASVG und die für die Unterlassung dieser Verpflichtung vorgesehenen Strafen nach § 111 ASVG dienen in hohem Ausmaß derartigen Zielen. Insbesondere soll die Schwarzarbeit bekämpft und damit die Finanzierung des österreichischen Systems der Sozialversicherung sichergestellt werden (vgl. VwGH 27.4.2011, 2010/08/0172, unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien). Darüber hinaus dienen die genannten Bestimmungen aber auch wesentlich dem Schutz der Interessen der einzelnen Dienstnehmer, die - ungeachtet des Prinzips der ex lege eintretenden Pflichtversicherung - bei nicht erfolgter Anmeldung Nachteile im Leistungsrecht (vgl. § 225 ASVG) aufgrund des Unterbleibens einer Anmeldung nach § 33 ASVG erleiden können (vgl. VwGH 27.4.2011, 2010/08/0172). Dabei ist zu beachten, dass den der Pflichtversicherung unterliegenden Personen - insbesondere bei kürzeren Beschäftigungsverhältnissen - die Unterlassung der Anmeldung durch den Dienstgeber nicht zwingend auffallen muss. Es besteht daher die Gefahr, dass das Unterbleiben der Anmeldung nach § 33 ASVG von ihnen erst bemerkt wird, wenn eine Feststellung der Beiträge infolge Eintritts der Verjährung nach § 68 Abs. 1 ASVG nicht mehr möglich ist bzw. die Dienstgeber auch für Schadenersatzforderungen nicht mehr greifbar sind. Die Verwaltungsstrafbestimmung des § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG iVm. § 33 Abs. 1 (bzw. § 33 Abs. 1 und 2) ASVG dient daher im Sinn der Rechtsprechung des EuGH zwingenden Gründen des Allgemeininteresses und ist erforderlich, um diesen Zielen zum Durchbruch zu verhelfen.

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