JudikaturVwGH

Ra 2024/07/0218 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
24. Juni 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Kreil, über die Revision des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (nunmehr Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz) gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 27. September 2024, LVwG 30.7 3611/2024 4, betreffend Bestrafung nach dem EpiG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Weiz; mitbeteiligte Partei: R R in S),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

2. den Beschluss gefasst:

Der Antrag der Bezirkshauptmannschaft Weiz in ihrem als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz vom 20. Jänner 2025 auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses, wird zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis vom 27. August 2024 legte die Bezirkshauptmannschaft Weiz (BH Weiz) dem Mitbeteiligten zur Last, er habe es unterlassen, am 18. Februar 2022 an einem näher angegebenen Ort als Erziehungsberechtigter des minderjährigen RR, der positiv auf die anzeigepflichtige Krankheit SARS Cov 2 getestet worden sei, der zuständigen Behörde, nämlich der BH Weiz, die erforderlichen Auskünfte zu erteilen, obwohl Kranke, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige „im gegenständlichen Fall“ der Mitbeteiligte „als Erziehungsberechtigter des Kranken“ verpflichtet seien, den zuständigen Behörden die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und sich den notwendigen ärztlichen Untersuchungen sowie der Entnahme von Untersuchungsmaterial zu unterziehen. Er habe dadurch § 40 iVm § 5 Abs. 1 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) verletzt und werde nach § 40 EpiG mit einer Geldstrafe von € 100 (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag und 22 Stunden) bestraft.

2 Begründend führte die BH Weiz aus, der minderjährige RR, dessen Vater und Erziehungsberechtigter der Mitbeteiligte sei, sei positiv auf SARS Cov 2 getestet worden. Dazu sei von der Verwaltungsbehörde ein Contact-Tracing durchgeführt worden. Im Zuge dessen sei der Mitbeteiligte am 18. Februar 2022 kontaktiert worden. Der Mitbeteiligte habe jedoch mitgeteilt, keine Auskünfte über seinen Sohn zu geben. Er sei daher seiner Auskunftspflicht nicht nachgekommen.

3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Steiermark (Verwaltungsgericht) der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge, hob das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.

4 In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht fest, der minderjährige Sohn des Mitbeteiligten sei im Februar 2022 positiv auf SARS Cov 2 getestet worden. Von der BH Weiz sei der Mitbeteiligte als Vater und Erziehungsberechtigter ausgeforscht und telefonisch kontaktiert worden. Dabei habe der Mitbeteiligte sich geweigert, zu seinem Sohn Auskünfte zu erteilen.

5 In rechtlicher Hinsicht ergebe sich, dass nach § 5 Abs. 1 EpiG Kranke, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige zur Auskunftserteilung gegenüber der zuständigen Behörde verpflichtet seien. Die Bestimmung richte sich dagegen nicht an Erziehungsberechtigte eines mit einer ansteckungsverdächtigen Erkrankung erkrankten minderjährigen Kindes. Das dem Mitbeteiligten vorgeworfene Verhalten habe daher keine verwaltungsstrafrechtliche Relevanz. Strafgesetze könnten auch nicht zum Nachteil des Täters analog angewandt werden. Das Strafverfahren sei somit einzustellen.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision.

7 Nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof hat der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung eingebracht und beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

8 Die BH Weiz hat einen als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz eingebracht, in der sie sich den Ausführungen der Revision inhaltlich angeschlossen und die Aufhebung des in Revision gezogenen Erkenntnisses beantragt hat.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

10 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit insbesondere geltend , ausgehend von dem vorgeworfenen Sachverhalt ergebe sich, dass der Mitbeteiligte gegen § 5 Abs. 3 EpiG verstoßen habe, indem er sich als Familienangehöriger dem Verlangen der Bezirksverwaltungsbehörde zur Auskunftserteilung verweigert habe. Nach der (näher bezeichneten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs sei die Sache des Verwaltungsstrafverfahrens die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung . Das Verwaltungsgericht sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs abgewichen, indem es seiner Verpflichtung, den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses zu korrigieren, nicht nachgekommen sei.

11 Die Revision ist zulässig und berechtigt.

12 § 5 Abs. 1 und Abs. 3 sowie § 40 Abs. 1 EpiG, BGBl. Nr. 186/1950 in der zum Tatzeitpunkt anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 6/2022, lauten samt Überschriften auszugsweise:

„Erhebungen über das Auftreten einer Krankheit

§ 5. (1) Über jede Anzeige sowie über jeden Verdacht des Auftretens einer anzeigepflichtigen Krankheit haben die zuständigen Behörden durch die ihnen zur Verfügung stehenden Ärzte unverzüglich die zur Feststellung der Krankheit und der Infektionsquelle erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen einzuleiten. Kranke, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige sind verpflichtet, den zuständigen Behörden die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und sich den notwendigen ärztlichen Untersuchungen sowie der Entnahme von Untersuchungsmaterial zu unterziehen. [...]

(3) Auf Verlangen der Bezirksverwaltungsbehörde sind alle Personen, wie insbesondere behandelnde Ärzte, Labors, Arbeitgeber, Familienangehörige und Personal von Gemeinschaftseinrichtungen, die zu den Erhebungen einen Beitrag leisten könnten, zur Auskunftserteilung verpflichtet.

Sonstige Übertretungen.

§ 40. (1) Wer durch Handlungen oder Unterlassungen

a) den in den Bestimmungen der §§ 5, 8, 12, 13, 21 und 44 Abs. 2 enthaltenen Geboten und Verboten oder

b) [...]

c) [...] zuwiderhandelt oder

d) [...]

macht sich, sofern die Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist mit Geldstrafe von 145 Euro bis zu 1 450 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 2 900 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe bis zu vier Wochen zu bestrafen.“

13 § 5 Abs. 1 EpiG sieht im Fall der Anzeige sowie jeden Verdachts des Auftretens einer anzeigepflichtigen Krankheit die Einleitung von erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen durch die zuständigen Behörden zur Feststellung der Krankheit und der Infektionsquelle vor. Dazu statuiert die Bestimmung unter anderem eine Verpflichtung der Erkrankten, Krankheitsverdächtigen und Ansteckungsverdächtigen, den zuständigen Behörden im Zuge dieser Erhebungen die erforderlichen Auskünfte zu erteilen (vgl. näher VwGH 22.3.2023, Ra 2022/09/0115, mwN).

14 Das Verwaltungsgericht ist damit im Recht, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 5 Abs. 1 EpiG Adressaten der Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften Erkrankte, Krankheitsverdächtige und Ansteckungsverdächtige, nicht jedoch deren gesetzliche Vertreter sind. § 5 Abs. 3 EpiG statuiert jedoch auch eine Verpflichtung anderer Personen, wie insbesondere behandelnder Ärzte, Labors, Arbeitgeber, Familienangehöriger und des Personals von Gemeinschaftseinrichtungen, die zu den Erhebungen einen Beitrag leisten könnten, zur Auskunftserteilung. Es ist nicht zweifelhaft, dass insbesondere auch die Eltern einer minderjährigen Person, die an einer anzeigepflichtigen Krankheit leidet bzw. bei der zumindest ein derartiger Verdacht besteht, nach § 5 Abs. 3 EpiG als Familienangehörige zum Kreis der Personen gehören, die verpflichtet sind, im Zuge der Erhebungen der zuständigen Behörden zur Krankheit und der Infektionsquelle, soweit sie zu diesen Erhebungen einen Beitrag leisten können, auf Verlangen Auskünfte zu erteilen.

15 Nach § 40 Abs. 1 lit. a EpiG stellt unter anderem ein Verstoß gegen die Gebote und Verbote des § 5 EpiG somit insbesondere auch gegen die Verpflichtungen zur Auskunftserteilung nach § 5 Abs. 1 und Abs. 3 EpiG eine Verwaltungsübertretung dar.

16 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Sache des Verwaltungsstrafverfahrens die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen, unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. etwa VwGH 6.5.2025, Ra 2025/02/0050, mwN). Eine Unterstellung des vorgeworfenen Verhaltens unter eine andere Strafbestimmung durch das Verwaltungsgericht ist zulässig und geboten, wenn es sich dabei lediglich um eine Konkretisierung des Tatvorwurfs bzw. die rechtlich richtige Subsumtion des der Bestrafung zu Grunde gelegten Verhaltens handelt und somit keine Auswechslung der vorgeworfenen Tat vorliegt. Eine (unzulässige) Auswechslung der Tat liegt dann nicht vor, wenn lediglich die rechtliche Beurteilung des vorgeworfenen Verhaltens geändert wird (vgl. etwa VwGH 27.5.2024, Ra 2021/17/0068, mwN).

17 Die Revision ist daher damit im Recht, dass die verfehlte Subsumtion des Verhaltens des Mitbeteiligten durch die BH Weiz unter § 5 Abs. 1 EpiG das Verwaltungsgericht nicht zur Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens berechtigt hat, sondern das Verwaltungsgericht verpflichtet gewesen wäre, eine Übertretung von § 5 Abs. 3 EpiG zu prüfen und gegebenenfalls den Spruch des Straferkenntnisses der BH Weiz dahingehend richtig zu stellen (vgl. zur Verpflichtung zur Korrektur des Spruches etwa auch VwGH 26.1.2017, Ra 2015/07/0053, mwN).

18 Da das Verwaltungsgericht dies verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

19 Der Antrag der BH Weiz in ihrem als Revisionsbeantwortung bezeichneten Schriftsatz, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben, ist der Sache nach als Revision zu verstehen, die schon aufgrund ihrer Verspätung zurückzuweisen ist (vgl. VwGH 26.4.2022, Ra 2021/08/0006, mwN).

Wien, am 24. Juni 2025

Rückverweise