Leitsatz
Auswertung in Arbeit
Spruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, "der Verfassungsgerichtshof möge entscheiden, dass die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 03.10.2001, GZ: VerkR10-5-86-2001/H/Be, gesetzwidrig war".
II. Rechtslage
1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. Oktober 2001, ZVerkR10-5-86-2001/H/Be, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):
"V E R O R D N U N G
der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land betreffend die
Festsetzung des Ortsgebietes 'FISCHLHAM'
auf der L 537 Sattledter Straße im Gemeindegebiet Fischlham
In Anwendung des §43 Abs1 litb) Z1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) wird nach Anhören der Landesstraßenverwaltung und der Gemeinde Fischlham im Interesse der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs verordnet:
§1
Die L 537 Sattledter Straße wird von Strkm 4,420 bis Strkm 4,781 in beiden Fahrtrichtungen zum Ortsgebiet 'FISCHLHAM' erklärt.
§2
Diese Verordnung tritt gemäß §44 Abs1 StVO 1960 mit der Anbringung des Hinweiszeichens 'Ortstafel Fischlham' und 'Ortsende Fischlham' nach §53 Z17a und 17b StVO 1960 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 06.02.1989, VerkR 0203/8/1988/E außer Kraft.
Mit freundlichen Grüßen zeichnet
für den Bezirkshauptmann:
[…]"
2. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. Juli 2015, VerkR10-5-32-2015-Kö, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):
"V E R O R D N U N G
der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land betreffend die Festsetzung des Ortsgebietes Hafeld, Gem. Buchkirchen, die Ausdehnung des Ortsgebietes Fischlham und eines Fahrverbotes im Gemeindegebiet von Fischlham.
In Anwendung des §43 Abs1 litb) Z1 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) wird nach Durchführung eines Ortsaugenscheines unter Beiziehung eines verkehrstechnischen Amtssachverständigen und der Gemeinde Fischlham im Interesse der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs verordnet:
§1
Auf dem im Bereich der Schule von der übrigen Fahrbahn abgetrennten 'Busstreifen' ist im Gemeindegebiet von Fischlham das Fahren in beiden Richtungen verboten.
Ausgenommen davon sind Schulbusse und Zustelldienste
Es sind folgende Verkehrszeichen aufzustellen:
Vorschriftszeichen 'Fahrverbot (in beiden Richtungen)'
nach §52 lita Z1 Straßenverkehrsordnung 1960 i.d.g.F.
jeweils unmittelbar im Bereich der Zufahrt zum von der übrigen Fahrbahn abgetrennten 'Busstreifen'
§2
Die L537 Sattledter Straße wird im Gemeindegebiet von Fischlham von Straßenkilometer 1,970 bis Straßenkilometer 2,617 in beiden Fahrtrichtungen zum Ortsgebiet 'Hafeld Gem. Fischlham' erklärt.
§3
Das Ortsgebiet 'Fischlham' wird auf der L 537 Sattledter Straße in Fahrtrichtung Steinerkirchen bis zum Straßenkilometer 4,974 ausgedehnt.
§4
Der §1 der Verordnung vom 31. Juli 2013, Verk10-5-30-2013 G/Be wird mit Inkrafttreten dieser Verordnung aufgehoben.
§5
Diese Verordnung tritt gemäß §44 Abs1 StVO 1960 mit der Anbringung der Vorschriftszeichen sowie der Hinweiszeichen in Kraft.
Für den Bezirkshauptmann:
[…]"
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 27. April 2023 wurde dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Last gelegt, er habe am 14. Oktober 2022, um 10.10 Uhr, einen nach dem Kennzeichen näher bestimmten Personenkraftwagen auf der L 537, Höhe Straßenkilometer 4,770, in Fahrtrichtung Lambach, gelenkt und dabei die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten. Über den Beschwerdeführer wurde daher wegen einer Übertretung des §20 Abs2 StVO 1960 gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 eine Geld- und Freiheitsstrafe verhängt.
2. Aus Anlass der Beschwerde gegen dieses Straferkenntnis stellt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag, "der Verfassungsgerichtshof möge entscheiden, dass die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 03.10.2001, GZ: VerkR10-5-86-2001/H/Be, gesetzwidrig war", und begründet diesen im Wesentlichen wie folgt:
2.1. Die Kundmachung der angefochtenen Verordnung sei durch Aufstellung von Hinweiszeichen gemäß §53 Abs1 Z17a und 17b StVO 1960 erfolgt. Sie habe daher ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen sei und in Geltung stehe. Die angefochtene Verordnung sei im Beschwerdeverfahren anzuwenden, weil dem Beschwerdeführer eine Geschwindigkeitsübertretung in ihrem Geltungsbereich vorgeworfen werde.
Die angefochtene Verordnung sei zwar mit §3 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 14. Dezember 2023, BHWLVerk 2022 799248/120-ST, aufgehoben und das Ortsgebiet "FISCHLHAM" in dem in Rede stehenden Bereich der L 537 Sattledter Straße neu festgesetzt worden. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfene Geschwindigkeitsübertretung sei jedoch bereits am 14. Oktober 2022, und damit vor Inkrafttreten dieser Verordnung, erfolgt.
2.2. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich habe im Zuge des Beschwerdeverfahrens einen Amtssachverständigen für Verkehrstechnik mit der Überprüfung der angefochtenen Verordnung beauftragt. Dieser habe am 2. Mai 2024 einen Lokalaugenschein inklusive Vermessung der Straßenverkehrszeichen durchgeführt und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ausgeführt, dass sich das Straßenverkehrszeichen, welches auf der L 537 in der Fahrtrichtung des Beschwerdeführers den Beginn des Ortsgebietes "FISCHLHAM" anzeige, nicht wie in der angefochtenen Verordnung angeordnet bei Straßenkilometer 4,781 befinde, sondern bereits bei Straßenkilometer 4,974. Nach der einschlägigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes führe diese signifikante Abweichung des Aufstellungsortes von 193 Metern zu einer nicht gesetzmäßigen Kundmachung der Verordnung.
Zum Zeitpunkt der Vermessung durch den Amtssachverständigen sei in dem in Rede stehenden Bereich zwar bereits die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 14. Dezember 2023 in Kraft gewesen, die Position der relevanten Straßenverkehrszeichen habe sich jedoch im Zuge der Neuerlassung der Ortsgebietsverordnung nicht verändert.
3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der Folgendes ausgeführt wird:
Die verordnungserlassende Behörde habe im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die mit dem vorliegenden Antrag angefochtene Verordnung aus dem Jahr 2001 vorgelegt. Mittlerweile habe sich "[b]ei näherer Befassung mit der Thematik und aufgrund eines Hinweises des langjährig involvierten verkehrstechnischen Amtssachverständigen" herausgestellt, dass die angefochtene Verordnung bereits mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. Juli 2015, VerkR10-5-32-2015 (gemeint wohl: "VerkR10-5-32-2015-Kö"), in dem Sinn novelliert worden sei, dass das Ortsgebiet "FISCHLHAM" auf der L 537 Sattledter Straße in Fahrtrichtung Steinerkirchen bis Straßenkilometer 4,974 ausgedehnt worden sei. Diese Verordnung sei laut Vermerk der Straßenmeisterei Wels durch Anbringung der Ortsschilder am 22. Juli 2015 kundgemacht worden. Dies entspreche den vom Amtssachverständigen festgestellten Standorten der Straßenverkehrszeichen.
Die verordnungserlassende Behörde beantrage die Abweisung des Antrages, weil zu dem relevanten Tatzeitpunkt am 14. Oktober 2022 nicht die angefochtene Verordnung, sondern die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. Juli 2015, VerkR10-5-32-2015 (gemeint wohl: "VerkR10-5-32-2015-Kö"), in Geltung gestanden und damit Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers sei.
4. Die Oberösterreichische Landesregierung hat weder eine Äußerung erstattet, noch auf die angefochtene Verordnung Bezug habende Akten vorgelegt.
IV. Zulässigkeit
1.1. Der Verfassungsgerichtshof geht beginnend mit VfSlg 20.182/2017 davon aus, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg 20.182/2017). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl VfSlg 20.251/2018).
Die angefochtene Verordnung wurde ausweislich der vorgelegten Akten durch Anbringung von Straßenverkehrszeichen kundgemacht, sodass sie ein Mindestmaß an Publizität erreicht hat und mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist.
1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita BVG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003; VfGH 25.11.2024, V37/2023).
Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Normenprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003; VfGH 17.6.2025, V1/2024 ua), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017; VfGH 25.6.2025, V41/2025). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014; VfGH 25.6.2025, V41/2025).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).
Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Verordnungsbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).
1.3. Mit der angefochtenen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. Oktober 2001, ZVerkR10-5-86-2001/H/Be, wurde die L 537 Sattledter Straße von Straßenkilometer 4,420 bis Straßenkilometer 4,781 in beiden Fahrtrichtungen zum Ortsgebiet "FISCHLHAM" erklärt. Mit §3 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. Juli 2015, VerkR10-5-32-2015-Kö, wurde dieses Ortsgebiet in Fahrtrichtung Steinerkirchen bis zum Straßenkilometer 4,974 ausgedehnt.
Daraus ergibt sich, dass Beginn und Ende des einen einheitlichen örtlichen Geltungsbereich bildenden Ortsgebietes "FISCHLHAM" zu dem im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in Rede stehenden Tatzeitpunkt durch die – ausschließlich vom vorliegenden Antrag erfasste – Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. Oktober 2001, ZVerkR10 5 862001/H/Be, in Zusammenschau mit §3 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 3. Juli 2015, VerkR10-5-32-2015-Kö, festgelegt war. Durch die Aufhebung lediglich der mit dem vorliegenden Antrag angefochtenen Verordnung wäre für das Ortsgebiet in einer Fahrtrichtung kein Beginn bzw Ende mehr festgelegt (vgl VfGH 25.2.2025, V341/2023). Der Antrag ist daher zu eng gefasst und erweist sich somit als unzulässig.
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.