V37/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Rechtssatz
Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit einer Verordnung der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Hall in Tirol betreffend die "vorgeschriebene Fahrtrichtung" an einer Kreuzung; hinreichende Darlegung und Auseinandersetzung mit der Erforderlichkeit der Maßnahme im Verfahren zur Erlassung der Verordnung; kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch die unterschiedliche Regelung des Schwerverkehrs aus unterschiedlichen Fahrrichtungen
Abweisung eines Antrags des LVwG Tirol auf Aufhebung der Verordnung der Bürgermeisterin der Stadtgemeinde Hall in Tirol, StVO 2020/073, vom 05.10.2020 betreffend ein Rechtsabbiegegebot für Fahrzeuge über einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von 3,5 t im Kreuzungsbereich der Alten Landstraße mit der Trientlstraße.
Die verordnungserlassende Behörde hat die Erforderlichkeit der angefochtenen Verordnung iSd §43 Abs1 litb Z2 StVO 1960 in ausreichendem Maße dargelegt: Das eingeholte verkehrstechnische Sachverständigengutachten enthält zwei alternative Maßnahmenvorschläge, die jeweils als zur Zielerreichung geeignet beurteilt wurden. Ziel der angefochtenen Verordnung war ausweislich des Inhaltes des Verordnungsaktes die Unterbindung des aus dem ehemaligen Kasernenareal kommenden Schwerverkehrs durch das Ortsgebiet von Hall in Tirol. Dieser sollte auf die westseitig des Kasernenareals geschaffene Anbindung umgeleitet werden, um insbesondere auch die Staubildungen in der Brixnerstraße zu verhindern und damit die dortige Wohnbevölkerung zu entlasten. Dem Gutachten ist ferner zu entnehmen, dass die Erlassung der angefochtenen Verordnung abgesehen von den positiven Auswirkungen hinsichtlich der Verkehrssicherheit und den Umweltauswirkungen im Bereich der östlichen Alten Landstraße kaum Änderungen gegenüber der Bestandsituation erwarten lasse, und dass eine solche Verordnung nur für jene Fahrzeuge über einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen Auswirkungen zeige, die bisher über die Brixner Straße gefahren seien, um sich einen Umweg von ca. 500 Meter zu ersparen. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen ist die Annahme der verordnungserlassenden Behörde, dass es sich bei dem zweiten Maßnahmenvorschlag des Sachverständigengutachtens um den "verträglichsten" handle, nachvollziehbar begründet. Der Umstand, dass im Verordnungsakt keine weitergehende Auseinandersetzung mit dem anderen Maßnahmenvorschlag dokumentiert ist, belastet die angefochtene Verordnung ebenso wenig mit Gesetzwidrigkeit wie die vom LVwG aufgezeigten Möglichkeiten, die angefochtene Verordnung durch allfällige Wendemanöver (in der Trientlstraße selbst oder spätestens beim Kreisverkehr Burgfrieden) in der Praxis zu umgehen.
Auch das Bedenken des LVwG, wonach die angefochtene Verordnung keine positiven Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit sowie auf die Umwelt haben könne, wird durch den vorgelegten Verordnungsakt entkräftet: Laut den nachvollziehbaren Ausführungen der verordnungserlassenden Behörde in dem Schreiben vom 13.09.2020 kommt es durch die verordnete vorgeschriebene Fahrtrichtung für Fahrzeuge mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen sowohl im Hinblick auf die Anwohner (Grundstücksausfahrten, fehlender Gehsteig, Lärm und Staub) als auch auf den öffentlichen Verkehr (eine Begegnung Lkw/Traktor und Bus sei in diesem Bereich nur eingeschränkt möglich) zu einer Verbesserung der Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs. Dies steht auch im Einklang mit dem Sachverständigengutachten, wonach durch diese Maßnahme verhindert werde, dass der "erhebliche" Schwerverkehr aus Fahrtrichtung Osten weiterhin über die Brixnerstraße (und damit durch das Wohngebiet an der östlichen Alten Landstraße) fahren würde. Im Hinblick auf die im Rahmen der Befundaufnahme durch den Sachverständigen durchgeführte Aufnahme der Bestandssituation und deren Beurteilung trifft schließlich auch das Bedenken des LVwG, dass das durchgeführte Ermittlungsverfahren zur Erlassung der angefochtenen Verordnung nicht ausreichend gewesen sei, nicht zu.
Kein Verstoß der angefochtenen Verordnung gegen den Gleichheitsgrundsatz:
Dem Sachverständigengutachten ist zu entnehmen, dass mit der angefochtenen Verordnung der aus Richtung Westen kommende, durch das Ortsgebiet von Hall in Tirol (insbesondere durch das Wohngebiet Alte Landstraße) führende "erhebliche" Schwerverkehr in Fahrtrichtung Osten iSd Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs vermieden werden soll. Aus dem Verordnungsakt ist dagegen nicht ersichtlich, dass das Ortsgebiet bzw das Wohngebiet durch einen von Norden nach Süden führenden Schwerverkehr in vergleichbarer Weise belastet wäre. Im Hinblick darauf erscheint eine unterschiedliche Regelung des von Westen nach Osten führenden Schwerverkehrs im Vergleich zu dem (allenfalls auch) von Norden nach Süden führenden Schwerverkehr nicht unsachlich.