JudikaturVfGH

V341/2023 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
25. Februar 2025
Leitsatz

Abweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung zweier ordnungsgemäß kundgemachter Ortstafelverordnungen auf Grund korrekter Anbringung der Straßenverkehrszeichen

Spruch

I. Der Hauptantrag wird zurückgewiesen.

II. Der Eventualantrag wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich, der Verfassungsgerichtshof möge die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14. Juli 2010, ZVerkR10 1061 15 2010, als gesetzwidrig aufheben. In eventu wird beantragt, der Verfassungsgerichtshof möge die mit dem Hauptantrag angefochtene Verordnung sowie die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 4. Februar 2013, ZVerkR10 1061 17 2013, als gesetzwidrig aufheben.

II. Rechtslage

1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14. Juli 2010, ZVerkR10 1061 15 2010, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"Verordnung

Auf Grund der §§94b litb und 43 Abs1 litb Z2 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl Nr 159/1960 (StVO 1960) in der geltenden Fassung wird für den Bereich der Gemeinde St. Johann am Walde verordnet:

§1

'Ortstafel Frauschereck' gemäß §53 Abs1 Z17a StVO 1960 und 'Ortsende' gemäß §53 Abs1 Ziff 17b StVO 1960

Der Beginn des Ortsgebietes Frauschereck wird an folgender Straßenstelle festgesetzt. An der Rückseite der Ortstafel ist das Hinweiszeichen 'Ortsende' gemäß §53 Abs1 Z17b StVO 1960 anzubringen.:

L 1061 - Frauschereckstraße

Örtlicher Geltungsbereich:

Bei km 11,010 + 73m entgegen der Kilometrierung

§2

Diese Verordnung wird gemäß §44 StVO 1960 durch die in §1 angeführten Verkehrszeichen kundgemacht und tritt mit deren Anbringen in Kraft.

Ergeht an:

[…]

Für den Bezirkshauptmann

[…]"

2. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 4. Februar 2013, ZVerkR10 1061 17 2013, hat folgenden Wortlaut (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"Verordnung

Auf Grund der §§94b Abs.1 litb und 43 Abs1 litb Z2 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl Nr 159/1960 (StVO 1960) in der geltenden Fassung wird für den Bereich der Gemeinde St. Johann am Walde verordnet:

§1

'Ortstafel Frauschereck' gemäß §53 Abs1 Z17a StVO 1960 und 'Ortsende' gemäß §53 Abs1 Ziff 17b StVO 1960

Der Beginn des Ortsgebietes Frauschereck wird an folgender Straßenstelle festgesetzt. An der Rückseite der Ortstafel ist das Hinweiszeichen 'Ortsende' gemäß §53 Abs1 Z17b StVO 1960 anzubringen:

L 1061 - Frauschereckstraße

Örtlicher Geltungsbereich:

Bei km 10,2 + 190m im Sinne der Kilometrierung

§2

Diese Verordnung wird gemäß §44 StVO 1960 durch die in §1 angeführten Verkehrszeichen kundgemacht und tritt mit deren Anbringen in Kraft. Die Verordnung vom 14.07.2010, VerkR10 1061 14 2010, wird außer Kraft gesetzt.

[…]

Für den Bezirkshauptmann:

[…]

Ergeht an:

[…]"

3. Die für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnung anzuwendenden Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 StVO. 1960), BGBl 159/1960, lauten in der jeweils maßgeblichen Fassung wie folgt (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):

"§44. Kundmachung der Verordnungen.

(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. […]

(1a)–(5) […]

[…]

§53. Die Hinweiszeichen

(1) Die Hinweiszeichen weisen auf verkehrswichtige Umstände hin. Hinweiszeichen sind die folgenden Zeichen:

1a.–16c. […]

17a. 'ORTSTAFEL'

[Zeichen]

Dieses Zeichen gibt den Namen eines Ortes an und ist jeweils am Beginn des verbauten Gebietes anzubringen. Ein Gebiet ist dann verbaut, wenn die örtliche Zusammengehörigkeit mehrerer Bauwerke leicht erkennbar ist.

Auf Autobahnen, ausgenommen am Ende einer Ausfahrtsstraße, darf dieses Zeichen nicht angebracht werden. Die Anbringung einer grünen Tafel mit der weißen Aufschrift 'Erholungsdorf' - bei Orten, die berechtigt sind, die Bezeichnung Erholungsdorf zu führen - oder einer ähnlichen, die Gemeinde näher beschreibenden Tafel unterhalb der Ortstafel ist zulässig, wenn dadurch die leichte Erkennbarkeit der Ortstafel nicht beeinträchtigt und die Sicherheit des Verkehrs nicht gefährdet wird; eine solche Tafel darf die Ortstafel seitlich nicht überragen.

17b. 'ORTSENDE'

[Zeichen]

Dieses Zeichen ist auf der Rückseite des Zeichens 'Ortstafel' anzubringen; dem Zeichen kann ein Hinweis auf die Entfernung bis zum nächsten Ort mit Verkehrsbedeutung beigefügt werden.

18.–29. […]

(2) […]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried vom 4. Mai 2023 wurde über den Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wegen einer Übertretung des §20 Abs2 StVO 1960 gemäß §99 Abs2e StVO 1960 eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, er habe am 20. Juli 2022, um 14.05 Uhr, einen nach dem Kennzeichen näher bestimmten Personenkraftwagen in 5242 St. Johann am Walde, L1061, Straßenkilometer 10,735, im Ortsgebiet von Frauscherek, Richtung Höhnhart, gelenkt und dabei die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten.

2. Aus Anlass des Beschwerdeverfahrens gegen dieses Straferkenntnis stellt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B VG gestützten Antrag, der Verfassungsgerichtshof möge die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14. Juli 2010, ZVerkR10 1061 15 2010, in eventu diese Verordnung sowie die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 4. Februar 2013, ZVerkR10 1061 17 2013, als gesetzwidrig aufheben.

2.1. Zur Zulässigkeit des Antrages sowie zur Präjudizialität der angefochtenen Verordnungen wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Die mit dem Hauptantrag angefochtene Verordnung vom 14. Juli 2010 habe durch die Kundmachung mittels Anbringung der Hinweiszeichen gemäß §53 Abs1 Z17a und 17b StVO 1960 ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen sei und in Geltung stehe.

Dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich werde eine Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb des mit den Verordnungen vom 14. Juli 2010 sowie vom 4. Februar 2013 festgelegten Ortsgebietes zur Last gelegt. Die mit dem Hauptantrag angefochtene Verordnung gelange daher im Beschwerdeverfahren zur Anwendung. Mit dem Hauptantrag werde lediglich die Aufhebung der Verordnung vom 14. Juli 2010 beantragt, weil nur die mit dieser Verordnung angeordneten Straßenverkehrszeichen signifikant von dem in der Verordnung festgelegten Standort abweichen würden. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof die Auffassung vertrete, dass die Verordnungen vom 14. Juli 2010 und vom 4. Februar 2013 in einem untrennbaren Zusammenhang zueinander stünden, weil diese für die beiden unterschiedlichen Fahrtrichtungen jeweils Beginn und Ende des Ortsgebietes festlegen würden, werde in eventu die Aufhebung beider Verordnungen beantragt.

3. In der Folge legt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich seine Bedenken gegen die gesetzmäßige Kundmachung der mit dem Hauptantrag angefochtenen Verordnung dar: Der mit der Vermessung der in Rede stehenden Straßenverkehrszeichen beauftragte Amtssachverständige für Verkehrstechnik habe in der mündlichen Verhandlung am 2. August 2023 ein Gutachten erstattet, demzufolge die mit der Verordnung vom 14. Juli 2010, ZVerkR10 1061 15 2010, aus der Fahrtrichtung des Beschwerdeführers betrachtet – bei Straßenkilometer 11,083 anzubringenden Straßenverkehrszeichen tatsächlich bei Straßenkilometer 11,072 angebracht seien. Daraus ergebe sich eine Abweichung von elf Metern. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu §44 Abs1 StVO 1960 sei die angefochtene Verordnung daher nicht gesetzmäßig kundgemacht.

4. Die verordnungserlassende Behörde hat Unterlagen betreffend die angefochtene Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:

Die verordnungserlassende Behörde habe aus Anlass des vorliegenden Antrages die für den betroffenen Streckenabschnitt zuständige Straßenmeisterei Ried ersucht, eine Überprüfung der in Rede stehenden Ortstafel im Hinblick auf ihren Standort vorzunehmen. Die mittels GPS durchgeführte Vermessung habe ergeben, dass die Ortstafel entsprechend der mit dem Hauptantrag angefochtenen Verordnung aufgestellt worden sei. Der vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich beigezogene Amtssachverständige habe daraufhin – befragt zu seiner Messmethode – bekanntgegeben, dass er bei seinem Lokalaugenschein ausgehend von Straßenkilometer 11,20 zurück auf die Ortstafel gemessen und dabei die Abweichung zu der Kilometerangabe in der Verordnung festgestellt und dokumentiert habe. Den Kilometrierungspunkt "Km 11.010" habe er vor Ort nicht gefunden. Bei der Abklärung mit der Straßenmeisterei sei daraufhin festgestellt worden, dass der Straßenkilometer 11,010 sich nicht auf einem "Km Steher" befinde, sondern auf der Objektfassade eines Bauernhauses bzw Wirtschaftsgebäudes montiert sei. Der Amtssachverständige habe in der Folge den Sachverhalt erneut geprüft und festgestellt, dass die Anbringung der Ortstafel ausgehend von der Kilometrierung an der Hausmauer gemäß den Angaben in der angefochtenen Verordnung erfolgt sei.

5. Die Oberösterreichische Landesregierung hat weder auf die angefochtenen Verordnungen Bezug habende Akten vorgelegt, noch eine Äußerung erstattet.

6. Der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der er im Wesentlichen Folgendes vorbringt: Die Verordnung des Ortsgebietes sei auch für den Fall, dass der im vorliegenden Antrag relevierte Kundmachungsmangel nicht vorliege, gesetzwidrig erfolgt, weil die verordnungserlassende Behörde vor Verordnungserlassung den Beginn des verbauten Gebietes nicht hinreichend ermittelt und dokumentiert habe.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof geht zu Art89 Abs1 B VG beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg davon aus, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg ). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl VfSlg ).

Die mit dem Haupt- und dem Eventualantrag angefochtenen Verordnungen wurden ausweislich der vorgelegten Akten durch Anbringung von Straßenverkehrszeichen kundgemacht, sodass sie ein Mindestmaß an Publizität erreicht haben und mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen sind.

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

Dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wird eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit in dem Ortsgebiet zur Last gelegt, das durch die mit dem Haupt- und dem Eventualantrag angefochtenen Verordnungen festgelegt wird. Die angefochtenen Verordnungen sind daher offenkundig präjudiziell.

1.3. Ein von Amts wegen oder auf Antrag eines Gerichtes eingeleitetes Normenprüfungsverfahren dient der Herstellung einer verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlage für das Anlassverfahren (vgl VfSlg 11.506/1987, 13.701/1994).

1.3.1. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

Dieser Grundposition folgend hat der Verfassungsgerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl VfSlg 16.212/2001, 16.365/2001, 18.142/2007, 19.496/2011, 20.154/2017). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für das anfechtende Gericht präjudiziell sind und vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).

Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; VfSlg 20.082/2016), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015, 20.102/2016).

Unter dem Aspekt einer nicht trennbaren Einheit in Prüfung zu ziehender Vorschriften ergibt sich ferner, dass ein Prozesshindernis auch dann vorliegt, wenn es auf Grund der Bindung an den gestellten Antrag zu einer in der Weise isolierten Aufhebung einer Bestimmung käme, dass Schwierigkeiten bezüglich der Anwendbarkeit der im Rechtsbestand verbleibenden Vorschriften entstünden, und zwar in der Weise, dass der Wegfall der angefochtenen (Teile einer) Verordnungsbestimmung den verbleibenden Rest unverständlich oder auch unanwendbar werden ließe. Letzteres liegt dann vor, wenn nicht mehr mit Bestimmtheit beurteilt werden könnte, ob ein der verbliebenen Vorschrift zu unterstellender Fall vorliegt (VfSlg 16.869/2003 mwN).

1.3.2. Mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 4. Februar 2013, ZVerkR10 1061 17 2013, wird – in der vom Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich befahrenen Fahrtrichtung – auf der L1061 bei Straßenkilometer 10,2 + 190 Meter iSd Kilometrierung der Beginn des Ortsgebietes "Frauscherek" (sowie in der Gegenrichtung dessen Ende) verordnet. Das Ende dieses Ortsgebietes (sowie in der Gegenrichtung dessen Beginn) wird in dieser Fahrtrichtung mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14. Juli 2010, ZVerkR10 1061 15 2010, bei Straßenkilometer 11,010 + 73 Meter entgegen der Kilometrierung verordnet.

Mit dem Hauptantrag wird die Aufhebung der Verordnung vom 14. Juli 2010 mit der Begründung beantragt, dass nur der Aufstellungsort der mit dieser Verordnung angeordneten Straßenverkehrszeichen signifikant von dem in der Verordnung festgelegten Standort abweiche. Dieser Antrag ist zu eng gefasst: Die Verordnungen der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14. Juli 2010 und vom 4. Februar 2013 legen – je nach Fahrtrichtung – jeweils Beginn und Ende eines einen einheitlichen örtlichen Geltungsbereich bildenden Ortsgebietes fest und stehen daher in einem untrennbaren Zusammenhang. Durch die Aufhebung lediglich der mit dem Hauptantrag angefochtenen Verordnung wäre für das Ortsgebiet in der Fahrtrichtung des Beschwerdeführers kein Ende (und in der Gegenrichtung kein Beginn) mehr festgelegt. Der Hauptantrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

1.3.3. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich beantragt in eventu, sowohl die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 14. Juli 2010, ZVerkR10 1061 15 2010, als auch die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 4. Februar 2013, ZVerkR10 1061 17 2013, als gesetzwidrig aufzuheben. Hinsichtlich dieses Antrages sind keine Prozesshindernisse hervorgekommen, sodass sich der Eventualantrag insgesamt als zulässig erweist.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den im Antrag dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist nicht begründet.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich äußert in seinem Antrag das Bedenken, dass das angefochtene Ortsgebiet nicht gesetzmäßig iSd §44 Abs1 StVO 1960 kundgemacht worden sei, weil die laut Verordnung vom 14. Juli 2010, ZVerkR10 1061 15 2010, bei Straßenkilometer 11,083 anzubringenden Straßenverkehrszeichen tatsächlich elf Meter von diesem Standort entfernt angebracht worden seien.

Die verordnungserlassende Behörde hat in ihrer Äußerung mitgeteilt, dass sie aus Anlass des vorliegenden Antrages eine Überprüfung der in Rede stehenden Ortstafel im Hinblick auf ihren Standort durch die für den betroffenen Streckenabschnitt zuständige Straßenmeisterei Ried veranlasst habe. Diese Überprüfung habe ergeben, dass die Ortstafel entsprechend der mit dem Hauptantrag angefochtenen Verordnung aufgestellt worden sei. Der vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich beigezogene Amtssachverständige habe daraufhin den Sachverhalt anhand der durch die verordnungserlassende Behörde weitergeleiteten Informationen erneut geprüft und festgestellt, dass die Anbringung der Straßenverkehrszeichen gemäß den Angaben in der angefochtenen Verordnung erfolgt sei. Diese Angaben werden durch die von der verordnungserlassenden Behörde mit ihrer Äußerung vorgelegten E Mails bestätigt. Das antragstellende Gericht ist diesen Angaben nicht entgegengetreten.

Die Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich treffen daher nicht zu.

V. Ergebnis

1. Der Hauptantrag ist zurückzuweisen.

2. Der Eventualantrag ist abzuweisen.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.