Leitsatz
Auswertung in Arbeit
Spruch
I. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021 über ein Fahrverbot für alle Kraftfahrzeuge im Gemeindegebiet Brandberg auf der Zillergrundstraße, ZSZ VK STVO 258/11 2021, kundgemacht am 14. Juli 2021 im Boten für Tirol Nr 28/2021 sowie durch Anbringung von Straßenverkehrszeichen, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Entscheidungsgründe
I. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof sind zu den Zahlen E3634/2023, E3635/2023 und E3637/2023 auf Art144 B VG gestützte Beschwerden anhängig, denen folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
1.1. Mit Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 7. und 14. Februar 2023 wurde den Beschwerdeführern jeweils eine Übertretung des §52 lita Z6c StVO 1960 zur Last gelegt, weil sie die Zillergrundstraße im Gemeindegebiet von Brandberg trotz eines bestehenden Fahrverbotes befahren hätten. Über die Beschwerdeführer wurde daher gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 jeweils eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
1.2. Mit Erkenntnissen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 10. und 11. Oktober 2023 wurden die dagegen erhobenen Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Das Landesverwaltungsgericht Tirol ging in seinen Entscheidungen jeweils im Wesentlichen von folgender Sach- und Rechtslage aus:
1.2.1. Die Beschwerdeführer seien als Lenker eines jeweils nach dem Kennzeichen näher bestimmten Sattelzugfahrzeuges am 26. April 2022 bzw am 2. Mai 2022 zu näher bestimmten Uhrzeiten auf einem Abschnitt der Zillergrundstraße gefahren, für den gemäß §1 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021, ZSZ VK STVO 258/11 2021, ein Fahrverbot bestehe. Die Beschwerdeführer hätten während der jeweiligen Fahrten keine Berechtigungskarten iSd §2 Z7 der Verordnung bei sich geführt. Das Unternehmen, welches die Beschwerdeführer beauftragt habe, habe ihnen jedoch Kopien der Bestätigung über die Einzahlung des Jahresbeitrages an die Weginteressentschaft Zillergrund für die Benützung der Zillergrundstraße ausgehändigt.
1.2.2. Die Bezirkshauptmannschaft Schwaz habe mit Verordnung vom 8. Juli 2021, ZSZ VK STVO 258/112021, ein Fahrverbot für alle Kraftfahrzeuge im Gemeindegebiet von Brandberg auf der Zillergrundstraße erlassen. Dieses sei durch Anbringung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen kundgemacht worden. Das Straßenverkehrszeichen sei samt Zusatztafel mit der Aufschrift "lt. Bote für Tirol Nr 28/2021" zur Tatzeit an dem in der Verordnung vorgesehenen Standort angebracht gewesen. Da die Zusatztafel ausdrücklich auf das Kundmachungsorgan der Verordnung hinweise ("lt. Bote für Tirol Nr 28/2021"), umfasse sie die gesamte kundgemachte Verordnung samt Ausnahmebestimmungen. Es sei keine Gesetzwidrigkeit der Verordnung zu erkennen: Grundlage der Verordnung sei §43 Abs1 StVO 1960. Die Notwendigkeit der Verordnung ergebe sich aus einem verkehrstechnischen Gutachten. Die Ausnahmetatbestände von diesem Fahrverbot gemäß §2 Z1, 2 und 3 leg. cit. seien nicht einschlägig.
2. Bei der Behandlung der — in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen — Beschwerden sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021, ZSZ VK STVO 258/11 2021, entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher beschlossen, diese Verordnung von Amts wegen auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.
3. Der Verfassungsgerichtshof legt seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"[…] Der Verfassungsgerichtshof vermag vorläufig keine sachliche Rechtfertigung für die in §2 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021 getroffene Ausnahmeregelung zu erkennen:
[…] Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Verordnungsgeber (vgl zur Prüfung von Verordnungsbestimmungen am Maßstab des Verfassungsrechtes VfSlg 17.960/2006, 19.033/2010). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001).
Das bedeutet im vorliegenden Zusammenhang, dass die verordnungserlassende Behörde bei der Regelung des Fahrverbotes einschließlich der Ausnahmen von diesem verpflichtet war, nach sachlichen Gesichtspunkten vorzugehen (vgl zB VfSlg 10.492/1985, 12.485/1990, 13.813/1994, 20.115/2016).
[…] Aus §2 Z1, 3, 4 und 6 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021 dürften sich zunächst uneingeschränkte Ausnahmen vom Fahrverbot gemäß §1 leg. cit. ergeben, so zwar für den (Werks-)Verkehr eines Kraftwerkes und der Beherbergungs- und Gaststättenbetriebe, den land- und forstwirtschaftlichen Transportverkehr, den Verkehr im Rahmen der Mautregelung sowie den Linienverkehr mit Omnibussen. Für den (sonstigen) LKW Verkehr scheint sich aus §2 Z5 leg. cit. jedoch eine von diesen Ausnahmetatbeständen abweichende Ausnahme vom Fahrverbot zu ergeben, konkret 'laut Beschluss des Verwaltungs-ausschusses der Weginteressentschaften Zillergrund und Bärenbad' für 'derzeit' maximal 24 Fahrten pro Tag bzw sechs pro Unternehmen. Diese Ausnahme dürfte überdies nicht vom 1. Juli bis zum 30. September gelten, weshalb der (sonstige) LKW Verkehr in diesem Zeitraum dem Fahrverbot zur Gänze unterliegen dürfte.
[…] Die verordnungserlassende Behörde hat darauf hingewiesen, dass die Festlegung des Fahrverbotes vom 1. Juli bis zum 30. September für den (sonstigen) LKW Verkehr aus Gründen der Verkehrssicherheit auf Grund der eingeschränkten Fahrraumbreite und des vermehrten touristischen Verkehrs (insbesondere Radverkehr) in diesem Zeitraum erforderlich sei. Es mache einen Unterschied, ob die Strecke in Bezug auf die Fahrraumbreite mit einem PKW oder einem LKW befahren werde.
Für den Verfassungsgerichtshof ist ausgehend davon jedoch vorläufig kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, dass zufolge §2 der Verordnung einerseits ein (in den Z1, 3, 4 und 6 leg. cit.) näher bestimmter Verkehr mit allen Kraftfahrzeugen im Sinn des §2 Z1 KFG und damit jedenfalls teilweise auch mit Lastkraftwagen gemäß §2 Z8 KFG gänzlich vom Fahrverbot ausgenommen wird, andererseits jedoch für den LKW Verkehr das Fahrverbot grundsätzlich unbeschränkt gilt und von diesem lediglich in (in quantitativer und zeitlicher Hinsicht) eingeschränkter Weise Ausnahmen möglich sind (vgl VfSlg 12.485/1990).
[…] In §2 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021 wird eine 'Mautregelung' (Z4) sowie ein 'Beschluss des Verwaltungsausschusses der Weginteressentschaften Zillergrund und Bärenbad' (Z5) genannt. Der Verfassungsgerichtshof hegt ausgehend davon folgende Bedenken:
[…] Der Inhalt des §2 Z4 und 5 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021 dürfte sich nicht abschließend aus dem kundgemachten Verordnungstext, sondern vielmehr erst aus der in Z4 in Bezug genommenen 'Mautregelung' bzw aus dem in Z5 in Bezug genommenen 'Beschluss des Verwaltungsausschusses der Weginteressentschaften Zillergrund und Bärenbad' ergeben. Es dürfte sohin jeweils ein Verweis auf eine nicht von der Bezirkshauptmannschaft in Verordnungsform erlassene Regelung (vgl zB VfSlg 6290/1970, 12.169/1989, 17.335/2004, 19.645/2012) und nicht bloß eine tatbestandliche Anknüpfung (VfSlg 17.071/2003; VfGH 25.2.2020, G146/2019) vorliegen.
Daran dürfte auch der Umstand nichts ändern, dass in §2 Z5 der in Prüfung gezogenen Verordnung scheinbar die mit Beschluss des Verwaltungsausschusses der Weginteressentschaften getroffene Regelung wiedergegeben werden dürfte, zumal diese Wiedergabe in Klammern gesetzt ist und mit den Worten 'nach derzeitiger Regelung' eingeleitet wird.
[…] Die Verweisung in einer Verordnung ist – im Licht des Art18 Abs1 B VG – von vornherein nur dann verfassungsgesetzlich zulässig, wenn in der verweisenden Vorschrift das Verweisungsobjekt ausreichend bestimmt festgelegt ist (vgl VfSlg 12.947/1991, 17.735 - 17.741/2005, 20.171/2017). Diese Voraussetzung dürften die Vorschriften des §2 Z4 und 5 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021 nicht erfüllen: In Z4 wird – ohne nähere Konkretisierung – auf eine 'Mautregelung' verwiesen. In Z5 wird nicht näher festgelegt, 'laut' welchem Beschluss des Verwaltungsausschusses der 'LKW Verkehr' ausnahmsweise statthaft sein soll. §2 Z4 und 5 der Verordnung scheinen sohin nicht hinreichend bestimmt im Sinn des Art18 Abs1 B VG zu sein.
[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt ferner das Bedenken, dass §2 Z5 der Verordnung – selbst bei Zulässigkeit der Verweisung – nicht ausreichend bestimmt im Sinn des Art18 Abs1 B VG sein dürfte. §2 Z5 der Verordnung scheint nämlich keine näher bestimmten Kriterien zu beinhalten, anhand welcher das Ausnahme-kontingent von bis zu 24 Fuhren pro Tag bzw sechs Fuhren pro Unternehmen (sowohl in quantitativer als auch in zeitlicher Hinsicht) aufzuteilen ist.
[…] Aus der Formulierung des §2 Z4 und 5 der Verordnung scheint sich überdies nicht zu ergeben, dass die Mautregelung bzw der Beschluss (ausschließlich) in einer bestimmten, dh nicht änderbaren Fassung, in Bezug genommen werden. So gilt die Ausnahme gemäß Z4 für den 'Verkehr im Rahmen der Mautregelung'; nach Z5 gilt die Ausnahme vom Fahrverbot 'laut Beschluss des Verwaltungsausschusses der Weginteressentschaften Zillergrund und Bärenbad'. Bei diesem 'Beschluss' dürfte es sich nach vorläufiger Ansicht des Verfassungsgerichtshofes um eine generelle Regelung handeln. Insbesondere mit Blick auf die Formulierung 'nach derzeitiger Regelung' scheint sich §2 Z5 der Verordnung gleichwohl auch auf (allfällige) zukünftige Beschlüsse zu beziehen.
[…] §2 Z4 und 5 der Verordnung dürfte sohin nicht bloß statische, sondern dynamische Verweise auf (generelle) Regelungen enthalten, die nicht von der verordnungserlassenden Behörde herrühren (vgl VfSlg 6290/1970, 8172/1977, 12.947/1991, 17.479/2005, 19.645/2012 mwN), weshalb eine Änderung der verwiesenen Regelungen zugleich eine Änderung des Inhaltes der Verordnung bewirken dürfte. Für eine solche Preisgabe der Zuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft gemäß §94b Abs1 litb StVO 1960 zur Verordnungserlassung scheint gleichwohl keine gesetzliche Grundlage zu bestehen, weshalb die in Rede stehenden Vorschriften auch aus diesem Grund gesetzwidrig sein dürften.
[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt schließlich Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Kundmachung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021:
[…] Verordnungen, die auf Grund des §43 StVO 1960 erlassen werden, sind gemäß §44 Abs1 StVO 1960 durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen, sofern sich aus dem Gesetz keine andere Kundmachungsform ergibt. Bei Verordnungen einer Bezirksverwaltungsbehörde, die sich durch Straßenverkehrszeichen nicht ausdrücken lassen, ist jedoch gemäß §44 Abs2b StVO 1960 der 'Inhalt solcher Verordnungen […] zusätzlich zur Kundmachung durch Hinweistafeln am Beginn der von der Verordnung betroffenen Straßenstrecke zu verlautbaren. Für solche Hinweistafeln sind insbesondere auch die in §52 angeführten Straßenverkehrszeichen heranzuziehen. Auf solchen Hinweistafeln oder auf einer Zusatztafel ist auf die entsprechende Fundstelle im Kundmachungsorgan hinzuweisen.'
Unter Verordnungen, die sich durch Straßenverkehrszeichen nicht ausdrücken lassen, sind jedenfalls solche Verordnungen zu verstehen, die ein Fahrverbot mit umfangreichem Ausnahmekatalog regeln, der sich auf einer Zusatztafel im Sinn des §54 Abs2 StVO 1960 nicht leicht verständlich ausdrücken lässt (VfSlg 15.749/2000).
[…] Bei der in Rede stehenden Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz dürfte es sich angesichts des umfangreichen Ausnahmekataloges ihres §2 um eine solche Verordnung handeln. Die Verordnung dürfte gemäß ihres §4 einerseits im Boten für Tirol Nr 28/2021, kundgemacht am 14. Juli 2021, S 243, und andererseits durch das Anbringen der Straßenverkehrszeichen gemäß §52 lita Z6c und Z12 StVO 1960 mit einer Hinweistafel mit der Wort- und Zeichenfolge 'lt. Bote für Tirol Nr 28/2021' kundgemacht worden sein.
Damit scheint die Kundmachung jedoch hinter den Anforderungen des §44 Abs2b StVO 1960 zurückzubleiben, weil sich aus dem bloßen Hinweis auf die Fundstelle der Verordnung im Kundmachungsorgan deren – durch das Straßen-verkehrszeichen nicht darstellbarer – Inhalt, konkret die Ausnahmen vom Fahrverbot, in keiner Weise ergeben dürfte. Anders als in dem der Entscheidung VfSlg 15.749/2000 zugrundeliegenden Fall dürfte sich aus der Hinweistafel nicht (einmal) ergeben, dass vom kundgemachten Fahrverbot Ausnahmen bestehen.
Aus diesem Grund scheint die – gemäß ihres §4 erfolgte – Kundmachung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz nicht den Anforderungen des §44 Abs2b StVO 1960 zu entsprechen und somit gesetzwidrig zu sein."
4. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat keine Äußerung erstattet.
5. Die verordnungserlassende Behörde hat eine Äußerung erstattet, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:
Die in Prüfung gezogene Verordnung sei aus Gründen der Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs gemäß §43 Abs1 iVm §94b StVO 1960 erlassen worden. Das der Verordnung zugrunde liegende Gutachten eines Ingenieurbüros für Verkehrswesen sei ausführlich und nachvollziehbar und lege schlüssig dar, dass im Zeitraum zwischen 1. Juli und 30. September eines jeden Jahres auf Grund des verstärkten touristischen Verkehrs (insbesondere Radverkehr) keine Unternehmerfuhrberechtigungen erteilt werden, weil auf Grund der eingeschränkten Fahrraumbreiten eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu erwarten sei. Die Ausnahmeregelung, wonach maximal 24 Fahrten mittels Lastkraftwagen pro Tag durchgeführt werden dürfen, werde nachvollziehbar damit begründet, dass die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs bei dieser Anzahl von Fahrten durch die vorhandenen Ausweichstellen gewahrt bleibe.
Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sei ein Anhörungsverfahren durchgeführt worden, in welchem näher genannten Institutionen die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt worden sei. Von dieser Möglichkeit habe lediglich die Wirtschaftskammer Tirol Gebrauch gemacht, welche sich nicht gegen das Fahrverbot ausgesprochen, sondern nur ausgeführt habe, dass durch die Ausnahmebestimmung die Zufahrt auch für Gäste zu den Beherbergungs- und Gaststättenbetrieben gewahrt bleiben müsse. Die nach §43 Abs1 litb StVO 1960 geforderte Interessenabwägung sei durch die Durchführung des Anhörungsverfahrens erfolgt.
Zudem sei durch das Gutachten ersichtlich gemacht worden, dass die Beschränkung der Fahrten mittels Lastkraftwagen auf eine bestimmte Anzahl auf Grund der eingeschränkten Fahrraumbreiten erforderlich und in enger Abstimmung mit allen betroffenen Frächtern erarbeitet worden sei. Die getroffene Regelung sei das Ergebnis eines regionalen Konsenses. Durch diese Regelung sei ersichtlich, dass in Bezug auf die Fahrraumbreite zu unterscheiden sei, ob eine Strecke mit einem Personenkraftwagen oder mit einem Lastkraftwagen befahren werde.
Es gebe keine privatrechtliche Vereinbarung zwischen der Weginteressentschaft Zillergrund und der Firma *** zur Benützung des Zillergrundweges. Zudem sei die Firma *** nicht Pächterin der Liegenschaft "***", weshalb auch daraus kein Recht auf Befahrung abgeleitet werden könne.
Intention für die getroffenen Ausnahmeregelungen sei die Herstellung eines Interessenausgleichs zwischen Anrainern, Tourismus, Versorgung und Verkehrssicherheit gewesen. Die Einschränkung auf notwendige Fahrten mittels Lastkraftwagen sei in dem in Rede stehenden Bereich – einem engen Seitenarm des Zillertals, welcher nur in den Sommermonaten land- und forstwirtschaftlich genutzt werden könne, zeitgleich aber auch intensiv touristisch genutzt werde – zur Erhaltung der Infrastruktur, für den land- und forstwirtschaftlichen Betrieb sowie für gewerbliche Transportfahrten, jedenfalls erforderlich.
Für die verordnungserlassende Behörde sei kein Anhaltspunkt erkennbar, an der ordnungsgemäßen Kundmachung der in Prüfung gezogenen Verordnung zu zweifeln. Auf der Zusatztafel werde ausdrücklich auf das Kundmachungsorgan verwiesen; die gewählte Formulierung umfasse die gesamte kundgemachte Verordnung und damit auch die Ausnahmebestimmungen.
Im Übrigen sei das in Rede stehende Fahrverbot nicht mit dem Straßenverkehrszeichen gemäß §52 lita Z1 StVO 1960, sondern mit dem Straßenverkehrszeichen gemäß Z6a par. cit. kundzumachen gewesen, weil das Fahrverbot für Fahrzeuge aller Art verordnet sei.
Die in Prüfung gezogene Verordnung verstoße schließlich auch nicht gegen Art18 Abs1 und 2 BVG, weil sie auf Grund der gesetzlichen Bestimmung des §43 Abs1 StVO 1960 erlassen worden sei.
6. Die Tiroler Landesregierung hat auf die Erstattung einer Äußerung verzichtet und mitgeteilt, dass sie über keine auf die in Prüfung gezogene Verordnung Bezug habenden Akten verfüge.
7. Die Beschwerdeführer in den Anlassverfahren haben als beteiligte Parteien eine Äußerung erstattet, in der sie sich im Wesentlichen den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes anschließen.
II. Rechtslage
1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021, ZSZ VK STVO 258/11 2021, lautet wie folgt (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):
"V E R O R D N U N G
Die Bezirkshauptmannschaft Schwaz ordnet aus Gründen der Leichtigkeit, Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs, gemäß §43 Absatz 1 iVm §94b der Straßenverkehrsordnung 1960, in der derzeit gültigen Fassung, im Gemeindegebiet von Brandberg, auf der Zillergrundstraße, folgende verkehrsregelnde Maßnahme an:
§1
Fahrverbot für alle KFZgemäß §52 lita Ziffer 6c StVO
Auf dem nachstehend angeführten Straßenabschnitt wird das Fahren mit allen Kraftfahrzeugen verboten (Gemäß §52 lita Ziffer 6c StVO):
§2
Ausnahmen
Vom Verbot nach §1 sind ausgenommen:
1) Werksverkehr der Verbund Hydro Power GmbH sowie Verkehr der Beherbergungs- und Gaststättenbetriebe.
2) Anrainerverkehr mit Kraftfahrzeugen unter 3,5 Tonnen.
3) Land- und forstwirtschaftliche Transporte.
4) Verkehr im Rahmen der Mautregelung.
5) LKW-Verkehr laut Beschluss des Verwaltungsausschusses der Weginteressentschaften Zillergrund und Bärenbad (nach derzeitiger Regelung dürfen maximal 24 Fuhren pro Tag stattfinden, wobei die tägliche Höchstzahl der Fuhren pro Unternehmen 6 beträgt. Zwischen 1. Juli und 30. September eines jeden Jahres werden keine Unternehmerfuhrberechtigungen erteilt).
6) Linienverkehr mit Omnibussen.
7) Die unter den Punkten 2) und 5) genannten Fahrten dürfen nur unternommen werden, wenn das Kraftfahrzeug mit einer entsprechenden Berechtigungskarte ausgestattet ist. Diese Berechtigungskarten werden vom Obmann der Weginteressentschaft Zillergrund ausgestellt und sind am Fahrzeug gut sichtbar und lesbar anzubringen.
§3 frühere Verordnungen
Allfällige dieser Verordnung entgegenstehende frühere andere Verfügungen wer-den hiermit aufgehoben.
§4 Inkrafttreten
Diese Verordnung wird gemäß §44 Absatz 2b StVO iVm §§5 Abs2 lita und 6 Landes-Verlautbarungsgesetz 2013, LGBl Nr 125/2013 idfF im Boten für Tirol kundgemacht.
Zusätzlich wird der Inhalt dieser Verordnung durch die Aufstellung des Verbotszei-chens 'Fahrverbot für alle Kraftfahrzeuge' gemäß §52 lita Ziffer 6c StVO samt Zusatztafel 'laut Bote für Tirol Nr 28/2021' verlautbart.
Diese Verordnung tritt mit Ablauf des Tages der Kundmachung im Boten für Tirol in Kraft. Der Zeitpunkt und Ort der Anbringung (Sichtbarmachung) ist in einem Ak-tenvermerk §16 AVG) festzuhalten. Die Straßenverkehrszeichen müssen den Best-immungen der Straßenverkehrszeichenverordnung in der derzeit gültigen Fassung entsprechen. Die Bestimmungen der §§48 bis 54 der Straßenverkehrsordnung 1960 müssen bei der Aufstellung der Straßenverkehrszeichen genau beachtet wer-den.
Für die Richtigkeit der Ausfertigung:
[…]
Für den Bezirkshauptmann:
[…]"
2. Die relevanten Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO. 1960), lauten in der jeweils maßgeblichen Fassung wie folgt (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):
"§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;
c)–d) […].
(1a) […]
(2) Zur Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe, hat die Behörde, wenn und insoweit es zum Schutz der Bevölkerung oder der Umwelt oder aus anderen wichtigen Gründen erforderlich ist, durch Verordnung
a) für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken für alle oder für bestimmte Fahrzeugarten oder für Fahrzeuge mit bestimmten Ladungen dauernde oder zeitweise Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote zu erlassen,
b)–c) […]
(2a)-(11) […]
§44. Kundmachung der Verordnungen.
(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.
(1a)–(2a) […]
(2b) Bei Verordnungen (§43) einer Bezirksverwaltungsbehörde, die sich durch Straßenverkehrszeichen nicht ausdrücken lassen, gelten für die Kundmachung die einschlägigen gesetzlichen Vorschriften. Der Inhalt solcher Verordnungen ist zusätzlich zur Kundmachung durch Hinweistafeln am Beginn der von der Verordnung betroffenen Straßenstrecke zu verlautbaren. Für solche Hinweistafeln sind insbesondere auch die in §52 angeführten Straßenverkehrszeichen heranzuziehen. Auf solchen Hinweistafeln oder auf einer Zusatztafel ist auf die entsprechende Fundstelle im Kundmachungsorgan hinzuweisen.
(3)–(5) […]
[…]
§54. Zusatztafeln.
(1) […]
(2) Die Angaben und Zeichen auf Zusatztafeln müssen leicht verständlich sein. Insbesondere kann auch durch Pfeile in die Richtung der Gefahr oder des verkehrswichtigen Umstandes gewiesen werden.
(3)–(5) […]"
3. §2 des Bundesgesetzes vom 23. Juni 1967 über das Kraftfahrwesen (Kraftfahrgesetz 1967 – KFG. 1967), lautet in der maßgeblichen Fassung wie folgt (Zitat ohne die Hervorhebungen im Original):
"§2. Begriffsbestimmungen
Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als
1. Kraftfahrzeug ein zur Verwendung auf Straßen bestimmtes oder auf Straßen verwendetes Fahrzeug, das durch technisch freigemachte Energie angetrieben wird und nicht an Gleise gebunden ist, auch wenn seine Antriebsenergie Oberleitungen entnommen wird;
2. […]
3. Kraftwagen ein mehrspuriges Kraftfahrzeug mit mindestens vier Rädern; zwei Räder mit einer gemeinsamen Nabe, Zwillingsräder, sind als ein Rad zu zählen;
4.–7. […]
8. Lastkraftwagen ein Kraftwagen (Z3), der nach seiner Bauart und Ausrüstung ausschließlich oder vorwiegend zur Beförderung von Gütern oder zum Ziehen von Anhängern auf für den Fahrzeugverkehr bestimmten Landflächen bestimmt ist, auch wenn er in diesem Fall eine beschränkte Ladefläche aufweist, ausgenommen Sattelzugfahrzeuge; […]"
III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens
Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Verordnungsprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof äußerte im Prüfungsbeschluss ua das Bedenken, dass die Kundmachung der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021, ZSZ VK STVO 258/112021, nicht den Anforderungen des §44 Abs2b StVO 1960 entspreche, weil sich aus dem bloßen Hinweis auf die Fundstelle der Verordnung im Kundmachungsorgan ("lt. Bote für Tirol Nr 28/2021") deren – durch das Straßenverkehrszeichen nicht darstellbarer – Inhalt, konkret die Ausnahmen vom Fahrverbot, in keiner Weise ergeben dürfte.
2.2. Dieses Bedenken konnte im Verordnungsprüfungsverfahren nicht zerstreut werden:
2.2.1. Verordnungen, die auf Grund des §43 StVO 1960 erlassen werden, sind gemäß §44 Abs1 StVO 1960 durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen, sofern sich aus dem Gesetz keine andere Kundmachungsform ergibt. Bei Verordnungen einer Bezirksverwaltungsbehörde, die sich durch Straßenverkehrszeichen nicht ausdrücken lassen, ist jedoch gemäß §44 Abs2b StVO 1960 der "Inhalt solcher Verordnungen […] zusätzlich zur Kundmachung durch Hinweistafeln am Beginn der von der Verordnung betroffenen Straßenstrecke zu verlautbaren. Für solche Hinweistafeln sind insbesondere auch die in §52 angeführten Straßenverkehrszeichen heranzuziehen. Auf solchen Hinweistafeln oder auf einer Zusatztafel ist auf die entsprechende Fundstelle im Kundmachungsorgan hinzuweisen."
Unter Verordnungen, die sich durch Straßenverkehrszeichen nicht ausdrücken lassen, sind jedenfalls solche Verordnungen zu verstehen, die ein Fahrverbot mit umfangreichem Ausnahmekatalog regeln, der sich auf einer Zusatztafel im Sinn des §54 Abs2 StVO 1960 nicht leicht verständlich ausdrücken lässt (VfSlg 15.749/2000).
Bei der in Prüfung gezogenen Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021, ZSZ VK STVO 258/11 2021, handelt es sich angesichts des umfangreichen Ausnahmekataloges in §2 um eine solche Verordnung. Für ihre Kundmachung wurde daher – abgesehen von der Anbringung entsprechender Straßenverkehrszeichen samt Zusatztafel – zutreffend der "Bote von Tirol" als das gemäß §5 Abs2 lita Tiroler Landes-Verlautbarungsgesetz 2013 vorgesehene Kundmachungsorgan gewählt.
Durch den bloßen Hinweis auf die Fundstelle der Verordnung im Kundmachungsorgan auf der Zusatztafel ergibt sich jedoch nicht, dass der Geltungsbereich des Verbotes eingeschränkt ist. Anders als in dem der Entscheidung VfSlg 15.749/2000 zugrunde liegenden Fall ist im vorliegenden Fall aus der Zusatztafel in keiner Weise ersichtlich, dass das Fahrverbot einem Ausnahmekatalog unterliegt. Damit entspricht die Kundmachung der in Prüfung gezogenen Verordnung nicht den Anforderungen des §44 Abs2b StVO 1960, weil sich deren Inhalt (das Bestehen von Ausnahmen) nicht aus den sie kundmachenden Straßenverkehrszeichen ergibt (vgl VfGH 17.6.2025, V1/2024 ua).
2.3. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021, ZSZ VK STVO 258/11 2021, ist daher schon wegen gesetzwidriger Kundmachung gemäß Art139 Abs3 Z3 B VG zur Gänze als gesetzwidrig aufzuheben, sodass auf die weiteren vom Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken nicht weiter einzugehen ist.
IV. Ergebnis
1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 8. Juli 2021 über ein Fahrverbot für alle Kraftfahrzeuge im Gemeindegebiet Brandberg auf der Zillergrundstraße, ZSZ VK STVO 258/11 2021, ist daher als gesetzwidrig aufzuheben.
2. Die Verpflichtung der Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz BVG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 litj Tir Landes-VerlautbarungsG 2021.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
4. Der beteiligten Partei sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil ein Kostenersatz in Verordnungsprüfungsverfahren (vom – hier nicht gegebenen – Fall des §61a VfGG abgesehen) im VfGG nicht vorgesehen ist.