Verletzung einer Ziviltechnikerkammer im Recht auf Selbstverwaltung auf Grund der Aufhebung mehrerer Beschlüsse durch die Aufsichtsbehörde; Beschlüsse des Vorstands der Kammer zur Beauftragung eines Medienunternehmens zur Erstellung eines Kommunikationskonzeptes und die Freigabe von Budgetmitteln sind — dem eigenen Wirkungsbereich zugehörige— Maßnahmen der Interessenvertretung; Zuständigkeit der Kammer zu privatrechtlichen Rechtsgeschäften auch für Ziviltechniker außerhalb des örtlichen Bereichs der Länderkammer, wenn die Maßnahme zugleich auch die Interessen der Mitglieder der anderen Länderkammern betrifft
I. Die Beschwerdeführerin ist durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren
1. Aus Anlass eines Ministerialentwurfes des Bundesministers für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (nunmehr Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft, in Folge: belangte Behörde) für eine Novelle des Ziviltechnikergesetzes 2019 (BGBl I 160/2021), welche ua neue Regelungen betreffend die Beteiligung am Gesellschaftsvermögen von Ziviltechnikergesellschaften und die Möglichkeit interdisziplinärer Ziviltechnikergesellschaften enthielt, fasste der Vorstand der Ziviltechnikerkammer für *** (in Folge: Beschwerdeführerin) am 1. September 2020 die Beschlüsse
ein Angebot einer näher bezeichneten Werbeagentur bezüglich Kommunikationskonzept, Betreuungsleistungen und begleitende "PR" und Kommunikationsarbeit iHv € 34.080,– anzunehmen und aus dem Budgettopf freizugegeben,
ein Medienbudget iHv maximal € 450.000,– brutto bereitzustellen und aus näher bezeichneten Rücklagen zu bedecken
und den Präsidenten der Ziviltechnikerkammer für *** um Kontaktaufnahme mit der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen (in Folge: Bundeskammer) und den Präsidenten der übrigen Länderkammern hinsichtlich finanzieller Beteiligung zu ersuchen.
2. Mit Schreiben vom 15. Jänner 2021 äußerte die belangte Behörde Bedenken bezüglich der beiden erstgenannten Beschlüsse. Gemäß §39 Abs1 ZTG 2019 seien die Länderkammern ua dazu berufen, innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches die beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Ziviltechniker wahrzunehmen und zu fördern. In den Wirkungsbereich der Bundeskammer würden demgegenüber gemäß §57 Abs1 ZTG 2019 jene Angelegenheiten fallen, die die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder von zwei oder mehr Länderkammern berührten. Es sei daher die Zuständigkeit der Bundeskammer gegeben. Die Beschwerdeführerin gab dazu eine Stellungnahme ab. In weiterer Folge behob die belangte Behörde die Beschlüsse der Beschwerdeführerin bezüglich Angebotsannahme hinsichtlich Kommunikationskonzept, Betreuungsleistungen und begleitende "PR" sowie Kommunikationsarbeit und bezüglich Bereitstellung des Medienbudgets mittels Bescheid vom 17. Juni 2021.
3. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (in Folge: Verwaltungsgericht), welches diese als unbegründet abwies:
3.1. Die Befugnisse der Aufsichtsbehörde in §93 ZTG 2019 würden nicht danach unterscheiden, ob es sich um Hoheitsverwaltung oder Privatwirtschaftsverwaltung handle. Die Frage, ob der aufgehobene Beschluss einen Akt der Privatwirtschaftsverwaltung darstelle, könne nicht nach der in der Zivilrechtslehre entwickelten Theorie in Bezug auf Vorbereitungshandlungen zum Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages beurteilt werden, sondern ausschließlich nach den Vorschriften öffentlich-rechtlicher Natur, die die Berechtigung zur Fassung des (durch die belangte Behörde aufgehobenen) Beschlusses regelten. Der Beschluss sei daher kein Akt der Privatwirtschaftsverwaltung.
3.2. §39 ZTG 2019 definiere die Rechtsstellung der Länderkammern in zweifacher Weise. So schütze die Bestimmung die Länderkammern einerseits davor, dass ihre Organe dazu verhalten würden, Interessen einer anderen Länderkammer oder der Bundeskammer zu vertreten, andererseits enthalte die Bestimmung den gesetzlichen Auftrag, die Vertretung der Interessen des Berufsstandes nur innerhalb der Grenzen des örtlichen Wirkungsbereiches wahrzunehmen. Mit der dem Beschluss zugrundeliegenden Kampagne sei bezweckt worden, das legistische Vorhaben einer Novelle des Ziviltechnikergesetzes 2019 iSd Interessen aller Ziviltechniker des Bundesgebietes abzuändern. Dieses Vorhaben überschreite die Grenzen des örtlichen Wirkungsbereiches der Beschwerdeführerin. Der Beschluss widerspreche daher dem gesetzlichen Auftrag nach §39 ZTG 2019.
3.3. Wenn die Beschwerdeführerin weiters argumentiere, dass an der Beschlussfassung befangene Organwalter mitgewirkt hätten, da sich die beabsichtigte Kampagne gegen ein legistisches Vorhaben der Aufsichtsbehörde selbst gewandt habe, so führe diese Argumentation dazu, dass jeder in Frage kommende Organwalter als befangen gelten müsse, womit die Behörde ihre Aufsichtsbefugnis gar nicht wahrnehmen könne. Ein derartiges Ergebnis liege weder iSd Ziviltechnikergesetzes 2019 noch iSd Befangenheitsvorschriften des Verwaltungsverfahrensrechtes.
4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 B VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 BVG und Art2 StGG) sowie auf Selbstverwaltung (Art120b B VG) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses begehrt wird.
4.1. Der Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages durch einen öffentlichen Auftraggeber stelle samt Vorbereitungshandlungen ein Handeln im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung dar (VwGH 12.4.2018, Ra 2015/04/0054; VfGH 12.6.2001, B1698/99). Die Kompetenzverteilungsbestimmungen des Bundes Verfassungsgesetzes würden nicht für die Privatrechtsverwaltung gelten (VfSlg 2721/1954). Die Bestimmungen des Ziviltechnikergesetzes 2019 über den Wirkungsbereich würden – soweit diese Kompetenzbestimmungen enthielten – die Handlungsfähigkeit der Ziviltechnikerkammern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung nicht beschränken.
4.2. Nach herrschender Ansicht zur sonstigen Selbstverwaltung sei das "Substrat" eines Selbstverwaltungskörpers immer ein personelles. Der in §39 Abs1 ZTG 2019 verwendete Begriff "örtlicher Wirkungsbereich" beziehe sich auf ein konstituierendes Merkmal jener Personen(gruppe), die iSd Art120a Abs1 B VG "zur selbständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die in ihrem ausschließlichen oder überwiegenden gemeinsamen Interesse gelegen und geeignet sind, durch sie gemeinsam besorgt zu werden" zu einem Selbstverwaltungskörper zusammengefasst würden. Ein anderes Verständnis hätte zur Folge, dass auch die Erfüllung der Berufspflichten der Ziviltechniker nur von der jeweiligen Länderkammer überwacht würde, in deren Territorium der Verstoß gegen das Disziplinarrecht erfolge.
Zum selben Ergebnis führe auch eine historische Interpretation unter Einbeziehung der Regelung im Ingenieurkammergesetz, BGBl 71/1969, mit dem der Begriff "örtlicher Wirkungsbereich" eingeführt worden sei. In den Gesetzesmaterialien sei angeführt, dass der "föderalistische Aufbau der Kammern in der bisherigen Weise gewahrt und zur Vertretung der gemeinsamen Interessen auf Bundesebene zusätzlich die Bundeskammer der Ziviltechniker geschaffen" werde.
Schaffe der Gesetzgeber nach einem geographischen (räumlichen) Kriterium aufgesplittete Selbstverwaltungskörper (allenfalls samt höherer Ordnung), so habe der Gesetzgeber damit zugleich auch anerkannt, dass die in ihnen jeweils zusammengefassten Personengruppen unterschiedliche Interessenlagen haben könnten. Die Wirkungsbereiche dieser Selbstverwaltungskörper sodann aber als zueinander in einem Verhältnis der Exklusivität zu normieren, wäre unsachlich. Daher müssten die Wirkungsbereiche der Länderkammern zueinander sowie auch zur Bundeskammer in einem Verhältnis der Differenz stehen. Andernfalls wären §39 und §57 ZTG 2019 bzw die Schaffung von Länderkammern per se unsachlich, womit die Bestimmungen des Ziviltechnikergesetzes 2019 verfassungswidrig wären.
Dass die Bestimmungen des Ziviltechnikergesetzes 2019 zueinander in einem Verhältnis der Differenz stünden, ergebe sich auch aus der demonstrativen Aufzählung der Aufgabenbereiche der Länderkammern in §39 Abs2 ZTG 2019 und der Bundeskammer in §57 Abs2 ZTG 2019. So seien die Länderkammern und die Bundeskammer ohne territoriale Einschränkung zB befugt, "Behörden sowie Universitäten und Hochschulen […] Berichte und Gutachten zu erstatten sowie Vorschläge zu machen" bzw "Anregungen zu geben". Da derartige Berichte und Gutachten sowie Vorschläge bzw Anregungen immer auch die Interessen von Mitgliedern mehrerer Länderkammern beträfen, zeige §39 Abs2 Z1 ZTG 2019 unzweifelhaft, dass der Umstand, dass die "Interessen der Mitglieder von zwei oder mehr Länderkammern" berührt seien, nicht zum Wegfall des "Wirkungsbereichs" der Länderkammern führe, sondern nur dazu, dass in dieser Angelegenheit auch der Bundeskammer die Aufgabenwahrnehmung zukomme.
4.3. Die belangte Behörde und das Verwaltungsgericht gingen davon aus, dass §39 Abs1 bzw §57 Abs1 ZTG 2019 Zuständigkeitsregelungen normierten, deren Einhaltung in vollem Umfang dem Aufsichtsrecht der belangten Behörde unterlägen. Diese Rechtsansicht widerspreche der herrschenden Meinung zu Art120a und 120b B VG ( Stolzlechner , Art120b B VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg. 2010, Rz 21 ff. [insbesondere Rz 25 und 26] und Rill/Stolzlechner , Art120a B VG, in: Kneihs/Lienbacher [Hrsg.], Rill Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht, 6. Lfg. 2010, Rz 14 f., jeweils mwN).
Unter "öffentlichen Aufgaben" iSd Art120a Abs1 B VG seien Aufgaben im Interesse (eines Teils) der Allgemeinheit zu verstehen. Der Begriff "öffentliche Aufgaben" sei weiter als der Begriff "staatliche Aufgaben". Der Begriff "staatliche Aufgaben" umfasse nur jene Aufgaben, die der Staat mit hoheitlicher Anordnungsbefugnis ("imperium") erfülle. Daneben gebe es bei Selbstverwaltungskörpern noch "öffentliche Aufgabe[n]", die ohne hoheitliche Anordnungsbefugnis zu erfüllen seien – insbesondere die Vertretung der wirtschaftlichen, finanziellen und sozialen Interessen ihrer Mitglieder. Der Verfassungsgesetzgeber unterscheide daher bei den Aufgaben der sonstigen Selbstverwaltung zwischen der "sonstigen Selbstverwaltung als Funktion spezifisch organisierter Staatstätigkeit" und der "sonstigen Selbstverwaltung [als] Funktion 'gesellschaftlicher Selbstverwaltung'". Tätigkeiten im Funktionsbereich "gesellschaftlicher Selbstverwaltung" seien Handlungen im privatautonomen Bereich.
§39 und §57 ZTG 2019 würden nur die öffentlichen Aufgaben der Ziviltechnikerkammern definieren, die im ausschließlichen oder überwiegend gemeinsamen Interesse des vom Ziviltechnikergesetzes 2019 zu den einzelnen geschaffenen Selbstverwaltungskörpern (Länderkammern und Bundeskammer) jeweils zusammengefassten Personenkreises gelegen und geeignet seien, durch diese Personen gemeinsam besorgt zu werden. Soweit §39 und §57 ZTG 2019 dabei Aufgaben beinhalten würden, die nicht mit hoheitlicher Anordnungsbefugnis verbunden seien, würden sie jedenfalls auch keine Regelung einer hoheitlichen Kompetenzverteilung darstellen. Derartige Aufgaben seien aber nur dann solche der "sonstigen Selbstverwaltung als Funktion spezifisch organisierter Staatstätigkeit", wenn sie keine Aufgaben der "gesellschaftlichen Selbstverwaltung" iSd Art120a B VG seien. Zu letzteren Aufgaben der "gesellschaftlichen Selbstverwaltung" gehöre jedenfalls die Aufgabe der Interessenvertretung der jeweiligen Kammermitglieder – und daher zB auch "Tätigkeiten zur Einflussnahme auf den Staat (zB Gesetzesbegutachtung)" und "Beratungstätigkeit" und damit im Zusammenhang stehende privatwirtschaftliche Aufträge als "Handeln im privatautonomen Bereich".
Nach Art120b Abs1 B VG unterliege nur die Verwaltungsführung einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch die Aufsichtsbehörde. Hingegen falle die Interessenvertretung als Teil der "gesellschaftlichen Selbstverwaltung" nicht unter den Begriff der "Verwaltungsführung" iSd Art120b Abs1 B VG. Die Etablierung eines Aufsichtsrechts des Staats über den Bereich der Interessenvertretung eines Selbstverwaltungskörpers gegenüber dem Staat ("gesellschaftliche Selbstverwaltung") würde die autonome Interessenvertretung und damit die Selbstverwaltung ad absurdum führen.
Die Beschlüsse des Vorstandes hätten die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben iSd Art120a Abs1 B VG zum Gegenstand, die als Interessenvertretung ausschließlich eine Tätigkeit im Funktionsbereich "gesellschaftlicher Selbstverwaltung" darstellten. Sie unterlägen daher nicht dem staatlichen Aufsichtsrecht iSd Art120b Abs1 B VG.
§93 ZTG 2019 differenziere nur scheinbar nicht zwischen den verschiedenen Aufgaben der Ziviltechnikerkammern. §93 ZTG 2019 ziele auf "gesetzwidrige Beschlüsse und Anordnungen" (Abs2 Z2) bzw die "Aufhebung gesetzwidriger Beschlüsse und Anordnungen" (Abs3) ab. Die Interessen der Kammermitglieder sowie die Interessenvertretung und -wahrnehmung gegenüber dem Staat sei aber durch den Selbstverwaltungskörper bzw dessen demokratisch bestimmte Organe autonom zu definieren und nicht heteronom durch den Staat. Der Staat habe sich in den autonomen "gesellschaftlichen Aufgabenbereich" der Beschwerdeführerin nicht einzumischen. Diesen, in Art120a bis 120c BVG normierten Grundsatz habe der Gesetzgeber in §93 ZTG 2019 umgesetzt: Das staatliche Aufsichtsrecht beziehe sich nur auf Bereiche, in denen die Ziviltechnikerkammern als Selbstverwaltung als Funktion spezifischer Staatstätigkeit agierten. Auch §93 ZTG 2019 nehme also die Interessenvertretung vom Aufsichtsrecht aus. In eventu wäre zu §93 ZTG 2019 eine verfassungskonforme Interpretation in diesem Sinne möglich.
4.4. Die belangte Behörde habe einen geheimen Parallelakt geführt. Aus darin enthaltenen Mails des zuständigen Sachbearbeiters gehe hervor, dass das Motiv im aufsichtsbehördlichen Verfahren gewesen sei, "die Organwalter der Beschwerdeführerin in Schwierigkeiten zu bringen". Bisher seien keine vergleichbaren Beschlüsse im Rahmen des Aufsichtsrechtes behoben worden. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht sei der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme der belangten Behörde nicht zugestellt worden. Es sei beabsichtigt gewesen, ein Exempel zu statuieren, um eine eigenständige Interessenvertretung durch die Beschwerdeführerin oder Dritte hintanzustellen. Das Verwaltungsgericht hätte die Dokumentation des gesamten Verwaltungshandelns im aufsichtsbehördlichen Verfahren beischaffen müssen. Das Verwaltungsgericht habe die Ermittlungen beendet, ohne der Beschwerdeführerin weiteres Parteiengehör einzuräumen. Dies stelle Willkür dar. Auch der zuständige Richter sei befangen (§7 Abs1 Z3 AVG).
5. Die belangte Behörde sowie das Verwaltungsgericht haben die Verwaltungs- bzw Gerichtsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber jeweils abgesehen. Die Bundeskammer hat von der Erstattung einer Stellungnahme abgesehen.
II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über Ziviltechniker (Ziviltechnikergesetz 2019 – ZTG 2019), BGBl I 29/2019 (§§13, 58, 92, 93), idF BGBl I 160/2021 (§§39, 42, 57 und 72) sowie idF BGBl I 240/2021 (§38) lauten auszugsweise:
"1. Hauptstück
Berufsrecht
1. Abschnitt
Ziviltechniker
[…]
Zweigniederlassung – Sitz
§13. (1) Die Ausübung der Befugnis ist im gesamten Bundesgebiet zulässig. Zweigniederlassungen sind als solche zu kennzeichnen.
[…]
2. Hauptstück
Berufliche Vertretung – Ziviltechnikerkammern
1. Abschnitt
Ziviltechnikerkammern
Errichtung, Zweck und Sitz
§38. (1) Als berufliche Vertretungen des Standes der staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker (Architekten und Ingenieurkonsulenten) sind folgende Kammern berufen:
1. Länderkammern:
a) die Ziviltechnikerkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit dem Sitz in Wien,
b) die Ziviltechnikerkammer für Steiermark und Kärnten mit dem Sitz in Graz,
c) die Ziviltechnikerkammer für Oberösterreich und Salzburg mit dem Sitz in Linz,
d) die Ziviltechnikerkammer für Tirol und Vorarlberg mit dem Sitz in Innsbruck und
2. die Bundeskammer der Ziviltechniker mit dem Sitz in Wien.
(2) Der örtliche Wirkungsbereich jeder Länderkammer erstreckt sich auf die jeweiligen in Abs1 angeführten Bundesländer, der der Bundeskammer der Ziviltechniker auf das gesamte Bundesgebiet.
(3) Sämtliche Kammern gemäß Abs1 sind Körperschaften des öffentlichen Rechtes und berechtigt, das Wappen der Republik Österreich zu führen.
2. Abschnitt
Länderkammern
Wirkungsbereich
§39. (1) Die Länderkammern sind berufen, innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches die beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Ziviltechniker wahrzunehmen und zu fördern, für die Wahrung des Standesansehens zu sorgen und die Erfüllung der Berufspflichten der Ziviltechniker zu überwachen.
(2) Die in Abs1 umschriebenen Aufgaben sind solche des eigenen Wirkungsbereiches. In diesem sind die Länderkammern insbesondere berufen:
1. den Behörden sowie Universitäten und Hochschulen in allen Fragen, die die Interessen ihrer Mitglieder berühren, Berichte und Gutachten zu erstatten sowie Vorschläge zu machen,
2. das standesgemäße Verhalten der ordentlichen Kammermitglieder zu beaufsichtigen,
3. über Ersuchen Gutachten über die Angemessenheit der von ihren ordentlichen Mitgliedern geforderten Honorare gegen Entgelt zu erstatten,
4. Streitigkeiten zwischen ihren ordentlichen Mitgliedern zu schlichten,
5. von ihren ordentlichen Mitgliedern begangene Verletzungen der Berufs- oder Standespflichten disziplinär zu verfolgen,
6. einen Unterstützungsfonds für ihre Mitglieder und deren Hinterbliebene zu betreiben,
7. ein elektronisches Verzeichnis der Ziviltechniker, der Ziviltechnikergesellschaften und der interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern zu führen,
8. die fachliche Weiterbildung ihrer Mitglieder zu fördern,
9. angehende Ziviltechniker auf den Berufsantritt vorzubereiten und ein Verzeichnis der außerordentlichen Mitglieder zu führen, und
10. Ausweiskarten für die elektronische Beurkundungssignatur und die elektronische Ziviltechnikersignatur (amtliche Lichtbildausweise) auszustellen sowie die Rückstellungspflichten in Ansehung dieser Ausweiskarten zu überwachen.
(3) Im übertragenen Wirkungsbereich sind die Länderkammern berufen, an der Verwaltung des Bundes und der Länder in jenem Umfang mitzuwirken, der in den Gesetzen bestimmt ist.
[…]
Mitgliedschaft
Ordentliche und außerordentliche Mitglieder
§42. (1) Den Länderkammern gehören die ordentlichen und die außerordentlichen Mitglieder an.
(2) Ordentliche Mitglieder der Länderkammern sind die Ziviltechniker. Ziviltechniker, die ihre Befugnis ausüben, sind Mitglieder jener Länderkammer, in deren örtlichem Wirkungsbereich sie den Sitz ihrer Kanzlei haben; mangels inländischen Kanzleisitzes bei einer Länderkammer ihrer Wahl. Ziviltechniker, deren Befugnis ruht, sind Mitglieder jener Länderkammer, in deren örtlichem Wirkungsbereich sie ihren Hauptwohnsitz haben. Liegt ein Hauptwohnsitz im Inland nicht vor, so ist der letzte Kanzleisitz maßgebend.
(3) Außerordentliche Mitglieder der Länderkammern sind Personen, die den Beruf des Ziviltechnikers anstreben und folgende Voraussetzungen erfüllen:
1. Absolvierung eines Studiums im Sinne des §2 und
2. Meldung bei jener Länderkammer, in deren örtlichem Wirkungsbereich sie ihren Hauptwohnsitz haben.
(4) Außerordentliche Mitglieder erwerben durch ihren außerordentlichen Beitritt zur Länderkammer nicht das Recht, den Ziviltechnikerberuf auszuüben.
[…]
3. Abschnitt
Bundeskammer der Ziviltechniker
Wirkungsbereich
§57. (1) In den Wirkungsbereich der Bundeskammer der Ziviltechniker fallen jene Angelegenheiten, die die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder von zwei oder mehr Länderkammern berühren.
(2) In diesem Rahmen ist die Bundeskammer der Ziviltechniker im selbstständigen Wirkungsbereich insbesondere berufen:
1. den Behörden des Bundes sowie den Universitäten und den Hochschulen auf deren Ersuchen oder von Amts wegen Berichte und Gutachten zu erstatten sowie Anregungen zu geben,
2. Einrichtungen zur Krankenvorsorge für die ordentlichen Kammermitglieder und deren Angehörige und eingetragene Partner zu schaffen, wobei diese Einrichtungen auch in einer von der Bundeskammer der Ziviltechniker abgeschlossenen vertraglichen Gruppenversicherung bestehen können,
3. Standesregeln, Leistungsbilder sowie Richtlinien für die Angebotserstellung durch die Ziviltechniker zu erlassen,
4. die Beziehungen zu anderen Berufsorganisationen des In- und Auslandes zu pflegen,
5. Richtlinien für Gutachten gemäß §39 Abs2 Z3 zu erlassen und alle Angelegenheiten zu behandeln, die eine Länderkammer der Bundeskammer der Ziviltechniker zur Entscheidung vorlegt,
6. Richtlinien für die Ausstellung und die Ausgabe der Ausweiskarten für die elektronische Beurkundungssignatur und die elektronische Ziviltechnikersignatur einschließlich der Höhe und der Art der notwendigen Gebühren sowie die Überwachung der Rückstellungspflichten in Ansehung der Ausweiskarten zu erlassen,
7. ein elektronisches Verzeichnis für die Beurkundungs- und Ziviltechnikersignaturen (§91c Abs2 erster Satz GOG) mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung zu führen, das gesichert im Internet zu veröffentlichen ist und aus dem die Berechtigungen für die elektronischen Beurkundungs- und Ziviltechnikersignaturen und deren Änderungen ersichtlich sein müssen. Zur Mitwirkung bei der Führung des Verzeichnisses können die Länderkammern oder Dritte als Auftragsverarbeiter herangezogen werden, sofern die Einhaltung der Verschwiegenheit und der erforderlichen Datensicherheit gewährleistet ist,
8. ein Urkundenarchiv nach §91c und §91d GOG für die Speicherung von öffentlichen und privaten Urkunden zu errichten und zu führen und die näheren Voraussetzungen für die Einstellung, den Zugang und die Löschung von Urkunden sowie die Dauer ihrer Aufbewahrung, ferner die Festlegung der zur Deckung des Aufwands für die Eintragung, die Gewährung des Zugangs und die Löschung notwendigen Gebühren mit Verordnung zu regeln und
9. das elektronische Verzeichnis der Ziviltechniker, der Ziviltechnikergesellschaften und der interdisziplinären Gesellschaften mit Ziviltechnikern im Internet zu veröffentlichen.
(3) In den übertragenen Wirkungsbereich der Bundeskammer der Ziviltechniker fallen insbesondere folgende Aufgaben:
1. die Bestellung eines Kanzleikurators gemäß §21 Abs6 und
2. die Bestellung eines Substituts gemäß §22 Abs3.
(4) Auf Verfahren, die die Bundeskammer im übertragenen Wirkungsbereich durchführt, sind die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl Nr 51/1991, anzuwenden.
(5) Der Präsident der Bundeskammer der Ziviltechniker ist bei der Besorgung von Aufgaben, die in den übertragenen Wirkungsbereich der Bundeskammer der Ziviltechniker gemäß Abs3 fallen, an die Weisungen des Bundesministers für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort gebunden. Handelt der Präsident weisungswidrig, ist er vom Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort seines Amtes zu entheben.
(6) Der Präsident kann bei der Besorgung von Aufgaben, die in den übertragenen Wirkungsbereich der Bundeskammer der Ziviltechniker gemäß Abs3 fallen, im Interesse einer raschen und zweckmäßigen Geschäftsbesorgung einzelnen Mitarbeitern des Generalsekretariats bestimmte Gruppen von Angelegenheiten zur selbständigen Behandlung übertragen. Diese Angelegenheiten sind im Namen des Präsidenten zu erledigen und zu unterfertigen. Das Weisungsrecht des Präsidenten wird durch die Ermächtigung zur selbständigen Behandlung bestimmter Angelegenheiten nicht berührt. Für die mit der selbständigen Behandlung solcher Angelegenheiten betrauten Kammermitarbeiter gilt §44 Abs2 und 3 BDG 1979.
Mitglieder
§58. Mitglieder der Bundeskammer der Ziviltechniker sind die Länderkammern.
[…]
4. Abschnitt
Gemeinsame Bestimmungen
Weitere Aufgaben der Ziviltechnikerkammern
§72. (1) Die Kammern sind unter Bedachtnahme auf die ihnen nach diesem Bundesgesetz übertragenen Aufgaben zur sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltung verpflichtet.
(2) Die Kammern und ihre Sektionen haben im Rahmen ihres Wirkungsbereiches auch einzelne Mitglieder zu unterstützen. Sie haben ihre Tätigkeit auch auf die außerordentlichen Mitglieder zu erstrecken.
[…]
Gebarungskontrolle
§92. (1) Der Kammertag und die Kammervollversammlung haben in jedem Jahr spätestens zum Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Jahresvoranschlag zwei Rechnungsprüfer und zwei Ersatzmänner zu wählen. Zum Rechnungsprüfer (Ersatzperson) darf nicht gewählt werden, wer als Bewerber der gleichen Wählergruppe angehörte wie der jeweilige Präsident.
(2) Die Rechnungsprüfer haben die Gebarung auf ziffernmäßige Richtigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu überprüfen und über das Ergebnis der Prüfung dem Kammertag (der Kammervollversammlung) Bericht zu erstatten.
(3) Der Jahresvoranschlag sowie der Jahresabschluss sind der Aufsichtsbehörde längstens ein Monat nach der Beschlussfassung schriftlich zur Kenntnis zu bringen.
Aufsichtsbehörde
§93. (1) Die Aufsicht über die Kammern wird vom Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort ausgeübt. Die Kammern sind verpflichtet, der Aufsichtsbehörde die zur Wahrnehmung der Aufsicht erforderlichen Auskünfte zu erteilen und sie von der Einberufung der Sitzungen der Kammerorgane angemessene Zeit vorher zu benachrichtigen.
(2) Die Aufsichtsbehörde ist insbesondere berechtigt:
1. zu den Sitzungen der Kammerorgane Vertreter zu entsenden, Berichte über die Tätigkeit der Kammerorgane einzuholen und in alle Kammerakten Einsicht zu nehmen,
2. gesetzwidrige Beschlüsse und Anordnungen mit Ausnahme jener des Disziplinarausschusses aufzuheben,
3. Organe zu entheben, wenn sie ihre Befugnisse überschreiten, ihre Aufgaben vernachlässigen oder beschlussunfähig werden.
(3) Die Kammern sind verpflichtet, auf Verlangen der Aufsichtsbehörde die Aufhebung gesetzwidriger Beschlüsse und Anordnungen in den Kammernachrichten auf ihren Internetseiten zu verlautbaren."
III. Erwägungen
1. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet:
2. Die Beschwerdeführerin bringt zusammengefasst vor, Gegenstand der aufgehobenen Beschlüsse seien jeweils ausschließlich Handlungen im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung gewesen. Die Bestimmungen des Ziviltechnikergesetzes 2019 über den Wirkungsbereich, soweit diese Kompetenzbestimmungen enthielten, würden die Handlungsfähigkeit der Ziviltechnikerkammern im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung nicht beschränken. Die Wirkungsbereiche der Länderkammern nach dem Ziviltechnikergesetz 2019 würden zueinander sowie auch zur Bundeskammer in einem Verhältnis der Differenz stehen.
Nur die Tätigkeit im Rahmen der sonstigen Selbstverwaltung als "Funktion spezifisch organisierter Staatstätigkeit" stelle Verwaltung iSd B VG dar. Lediglich diese Verwaltungsführung unterliege daher einer Rechtmäßigkeitskontrolle durch die staatliche Aufsichtsbehörde nach Art120b Abs1 B VG. Hingegen falle die Interessenvertretung als wesentlicher Teil der "gesellschaftlichen Selbstverwaltung" nicht unter den Begriff "Verwaltungsführung" iSd Art120b Abs1 B VG. Das Aufsichtsrecht der belangten Behörde umfasse alle Bereiche, in denen die Ziviltechnikerkammern Selbstverwaltung als Funktion "spezifisch organisierter Staatstätigkeit" ausüben würden, jedoch nicht den sich aus der Doppelnatur dieser beruflichen und wirtschaftlichen Selbstverwaltung ergebenden, nicht staatlichen (also: privatautonomen) sonstigen "gesellschaftlichen Aufgabenbereich" (zB Interessenwahrnehmung, privatrechtliche Vereinbarungen). Die Etablierung eines Aufsichtsrechts des Staats über den Bereich der Interessenvertretung eines Selbstverwaltungskörpers gegenüber dem Staat würde die autonome Interessenvertretung und damit die Selbstverwaltung ad absurdum führen. Die Beschlüsse des Vorstands der Beschwerdeführerin hätten die Erfüllung von öffentlichen Aufgaben iSd Art120a Abs1 B VG zum Gegenstand, die als Interessenvertretung ausschließlich eine Tätigkeit im Funktionsbereich "gesellschaftlicher Selbstverwaltung" darstellten. Die Handlungen des Vorstands seien nicht Verwaltung iSd B VG und unterlägen daher auch nicht dem staatlichen Aufsichtsrecht iSd Art120b Abs1 B VG.
3. Die Beschwerdeführerin ist gemäß §38 ZTG 2019 als eine von vier Länderkammern neben der Bundeskammer zur beruflichen Vertretung des Standes der staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker (Architekten und Ingenieurkonsulenten) berufen. Sie ist als Selbstverwaltungskörper iSd Art120a B VG zu qualifizieren. Richtet der einfache Gesetzgeber einen solchen Selbstverwaltungskörper zur selbständigen Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben, die im ausschließlichen oder überwiegenden gemeinsamen Interesse der Mitglieder gelegen und geeignet sind, durch sie gemeinsam besorgt zu werden, ein, so hat der Selbstverwaltungskörper gemäß Art120b Abs1 B VG ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht, seine Aufgaben frei von Weisungen zu erfüllen. Ein Selbstverwaltungskörper ist gemäß Art120c Abs3 B VG ein selbständiger Wirtschaftskörper und kann im Rahmen der Gesetze zur Erfüllung seiner Aufgaben Vermögen aller Art erwerben, besitzen und darüber verfügen.
4. Nach Art120b Abs1 BVG besteht hinsichtlich der Aufgaben, die der Selbstverwaltungskörper im Rahmen des eigenen Wirkungsbereichs weisungsfrei besorgt, nach Maßgabe der Gesetze ein Aufsichtsrecht des Bundes oder des Landes "hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsführung". Die staatliche Aufsicht über die Selbstverwaltungskörper dient der Sicherung der Gesetzmäßigkeit ihrer Verwaltung und der Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten. Dadurch soll auch sichergestellt werden, dass der Selbstverwaltungskörper den Rahmen des eigenen Wirkungsbereichs nicht überschreitet. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits festgestellt, dass grundsätzlich auch die privatwirtschaftliche Betätigung eines Selbstverwaltungskörpers der Aufsicht unterworfen werden kann (siehe VfGH 16.3.2022, G227/2021; vgl auch Art116 Abs2 und Art119a B VG zur Selbstverwaltung durch Gemeinden; zu dieser Frage auch Hauer , Aufsicht und Kontrolle, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft [Hrsg.], Selbstverwaltung in Österreich, 2008, 75 [82] und Eberhard , Nichtterritoriale Selbstverwaltung, 2014, 388 f.).
5. Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung zum Recht der Gemeinden auf Selbstverwaltung (Art116 Abs1 B VG) ausgesprochen, dass dieses durch den Bescheid der Aufsichtsbehörde (bzw durch ein Erkenntnis des im Rechtsmittelweg angerufenen Verwaltungsgerichtes) verletzt wird, wenn das Recht auf Besorgung einer bestimmten Aufgabe im eigenen Wirkungsbereich schlechthin verneint wird (vgl beginnend mit VfSlg 7459/1974; auch VfSlg 16.822/2003 mwN). Diese Festlegung gilt auch für die Selbstverwaltung nach Art120a bis 120c B VG (siehe VfSlg 19.315/2011). Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Selbstverwaltung gemäß Art120b Abs1 B VG liegt etwa dann vor, wenn zu Unrecht davon ausgegangen wird, eine Angelegenheit falle nicht in den eigenen Wirkungsbereich des Selbstverwaltungskörpers (vgl VfSlg 8411/1978 zur Selbstverwaltung durch Gemeinden).
6. Die Instrumente zur Wahrnehmung der Aufsicht sind so zu gestalten, dass die Aufsichtsbehörde nicht in die Lage versetzt wird, selbst Entscheidungen bei der Erfüllung von Selbstverwaltungsaufgaben zu treffen (vgl VfSlg 14.394/1995; VfGH 16.3.2022, G227/2021 mwN). Die Aufsichtsbehörde hat grundsätzlich von der Eigenständigkeit des Handelns des beaufsichtigten Selbstverwaltungskörpers auszugehen. Die Maßnahmen der Aufsichtsbehörde dürfen den autonomen Handlungsspielraum der Selbstverwaltung daher nur so weit einengen, als es die Wahrung der Rechtmäßigkeit und Funktionsfähigkeit erfordert (VfSlg 14.394/1995; Grabenwarter , Autonomie und interne Aufsicht in der wirtschaftlichen Selbstverwaltung, in FS Schäffer, 2006, 175 [199 f.]). Dies kommt insbesondere dann zum Tragen, wenn der Selbstverwaltungskörper bei der Wahrung und Förderung der gemeinsamen Interessen der Mitglieder auf gegenläufige staatliche Interessen trifft (vgl dazu Korinek , Wirtschaftliche Selbstverwaltung, 1970, 236 ff.).
7. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes entspricht nicht diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben:
7.1. Die Aufsicht über die Ziviltechnikerkammern wird gemäß §93 Abs1 ZTG 2019 vom Bundesminister für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort (nunmehr: Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft) ausgeübt. Die belangte Behörde ist dementsprechend als zuständige Aufsichtsbehörde gemäß §93 Abs2 Z2 ZTG 2019 ua dazu berechtigt, im Rahmen einer Rechtmäßigkeitskontrolle gesetzwidrige Beschlüsse und Anordnungen der Ziviltechnikerkammer zu beheben.
7.2. Die Beschlüsse des Vorstandes der beschwerdeführenden Ziviltechnikerkammer für *** betrafen die Beauftragung eines Medienunternehmens für Zwecke der Öffentlichkeitsarbeit im Hinblick auf eine geplante Novelle des Ziviltechnikergesetzes 2019 bzw die Freigabe der entsprechenden finanziellen Mittel aus Budgetmitteln der Beschwerdeführerin. Mit der genannten Willensbildung fasste die Beschwerdeführerin Beschlüsse zu privatrechtlichen Rechtsgeschäften im Dienste der Interessenvertretung. Aus Art120b Abs1 B VG folgt, dass die Gebietskörperschaften nicht berechtigt sind, mit den Mitteln des Aufsichtsrechtes Einfluss auf diese inhaltliche Willensbildung und -artikulation im Zuge der Interessenvertretung zu nehmen (siehe dazu auch Hauer , aaO, 82).
7.3. Darüber hinaus sieht auch §39 (bzw §57) ZTG 2019 – anders als das Verwaltungsgericht annimmt – für diesen Bereich der Interessenvertretung keine Zuständigkeitsverteilung vor, die es der Länderkammer verwehren würde, Maßnahmen wie die hier strittigen zu treffen.
7.3.1. Mit der Anknüpfung an den Kanzleisitz bzw Hauptwohnsitz der Ziviltechniker in §39 Abs1 iVm §42 Abs2 und 3 ZTG 2019 hat der Gesetzgeber unzweifelhaft einen örtlichen Bezug für den Wirkungsbereich der Ziviltechnikerkammer für *** hergestellt. Gemäß §38 Abs2 ZTG 2019 erstreckt sich der örtliche Wirkungsbereich jeder Länderkammer auf die jeweils in §38 Abs1 ZTG 2019 angeführten Bundesländer. Mitglieder einer Länderkammer sind gemäß §42 Abs2 ZTG 2019 jene Ziviltechniker, die im örtlichen Wirkungsbereich der jeweiligen Länderkammer ihren Kanzleisitz, subsidiär ihren Wohnsitz haben. Gemäß §39 Abs1 ZTG 2019 sind die Länderkammern dazu berufen, "innerhalb ihres örtlichen Wirkungsbereiches die beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Ziviltechniker wahrzunehmen und zu fördern, für die Wahrung des Standesansehens zu sorgen und die Erfüllung der Berufspflichten der Ziviltechniker zu überwachen". In §39 Abs2 ZTG 2019 werden diese Aufgaben als solche des eigenen Wirkungsbereiches bezeichnet. In den örtlichen Wirkungsbereich der Bundeskammer fallen jene Angelegenheiten, die die gemeinsamen beruflichen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder von zwei oder mehr Länderkammern berühren (§57 Abs1 ZTG 2019). Mitglieder der Bundeskammer sind die Länderkammern (§58 ZTG 2019).
7.3.2. Angesichts der nicht auf einzelne Bundesländer beschränkten Berechtigung zur Ausübung der Ziviltechnikertätigkeit (§13 Abs1 ZTG 2019) wird die Repräsentation und Förderung der Interessen jener Mitglieder, die das personelle Substrat der beschwerdeführenden Länderkammer bilden, die Interessen von Angehörigen anderer Länderkammern oftmals berühren. Die Zuständigkeit der Länderkammer für *** ist insoweit nicht auf die Vertretung solcher Interessen des Berufstandes begrenzt, die ausschließlich innerhalb des örtlichen Bereichs der Länderkammer zum Tragen kommen können. Andernfalls wäre die Zuständigkeit der Länderkammer auf eine Informations- und Servicefunktion in Bezug auf die betreffenden Dienststellen der Landesverwaltung beschränkt. Dies wäre mit der vom Gesetzgeber intendierten "dualistisch-föderalen" (zum Begriff Zellenberg , Berufliche und wirtschaftliche Selbstverwaltung, in: Österreichische Verwaltungswissenschaftliche Gesellschaft [Hrsg.], Selbstverwaltung in Österreich, 2008, 143 [182]) Zuständigkeit zur Interessenvertretung nach außen nicht in Einklang zu bringen. In den Gesetzesmaterialien zur Einführung des Begriffs "örtlicher Wirkungsbereich" im Ingenieurkammergesetz, BGBl 71/1969, wird vielmehr ausgeführt, dass der "föderalistische Aufbau der Kammern in der bisherigen Weise gewahrt und zur Vertretung der gemeinsamen Interessen auf Bundesebene zusätzlich die Bundeskammer der Ziviltechniker geschaffen" werde (EB zur RV des Ingenieurkammergesetzes, Zu 1067 BlgNR 11. GP, 22).
7.3.3. Aus §39 Abs2 und §57 Abs2 ZTG 2019 ergibt sich, dass für bestimmte Aufgabenbereiche der Ziviltechnikerkammern ausschließliche Zuständigkeiten bestehen. So werden zum Beispiel für hoheitlich zu vollziehende Aufgaben, wie die Überwachung der Standespflichten, eine Zuständigkeit der Länderkammern und für die Erlassung von Standesregeln eine Zuständigkeit der Bundeskammer festgelegt. Eine derart klare Abgrenzung der Zuständigkeiten ist zur Vermeidung von einander widersprechenden rechtlichen Anordnungen gegenüber den Mitgliedern auch geboten.
7.3.4. Die Beschlüsse zur Beauftragung eines Medienunternehmens zur Erstellung eines Kommunikationskonzeptes und die entsprechende Freigabe von Budgetmitteln stellen nun aber Maßnahmen der Interessenvertretung dar, die in den zentralen Bereich der Interessenvertretung gegenüber dem Staat fallen. Im Lichte der Bestimmungen über die Selbstverwaltung nach Art120a bis 120c BVG kann das Ziviltechnikergesetz 2019 daher nicht dahingehend interpretiert werden, dass es eine der staatlichen Aufsicht unterliegende Regelung über die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bundeskammer und Länderkammern trifft, der zufolge Beschlüsse wie die hier strittigen nur von der Bundeskammer getroffen werden dürften, wenn eine Maßnahme der Interessenvertretung zugleich auch die Interessen der Mitglieder der anderen Länderkammern betrifft. Eine solche Interpretation der Bestimmungen der §39 und §57 ZTG 2019 würde die Autonomie der Interessenvertretung bzw die Möglichkeit zur effektiven Interessenvertretung durch die Länderkammern in einer Weise beschränken, die dem Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zugesonnen werden kann.
7.4. Dadurch, dass das Verwaltungsgericht davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdeführerin in Bezug auf Maßnahmen der Interessenvertretung, die dem eigenen Wirkungsbereich zugehören, keine Zuständigkeit zukomme und es die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde, mit dem die Beschlüsse der Beschwerdeführerin zu privatrechtlichen Rechtsgeschäften betreffend die Interessenvertretung aufgehoben wurden, abgewiesen hat, wurde die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung nach Art120b Abs1 B VG verletzt.
IV. Ergebnis
1. Die Beschwerdeführerin ist somit durch die angefochtene Entscheidung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Selbstverwaltung verletzt worden.
Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
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