JudikaturVfGH

G203/2015 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
02. Juli 2015
Leitsatz

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung einer Bestimmung der StPO mangels Zuständigkeit; Entscheidung des OLG betr Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft keine in erster Instanz entschiedene Rechtssache

Spruch

I. Der Antrag wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (im Umfang der Gebührenbefreiung) wird abgewiesen.

Begründung

1. Gegen die Antragstellerin wird von der Staatsanwaltschaft Feldkirch zur Zahl 5 St 18/15t wegen Verdachts des Suchtgifthandels nach §§12 dritter Fall, 15 StGB, §28a Abs1 zweiter Fall und Abs4 Z3 SMG ein Ermittlungsverfahren geführt, in welchem über die Antragstellerin mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 24. März 2015 aus den Haftgründen der Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr nach §173 Abs2 Z2 und Abs2 Z3 lita StPO die Untersuchungshaft verhängt wurde.

1.1. Der dagegen von der Antragstellerin erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 8. April 2015 keine Folge und sprach aus, dass die Untersuchungshaft (nur) aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß §173 Abs2 Z3 lita StPO fortzusetzen ist.

1.2. Am 24. April 2015 brachte die Antragstellerin gegen diesen Beschluss einerseits eine Beschwerde gemäß §1 Abs1 Grundrechtsbeschwerde-Gesetz (GRBG) ein (die zwischenzeitig vom Obersten Gerichtshof mit Erkenntnis vom 27. Mai 2015, Z 15 Os 69/15h-4, abgewiesen wurde), aus deren Anlass sie am selben Tag beim Verfassungsgerichtshof den auf Art140 Abs1 Z1 litd BVG gestützten Antrag stellte, §173 Abs2 StPO (in eventu §173 Abs2 Z3 lita StPO) als verfassungswidrig aufzuheben.

Die mit dem Hauptantrag angefochtene Bestimmung sei unbestimmt, weil sich aus ihr nicht zweifelsfrei erschließe, wann eine hinreichende, den in Rede stehenden Haftgrund bildende "Gefahr" vorliege. "Vorsichtshalber" werde der gesamte Abs2 des §173 StPO angefochten.

2. Gemäß dem durch BGBl I 114/2013 in das BVG eingefügten, mit 1. Jänner 2015 in Kraft getretenen Art140 Abs1 Z1 litd erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen "auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels". Auch §62a Abs1 erster Satz VfGG idF BGBl I 92/2014 verlangt als Voraussetzung einer derartigen Antragstellung u.a. die Einbringung eines (zulässigen) Rechtsmittels gegen eine "von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedene Rechtssache".

2.1. Gemäß §89 Abs2 StPO entscheidet über Beschwerden gegen die Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft das zuständige Oberlandesgericht. Ein weiterer Rechtszug an den Obersten Gerichtshof ist grundsätzlich nicht vorgesehen (§89 Abs6 StPO). Lediglich wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit steht dem Betroffenen nach Erschöpfung des Instanzenzuges der außerordentliche Rechtsbehelf der Grundrechtsbeschwerde (vgl. RIS-Justiz RS0061031, RS0061016) an den Obersten Gerichtshof zu (§1 Abs1 GRBG).

2.2. Wie dargelegt, wurde der Antrag auf Gesetzesprüfung nach Art140 Abs1 Z1 litd BVG im Zusammenhang mit der gegen einen Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rechtsmittelgericht erhobenen Beschwerde gemäß §1 Abs1 GRBG und damit – entgegen der angeführten Bestimmung des BVG sowie des §62a Abs1 erster Satz VfGG – nicht aus Anlass eines Rechtsmittels gegen eine von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedene Rechtssache gestellt.

Dass das Oberlandesgericht bei Beschwerden gegen die Verhängung oder Fortsetzung der Untersuchungshaft grundsätzlich nicht auf die Kontrolle der ersten Instanz beschränkt ist, sondern stets in der Sache selbst und unter Berücksichtigung allfälliger neuer Umstände zu entscheiden hat (§89 Abs2b StPO; vgl. auch mwN Kirchbacher/Rami , WK -StPO, §176, 2014, Rz 12; Kier, WK² §1 GRBG, 2014, Rz 46), macht die vorliegende Entscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – ebenso wenig zu einer "in erster Instanz entschiedenen Rechtssache" iSd Art140 Abs1 Z1 litd BVG wie der Umstand, dass ein solcher Beschluss des Oberlandesgerichtes die (nächste) Haftfrist nach §175 Abs2 Z2 (bzw. Z3) StPO (von einem bzw. zwei Monaten) auslöst (§174 Abs4 StPO): Das Oberlandesgericht Innsbruck hat die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus dem bereits vom Erstgericht angenommenen Haftgrund der Tatbegehungsgefahr (unter Eliminierung des Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr) beschlossen.

3. Der Einschreiterin mangelt es somit an der Legitimation zur Antragstellung gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B VG. Der Antrag ist deshalb schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

4. Da die von der Einschreiterin angestrebte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos erscheint, ist der unter einem gestellte Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (im Umfang der Gebührenbefreiung) mangels der Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG abzuweisen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG und §72 Abs1 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.