Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Wilder als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Maruna und Dr. Bahr als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen §§ 15, 142 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 29. September 2025, GZ **-13, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Die über A* verhängte Untersuchungshaft wird aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und und b StPO iVm §§ 35 Abs 1 zweiter Satz iVm 46a Abs 2 JGG fortgesetzt.
Die Wirksamkeit dieses Beschlusses ist durch eine Haftfrist nicht mehr begrenzt (§ 175 Abs 5 StPO).
Begründung
Mit (mittlerweile rechtswirksamer) Anklageschrift vom 19. September 2025 wird dem am ** geborenen A* das Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB zur Last gelegt (ON 6).
Mit dem angefochtenen Beschluss wurde mit Wirksamkeit der Beendigung der Strafhaft zu AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Wien (ON 9.2) über A* - über Antrag der Staatsanwaltschaft (ON 1.2) - wegen des dringenden Tatverdachts des Verbrechens des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 3 lit a und lit b StPO die Untersuchungshaft verhängt.
Dagegen richtet sich die im Anschluss an die Beschlussverkündung erhobene, zu ON 18.2 ausgeführte Beschwerde des Angeklagten (ON 12, 6), der keine Berechtigung zukommt.
Die Untersuchungshaft darf nur verhängt oder fortgesetzt werden, wenn der Beschuldigte einer bestimmten Tat dringend verdächtig ist, sohin mit hoher Wahrscheinlichkeit der Täter ist. Dringender Verdacht ist mehr als eine bloße Vermutung und mehr als ein einfacher Verdacht ( Kirchbacher/Rami in WKStPO § 173 Rz 3 mwN). Es ist die Kenntnis von Tatsachen, aus denen nach der Lebenserfahrung auf die Begehung eines Vergehens oder Verbrechens geschlossen werden kann, ein Schuldbeweis ist nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0107304). Im Hinblick auf das junge Alter des im Tatzeitpunkt 19-jährigen A* ist gemäß § 35 Abs 1 zweiter Satz iVm § 46a Abs 2 JGG weiters zu beachten, dass die Untersuchungshaft nur dann verhängt oder fortgesetzt werden darf, wenn die mit ihr verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und für das Fortkommen des jungen Erwachsenen nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Tat und der zu erwartenden Strafe stehen ( Schroll/Oshidari in Höpfel/Ratz, WK 2JGG § 35 Rz 9).
A* ist dringend verdächtig, am 12. Juni 2025 in ** versucht zu haben (§ 15 StGB), mit Gewalt gegen eine Person B* eine fremde bewegliche Sache, nämlich ihre Handtasche (samt Inhalt) in noch festzustellendem Wert mit dem Vorsatz wegzunehmen, um sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er die Frau auf einem Treppenabgang von hinten attackierte und durch gewaltsames Zerren am Riemen der Handtasche danach trachtete ihr diese vom Körper zu reißen.
Der qualifizierte Verdacht der Tatbegehung gründet auf den bisherigen Verfahrensergebnissen, die das Erstgericht auf Basis der Aktenlage zutreffend umfassend dargestellt hat (ON 13, 2 f), sodass darauf identifizierend verwiesen wird (zur Zulässigkeit vgl 12 Os 137/07z; RIS-Justiz RS0098568).
Ergänzend ist auf die (im verketteten) Vorstrafakt des Landesgerichts Wien, GZ **2.3, einliegenden Lichtbilder zu verweisen: So trägt A* während einer polizeilichen Amtshandlung am 12. Juni 2025 um 18:46 Uhr (ON 2.4, 3) eine knielange schwarze Hose mit weißen Nähten (am Ende der Hosenbeine [ON 2.3, 2]).
Ebendiese weißen Nähte sind just auf den Bildern der Überwachungskamera betreffend das fallaktuelle Tatgeschehen und zwar auf ON 4.4 (Minute 0:12) und ON 4.9 (Minute 00:8) zu erkennen. Die auf diesen Aufnahmen erkennbare Kleidung – dunkelblaues T-Shirt (allerdings mit Nike-Logo auf der rechten Brustseite und nicht mit weißer Aufschrift auf der linken Seite, wie am 9. Juli 2025 [ON 5.8, 2), schwarze Kappe, schwarzer Rucksack, schwarze Sneaker mit weißer Sohle und weißen Applikationen auf der Außenseite der Ferse, - ist auch auf Video ON 4.3 – laufender junger Mann – zu sehen, wobei es den engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Tatgeschehen zu beachten gilt (vgl ON 4.3 ab Minute 1:36: Sneaker [siehe Minute 1:53] und blaues Shirt [siehe Minute 1:54]; vgl auch ON 4.1, ab Minute 1:34). Damit überzeugen die vom Erstgericht angestellten Erwägungen zur qualifiziert anzunehmenden Täterschaft des A* umso mehr, zumal letztlich noch nicht einmal der Angeklagte selbst seine Täterschaft mit Sicherheit auszuschließen vermag (BV ON 12, 5; vgl auch Jugenderhebungen ON 8, 5).
Die dringende Verdachtslage zur subjektiven Tatseite ist zum Einen aus dem äußeren Geschehen abzuleiten (RIS-Justiz RS0116882; RS0098671), zum Anderen spricht zusätzlich – auch hier zutreffend das Erstgericht - die Tatsache, dass der Riemen der von B* festgehaltenen Handtasche tatsächlich abriss (vgl Zeugenvernehmung ON 2.3, 4 und Foto der Handtasche ON 2.4), dafür, dass der Täter beim Versuch, sich die Handtasche zuzueignen, erhebliche Gewalt anwendete.
Bei vernetzter Betrachtung all dieser Prämissen ist - entgegen den Beschwerdeausführungen - von einem dringenden Tatverdacht zum Angeklagten auszugehen.
Entgegen der Beschwerde liegt auch der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und b StPO vor.
Das Verbrechen des (auch versuchten [§ 15 StGB]) Raubes nach § 142 Abs 1 StGB ist aufgrund des enorm hohen sozialen Störwerts als eine Tat mit schweren Folgen zu werten (vgl Nimmervoll , Haftrecht 3Rz 674 und 675; OGH 12 Os 80/01). Aus dem einschlägig (RIS-Justiz RS0091978 [insb T4]: Raub und Diebstahl sowie Raub und Körperverletzung) getrübten Vorleben des Beschwerdeführers (Punkt 1 bis 3 der Strafregisterauskunft ON 15, wobei die letzten beiden Verurteilungen im Verhältnis der §§ 31, 40 StGB stehen [vgl insoweit auch Nimmervoll , Haftrecht 3Rz 735 und 750]) erhellt eine gehäufte gegen das Rechtsgut fremden Vermögens als auch der körperlichen Integrität gerichtete Delinquenz des A*, wobei die massive Suchtproblematik (Jugenderhebungen ON 8: langjähriger Drogenabusus) die Befürchtung nahezu als gesichert ansteigen lässt, der Angeklagte werde auf freien Fuß gesetzt, rechtsgutidente strafbare Handlungen, die mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedroht sind und mit nicht bloß leichten, sondern auch mit schweren Folgen - wie den ihm nun angelasteten Raub – begehen. Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a und lit b StPO liegt somit vor.
Der Beschwerdekritik zuwider ist das aktuelle Haftübel von rund drei Wochen selbst unter Berücksichtigung der unmittelbar vorangegangenen Strafhaft von rund drei Monaten mit Blick auf den Umstand, dass er bereits zum Verfahren AZ ** des Landesgerichts für Strafsachen Wien das Haftübel verspürt hat (Einsicht VJ in GZ **-45.1 [Untersuchungshaft – hier relevant – von 28. Juni 2024 bis 25. Juli 2024]) nicht geeignet, den Haftgrund hintanzuhalten, zumal A* schon bisher ihm gebotene Resozialisierungsmaßnahmen nicht anzunehmen wusste (vgl GZ **-45 LGS Wien [verkettet]: Bewährungshilfe, Psychotherapieweisung). Aufgrund der mangelnden Paktfähigkeit (frustrierte Psychotherapieweisung, frustrierte Bewährungshilfe [A* war nicht mehr erreichbar]) sind – trotz erneut bekundeter Therapiebereitschaft (ON 8, 8) - auch geeignete gelindere Mittel nach §§ 50 bis 52 StPO nicht zu ersehen, wobei eine Therapieplatzzusage (für eine direkte Übernahme aus der Haft) gerade nicht vorliegt und eine ambulante Therapie mit Blick auf seinen seit seinem 14. Lebensjahr bestehenden massiven Suchtgiftkonsum, bei zuletzt nicht vorhandender Tagesstruktur, kein geeignetes Instrument zur Hintanhaltung neuerlicher Delinquenz darstellt (ON 8, insb S 8). Nur der Vollständigkeit halber ist letztlich anzumerken, dass die Hauptverhandlung bereits für 30. Oktober 2025 anberaumt ist (ON 14).
Von einer Unverhältnismäßigkeit der bisher währenden Untersuchungshaft kann beim Gewicht der vom Beschwerdeführer der dringenden Verdachtslage nach begangenen Straftat des (versuchten) Raubes und der zu erwartenden Freiheitsstrafe (bei einer Strafdrohung von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe [§ 142 Abs 1 StGB, § 19 Abs 4 Z 1 JGG]), die im Falle eines Schuldspruchs ein Vielfaches davon ausmachen wird, keine Rede sein. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der mit der Untersuchungshaft verbundenen Nachteile für die Persönlichkeitsentwicklung und das Fortkommen des am ** geborenen Rechtsmittelwerbers (§ 35 Abs 1 zweiter Satz iVm § 46a Abs 2 JGG), zumal dieser zuletzt außerhalb der Haft weder eine geregelte Tagesstruktur noch eine Ausbildungsstelle oder einen Arbeitsplatz aufwies (ON 8, insb S 4), sodass auch keine schulischen oder beruflichen Nachteile zu befürchten sind (vgl Jesionek/Edwards/Schmitzberger, JGG 5 § 35 Anm 14.2).
Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.
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