Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann als Vorsitzenden sowie die Richter Mag. Viktorin und Mag. Eberwein in der Rechtssache der klagenden Partei A*, geb. **, ** , vertreten durch die Summer Schertler Kaufmann Rechtsanwälte GmbH in Bregenz, wider die beklagte Partei B* Limited , **, Malta, vertreten durch die Cerha Hempel Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 90.669 samt Anhang, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Juli 2025, **-15, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 3.866,22 (darin enthalten EUR 644,37 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in Malta. Sie bietet über ihre Website Online-Glücksspiele (auch) in Österreich an.
Der in Österreich wohnhafte Kläger nahm über die deutschsprachige Version der Website der Beklagten an von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspielen teil und erlitt im Zeitraum von 14.10.2019 bis 27.3.2023 einen Gesamtspielverlust in Höhe des Klagebetrags.
Die Beklagte verfügt über eine maltesische, aber über keine österreichische Glücksspielkonzession.
Der Klägerforderte den Spielverlust samt Zinsen ab 28.3.2023 aus den Titeln der ungerechtfertigten Bereicherung und des Schadenersatzes zurück. Die geschlossenen Verträge seien unwirksam, weil die Beklagte über keine Konzession nach dem GSpG verfüge.
Die Beklagte bestritt und beantragte Klageabweisung. Soweit für das Berufungsverfahren relevant, stützte sie sich im Wesentlichen darauf, dass das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig sei.
Mit dem angefochtenen Urteilgab das Erstgericht dem Klagebegehren statt. Es traf die eingangs zusammengefasst wiedergegebenen und die weiteren auf den Seiten 3 und 4 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird. Rechtlich führte es aus, dass es sich um Glücksspiele iSd § 1 GSpG handle, die im Onlineverkehr der Konzessionspflicht für elektronische Lotterien nach § 12a GSpG unterliegen würden. Die abgeschlossenen Glücksspielverträge seien mangels Konzession nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB. Daher bestehe ein bereicherungsrechtlicher Rückforderungsanspruch des Klägers. Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung entspreche das österreichische Glücksspielmonopol dem Unionsrecht.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, das Klagebegehren abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Zur Verfahrensrüge :
1.1. Als Mangelhaftigkeit des Verfahrens releviert die Berufungswerberin, dass das Erstgericht das beantragte Sachverständigengutachten „betreffend die Werbe- und Marketingmaßnahmen“ (Beweisantrag Seite 35 in ON 10: „SV Gutachten aus dem Bereich Marktforschung und Marketing“) nicht eingeholt hat. Aufgrund dieses Gutachtens hätte sich ergeben, dass das österreichische Glücksspielmonopol unionsrechtswidrig sei.
1.2. Das Erstgericht hat zum Werbeverhalten der Konzessionsinhaber keine Feststellungen getroffen, weshalb die von der Berufung relevierten Umstände keinen (primären) Stoffsammlungsmangel, sondern nur eine sekundäre Mangelhaftigkeit im Sinn des § 496 Abs 1 Z 3 ZPO begründen könnten, die mit der Rechtsrüge aufzugreifen und im Rahmen von deren Erledigung zu behandeln ist. Einen primären Verfahrensmangel im Sinn des § 496 Abs 1 Z 2 ZPO bringt die Berufungswerberin damit nicht zur Darstellung (vgl RS0043304).
2. Zur Rechtsrüge:
2.1. Die Berufungswerberin behauptet in der Rechtsrüge im Wesentlichen das Vorliegen sekundärer Feststellungsmängel. Ihrer Ansicht nach fehlten Feststellungen zum Wachstum des Glücksspielmarktes, zu der stetigen Ausweitung der Geschäftstätigkeit und des Angebots der Konzessionsinhaber, den exzessiven Werbemaßnahmen, welche von den Konzessionsinhabern betrieben und stetig ausgeweitet würden, der steigenden Kriminalität im Zusammenhang mit Glücksspiel und zur Unwirksamkeit des Spielerschutzes mangels ausreichender Kontrolle. Die österreichischen Höchstgerichte hätten sich mit der unterschiedlichen Behandlung von Glücksspiel und Sportwetten, dem Wachstum des Glücksspielmarktes, den Werbemaßnahmen, welche von der Berufungswerberin aufgezeigt worden seien, der unzureichenden Kontrolle der Werbung, der Unwirksamkeit des Spielerschutzes und dem unzureichenden Rahmen für die Vollziehung aufgrund der Kompetenzverteilung und nicht aufzulösender Interessenskonflikte und Mehrfachfunktionen des BMF in ihrer bisherigen Judikatur nicht ausreichend auseinandergesetzt.
2.2. Der Oberste Gerichtshof hat – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte – auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH in mehreren aktuellen Entscheidungen neuerlich festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre im hier relevanten Zeitraum nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (siehe etwa 1 Ob 95/23m; 1 Ob 111/23i; 1 Ob 78/24p; 7 Ob 150/24w; 6 Ob 157/24t; 7 Ob 112/25h).
Der vorliegende Fall bietet keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Nach dem klagsgegenständlichen Spielzeitraum sind bereits etliche weitere Entscheidungen des Obersten Gerichtshof ergangen, welche an der bisherigen Judikatur festhalten (insbesondere jüngst 7 Ob 112/25h; 8 Ob 54/25m; 6 Ob 157/24t).
2.3. Der Oberste Gerichtshof hat dabei auch sämtliche Aspekte, die die Beklagte im Verfahren ins Treffen führte, ausdrücklich behandelt. So hat er auch die Argumente, wonach der Spielerschutz durch die bestehenden Regeln nicht gewährleistet wäre (1 Ob 229/20p; vgl dazu auch schon VwGH Ra 2018/17/0048) sowie die Unterscheidung von Online-Glücksspiel und Online-Sportwetten (1 Ob 229/20p und 5 Ob 30/21d [je Rz 17]; vgl dazu auch schon VwGH Ra 2018/17/0048) bereits ausführlich behandelt. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes C-920/19, Fluctus/Fluentum, wurde auch das inkriminierte Werbeverhalten der Konzessionsinhaber mehrfach behandelt und vom Obersten Gerichtshof eine daraus resultierende Unionsrechtswidrigkeit ausdrücklich verneint (zB 1 Ob 229/20p und 5 Ob 30/21d [je Rz 12]; 3 Ob 72/21s).
Aus den von der Beklagten aufgezeigten Zuständigkeiten des BMF zur Vergabe von Konzessionen und der Aufsicht über die Konzessionäre und Eigentümervertreter des Bundes betreffend eine Minderheitsbeteiligung an der Casinos Austria AG (Seiten 39 ff in ON 10) ist kein sich auf den österreichischen Glücksspielmarkt in unionsrechtswidriger Weise im Sinn einer mangelnden Kontrolle auswirkender Interessenkonflikt abzuleiten. § 56 GSpG wurde vom VfGH bereits in seinem Erkenntnis E 945/2016 für unbedenklich erachtet. Das Berufungsgericht sieht sich daher nicht zu dem von der Berufungswerberin in diesem Zusammenhang angeregten Vorabentscheidungsersuchen veranlasst.
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ändert auch die – lediglich in erster Instanz ins Treffen geführte (vgl Seite 37 in ON 10) – Aufhebung von Teilen des § 25 Abs 3 GSpG durch den Verfassungsgerichtshof (G 259/2022) nichts an dieser Beurteilung. Mag der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern auch nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht haben, bedeutet dies noch nicht, dass dieses Anliegen im Bereich des Online-Glücksspiels und dem System der Konzessionen nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweisen Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken kann nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspiel-Konzessionen – entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung – unionsrechtswidrig wäre (2 Ob 23/23f; 3 Ob 69/23b).
Dass nach der Rechtsprechung des EuGH die tatsächlichen Auswirkungen des Monopols von den nationalen Gerichten „dynamisch“ zu beurteilen sind, erfordert keine gleichsam ständige Neubeurteilung der Auswirkungen in jedem einzelnen Fall. Es darf bloß nicht statisch auf den Zeitpunkt der Erlassung der Regelung abgestellt werden (C-464/15, Admiral ).
2.4. Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die getroffenen Feststellungen für eine rechtliche Beurteilung daher ausreichend.
Neue Aspekte, die in den zitierten Entscheidungen nicht schon behandelt wurden, hat die Beklagte nicht vorgebracht; es kann daher auf diese Entscheidungen verwiesen werden, welchen sich das Berufungsgericht anschließt.
3. Der unberechtigten Berufung war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtslage durch die umfassende Judikatur des Obersten Gerichtshofes geklärt ist (§ 502 Abs 1 ZPO).
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