18Bs185/25z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Senatspräsidentin Mag. Frohner als Vorsitzende sowie die Richterinnen Mag. Lehr und Mag. Primer als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache der A*wegen § 21 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18. Juni 2025, GZ **-85, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen .
Mit seinem Rechtsmittel wird der Beschwerdeführer auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Begründung:
Mit - vom Akteninhalt nicht umfassten - Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 7. Dezember 2021, rechtskräftig seit 11. Dezember 2021, AZ **, wurde A* auf Grundlage des Vergehens der gefährlicher Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und Abs 2 erster Fall StGB, des Vergehens des Hausfriedensbruches nach § 109 Abs 1 und Abs 3 Z 1 StGB sowie des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 StGB, § 15 StGB gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach der damals geltenden Rechtslage eingewiesen.
Mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 8. Jänner 2024 (ON 17; Protokolls- und Beschlussvermerk) wurde er mit Wirksamkeit vom 1. Februar 2024 gemäß § 47 StGB aus dem Maßnahmenvollzug bedingt entlassen, wobei ihm unter anderem die Weisung „ Wohnsitznahme in der vollbetreuten Wohneinrichtung des Vereins B* "**“ unter Einhaltung der Hausordnung (beinhaltend Drogen-und Alkoholkarenz)“erteilt wurde. Zu den diesbezüglichen Kosten wurde ausgesprochen, dass diese Im Umfang des 179a StVG derzeit vom Bund übernommen werden, wobei im Beschluss jedoch nicht dokumentiert ist, auf welcher Sachverhaltsgrundlage dieser Kostenausspruch basierte.
Über gerichtliche Aufforderung, einen aktuellen Reha-Geldbescheid oder andere Einkommensnachweise des Betroffenen zu übermitteln (ON 1.86), legte die Erwachsenenvertreterin am 17. Juni 2025 Bestätigungen über den Bezug von Rehabilitationsgeld (seit 1. Jänner 2025 55,04 Euro täglich) sowie die bestehende monatliche Unterhaltsverpflichtung von 265,-- Euro vor (ON 84).
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 85) sprach das Erstgericht aus, dass die Kosten des Aufenthalts in der therapeutischen Wohneinrichtung B* ab 1. Juli 2024 vom Bund gemäß § 179a Abs 2 StVG nur mehr teilweise übernommen werden (1./), der bedingt Entlassene von seinem Einkommen nachstehende Teilbeträge zu den Kosten der therapeutischen Wohneinrichtung beizutragen habe, und zwar den € 700,- monatlich übersteigenden Teil seines Nettoeinkommens abzüglich der Unterhaltszahlung an seine Tochter (2./) und der Restbetrag gemäß § 179a Abs 3 StVG vom Bund übernommen werde, wobei quartalsweise eine entsprechende Abrechnung samt Einkommensnachweisen dem Gericht vorzulegen sei (3./).
Begründend führte das Erstgericht aus, dass eine aktuell (zum 3. Quartal 2024) vorgenommene Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ergeben habe, dass der Betroffene Rehageld in Höhe von 52,62 Euro (2024) bzw 55,04 Euro (2025) brutto beziehe und eine Unterhaltsverpflichtung in Höhe von 265,- Euro monatlich gegenüber seiner Tochter C* habe. Er sei somit nicht in der Lage, die gesamten durch die Erfüllung der Weisungen aufgelaufenen Kosten (bereits Wohnkosten in Höhe von 14.544,- Euro) zu tragen, jedoch einen Teil davon. Mit Blick auf die durchschnittliche Höhe der Sozialhilfeleistungen für eine alleinstehende Person in Höhe von ca. 1.200,- Euro (welche sowohl den Lebensunterhalt als auch einen Anteil der Wohnkosten abdeckt) sei unter Berücksichtigung der von B* in vollem Umfang (incl. Strom, Gas, Warmwasser, Heizung) getragenen Wohnkosten ein monatlicher Betrag für die Bestreitung des sonstigen Lebensunterhaltes (Nahrung, Kleidung, Pflege, soziale und kulturelle Teilhabe) in Höhe von 700,- Euro angemessen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Betroffenen, in der er moniert, dass dadurch sein Fortkommen erheblich erschwert würde. Er verfüge über monatlich 1.510,20 Euro netto (30 Tage), wovon im Rahmen einer Forderungsexekution 391,80 Euro für Unterhaltsverbindlichkeiten – darin enthalten der laufende Unterhalt in Höhe von 265,00 Euro – einbehalten werden. Tatsächlich ausgezahlt werden 1.109,38 Euro bzw 1.146,38 Euro in Monaten mit 31 Tagen. Er verfüge über Ersparnisse in Höhe von derzeit 4.387,52 Euro und habe Verbindlichkeiten in Gesamthöhe von insgesamt 25.313,49 Euro. Zudem sei für ihn ein sozialer Empfangsbereich vorzubereiten, er werde für die Zeit nach seiner Entlassung eine Wohnung samt Kaution bezahlen müssen.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass der Beschwerde des Betroffenen ist wie im Spruch ersichtlich vorzugehen.
Wie das Erstgericht im Beschluss zutreffend ausführt, haben bedingt Entlassene die mit der Erfüllung der ihnen erteilten Weisungen verbundenen Kosten grundsätzlich selbst zu tragen (vgl RIS-Justiz RS0132825) und im Lichte von § 179a Abs 2 letzter Satz StVG soll die Frage der Kostentragung nach Möglichkeit zumindest dem Grunde nach bereits bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung berücksichtigt werden, wobei für einen solchen auf die Zukunft gerichteten Ausspruch die Umstandsklausel gelte.
Tatsächlich unterliegt der Ausspruch nach § 179a Abs 2 letzter Satz StVG der clausula rebus sic stantibus und steht im Fall wesentlicher Änderung der Verhältnisse einer neuerlichen Entscheidung über denselben Prozessgegenstand nicht entgegen. Umgekehrt bedeutet das aber, dass immer dann, wenn sich die Umstände nicht entscheidend ändern, die Bindungswirkung des rechtskräftigen Ausspruchs nach § 179a Abs 2 letzter Satz StVG einer neuerlichen Entscheidung über die Kostenersatzpflicht des Bundes dem Grunde nach entgegensteht und in der Folge nur noch über das Ausmaß der zu ersetzenden Kosten entschieden werden kann ( Pieber , WKStVG § 179a Rz 8; s auch OGH 14 Os 84/14f; 11 Os 96/12w; OLG Wien 18 Bs 171/25s).
Im vorliegenden Fall ist die Frage nach der wesentlichen Änderung der tatsächlichen Umstände als Voraussetzung für den Wegfall der Bindungswirkung des ursprünglichen Kostenausspruchs des Erstgerichts vom 8. Jänner 2024 (ON 17), mit dem die Kostenübernahme im Umfang des § 179a StVG durch den Bund festgelegt wurde, nicht geklärt. Denn dem Protokolls- und Beschlussvermerk (ON 17) ist nicht zu entnehmen, von welchen Sachverhaltsannahmen in Bezug auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen ausgegangen wurde. Auch aus dem nunmehr bekämpften Beschluss geht nicht hervor, inwiefern die tatsächlichen Verhältnisse ab Juli 2024 im Vergleich zum Zeitpunkt des Ausspruchs über die bedingte Entlassung im Februar 2024 eine entscheidende Änderung erfahren haben.
Dem vom Beschwerdegericht eingeholten Sozialversicherungsauszug ist zu entnehmen, dass der Betroffene seit 1. Juli 2022 Rehabilitationsgeld bezieht (was dem von ihm vorgelegten Bescheid [ON 84, 4 ff] entspricht) und einen KV-Sachleistungsanspruch hat (Details dazu sind nicht bekannt). Zudem ist seit 22. April 2025 als Dienstgeber/auszahlende Stelle D* angeführt, was sich aus dem bisherigen Akteninhalt nicht ergibt, woraus sich aber eine wesentliche Änderung der Entscheidungsgrundlage ergeben könnte. Zu eruieren wäre daher die Höhe des Einkommens des Beschuldigten aus dieser Beschäftigung. Über die von ihm in der Beschwerde vorgebrachten Ersparnisse und Verbindlichkeiten liegen keine Bestätigungen vor.
Da die Sachverhaltsgrundlagen somit unzureichend sind, ist aus Anlass der Beschwerde nach § 89 Abs 2a Z 3 StPO mit Aufhebung des bekämpften Beschlusses und Zurückverweisung an die erste Instanz vorzugehen. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren zu ermitteln haben, wie sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen anlässlich seiner bedingten Entlassung im Februar 2024 gestaltet haben und ob seither eine wesentliche Änderung der Umstände eingetreten ist, die einen geänderten Ausspruch über die Tragung der Kosten für die Einhaltung der Wohnsitzweisung rechtfertigt.
Der Betroffene ist mit seiner Beschwerde auf diese Kassation zu verweisen.