Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Mag. Hahn als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Steindl und Dr. Hornich, LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Maßnahmenvollzugssache des A*wegen § 21 Abs 1 StGB über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 13. Juni 2025, GZ **-146, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Aus Anlass der Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen .
Mit seinem Rechtsmittel wird der Beschwerdeführer auf diese Entscheidung verwiesen.
Begründung:
Mit Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Schöffengericht vom 31. Juli 2017, rechtskräftig seit 19. Oktober 2017, AZ **, wurde A* wegen der Anlasstaten des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2, 15 StGB sowie des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach der damals geltenden Rechtslage eingewiesen (ON 78).
Mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 10. Juni 2020, AZ **, (ON 3) wurde er mit Wirksamkeit vom 1. Juli 2020 gemäß § 47 StGB aus dem Maßnahmenvollzug bedingt entlassen, wobei ihm unter anderem die Weisung der Wohnsitznahme in der Wohneinrichtung des Vereins B* im Rahmen des Projekts 21/1, **, (beinhaltend Teilnahme an dem bereits etablierten psychotherapeutischen Angebot sowie Drogen-und Alkoholkarenz) erteilt wurde. Zu den diesbezüglichen Kosten wurde ausgesprochen, dass diese nach Maßgabe des § 179a StVG vom Bund getragen werden, wobei im Beschluss jedoch nicht dokumentiert ist, auf welcher Sachverhaltsgrundlage dieser Kostenausspruch basierte.
Über gerichtliche Aufforderung, ein vollständiges Vermögens- und Einkommensverzeichnis (samt Bestätigungen) sowie eine Aufstellung der üblicherweise anfallenden monatlichen Ausgaben vorzulegen (ON 135), übermittelte eine Sozialarbeiterin des Vereins B* am 11. Februar 2025 eine Bestätigung über den Bezug der Berufsunfähigkeitspension zum 1. Jänner 2025 in Höhe von 1.795,81 Euro, Auszüge von dessen Bankkonto (726,73 Euro) und Sparkonto (33.753,92 Euro) jeweils vom 29. Dezember 2024, eine Bestätigung über die bestehende monatliche Unterhaltsverpflichtung von 250 Euro sowie eine Aufstellung der sonstigen regelmäßigen monatlichen Ausgaben (ON 137).
Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht aus, dass die Kosten des Aufenthalts in der therapeutischen Wohneinrichtung B* ab 1. Oktober 2024 vom Bund gemäß § 179a Abs 2 StVG nur mehr teilweise übernommen werden (1./), der bedingt Entlassene von seinem Einkommen nachstehende Teilbeträge zu den Kosten der therapeutischen Wohneinrichtung beizutragen habe, und zwar den 700 Euro monatlich übersteigenden Teil seines Nettoeinkommens abzüglich der Unterhaltszahlung an seinen Sohn (2./), und der Restbetrag gemäß § 179a Abs 3 StVG vom Bund übernommen werde, wobei quartalsweise eine entsprechende Abrechnung samt Einkommensnachweisen dem Gericht vorzulegen sei (3./).
Begründend führte das Erstgericht aus, dass eine aktuell (zum 4. Quartal 2024) vorgenommene Überprüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse ergeben habe, dass der Betroffene eine Pension in Höhe von zirka 1795,91 Euro monatlich beziehe, wovon er 250 Euro monatlich an Unterhalt für seinen Sohn bezahle. Daneben verfüge er über Ersparnisse in Höhe von 33.753,92 Euro per Ende Dezember 2024. Er sei somit nicht in der Lage, die gesamten durch die Erfüllung der Weisungen auflaufenden Kosten (allein Wohnkosten in Höhe von 11.300 Euro monatlich) zu tragen, jedoch einen Teil davon. Aufgrund der bestehenden teilbetreuten Unterbringung in einer Trainingswohnung beim Verein B* seien die Kosten für Wohnen (inkl. Strom, Gas, Warmwasser, Heizung) für den Betroffenen zur Gänze abgedeckt. Im Hinblick auf die durchschnittliche Höhe der Sozialhilfeleistungen für eine alleinstehende Person in ** in Höhe von 1.200 Euro (welche sowohl den Lebensunterhalt als auch einen Anteil der Wohnkosten abdecke) sei unter Berücksichtigung der von B* in vollem Umfang (inkl. Strom, Gas, Warmwasser, Heizung) getragenen Wohnkosten ein monatlicher Betrag für die Bestreitung des sonstigen Lebensunterhalts (Nahrung, Kleidung, Pflege, soziale und kulturelle Teilhabe) in Höhe von 700 Euro angemessen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Betroffenen (ON 150), in der er moniert, dass dadurch sein Fortkommen erheblich erschwert würde. Durch die rückwirkende Inkraftsetzung der Forderung ab 1. Oktober 2024 habe er – mangels Vorabinformation hierzu – seine Ausgaben und Ansparungen nicht anpassen können. Er habe sich intensiv auf das Ende der Weisungszeit am 30. Juni 2025 vorbereitet und monatlich Geld für die Inneneinrichtung der zukünftigen Wohnung sowie die zukünftigen Mietkosten angespart. Einen Teil seines Ersparten habe er als Erbe von seiner Mutter nach ihrem Ableben erhalten als auch im Zuge seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit vor seiner Erkrankung erwirtschaftet. Sollte er keine Gemeindewohnung bekommen, würde die Wohnungsnahme am privaten Wohnungsmarkt oder über eine Genossenschaft noch einen höheren finanziellen Aufwand für ihn bedeuten (Kaution/Finanzierungsbeitrag). Als zusätzliche finanzielle Belastung führte er den kürzlichen Verlust von zwei Zähnen an, die ersetzt werden müssten.
Aus Anlass der Beschwerde des Betroffenen ist wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Wie das Erstgericht im Beschluss zutreffend ausführt, haben bedingt Entlassene die mit der Erfüllung der ihnen erteilten Weisungen verbundenen Kosten grundsätzlich selbst zu tragen (vgl RIS-Justiz RS0132825) und im Lichte von § 179a Abs 2 letzter Satz StVG soll die Frage der Kostentragung nach Möglichkeit zumindest dem Grunde nach bereits bei der Entscheidung über die bedingte Entlassung berücksichtigt werden, wobei für einen solchen auf die Zukunft gerichteten Ausspruch die Umstandsklausel gelte.
Tatsächlich unterliegt der Ausspruch nach § 179a Abs 2 letzter Satz StVG der clausula rebus sic stantibus und steht im Fall wesentlicher Änderung der Verhältnisse einer neuerlichen Entscheidung über denselben Prozessgegenstand nicht entgegen. Umgekehrt bedeutet das aber, dass immer dann, wenn sich die Umstände nicht entscheidend ändern, die Bindungswirkung des rechtskräftigen Ausspruchs nach § 179a Abs 2 letzter Satz StVG einer neuerlichen Entscheidung über die Kostenersatzpflicht des Bundes dem Grunde nach entgegensteht und in der Folge nur noch über das Ausmaß der zu ersetzenden Kosten entschieden werden kann ( Pieber , WKStVG § 179a Rz 8; siehe auch 14 Os 84/14f; 11 Os 96/12w; OLG Wien 18 Bs 171/25s, 17 Bs 168/25t, 18 Bs 185/25z).
Im vorliegenden Fall ist die Frage nach der wesentlichen Änderung der tatsächlichen Umstände als Voraussetzung für den Wegfall der Bindungswirkung des ursprünglichen Kostenausspruchs des Erstgerichts vom 10. Juni 2020 (ON 3), mit dem die Kostenübernahme durch den Bund nach Maßgabe des § 179a StVG festgelegt wurde, nicht geklärt. Denn dessen Beschluss ist nicht zu entnehmen, von welchen Sachverhaltsannahmen in Bezug auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen ausgegangen wurde. Auch aus dem nunmehr bekämpften Beschluss geht nicht hervor, inwiefern die tatsächlichen Verhältnisse ab 1. Oktober 2024 im Vergleich zum Zeitpunkt des Ausspruchs über die bedingte Entlassung im Juni 2020 eine entscheidende Änderung erfahren haben.
Dem vom Beschwerdegericht eingeholten Sozialversicherungsauszug (ON 134) ist zu entnehmen, dass der Betroffene im Zeitraum vom 1. Jänner 2018 bis 28. Februar 2021 Rehabilitationsgeld bezog und einen KV-Sachleistungsanspruch hatte (Details dazu sind nicht bekannt). Seit 1. März 2021 bis laufend scheint ein Pensionsbezug auf. Zu eruieren wäre daher insbesondere die Höhe des Nettobezugs am 1. Oktober 2024 sowie ob der Betroffene zu diesem Zeitpunkt auch bereits über die nunmehr angeführten Ersparnisse (ua aus Erbschaft) verfügte.
Da die Sachverhaltsgrundlagen somit unzureichend sind, ist aus Anlass der Beschwerde nach § 89 Abs 2a Z 3 StPO mit Aufhebung des bekämpften Beschlusses und Zurückverweisung an die erste Instanz vorzugehen. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren zum einen zu ermitteln haben, wie sich die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen anlässlich seiner bedingten Entlassung im Juni 2020 gestaltet haben (Höhe des Netto-Rehabilitationsgeldes, Ausgestaltung des KV-Sachleistungsanspruchs, Ersparnisse etc) und ob seither eine wesentliche Änderung der Umstände eingetreten ist, die einen geänderten Ausspruch über die Tragung der Kosten für die Einhaltung der Wohnsitzweisung rechtfertigt, sowie sich neben den konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnissen auch mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen sonstigen Ausgaben (ON 137, 4 ff und ON 150) auseinanderzusetzen haben.
Der Betroffene ist mit seiner Beschwerde auf die Kassation zu verweisen.
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