1R80/25d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Weixelbraun als Vorsitzenden und die Richterinnen Mag a . Klenk und Mag a . Tscherner in der Rechtssache der klagenden Partei mj A* , **, **, vertreten durch Mag. Marcus Hohenecker, Rechtsanwalt in Groß Enzersdorf, gegen die beklagte Partei NÖ Landesgesundheitsagentur, FN **, **, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen EUR 15.000 und Feststellung (EUR 2.000), hier wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Aufhebung des Versäumungsurteils vom 30.1.2025 (ON 22), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 25.4.2025, ** 31, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Äußerung der Klägerin im Rekursverfahren vom 28.5.2025 (ON 37) wird zurückgewiesen.
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit EUR 1.176,18 (darin EUR 196,03 USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung
In der Tagsatzung vom 29.1.2025 erließ das Erstgericht über Antrag der Beklagten ein negatives Versäumungsurteil, mit dem es das Begehren auf Zahlung von EUR 15.000 samt 4 % Zinsen ab Klagszustellung an Schadenersatz und auf Feststellung, die Beklagte hafte der Klägerin für künftige Schäden, insbesondere alle künftigen Behandlungskosten und Schmerzengeldansprüche sowie Verdienstentgänge, die der Klägerin aus dem Unfall vom 11.9.2023 noch entstehen, abwies.
Am 3.2.2025 (ON 23) beantragte die Klägerin unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung vom 31.1.2025 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Tagsatzung vom 29.1.2025 und die Aufhebung des Versäumungsurteils. Der Klagsvertreter sei am Abend des 28.1.2025 erkrankt und habe deshalb nicht zur Tagsatzung erscheinen können. Die Erkrankung sei mit Fieber, gravierendem Halsschmerz und einer Entzündung des Halses einher gegangen und habe die Teilnahme an der Verhandlung unvorhergesehen und unabwendbar verunmöglicht. Da der Klagsvertreter am 29.1.2025 krankheitsbedingt nicht des Sprechens fähig gewesen sei, habe er sich auch nicht telefonisch entschuldigt oder eine Substitution organisiert. Eine ärztliche Untersuchung samt Blutuntersuchung am 31.1.2025 habe eine erhebliche Rötung des Rachens des Klagsvertreters ergeben. Weder die Klägerin noch den Klagsvertreter treffe ein Verschulden an der Versäumung der Tagsatzung. In der Bescheinigungstagsatzung zum Wiedereinsetzungsantrag brachte die Klägerin noch ergänzend vor, die Mitarbeiterinnen des Klagsvertreters hätten sich zum Zeitpunkt der Tagsatzung auf einem Prüfungsurlaub befunden.
Die Beklagte sprach sich gegen die Bewilligung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Die Erkrankung eines vertretenden Rechtsanwalts könne unter den von der Klägerin geschilderten Umständen keinen Wiedereinsetzungsgrund bilden; der Klagsvertreter hätte die Möglichkeit gehabt, am Abend des 28.1.2025 oder am Vormittag des 29.1.2025, allenfalls schriftlich, einen Substituten zu kontaktieren und zu beauftragen, oder eine Verlegung der Tagsatzung zu erwirken.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und auf Aufhebung des Versäumungsurteils ab. Es nahm den auf den Seiten 5 bis 9 der Beschlussausfertigung ersichtlichen Sachverhalt als bescheinigt an. Auf diesen wird verwiesen und für das Rekursverfahren folgendes hervorgehoben:
Die versäumte Tagsatzung war am 29.1.2025 von 12:00 Uhr bis 12:45 Uhr am Landesgericht St. Pölten anberaumt. Der Klagsvertreter hat seine Kanzlei in ** und lebt in **. Er führt die Rechtsanwaltskanzlei allein, jedoch in Regie mit einem anderen Rechtsanwalt, den er wahlweise mit Substitutionen beauftragt. Am Abend des 28.1.2025 hatte der Klagsvertreter seinen Laptop und die Ausrüstung, um eine ERV Eingabe ans Gericht zu machen, bei sich, ebenso am 29.1.2025. Er war auch in Kenntnis des Tagsatzungstermins. Er war zur Tagsatzung geladen. Im Zeitraum 28.1.2025 bis 31.1.2025 traten beim Klagsvertreter weder akute Herzrhythmusstörungen noch Herzrasen oder eine Herzmuskelentzündung auf, auch wenn er seit längerem immer wieder an Herzrhythmusstörungen und Herzrasen leidet. Es konnte nicht festgestellt werden, dass er am 28.1.2025 oder am 29.1.2025 krank gewesen wäre, Halsweh oder Fieber gehabt hätte. Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass der Klagsvertreter an diesen beiden Tagen aus gesundheitlichen Gründen nicht sprechen, telefonieren, eine Mail oder SMS oder ERV Eingabe schreiben hätte können, vielmehr wäre er an beiden Tagen zu all diesen Tätigkeiten gesundheitlich und ohne Gefährdung seiner Gesundheit in der Lage gewesen. Er kontaktierte das Gericht, um sich für die Tagsatzung zu entschuldigen oder eine Vertagung zu erreichen, weder schriftlich noch mündlich, obwohl er sein Handy und seinen Laptop zur Verfügung hatte, selbst im Einbringen von ERV Eingaben versiert ist und auch wusste, dass jedes Gericht und jeder Richter dienstliche E Mail Adressen hat. Er kontaktierte auch keinen anderen Rechtsanwalt, damit dieser ihn substitutionsweise beim Termin vertrete.
Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, dass der behauptete Grund für die Versäumung der Tagsatzung, eine Erkrankung, nicht vorgelegen habe, sodass der Antrag auf Wiedereinsetzung schon deshalb abzuweisen sei. Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund wäre selbst dann nicht gegeben, wenn die vorgebrachte Erkrankung vorgelegen hätte. Es stelle kein zur Wiedereinsetzung berechtigendes mindergradiges Versehen dar, wenn ein Anwalt, der wie der Klagsvertreter unter Herzrythmusstörungen leide und selbst davon ausgehe, dass ein Infekt für ihn gesundheitlich problematisch sei, nicht bei erster Gelegenheit, also bereits beim Auftreten von Halsschmerzen oder ersten Infektanzeichen und noch vor Auftreten des Fiebers, vorsorglich einen Substituten für die Tagsatzung am nächsten Tag organisiere oder überhaupt per ERV Eingabe, Mail usw bei Gericht eine Vertagungsbitte einbringe.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen „falscher Tatsachenfeststellung“ und darauf basierender unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand gegen die Versäumung der Tagsatzung vom 29.1.2025 stattzugeben und das Versäumungsurteil von diesem Tag aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1.Nach § 146 Abs 1 ZPO ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis ua an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde, wobei ein minderer Grad des Versehens, das heißt leichte Fahrlässigkeit, die Wiedereinsetzung nicht hindert. Der Wiedereinsetzungswerber darf nicht auffallend sorglos gehandelt haben; er darf somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht in diesem Sinn außer Acht gelassen haben (RS0036800). Grobes Verschulden des Vertreters und/oder seiner Hilfskräfte ist im Wiedereinsetzungsverfahren der Partei zuzurechnen (RS0111777; RS0036729). Dabei ist an rechtskundige Personen, insbesondere berufsmäßige Parteienvertreter, ein strengerer Maßstab anzulegen, als an rechtsunkundige Parteien (RS0036784). Die Erkrankung des vertretenden Rechtsanwalts kann nur dann ein Grund für eine Wiedereinsetzung sein, wenn sie die rechtzeitige Bestellung eines Vertreters unmöglich macht; sei es weil die Erkrankung plötzlich auftritt und für eine rechtzeitige Vertretung nicht mehr gesorgt werden kann, oder weil zufolge der Krankheit die Dispositionsfähigkeit des Rechtsanwalts ausgeschlossen ist. Bestand jedoch die Möglichkeit, bis zum Fristablauf durch Substitution Abhilfe zu schaffen, so ist die Wiedereinsetzung nicht zu bewilligen (5 Ob 46/14x (5 Ob 41/15p) [4.] mzwN; RS0036728).
Die die Wiedereinsetzung begründenden Umstände sind nach § 149 ZPO von der Antragstellerin glaubhaft zu machen und im Antrag anzugeben; späteres Vorbringen ist aufgrund der im Wiedereinsetzungsverfahren geltenden Eventualmaxime präkludiert (vgl Gitschthaler in Rechberger/Klicka 5§§ 148-149 ZPO Rz 2).
2. Die Klägerin stützt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand auf eine Verhinderung des geladenen Klagsvertreters wegen einer am Vorabend der Verhandlung aufgetretene Erkrankung; konkret hätten Fieber mit gravierenden Halsschmerzen und einer Entzündung des Halses die Teilnahme an der Tagsatzung unvorhergesehen und unabwendbar unmöglich gemacht.
3. Es steht fest, dass der Klagsvertreter immer wieder unter Herzrhythmusstörungen leidet, die auch Herzrasen auslösen können, und bei Herzrhythmusstörungen im Fall eines grippalen Infekts das Risiko für gewisse Erkrankungen des Herzens erhöht ist. Es steht aber auch fest, dass der Klagsvertreter im Zeitraum 28.1.2025 bis 31.1.2025 weder akute Herzrhythmusstörungen noch Herzrasen oder eine Herzmuskelentzündung hatte. Außerdem konnte die Klägerin nicht bescheinigen, dass der Klagsvertreter am 28.1.2025 und am 29.1.2025 überhaupt krank gewesen wäre. Schließlich steht fest, dass er an den genannten Tagen gesundheitlich in der Lage gewesen wäre, zu sprechen, zu telefonieren und eine E Mail, SMS oder eine ERV Eingabe zu schreiben.
Das Erstgericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Aufhebung des Versäumungsurteils schon deshalb zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund, eine plötzlich aufgetretene Erkrankung am Vorabend der Verhandlung, die den Klagsvertreter am Erscheinen bei Gericht hinderte, nicht bescheinigt hat.
4.Zwar wendet sich die Klägerin in ihrem Rekurs gegen die Feststellungen zur behaupteten Erkrankung und Verhinderung des Klagsvertreters. Das Erstgericht traf diese aber anhand der im Rahmen der Bescheinigungstagsatzung gehörten, besonders ausführlich gewürdigten Aussage des Klagsvertreters und jener des behandelnden Arztes, bei dem der Kläger (erst) am 31.1.2025 vorstellig geworden war und der die ärztliche Bescheinigung vom selben Tag (ON 23.2) verfasst hatte. Nach ständiger Rechtsprechung ist die aufgrund unmittelbarer Beweisaufnahme erfolgte Beweiswürdigung im Rekursverfahren nicht bekämpfbar (RS0044018 [T5, T6]; Sloboda in Fasching/Konecny 3§ 514 ZPO Rz 82 mwN; zuletzt etwa 3 Ob 31/24s [15]).
5. Ergänzend sei darauf hingewiesenen, dass die Klägerin nicht dartut, wieso es ihrem Vertreter nicht möglich gewesen sein soll, rechtzeitig einen Vertreter zu bestellen. Ein sorgfältiger Parteienvertreter würde in der zur Verfügung stehenden Zeitspanne vom Vorabend der Verhandlung bis zum Verhandlungsbeginn um 12:00 Uhr eine geeignete Handlung setzen, die verhindert, dass gegen seine Partei ein Versäumungsurteil ergeht, und zwar unabhängig davon, ob er wegen Halsschmerzen am Sprechen gehindert ist oder über MitarbeiterInnen verfügt, die für ihn mit dem Gericht oder einem allfälligen Substituten kommunizieren können. Das völlige Untätigbleiben eines Parteienvertreters aufgrund einer behaupteten Halsentzündung mit Fieber wäre auch im von der Klägerin behaupteten Szenario als grob fahrlässig zu qualifizieren.
6.Die Kostenentscheidung für das Rekursverfahren beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Der Revisionsrekurs ist nach § 528 Abs 2 Z 2 ZPO unzulässig (RS0044536 [T1, T4]; Musger in Fasching/Konecny 3§ 528 ZPO Rz 61).