JudikaturOLG Wien

31Bs44/25k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
05. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A* B* wegen § 288 Abs 1 und 4 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung der Genannten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 7. Jänner 2025, GZ ** 28, nach der unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Dr. Schwab, im Beisein der Richter Mag. Weber LL.M. und Mag. Spreitzer LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Katja Wallenschewski sowie in Anwesenheit der Angeklagten A* B* und ihres Verteidigers Mag. Roman Tenschert am 5. August 2025 durchgeführten Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am ** geborene ukrainische Staatsangehörige A* B* wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB (A./) und des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB (B./) schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 288 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruches hat A* B* am 1. Oktober 2024 in **

A./ vor der Polizeiinspektion C* als Zeugin bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache im Ermittlungsverfahren gegen D* wegen unter anderem § 218 Abs 1a StGB durch die Angaben, am 30. September 2024 habe D* in der U-Bahn-Haltestelle E* ihr plötzlich auf ihr Gesäß gegriffen und zusammengedrückt (§ 218 Abs 1a StGB), weiter dies sei auf der Rolltreppe gewesen, als er hinter ihr gestanden sei, in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung vor der Kriminalpolizei falsch ausgesagt;

B./ durch die zu Punkt A./ angeführte Tat D* dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass sie ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung falsch verdächtigte, obwohl sie wusste, dass die Verdächtigung falsch ist, nämlich durch die Behauptung, D* habe am 30. September 2024 das Vergehen der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1a StGB zu ihrem Nachteil begangen.

Bei der Strafbemessung wertete der Erstrichter als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Vergehen, als mildernd hingegen den bisher ordentlichen Lebenswandel.

Gegen dieses Urteil richtet sich die von der Angeklagten rechtzeitig wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldete (ON 30) und zu ON 31.1 wegen Nichtigkeit und Schuld ausgeführte Berufung, mit der sie eine Urteilsaufhebung und Zurückverweisung an das Erstgericht, in eventu eine Beweiswiederholung und einen Freispruch anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Berufung wegen Nichtigkeit : Die nach § 281 Abs 1 Z 5 zweiter, dritter, vierter und fünfter Fall erhobene Mängelrüge ist nicht berechtigt.

Unvollständig nach § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO ist ein Urteil nur dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung entgegen der Anordnung des § 270 Abs 2 Z 5 StPO erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) – seinen Feststellungen entgegenstehende - Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ. Die fehlende Erörterung dieser Verfahrensergebnisse macht die in Hinsicht auf entscheidende Tatsachen getroffenen Feststellungen aus formalen Gründen mangelhaft. Eine Wertung des Rechtsmittelgerichts findet trotzdem statt. Nur wird nicht in die Bewertung der vom Erstgericht berücksichtigten Verfahrensergebnisse, mit anderen Worten in die Würdigung des herangezogenen Beweismaterials (des Bezugspunktes der Beweiswürdigung), eingegriffen, sondern in die Auswahl des für diese Bewertung heranzuziehenden Beweismaterials. Dem Rechtsmittelgericht obliegt also nur die Kontrolle, ob alles aus seiner Sicht Erwägenswerte erwogen wird, nicht aber des Inhalts dieser Erwägungen (vgl RIS-Justiz RS0098646 und RS0118316). Da die Aussagen der Zeugin F* B* (ON 27, 5 ff), die keine unmittelbaren Wahrnehmungen zu den Vorkommnissen in der U-Bahn-Station E* am 30. September 2024 hatte, und der Angeklagten (ON 20, 2 ff und ON 27, 7) zu angeblich schon zuvor stattgefundenen Übergriffen durch D* den Konstatierungen des Erstgerichts nicht entgegenstehen, waren diese auch nicht erörterungsbedürftig.

Auch der nach § 281 Abs 1 Z 5 dritter Fall StPO behauptete Widerspruch liegt nicht vor. Ein solcher liegt nur dann vor, wenn entweder zwischen Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) und deren zusammenfassender Wiedergabe im Urteilsspruch oder zwischen zwei oder mehr Feststellungen (in den Entscheidungsgründen) oder zwischen Feststellungen und den dazu in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen oder zwischen in der Beweiswürdigung angestellten Erwägungen ein Widerspruch besteht (RIS-Justiz RS0119089). Dass Personen, die (hier: vor Gericht) einen kontrollierten und intelligenten Eindruck zu hinterlassen vermögen auch dazu in der Lage sind, (hier: vor der Kriminalpolizei) plump zu lügen, widerspricht den Gesetzen des logischen Denkens aber nicht. Inwiefern die vermeintlich dislozierte Feststellung, die gesamte Station sei videoüberwacht, mit sich selbst im Widerspruch steht, lässt das Rechtsmittel völlig offen (ON 31.1, 3 f) und ist insofern einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.

Das Erstgericht begründet seine Feststellung, dass D* am 30. September 2024 in der U-Bahn-Station E* der Angeklagten nicht auf das Gesäß fasste und dieses zusammendrückte mit den in der Hauptverhandlung vorkommenden Videoaufzeichnungen ON 25.3 bis ON 25.8, auf denen die Angeklagte und D* vom Betreten des Bahnsteigs bis zum Verlassen der U-Bahn-Station durchgehend zu sehen sind und ein Griff auf das Gesäß der Angeklagten nicht ersichtlich ist (US 4 f). Die Begründung unter Bezugnahme auf in der Hauptverhandlung vorkommende Videos widerspricht weder den Gesetzen folgerichtigen Denkens noch grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS-Justiz RS0116732) und ist entgegen der Behauptung der Angeklagten nicht unzureichend im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO.

Auch die nach § 281 Abs 1 Z 5 fünfter Fall StPO von der Berufungswerberin geltend gemachten Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Eine solche wird nur durch die unrichtige Wiedergabe des Inhalts von Beweismitteln begründet, deren Wertung hingegen erfolgt im Rahmen des § 258 Abs 2 StPO. Nur die erheblich unrichtige Wiedergabe des Inhalts eines Beweismittels in den Entscheidungsgründen stellt Aktenwidrigkeit her; aus Beweisergebnissen gezogene Schlussfolgerungen der Tatrichter scheiden insoweit als Anfechtungsbasis aus (RIS-Justiz RS0099431 [T16]). Da die Angeklagte und D* auf den Videoaufnahmen durchgehend und lückenlos vom Aussteigen aus dem U-Bahn-Waggon bis zum gemeinsamen Verlassen des Stationsgebäudes zu sehen sind (vgl ON 25.3 bis ON 25.8), sind die entsprechenden erstgerichtlichen beweiswürdigenden Erwägungen (US 4 f) nicht aktenwidrig. Bei den Ausführungen zum Inhalt der Videos und den Eindruck den die Angeklagte und D* auf den Erstrichter hinterließen (US 4 f), handelt es sich um auf die freie Beweiswürdigung des Erstgerichts beruhende Schlüsse, deren Richtigkeit unter dem Gesichtspunkt der Aktenwidrigkeit nicht angefochten werden können (vgl RIS-Justiz RS0099524).

War sohin der Berufung wegen Nichtigkeit nicht Folge zu geben, ist auch die Berufung wegen Schuld nicht berechtigt. Der Erstrichter unterzog die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer denkrichtigen und lebensnahen Würdigung und legte nach erschöpfender Beweisaufnahme und unter Einbeziehung des von der Angeklagten in der Hauptverhandlung gewonnenen persönlichen Eindrucks überzeugend dar, wie er zu den für den Schuldspruch maßgeblichen Feststellungen in objektiver wie auch subjektiver Hinsicht gelangte und warum der Einlassung der Angeklagten nicht gefolgt wurde (US 4 ff).

Dabei konnte er sich betreffend das objektive Tatgeschehen auf das Protokoll der Aussage der Angeklagten als Zeugin vor der Kriminalpolizei am 1. Oktober 2025 (ON 2.5) und die Überwachungsvideos der G* vom 30. September 2025, auf denen die Angeklagte und D* vom Verlassen des Zuges bis zum Ausgang der U-Bahn-Station lückenlos zu sehen sind (vgl ON 25.3 bis ON 25.8), stützen. Die beweiswürdigenden Erwägungen zum Inhalt der Videos begegnen dabei keine Bedenken.

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite leitete das Erstgericht zulässigerweise und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht anders möglich (RIS-Justiz RS0116882 und RS0098671) aus den objektiven Tatumständen ab.

All diesen Erwägungen kann die Berufung nur eigene, für die Angeklagte günstigere Schlussfolgerungen entgegensetzen, die die oben dargestellten Erwägungen aber nicht einmal im Ansatz erschüttern. Die im Rechtsmittel mehrfach wiederholte Behauptung, die Videoaufnahmen „betreffen nicht die gesamte U-Bahn-Station“, sind nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist der von der Angeklagten und D* in der Station gemeinsam zurückgelegte Weg durchgehend festgehalten, insbesondere auch der Übergang vom Bahnsteig zur Rolltreppe (vgl ON 25.3 und ON 25.4), und auf diesen ist – wie vom Erstgericht zutreffend erkannt – kein Übergriff von D* erkennbar. Insofern ist auch unerheblich, dass die Videos tonlos sind. Die nicht verfahrensgegenständliche behaupteten weiteren Übergriffe durch D* zum Nachteil der Angeklagten und anderer Frauen vermögen am Inhalt der Videos nichts zu ändern und können die erstrichterliche Beweiswürdigung demnach auch nicht erschüttern. Eine „Verwechslung der Übergriffe“ wurde von der Angeklagten in der Hauptverhandlung nicht einmal behauptet (vgl ON 20, 2 ff und ON 27, 7).

Da somit auch das Rechtsmittelgericht bei der im Rahmen der Überprüfung der Schuldberufung anzustellenden Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der erstrichterlichen Lösung der Schuldfrage hegt, hat der Schuldspruch Bestand.

Auch der (unausgeführt gebliebenen) Berufung wegen Strafekommt keine Berechtigung zu. Die besonderen Strafzumessungsgründe wurden vom Erstgericht vollständig erfasst und erweist sich die vom Erstgericht bei einem nach § 288 Abs 1 StGB zur Verfügung stehenden Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe ausgemessene Strafe von fünf Monaten – auch unter Berücksichtigung der allgemeinen im Sinne des § 32 Abs 2 und 3 StGB anzustellenden Erwägungen - als tat- und schuldangemessen und einer Herabsetzung nicht zugänglich. Mit dieser Sanktion wurde auch den – bei Delikten zum Schutz der Strafrechtspflege jedenfalls gegebenen - gewichtigen generalpräventiven Aspekten (RIS-Justiz RS0090600) entsprechend Rechnung getragen.