JudikaturOLG Wien

3R48/25p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
18. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie den Richter Mag. Guggenbichler und die Richterin MMag. a Pichler in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Linke Wienzeile 18, 1060 Wien, vertreten durch die Kosesnik-Wehrle Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei A* AG , **, Schweiz, vertreten durch Mag. Ulrich Kopetzki, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamt-streitwert EUR 36.000), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 24.2.2025, **-44, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 2.197,56 (darin EUR 366,26 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung

Der Kläger begehrte mit seiner am 14.6.2023 eingebrachten Klage, die Beklagte zu verpflichten, es ab sofort im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu unterlassen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrundelegt, und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern 25 konkret genannte oder sinngleiche Klauseln zu verwenden sowie sich auf diese oder sinngleiche Klauseln zu berufen. Der Kläger erhob weiters ein Begehren auf Urteilsveröffentlichung.

Die Beklagte erstattete fristgerecht eine Klagebeantwortung, erschien jedoch zur darauffolgenden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 19.3.2024 nicht.

Das Erstgericht erließ auf Antrag des Klägers am 21.3.2024 eindem Klagebegehren zur Gänze stattgebendes Versäumungsurteil. Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten erhobenen Berufung mit Urteil vom 18.6.2024 zu 3 R 79/24w nicht Folge. Der OGH wies die außerordentliche Revision der Beklagten mit Beschluss vom 10.9.2024 zu 4 Ob 137/24m zurück.

Der Klägerbeantragte mit Schriftsatz vom 24.10.2024, der Beklagten gemäß § 25 Abs 6 UWG iVm § 30 Abs 1 KSchG die Vorauszahlung der voraussichtlich für die Urteilsveröffentlichung auflaufenden Kosten von EUR 90.774,62 binnen 4 Wochen aufzutragen.

Das Erstgericht räumte der Beklagten mit Beschluss vom selben Tag (ON 38) die Möglichkeit zur Äußerung zu diesem Antrag binnen 14 Tagen ein. Der Beschluss wurde der Rechtsvertreterin der Beklagten am 25.10.2024 zugestellt. Eine Äußerung der Beklagten erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 20.11.2024 (ON 39) verpflichtete das Erstgericht die Beklagte, dem Kläger für die voraussichtlichen Kosten der Urteilsveröffentlichung EUR 90.774,62 binnen 4 Wochen zu Handen der Klagevertreter zu zahlen sowie dem Kläger dessen mit EUR 212,17 bestimmte weitere Verfahrenskosten 14 Tagen zu ersetzen. Der Beschluss wurde der Beklagtenvertreterin am 21.11.2024 zugestellt. Die Beklagte erhob keinen Rekurs.

Mit Schriftsatz vom 19.12.2024 (ON 41) beantragte die Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Äußerung zum „Kostenbestimmungsantrag“ des Klägers. Zur Begründung führte sie aus, der auf ihrer Seite für den gegenständlichen Rechtsstreit vertretungsbefugte B* habe sich vom 13.10. bis 12.11.2024 im Krankenstand befunden und sei nicht in der Lage gewesen, sich um seine beruflichen Angelegenheiten zu kümmern. Am 12.11.2024 sei er als Vorstand der Beklagten zurückgetreten und aus dem Unternehmen ausgeschieden. Bereits am 9.9.2024 sei er jedoch mit einer Vollmacht ausgestattet worden, um die Beklagte nach außen zu vertreten. Er habe (offenkundig gemeint: nach seinem Krankenstand) begonnen, sich wieder in die Rechtsangelegenheiten der Beklagten einzuarbeiten und erst am 13.12.2024 vom gegenständlichen Verfahren und dem Beschluss über die Einräumung einer Äußerungsmöglichkeit Kenntnis erlangt. B* sei es nicht möglich gewesen, seine Aufgaben während seines Krankenstands an eine andere Person zu delegieren oder für entsprechenden Ersatz zu sorgen. Mitarbeiter der Beklagten haben zumindest noch einen Kostenvoranschlag der C* einholen können. Weitere Tätigkeiten seien mangels zur Verfügung stehender Verantwortlicher für Rechtsfragen nicht möglich gewesen.

Die Beklagte holte unter einem die Äußerung zum Antrag des Klägers auf Vorauszahlung der Kosten für die Urteilsveröffentlichung nach.

Der Kläger beantragte in seiner vom Erstgericht eingeräumten Äußerung die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags der Beklagten als verspätet, hilfsweise dessen Abweisung als unberechtigt, und wendete ein, der Antrag sei unschlüssig und angesichts der anwaltlichen Vertretung der Beklagten im Zeitpunkt der Zustellung der Aufforderung zur Äußerung auch unberechtigt. Die Beklagte treffe überdies ein Organisationsverschulden. Ausgehend vom vorgelegten Kostenvoranschlag Beilage ./4 sei auf Seiten der Beklagten bereits am 2.12.2024 die Thematik der voraussichtlichen Kosten der Veröffentlichung bekannt gewesen, sodass der Wiedereinsetzungsantrag auch verfristet sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurück.

Es traf folgende Sachverhaltsfeststellungen:

Die Beklagte ist im vorliegenden Verfahren durchgehend von einem berufsmäßigen Parteienvertreter aufrecht vertreten (Anwaltspflicht). Der bei der Beklagten für diesen Rechtsstreit vorgeblich Zuständige, B*, war von 13.10.2024 bis 12.11.2024 im Krankenstand und daher nicht in der Lage, sich um seine beruflichen Angelegenheiten zu kümmern. Am 2.12.2024 holte die Beklagte einen Kostenvoranschlag bei der C* (Beilage ./4) ein. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war der Beklagten der Kostenbestimmungsantrag des Klägers sowie der Beschluss zur Äußerung bekannt.

Das Erstgericht folgerte rechtlich, der am 19.12.2024 eingebrachte Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten sei verfristet und daher nach § 148 Abs 3 ZPO ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss in die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligendem Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben, hilfsweise diesen im Sinne der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags abzuändern.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

1.Nach § 146 Abs 1 ZPO ist einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis –so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Die Wiedereinsetzung ist nach § 146 Abs 1 ZPO daher auch möglich, wenn eine befristete Prozesshandlung versäumt ist. Ob es sich dabei um eine richterliche Frist oder um eine gesetzliche Frist handelt, ist gleichgültig ( Deixler-Hübner in Fasching/Konecny 3II/3 § 146 ZPO Rz 35).

Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

2.Gemäß § 148 Abs 2 ZPO ist der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung innerhalb von 14 Tagen zu stellen. Die Frist beginnt mit dem Tag, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist.

2.1Wann das die Versäumung verursachende Hindernis weggefallen ist, muss nach den tatsächlichen Verhältnissen beurteilt werden. Das wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der Partei unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten unter Bedachtnahme auf die in § 147 Abs 3 ZPO zum Ausdruck kommende Handlungsfrist zugemutet werden kann, die Prozesshandlung nachzuholen. Es kann zwar für den Beginn des Fristenlaufs nicht nur darauf ankommen, wann die versäumte Prozesshandlung objektiv nachholbar wäre, doch kann auch umgekehrt nicht bloß darauf abgestellt werden, wann für die Partei das Hindernis tatsächlich aufgehört hat. Ganz allgemein beginnt der Fristenlauf in dem Zeitpunkt, von dem an der Partei die bisher schuldlose Säumnis zur Last gelegt werden kann, mithin dann, wenn sie bereits die Möglichkeit hatte - und ihr ein entsprechendes Verhalten zumutbar war -, durch geeignete Maßnahmen die versäumte Prozesshandlung nachzuholen ( Deixler-HübneraaO § 147 ZPO Rz 11, 13).

2.2Es entspricht auch der Judikatur, dass der Lauf der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags nicht erst mit der Aufklärung eines Irrtums, sondern bereits mit seiner m ö g l i c h e n Aufklärung beginnt, sodass es auch nicht darauf ankommt, wann das die Versäumung verursachende Ereignis weggefallen ist, sondern wann es weggefallen sein könnte. Nach ebenso ständiger Rechtsprechung kann diese Frist - davon ausgehend, dass bei der Beurteilung dieser Frage kein strengerer Maßstab angelegt werden darf als bei der Versäumung der Frist selbst - jedenfalls nur dann in Lauf gesetzt werden, wenn die mögliche Aufklärung nicht nur wegen eines minderen Grades des Versehens unterblieben ist (RIS-Justiz RS0036608).

2.3Das Hindernis ist somit dann weggefallen, wenn der Partei selbst unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Möglichkeiten unter Bedachtnahme auf die imn§ 147 Abs 3 ZPO zum Ausdruck gebrachte Handlungspflicht zugemutet werden kann, die Prozesshandlung nachzuholen ( Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack , ZPO-TaKomm 2§ 148 ZPO Rz 5).

2.4 Der Wiedereinsetzungswerber hat dem Gericht den Zeitpunkt des Fristbeginns zu bescheinigen. Die Partei ist mit dem Risiko belastet, die geeigneten Bescheinigungsmittel rechtzeitig zu beschaffen und vorzulegen. Der Fristenlauf beginnt, wie dargelegt, nämlich nicht erst dann, wenn die Partei in der Lage ist, den Fortfall des hindernden Ereignisses ausreichend zu bescheinigen, sondern schon dann, wenn die Partei trotz Wegfalls des Hindernisses grob fahrlässig nicht gehandelt hat ( Deixler-HübneraaO § 148 ZPO Rz 14).

2.5 Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, ist dem Erstgericht beizupflichten, dass der Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten verspätet erhoben wurde.

Der Beschluss vom 24.10.2024 (ON 38), mit dem der Beklagten die Möglichkeit zur Äußerung zum Antrag des Klägers nach § 25 Abs 6 UWG eingeräumt wurde, wurde der Beklagtenvertreterin am 25.10.2024 zugestellt.

Laut dem Vorbringen der Beklagten befand sich der auf ihrer Seite für den gegenständlichen Rechtsstreit zuständige und vertretungsbefugte B* vom 13.10. bis 12.11.2024 im Krankenstand und war in dieser Zeit nicht in der Lage, sich um seine beruflichen Angelegenheiten zu kümmern. Er habe (offenkundig gemeint: nach seinem Krankenstand) begonnen, sich wieder in die Rechtsangelegenheiten der Beklagten einzuarbeiten und erst am 13.12.2024 vom gegenständlichen Verfahren und dem Beschluss mit der Aufforderung zur Äußerung Kenntnis erlangt.

Aus welchen Gründen es einer auch nur durchschnittlich sorgfältigen Partei (umso mehr wenn diese, wie die Beklagte, Unternehmerin ist) bzw dem für sie handelnden Vertretungsbefugten nicht möglich und zumutbar gewesen sein sollte, die anstehenden Angelegenheiten nach Dringlichkeit zu bearbeiten und die Beklagtenvertreterin zeitnah nach Beendigung des Krankenstandes mit der Einbringung einer Äußerung zu beauftragen, hat die Beklagte in ihrem Wiedereinsetzungsantrag nicht dargelegt. Die Unterlassung derart naheliegender und zumutbarer Schritte begründet jedenfalls keinen bloß minderen Grad des Verschuldens. Entgegenstehendes hat die Beklagte in ihrem Wiedereinsetzungsantrag auch nicht behauptet.

Die in § 148 Abs 2 ZPO normierte vierzehntägige Frist war daher ausgehend von den dargelegten Judikaturgrundsätzen im Zeitpunkt der Einbringung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 19.12.2024 längst abgelaufen, sodass dieser nach zutreffender Rechtsansicht des Erstgerichts verspätet und daher gemäß § 148 Abs 3 ZPO zurückzuweisen war.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Gemäß § 154 ZPO hat die Beklagte dem Kläger die Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses gründet sich auf § 528 Abs 2 Z 2 ZPO.