JudikaturOLG Wien

11R103/25k – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
09. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch die Senatspräsidentin des Oberlandesgerichts Dr. Primus als Vorsitzende sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Fidler und Dr. Berka in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, ohne Beschäftigung, **, vertreten durch Dr. Peter Kraus, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei B * , geboren am **, Angestellter, **, vertreten durch Dr. Eike Lindinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen (eingeschränkt) € 4.507,41 s.A. über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29.4.2025, GZ **-36, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 877,39 (darin enthalten EUR 146,23 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls unzulässig (§ 502 Abs 2 ZPO).

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin gewährte dem Beklagten im Jahr 2018 in zwei Tranchen ein Darlehen über insgesamt EUR 16.424,57. Zinsen wurden nicht vereinbart. Der Beklagte zahlte in Teilbeträgen EUR 5.950 zurück.

Über das Vermögen des Beklagten wurde zu ** des Bezirksgerichts Floridsdorf mit Wirkung zum 25.1.2023 das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet und mit Beschluss vom 18.4.2023, nach am 24.3.2023 erfolgter Annahme des Zahlungsplans mit einer Quote von 30,73%, zahlbar in 60 monatlichen Teilquoten, aufgehoben. Der Beklagte informierte die Klägerin nicht über das Schuldenregulierungsverfahren. Die Klägerin hat ihre Forderung im Schuldenregulierungsverfahren nicht angemeldet.

Die Klägerin begehrte EUR 17.227,80 an Darlehensrückzahlung und schränkte das Klagebegehren zunächst in der Verhandlung vom 3.10.2023 wegen einer bisher nicht berücksichtigten Teilzahlung des Beklagten um EUR 2.540 auf EUR 14.667,80 ein.

Der Beklagte wandte – soweit für das Berufungsverfahren relevant - ein, die Klägerin habe ihre Forderung im Schuldenregulierungsverfahren nicht angemeldet und nehme nicht am abgeschlossenen Zahlungsplan teil. Eine nachträgliche Berücksichtigung der Forderung der Klägerin sei mit der aktuellen Vermögenslage des Beklagten nicht zu vereinbaren.

Daraufhin schränkte die Klägerin das Klagebegehren in der Verhandlung vom 3.10.2023 im Hinblick auf die Quote im Schuldenregulierungsverfahren von 30,73 %“ weiter ein auf EUR 4.507,41. Sie brachte dazu vor, „dass die Forderung der Klägerin auch nach der Insolvenzordnung zu Recht bestehe, und zwar in Höhe der Quote, zumal die Klägerin vom Beklagten nicht über dieses Schuldenregulierungsverfahren verständigt worden sei“ (ON 8.1). Der Beklagte bestritt auch diese Forderung.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze ab (1.) und verpflichtete die Klägerin zum Kostenersatz (2.).

Die für das Berufungsverfahren relevanten Feststellungen des Erstgerichts sind (bereinigt um unbeachtliche überschießende Feststellungen, vgl RS0040318; RS0036933; RS0037972; RS0112213) eingangs wiedergegeben.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass zwar noch ein Betrag von EUR 10.474,57 an Darlehensrückzahlungen aushafte. Angesichts des im Schuldenregulierungsverfahren angenommen Zahlungsplans mit einer Quote von 30,73% stehe der Klägerin lediglich die quotenmäßige Forderung von EUR 3.218,83 zu. Die Begleichung dieser Forderung der Klägerin sei aber mit der prekären Einkommens- und Vermögenslage des Beklagten nicht vereinbar.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, mit dem Antrag, das Urteil im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist nicht berechtigt .

Die Klägerin stützt sich in ihrer Berufung (erstmals) auf die Bestimmung des § 156 Abs 4 IO. Dem Beklagten sei mindestens Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil er weder die Klägerin noch das Insolvenzgericht von der Forderung der Klägerin verständigt habe. Die Klägerin sei – als Konsumentin - nicht zur Einsichtnahme in die Ediktsdatei verpflichtet gewesen, sie treffe an der Unkenntnis des Insolvenzverfahrens kein Verschulden. Die Klägerin habe dementsprechend gemäß § 156 Abs 4 IO Anspruch auf Bezahlung ihrer Forderung in voller Höhe.

Als sekundären Feststellungsmangel rügt die Klägerin, dass das Erstgericht keine Feststellungen zu der Frage getroffen habe, ob die Klägerin Konsumentin oder Unternehmerin ist.

1.1.Die Ausführungen der Klägerin führen nicht zum Ziel. Ein rechtskräftig bestätigter Zahlungsplan entfaltet gemäß § 197 IO seine restschuldbefreiende Wirkung gegenüber allen Insolvenzgläubigern, unabhängig davon, ob sie ihre Forderungen angemeldet haben oder nicht (8 Ob 69/03k; 3 Ob 232/00i).

Besteht noch kein Titel (weil die nicht angemeldete Insolvenzforderung erst nach Insolvenzaufhebung geltend gemacht wird), sind die Rechtswirkungen des Zahlungsplans über Einwand des Schuldners im Titelverfahren zu prüfen (8 Ob 117/06y). Hat der Schuldner dem Leistungsbegehren des Gläubigers auf die gesamte Forderung den Einwand des rechtskräftig bestätigten Zahlungsplans entgegengehalten, ist er für die Restlaufzeit des Zahlungsplans (nur) zur Zahlung der Quote zu verurteilen. Allerdings nur insoweit, als diese Quote der Einkommens- und Vermögenslage des Schuldners entspricht.

1.2.Eine Ausnahme von der Kürzung der Forderung auf die Quote normiert § 156 Abs 4 IO für Forderungen, die nuraus Verschulden des Schuldners im Zahlungsplan unberücksichtigt blieben. Diese Forderungen sind abweichend von § 197 IO von der Restschuldbefreiung nicht erfasst, und Gläubiger solcher Forderungen können daher nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Zahlung im vollen Betrag verlangen (3 Ob 232/00i; 8 Ob 117/06y).

Ein Alleinverschulden des Schuldners ist dabei aber nicht ohne Weiteres anzunehmen. Wegen der öffentlichen Bekanntmachung der Insolvenzeröffnung unterliegen die Gläubiger strengen Sorgfaltspflichten. Aus diesem Grund ist der Gläubiger für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 156 Abs 4 behauptungs- und beweispflichtig (RS0052293 [T2], RS0130060).

2.1.Das erfordert Tatsachenbehauptungen, die rechtlich die Schlussfolgerung zulassen, den Schuldner treffe das Alleinverschulden an der unterbliebenen Berücksichtigung der Forderung des Gläubigers. Die Klägerin begehrt im Verfahren aber lediglich die Quote ihrer Forderung und erstattete zu den Voraussetzungen des § 156 Abs 4 IO, der ihr die Geltendmachung der vollen Forderung ermöglichen würde, in erster Instanz kein Vorbringen.

Sie brachte nur vor, vom Beklagten nicht über das Schuldenregulierungsverfahren verständigt worden zu sein. Dieses Vorbringen ist nicht ausreichend, ein Schuldner ist nach Insolvenzrecht nicht verpflichtet, selbst einen Gläubiger vom Insolvenzverfahren in Kenntnis zu setzen (vgl 3 Ob 104/24a). Das (zumindest implizite) Vorbringen zum Alleinverschulden des Beklagten erstattet die Klägerin im Berufungsverfahren zum ersten Mal und unter Verstoß gegen das Neuerungsverbot (§ 482 ZPO).

2.2.Basierend auf den vom Vorbringen gedeckten Feststellungen hat die Klägerin daher die Voraussetzungen des § 156 Abs 4 IO nicht bewiesen. Schon aus diesem Grund hat die Rechtsrüge der Klägerin keinen Erfolg. Gegen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, dass angesichts der Einkommens- und Vermögenslage des Beklagten auch die Voraussetzungen des § 197 IO nicht vorliegen, wendet sich die Berufung nicht.

3.1.Das Erstgericht traf allerdings trotz fehlenden Vorbringens unbekämpft Feststellungen zum Verschulden des Beklagten (Urteil Seite 4: „Der Beklagte teilte dem Insolvenzgericht nicht mit, dass die Klägerin gegen ihn eine offene Forderung hat.“). Selbst wenn man diese Feststellungen der rechtlichen Beurteilung zu Grunde legt und für ein Verschulden des Beklagten als ausreichend ansieht, wäre für die Klägerin nichts gewonnen. Aus den Worten „nur aus Verschulden des Schuldners“ in § 156 Abs 4 IO geht hervor, dass bereits ein leichtes Mitverschulden des Gläubigers die Anwendung der Vorschrift ausschließt (RS0052293).

Die Tatsache, dass die Klägerin während des Insolvenzverfahrens die Ediktsdatei nicht abfragte, ist unstrittig. Als Gläubigerin wäre sie aber dazu verhalten gewesen, insbesondere seit der Einführung der elektronischen Insolvenzdatei, in regelmäßigen Abständen in die Insolvenzdatei Einsicht zu nehmen (RS0052291). Umstände, die sie von dieser Pflicht befreit hätten, behauptete die Klägerin in erster Instanz nicht. Dafür wäre auch – die im Berufungsverfahren erstmals behauptete - Konsumenteneigenschaft der Klägerin alleine nicht ausreichend. Zu berücksichtigen bleibt nämlich die anwaltliche Vertretung der Klägerin, die dazu führt, dass die für Nichtunternehmer geltenden Sorgfaltsanforderungen strenger zu beurteilen sind, weil von einer Rechtsvertretung sehr wohl erwartet werden kann, Erhebungen über die wirtschaftliche Lage des Schuldners durchzuführen (OLG Wien, 9 Ra 36/17f). Ob einem Gläubiger die Nichtanmeldung seiner Forderung zum Vorwurf zu machen ist, richtet sich nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs unter anderem nach der Höhe der Forderung, der Dauer ihres Bestehens sowie danach, wie viel Zeit zwischen der Verfahrenseröffnung und der Annahme des Sanierungsplans lag. Weiters, ob bereits Verdachtsmomente die Insolvenz nahelegten, wann erstmals und wie oft Ansprüche eingemahnt wurden ( Nunner-Krautgasser/Anzenberger in Koller/Lovrek/Spitzer(Hrsg), IO - Insolvenzordnung 2(2022) zu § 156 IO Rz 6). Zu keinem dieser Punkte erstattete die Klägerin Vorbringen.

Selbst unter Berücksichtigung der gesamten unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts, geht die Rechtsrüge der Klägerin daher ins Leere.

4. Der Berufung war somit insgesamt ein Erfolg zu versagen.

5.Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.