20Bs189/25b – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Neubauer in der Strafsache gegen A*wegen § 146 StGB, über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 16. Juni 2025, GZ ** (ON 7 in AZ B* der Staatsanwaltschaft Wien), den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
Begründung:
Das gegen A* zu AZ ** der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB geführte Ermittlungsverfahren wurde von der Anklagebehörde am 3. Oktober 2024 gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt (ON 1.1; ON 3).
Dem Verfahren lag eine anonyme Anzeige zugrunde, wonach A* „seit Jahren“ zu Unrecht Notstandshilfe und nicht näher angeführte weitere Sozialleistungen („Diverses“) beziehe, obwohl er fleißig „privat“ arbeite (ON 2.13).
Mit Schreiben vom 5. Juni 2025 begehrte A* einen Kostenbeitrag nach § 196a StPO in Höhe von EUR 1.590,35 inklusive USt unter Anschluss eines Kostenverzeichnisses (ON 6.2).
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den vom Bund zu leistenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung gemäß § 196a Abs 1 StPO mit EUR 150,-- .
Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des (vormals) Beschuldigten (ON 8), mit der er sich gegen die Annahme bezirksgerichtlicher Zuständigkeit wendet. Zwar sei der Fall letztlich in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit gefallen, dies jedoch nur, weil sämtliche Vorwürfe hätten entkräftet werden können. Mit Blick auf den vorgeworfenen langjährigen Sozialleistungsbetrug sei von gewerbsmäßigem Betrug und folglich der Zuständigkeit des Landesgerichts als Einzelrichter auszugehen. Im Übrigen habe das Oberlandesgericht in der vom Erstgericht zitierten Judikatur (17 Bs 267/24z) für einen einfach gelagerten Fall der Stufe 1 einen Zuspruch für EUR 600,-- als angemessen erachtet.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rechtsmittel kommt keine Berechtigung zu.
Nach § 196a Abs 1 StPO hat der Bund, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 StPO oder § 190 StPO eingestellt wird, dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer dem Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf den Betrag von EUR 6.000,-- nicht übersteigen. Für die konkrete Bemessung dieses mit 6.000 Euro als Höchstsatz festgelegten Pauschalbeitrags (Lendl in WK StPO § 393a Rz 3/1, Rz 9 ff) bieten die Materialien zum neu gefassten § 196a StPO (2557 der Beilagen 27. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen) eine Orientierungshilfe für die unabhängige Rechtsprechung. Beispielhaft wird dargestellt, dass ein sogenanntes Standardverfahren der Stufe 1, das unter Heranziehung der Kostenansätze der allgemeinen Honorar-Kriterien (AHK) rund EUR 3.000,-- an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, im Regelfall eine Besprechung mit dem Mandanten, eine Vollmachtsbekanntgabe, einen Antrag auf Akteneinsicht, ein angemessenes Aktenstudium bzw Vorbereitungstätigkeit und eine Teilnahme an einer Vernehmung in der Dauer von zwei Stunden umfasst. Für Verfahren, die in die bezirksanwaltliche Zuständigkeit fallen, wird angesichts der zu erwartenden, im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinn bei gleichem Höchstsatz im Gesetz eine Reduktion der Ausgangsbasis angezeigt erscheinen, sodass hier als Richtwert die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin EUR 1.500,-- angemessen scheint (aaO 2557 der Beilagen 27. GP, 5).
Dabei ist zu beachten, dass grundsätzlich an der Bemessung des Kostenbeitrags in Form von Pauschalkostenbeiträgen festgehalten wird, somit weiterhin kein vollständiger Ersatz der Verteidigerkosten stattfindet, sondern ein angemessener Beitrag dazu geleistet wird.
Unter diesen Prämissen ist dem Erstgericht beizupflichten, dass das gegenständliche Ermittlungsverfahren sowohl einen weit unterdurchschnittlichen Umfang (zwei Ordnungsnummern bis zur Einstellung) als auch eine äußerst geringe Dauer aufweist, wobei die im Kostenverzeichnis umfasste Vollmachtsbekanntgabe vom 7. Oktober 2024 (ON 4) sowie der Antrag auf Akteneinsicht vom 9. Oktober 2024 (ON 5) jeweils nach der bereits erfolgten Einstellung am 3. Oktober 2024 (ON 3) erfolgten und damit unbeachtlich waren (zum Kostenbestimmungsantrag siehe Lendl in WKStPO § 393a Rz 23). Im Übrigen wird zu den notwendigen und zweckmäßigen Leistungen des Verteidigers auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts verwiesen (zur Zulässigkeit vgl RIS-Justiz RS0119090 [T4], RS0098664 [T3], RS0098936 [T15]).
Dem Beschwerdeeinwand, es sei ausgehend vom erhobenen Vorwurf von der Zuständigkeit des Einzelrichters des Landesgerichts auszugehen, ist dem Beschwerdeführer zu erwidern, dass vorliegend das Ermittlungsverfahren stets vom Bezirksanwalt geführt wurde (AZ ** der Staatsanwaltschaft Wien) und das Verfahren zu keinem Zeitpunkt in das StRegister übertragen wurde. Vielmehr erfolgte bereits die Übermittlung des Abschlussberichts durch die PI B* zu ** am 2.10.2024 - somit einen Tag vor Einstellung des Ermittlungsverfahrens - unter Anführung des § 146 StGB (ON 2.1 Seite 1), wobei dem Beschwerdeeinwand „langjähriger“ bzw „gewerbsmäßiger“ Tatbegehung die anonyme Anzeige entgegensteht (ON 2.13), in welcher weder ein Tatzeitraum, noch ein ziffernmäßig konkretisierter vermeintlicher Betrugsschaden angeführt ist.
So weit der Beschwerdeführer die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu AZ 17 Bs 267/24z ins Treffen führt und moniert, das Erstgericht habe auf diese Entscheidung rekurriert, übersieht er, dass dieser Entscheidung ein zunächst im BAZ Register, dann jedoch in ein StReferat übertragenes Verfahren zugrunde liegt. Abgesehen davon hat das Erstgericht auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu 18 Bs 265/24p Bezug genommen, die – wie fallkonkret – ein Verfahren mit bezirksgerichtlicher Zuständigkeit zum Gegenstand hat.
Lediglich zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass der Staatsanwaltschaft nicht nur die Leitung des Ermittlungsverfahrens (vgl. §§ 20; 101 StPO), sondern auch die Führung des Ermittlungsaktes gemäß § 34c StAG der zukommt, der folglich auch die Entscheidung obliegt, in welchem Register der Ermittlungsakt geführt wird (hier relevant § 18 Abs 1 Z 2 bzw Z 3 DVStAG) und diese Entscheidung nicht in der Disposition des Beschuldigten liegt. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass selbst beim Anklageeinspruch aus dem Grund des § 212 Z 5 StPO von dem von der Staatsanwaltschaft in der Anklage enthaltenen und gewürdigten Sachverhalt auszugehen ist (Kirchbacher, StPO 15 § 212 Rz 7).
Unter Berücksichtigung der vom Erstgericht zutreffend angeführten notwendigen und zweckmäßigen Verteidigungshandlungen erweist sich der mit EUR 150,-- festgesetzte Pauschalbeitrag zu den Kosten der Verteidigung als angemessen, weshalb der Beschwerde kein Erfolg beschieden war.
Die Zuständigkeit des Einzelrichters ergibt sich aus § 33 Abs 2 StPO; der Ausschluss weiterer Rechtsmittel folgt aus § 89 Abs 6 StPO.