JudikaturOLG Wien

18Bs265/24p – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
18. September 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Primer in der Strafsache gegen A* und eine andere Beschuldigte wegen § 83 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde der B* gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 20. August 2024, GZ **-7, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am 19. Juli 2024 stellte die Staatsanwaltschaft Wien das Ermittlungsverfahren gegen B* wegen § 83 Abs 1 StGB unmittelbar nach Übermittlung des Abschlussberichtes der Landespolizeidirektion Wien, SPK Simmering, PIC* (ON 2), gemäß § 190 Z 2 StPO ein (ON 1.1).

Mit Antrag vom 1. August 2024 begehrte B* einen Kostenbeitrag nach § 196a StPO (ON 4). Nach Aufforderung des Gerichtes legte sie am 6. August 2024 eine Leistungsaufstellung vor (ON 5, ON 6).

Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht den vom Bund zu leistenden Beitrag zu den Kosten der Verteidigung mit einem Pauschalbeitrag von EUR 200,-- sowie EUR 1,98 an Barauslagen.

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der B* (ON 8.1), mit der sie den Zuspruch eines höheren Beitrags zu den Kosten der Verteidigung begehrt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Nach § 196a Abs 1 StPO hat der Bund, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 StPO oder § 190 StPO eingestellt wird, dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf den Betrag von EUR 6.000,-- nicht übersteigen.

Die Bemessung des mit EUR 6.000,-- als Höchstsatz festgelegten Pauschalbeitrags soll konkret unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers erfolgen. Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten und gehen Hand in Hand mit dem Umfang der Verteidigung. Ausschlaggebend sind daher insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden, in seiner Komplexität variablen Sachverhalts, bei dem auch entsprechende, das Ermittlungsverfahren aufwändig gestaltende, erschwerende Umstände zu berücksichtigen sind. Zudem hat die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw. der einzelnen Verteidigungshandlungen zu erfolgen (vgl. auch S 3 der Erl. zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP). Als Kriterien für die Bemessung des Beitrags nach § 393a StPO, an den die Regelung des § 196a StPO angelehnt ist, wurden von der Judikatur bisher der Aktenumfang, die Schwierigkeit bzw Komplexität der Sach- und Rechtslage (etwa die Notwendigkeit, sich mit Gutachten auseinander zu setzen) sowie der Umfang des Ermittlungsverfahrens (Haftverhandlungen, Beschwerden) herangezogen.

Der Pauschalkostenbeitrag im Höchstbetrag der Grundstufe (Stufe 1) in Höhe von EUR 6.000,-- soll grundsätzlich für alle Verteidigungshandlungen zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Da die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, von ganz einfachen Verteidigungsfällen, wie etwa einer gefährlichen Drohung, bis hin zu Wirtschaftsstrafsachen, die auch in dieser Stufe vorkommen können, reichen, kann sich der Betrag je nach Umfang der Ermittlungen und Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen dem im Gesetz vorgesehenen Höchstbetrag annähern bzw. sich von diesem weiter entfernen. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren rund EUR 3.000,-- an Aufwand für die Verteidigung verursachen wird, wobei in dieser Berechnung zwar der Einheitssatz Berücksichtigung findet, die vom ÖRAK in den AHK verankerten (Erfolgs- und Erschwernis-)Zuschläge jedoch außer Betracht zu bleiben haben. Für Verfahren, die in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen, erscheint angesichts deren zu erwartender im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinne eine Reduktion der Ausgangsbasis auf die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin EUR 1.500,-- angemessen (vgl. auch S 5 der Erl. zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).

Wenngleich somit in den Erläuterungen zu § 196a StPO nun Beträge für die Bestimmung der Pauschalkosten bei einem durchschnittlichen Verfahren am Bezirks- und am Landesgericht definiert wurden, ändert dies nichts an der Tatsache, dass – wie bisher - weiterhin bei ganz einfachen Verteidigungsfällen der Einstieg etwa bei 10 % des jeweiligen Höchstbetrags anzusetzen ist ( Lendl, WK StPO § 393a Rz 9ff), da die Kriterien für die Bemessung des konkreten Pauschalkostenbeitrages an die Regelung des § 393a Abs 1 StPO angelehnt werden sollen (vgl. S 3 der Erl. zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).

Das Ermittlungsverfahren gegen B* wurde am 19. Juli 2024 wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, sohin wegen einer in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts fallenden strafbaren Handlung, unmittelbar nach der Übermittlung des Abschlussberichtes der Polizei eingestellt (ON 1.1). Gleichzeitig wurde das gemeinsam geführte Ermittlungsverfahren gegen A* wegen §§ 83, 84 Abs 1, 84 Abs 2, 84 Abs 3 StGB und weiterer strafbaren Handlungen, somit ein in die Zuständigkeit des Landesgerichts fallendes Ermittlungsverfahren, eingestellt.

Es handelte sich gegenständlich weder um ein Verfahren mit außergewöhnlichem Umfang noch besonderer Komplexität, sondern um ein äußerst kurzes Ermittlungsverfahren, das nur aus einem Abschlussbericht besteht, dem ein sehr simpler Sachverhalt zugrunde liegt und bei dem keine besondere Rechtsfrage zu klären war. Der Aktenumfang umfasste bis zur Einstellung nach § 190 Z 2 StPO (ON 1.1) neben dem AB-Bogen (ON 1) nur eine einzige Ordnungsnummer (ON 2). Ein Beschwerdeverfahren fand nicht statt. Der Verteidiger stellte einen Beweisantrag und war bei der Beschuldigtenvernehmung von B* anwesend. Die Vernehmung dauerte laut Protokoll insgesamt eine Stunde und 43 Minuten (ON 2.9), wobei sie allerdings sowohl die Beschuldigten- als auch die Opfervernehmung von B* umfasste, sodass jedenfalls nicht die gesamte Vernehmung der Verteidigung diente. Die Urkundenvorlage durch den Verteidiger vom 8. Juli 2024 bezog sich auf die Vorwürfe gegen A* und stellte keine Verteidigungshandlungen für die Beschuldigte B* dar. Notwendige und zweckmäßige Verteidigungshandlungen waren somit die Vollmachtsbekanntgabe, der Beweisantrag, Anträge auf Akteneinsicht, soweit sie vor der Einstellung erfolgten, und die Teilnahme an der Beschuldigtenvernehmung.

Mit Blick darauf, dass es sich um einen äußerst simplen Sachverhalt handelte, der Aktenumfang des Ermittlungsverfahrens nur zwei Ordnungsnummern bis zur Einstellung umfasste und das Ermittlungsverfahren von ausgesprochen kurzer Dauer war und im Übrigen auch kein Fall der notwendigen Verteidigung vorlag, liegt ein Verfahren mit minimalem Aufwand vor, der weit unter dem Aufwand eines durchschnittlichen bezirksgerichtlichen Verfahrens liegt.

Das Verfahren wurde zwar aufgrund der gemeinsamen Führung mit dem Verfahren gegen A* in einem St- und nicht in einem BAZ-Referat erfasst, das ändert aber nichts daran, dass die Verteidigung sich nur auf eine in die Zuständigkeit der Bezirksgerichte fallende strafbare Handlung bezog und der Aufwand für die notwendigen Verteidigungshandlungen im konkreten Fall weit unter dem Aufwand eines durchschnittlichen bezirksgerichtlichen Verfahrens lag. Wenn die Beschwerdeführerin darauf verweist, dass für die Verrechnung nach dem AHK nicht relevant sei, welches strafbare Verhalten der betroffenen Person vorgeworfen werde, sondern ob das Verfahren vor dem Bezirksgericht oder vor dem Einzelrichter abgehandelt werde, übersieht sie, dass die Höhe der vom Verteidiger seinem Mandanten im Innenverhältnis verrechneten Kosten für die Bemessung des Pauschalkostenbeitrages grundsätzlich nicht von Belang ist ( Lendl, aaO Rz 10f). Die Bemessung soll konkret unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers erfolgen.

Der vom Erstgericht zugesprochene Pauschalkostenbeitrag ist unter Beachtung dieser Kriterien nicht zu beanstanden. Dabei ist zu beachten, dass der von der Rechtsprechung entwickelte Richtwert von 10 % noch deutlich zu unterschreiten ist, weil dieser in Zusammenhang mit § 393a StPO definiert worden war, in welcher Bestimmung - im Gegensatz zu § 196a StPO - für das Bezirks- und das Landesgericht unterschiedliche Höchstbeträge vorgesehen sind. Da nach § 196a StPO der Höchstbetrag für bezirks- und landesgerichtliche Verfahren ident ist, ist dies bei der Festsetzung des Pauschalkostenbeitrages entsprechend zu berücksichtigen und der Richtwert zu unterschreiten, um eine sachgerechte Unterscheidung zwischen dem Aufwand eines bezirks- und eines landesgerichtlichen Verfahrens zu ermöglichen.

Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Pauschalkostenbeitrag nach § 196a StPO nur einen Beitrag zu den Verteidigerkosten darstellt und das Gesetz nicht den gesamten Ersatz der Kosten vorsieht( Lendl , aaO Rz 10).

Ausgehend von den oben aufgezeigten Bemessungsgrundlagen erweist sich der vom Erstgericht festgesetzte Beitrag zu den Kosten des Verteidigers als angemessen und keiner Korrektur bedürftig.

Der Beschwerde ist daher ein Erfolg zu versagen.