17Bs267/24z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch die Einzelrichterin Mag. Schneider-Reich in der Strafsache gegen A* wegen §§ 63 DSG uaD über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Krems an der Donau vom 20. August 2024, GZ **-7, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und der Beitrag zu den Kosten des Verteidigers mit EUR 600,-- bestimmt.
Text
Begründung
Mit Sachverhaltsmitteilung vom 5. Februar 2024 (ON 2) erstattete B* Anzeige gegen A* wegen Teilen eines – aus einer Vielzahl anderer Verfahren bekannten - Postings **
explizit nach § 63 DSG, wobei er bereits darauf hinwies, keine Ermächtigung zur Strafverfolgung nach § 111 StGB zu erteilen und auch keine Privatanklage einzubringen, und schloss sich dem Verfahren als Privatbeteiligter mit Ansprüchen nach dem Urheberrechtsgesetz bzw der DSGVO an.
Die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau ordnete am 21. Februar 2024 zu GZ ** die Vernehmung des Beschuldigten zum Sachverhalt sowie Durchführung von Sachverhaltserhebungen an (ON 1.1, ON 3). Am 7. März 2024 gab der Verdächtige bekannt, mit seiner rechtsfreundlichen Vertretung Dr. Niki Haas beauftragt zu haben, und stellte dieser einen Antrag auf Akteneinsicht (ON 4).
Am 29. März 2024 wurde A* im Beisein seines Verteidigers von der PI C* als Beschuldigter ca 34 Minuten lang vernommen (ON 5.5).
Am 16. April 2024 übertrug die Bezirksanwältin das Verfahren gegen A* in ein St-Referat wegen §§ 111 Abs 1 und 2, 117 Abs 2 StGB (ON 1.3), welches sodann noch am selben Tag zu ** gemäß § 190 Z 1 StPO eingestellt wurde, und zwar das Ermittlungsverfahren wegen §§ 111 Abs 1, Abs 2, 117 Abs 2 StGB mangels Vorliegens einer Ermächtigung und jenes nach § 63 DSG, weil „die in der Sachverhaltsmitteilung des Anzeigers vorgenommene rechtliche Unterstellung des Verhaltens unter § 63 DSG schon deshalb verfehlt ist, weil der Beschuldigte im Einklang mit der Lebenserfahrung glaubhaft angab, dass er auf das Foto bzw Video deshalb aufmerksam geworden sei, weil es "überall die Runde gegangen ist". Dem Beschuldigten sind die personenbezogenen Daten von B* somit weder ausschließlich auf Grund seiner berufsmäßigen Beschäftigung anvertraut oder zugänglich geworden, noch hat er sich diese im Sinne eines aktiven Tuns vor der Verwendung widerrechtlich verschafft. Bereits die Eingangsvoraussetzung für eine Strafbarkeit nach § 63 DSG ist somit nicht erfüllt.“ (ON 1.4).
Am 1. August 2024 brachte A* einen Antrag nach § 196a StPO ein und legte dazu eine Kostenaufstellung vor (ON 6), den die Staatsanwaltschaft Krems an der Donau am 2. August 2024 dem Landesgericht Krems an der Donau zur Entscheidung vorlegte (ON 1.5).
Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Einzelrichterin den Antrag gemäß § 196a StPO ab und begründete dies damit, dass keine Ermächtigung zur Strafverfolgung vorgelegen habe (Abs 3 leg.cit.).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 8), der Berechtigung zukommt.
Nach § 196a Abs 1 StPO hat der Bund, wenn ein Ermittlungsverfahren gemäß § 108 StPO oder § 190 StPO eingestellt wird, dem Beschuldigten auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten. Der Beitrag umfasst die nötig gewesenen und vom Beschuldigten bestrittenen baren Auslagen und außer im Fall des § 61 Abs 2 StPO auch einen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers, dessen sich der Beschuldigte bedient. Der Beitrag ist unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers festzusetzen. Er darf den Betrag von EUR 6000,-- nicht übersteigen.
Nach Abs 3 leg.cit. (dem § 393a Abs 3 StPO wörtlich nachgebildet) ist ein Ersatzanspruch ausgeschlossen, soweit der Beschuldigte den das Verfahren begründenden Verdacht vorsätzlich herbeigeführt hat oder das Verfahren lediglich deshalb beendet worden ist, weil er die Tat im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen hat oder weil die Ermächtigung zur Strafverfolgung zurückgenommen worden ist. Der Ersatzanspruch steht auch dann nicht zu, wenn die Strafbarkeit aus Gründen entfällt, die erst nach Beginn des Strafverfahrens eingetreten sind.
Zutreffend führt A* in seiner Beschwerde aus, dass der verfahrensgegenständliche Sachverhalt explizit basierend auf § 63 DSG angezeigt und von Beginn an keine Verfolgungsermächtigung erteilt wurde. Dass die Staatsanwaltschaft dennoch ein Verfahren wegen §§ 111 ff StGB und wegen § 63 DSG, obwohl die Eingangsvoraussetzung nicht erfüllt war, einleitete und beinahe zwei Monate führte, kann dem A* nicht zum Nachteil gereichen, der, nachdem er vom Verfahren in Kenntnis gesetzt wurde (ON 5.6), einen Verteidiger bevollmächtigte. Somit liegt keiner der Ausschlussgründe des § 196a Abs 3 StPO vor, weil eben keine (ursprünglich erteilte) Ermächtigung zur Verfolgung und somit Führung eines Ermittlungsverfahrens zurückgenommen wurde, sondern eine solche von Anfang an nicht vorlag, sodass ein Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten ist.
Schon aus dem Gesetzestext ergibt sich, dass der für den Fall der Einstellung eines Ermittlungsverfahrens zustehende Pauschalbeitrag neben den vollständig zu ersetzenden nötig gewesenen bzw vom Beschuldigte bestrittenen Barauslagen (vgl Lendl in WK-StPO § 393a Rz 8) einen pauschalen Beitrag zu den Kosten des Verteidigers umfasst. Eine Verpflichtung, dem Beschuldigten sämtliche Aufwendungen für seine Verteidigung zu ersetzen, sieht das Gesetz nicht vor, und ist eine solche Verpflichtung weder den geltenden Verfassungsbestimmungen noch der Judikatur des EGMR zu entnehmen (S 2 der Erl. zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).
Die Bemessung des mit EUR 6.000,-- als Höchstsatz festgelegten Pauschalbeitrags soll konkret unter Bedachtnahme auf den Umfang der Ermittlungen, die Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen und das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers erfolgen. Die Kriterien des Umfangs der Ermittlungen und der Komplexität der zu lösenden Tat-und Rechtsfragen sind anhand des konkreten Ermittlungsverfahrens zu gewichten und gehen Hand in Hand mit dem Umfang der Verteidigung. Ausschlaggebend sind daher insbesondere der sich auf die Verteidigung durchschlagende Aufwand bei den Ermittlungsmaßnahmen, die Dauer des Ermittlungsverfahrens, die Anzahl der Verfahrensbeteiligten sowie die Gestaltung des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden, in seiner Komplexität variablen Sachverhalts, bei dem auch entsprechende, das Ermittlungsverfahren aufwändig gestaltende, erschwerende Umstände zu berücksichtigen sind. Zudem hat die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags immer auch unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw der einzelnen Verteidigungshandlungen zu erfolgen (vgl auch S 3 der Erl. zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).
Der Pauschalkostenbeitrag im Höchstbetrag der Grundstufe (Stufe 1) in Höhe von EUR 6.000,-- soll grundsätzlich für alle Verteidigungshandlungen zur Verfügung stehen, die nicht außergewöhnlich oder extrem sind. Dabei wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein durchschnittliches Standardverfahren rund EUR 3.000,--, auch unter Heranziehung der Kostensätze der allgemeinen Honorarkriterien (AHK), an Aufwand für den Verteidiger verursacht. Für Verfahren, die in die bezirksgerichtliche Zuständigkeit fallen, erscheint angesichts deren zu erwartender im Regelfall geringeren Komplexität und auch der kürzeren Verfahrensdauer in diesem Sinne eine Reduktion der Ausgangsbasis auf die Hälfte des Durchschnittswerts, sohin EUR 1.500 angemessen (vgl auch S 5 der Erl. zur RV 2557 der Beilagen XXVII.GP).
Ausgehend von diesen Prämissen gibt auch die Neueinführung des Verteidigerkostenbeitrages im Ermittlungsverfahren nach § 196a StPO bzw die Novellierung des § 393a StPO durch BGBl. I Nr.96/2024, keinen Anlass, von der ständigen Rechtsprechung abzuweichen, wonach bei ganz einfachen Verteidigungsfällen der Einstieg mit etwa 10% des Höchstbetrages (der Stufe 1) anzusetzen ist ( Lendl , aaO Rz 10).
Beim gegenständlichen Fall handelt es sich um einen sowohl der Sach- als auch der Rechtslage nach einfachen Verteidigungsfall. Der Aktenumfang umfasste bis zur Einstellung gerade einmal fünf Ordnungsnummern und war die Vollmachtsbekanntgabe samt Antrag auf Akteneinsicht und die Vorbereitung zu und Teilnahme an der Beschuldigtenvernehmung notwendig und zweckmäßig. Aus diesem Grund war daher ausgehend von den oben aufgezeigten Ermessensgrundlagen zehn Prozent des Höchstbetrags zuzusprechen.
Die Zuständigkeit der Einzelrichterin des Oberlandesgerichts Wien gründet in § 33 Abs 2 StPO.
Gegen diesen Beschluss steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.