Rückverweise
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Mag. Zacek als Vorsitzende, den Richter Mag. Zechmeister und die Richterin Dr. Heissenberger, LL.M., sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Dietrich Wiedermann und Tanja Sehn-Zuparic in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*, **, vertreten durch Dr. Paulina Andrysik-Michalska, Rechtsanwältin in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , **, vertreten durch SingerKessler Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Entlassungsanfechtung, in eventu Kündigungsanfechtung (§§ 105 f ArbVG), über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 18.12.2024, **-11, gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Der Klägerhat mit Schriftsatz vom 26.6.2024 (ON 1) eine Klage wegen Entlassungsanfechtung, in eventu Kündigungsanfechtung (§§ 105 f ArbVG) erhoben, mit der er beantragt, die durch die Beklagte ausgesprochene Entlassung, in eventu Kündigung vom 14.6.2024 des zwischen den Streitteilen bestehenden Dienstverhältnisses für rechtsunwirksam zu erklären.
Der Kläger führte im Wesentlichen aus, dass er die Entlassung (und Kündigung) wegen verpönten Motivs gemäß § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG anfechte. Im Zuge des Verfahrens brachte der Kläger weiters vor, dass der im Auflösungsschreiben vom 14.6.2024 verwendete Begriff „Probezeit“ offen lasse, ob es ein Arbeitsverhältnis zur Probe oder auf Probe sei. Im Zweifel sei dies zu Lasten des Arbeitgebers auszulegen.
Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und beantragte Klagsabweisung. Sie wendete im Wesentlichen ein, dass die Streitteile am 7.6.2024 einen Dienstvertrag abgeschlossen hätten. In diesem Dienstvertrag sei ein Probemonat vereinbart worden. Die Beklagte habe innerhalb des Probemonats das Dienstverhältnis ohne Angabe von Gründen aufgelöst. In der Probezeit gebe es weder einen Kündigungs- noch Entlassungsschutz. Die Klage sei daher abzuweisen.
Zum weiteren wechselseitigen Parteienvorbringen kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die diesbezügliche zusammengefasste Wiedergabe auf den Seiten 1 bis 4 des angefochtenen Urteils verwiesen werden.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht sowohl das Klagehauptbegehren als auch das Klageeventualbegehren ab.
Das Erstgericht stellte den aus den Seiten 4 bis 6 des angefochtenen Urteils ersichtlichen Sachverhalt fest, auf den verwiesen wird.
Hervorzuheben sind folgende Feststellungen:
„[…] Der Kläger war seit 10.6.2024 bei der beklagten Partei, einem Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen, in einem unbefristeten Dienstverhältnis beschäftigt und wurde an die Firma C* GmbH überlassen.
[…]
Auf das gegenständliche Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag Arbeitskräfteüberlasser anwendbar und der Beschäftigerkollektivvertrag war der KV Metallgewerbe, Arbeiter.
Im Kollektivvertrag für Arbeitskräfteüberlasser ist unter Pkt. IV. Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses geregelt, dass gemäß Pkt. 1 der erste Monat als Probemonat gilt. Während des Probemonats kann das Arbeitsverhältnis jederzeit ohne Kündigungsfrist gelöst werden.
Im Dienstzettel (Blg. ./B) wurde, vom Kläger auch unterfertigt, in „Pkt. II Probezeit, Kündigungsfrist und Kündigungstermin“ ebenfalls festgehalten, dass der erste Monat als Probezeit gilt, währenddessen das Dienstverhältnis jederzeit von beiden Vertragsteilen ohne Angabe von Gründen gelöst werden kann.
[...]
Das Dienstverhältnis des Klägers zur beklagten Partei wurde am 14.6.2024 durch den Dienstgeber in der Probezeit gelöst.“
Rechtlichführte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass im anwendbaren Kollektivvertrag Arbeitskräfteüberlasser unter dessen Punkt IV. Beginn und Ende des Arbeitsverhältnisses geregelt sei, dass gemäß Punkt 1. der erste Monat als Probemonat gelte. Während des Probemonats könne das Arbeitsverhältnis jederzeit ohne Kündigungsfrist gelöst werden. Gemäß § 1158 Abs 2 ABGB könne das Arbeitsverhältnis während der Probezeit jederzeit und ohne Angabe von Gründen vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer gelöst werden. Das mit 10.6.2024 begonnene Dienstverhältnis des Klägers sei am 14.6.2024 durch Lösung in der Probezeit durch den Dienstgeber beendet worden, sodass eine Anfechtung einer Entlassung oder in eventu Kündigung gemäß §§ 105 f ArbVG rechtlich nicht möglich sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich rechtlicher Feststellungsmängel mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im zur Gänze klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt .
Zur Mängelrüge:
Der Kläger bemängelt, dass das Erstgericht zum Thema „der Auflösung des Probearbeitsverhältnisses anstatt der Kündigung/Entlassung des Arbeitsverhältnisses“ die Parteienvernehmung der Beklagten per Geschäftsführer D* E* und D* F* und die Parteienvernehmung des Klägers nicht durchgeführt habe. Durch diese Beweisaufnahmen hätte der tatsächliche Parteiwille geklärt werden können bzw. müssen. Das Erstgericht habe diese Beweisanträge ohne Begründung abgelehnt. Dabei handle es sich um eine vorgreifende Beweiswürdigung.
Es sei nicht der Parteiwille festgestellt worden. Diese Feststellungen wären wesentlich gewesen, da sich daraus rechtlich ergeben hätte, dass die Beklagte eine Kündigung bzw. Entlassung ausgesprochen habe und der allgemeine Kündigungsschutz bzw. allgemeine Entlassungsschutz anwendbar sei.
Außerdem führte der Kläger im Rahmen der Mängelrüge zusammengefasst aus, dass im Arbeitskräfteüberlassungsrecht ein Probearbeitsverhältnis unzulässig sei. Das in § 11 Abs 2 Z 4 AÜG normierte Verbot der – auch erstmaligen – Befristung des Arbeitsverhältnisses ohne sachliche Rechtfertigung diene dazu, die Abwälzung des Beschäftigungsrisikos auf den Arbeitnehmer zu verhindern.
Die Mängelrüge geht ins Leere.
Der Kläger führt in seiner Mängelrüge nicht an, welche streitentscheidenden Feststellungen des Erstgerichts er ohne die behaupteten Verfahrensfehler zu widerlegen können glaubt. Damit reichen die Berufungsausführungen nicht aus, um die Mängelrüge gesetzmäßig zur Ausführung zu bringen (RS0043039 [T3]; 6 Ob 86/12h mwN uva).
Zusätzlich ist dem Kläger zu entgegnen, dass er die von ihm vermissten Beweismittel im erstinstanzlichen Verfahren nicht zu rechtlich relevanten Themen geführt hat (vgl dazu das Vorbringen und die Beweisanbote des Klägers in ON 1, ON 5, ON 8 und ON 10). Ein Fall einer vorgreifenden Beweiswürdigung durch das Erstgericht ist nicht gegeben. Vielmehr konnten diese Beweisaufnahmen aus rechtlichen Gründen unterbleiben.
Soweit der Kläger – verfehlt im Rahmen der Mängelrüge – auch Rechtsausführungen tätigt, mit denen er zusammengefasst den unrichtigen Rechtsstandpunkt vertritt, dass im Arbeitskräfteüberlassungsrecht ein Probearbeitsverhältnis unzulässig sei, sind diese nicht nachvollziehbar. Wie zur Rechtsrüge des Klägers noch näher dargelegt wird, ist die Vereinbarung einer Probezeit auch im Arbeitskräfteüberlassungsrecht zulässig (Näheres dazu siehe RS0029049; 9 ObA 161/91; 9 ObA 602/91; 9 ObA 101/04z).
Da die Mängelrüge nicht berechtigt ist und keine Tatsachenrüge erhoben wurde, übernimmt das Berufungsgericht die erstgerichtlichen Feststellungen und legt sie seiner Entscheidung zugrunde (§ 2 Abs 1 ASGG, 498 Abs 1 ZPO).
Zur Rechtsrüge:
Die Rechtsausführungen des Berufungswerbers sind für den Berufungssenat großteils nicht nachvollziehbar und gehen unzulässigerweise nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Soweit der Kläger die erstgerichtlichen Feststellungen negiert, ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt. Den Berufungsausführungen ist zusammengefasst zu entgegnen, dass darin die ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre nicht beachtet wird.
Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt und der hier anwendbaren Rechtslage (§ 1158 ABGB; Punkt IV. des Kollektivvertrags für Arbeitskräfteüberlasser) wurde zwischen den Streitteilen ein Dienstverhältnis auf Probe für die Höchstdauer von einem Monat vereinbart und dieses Dienstverhältnis von der Beklagten zulässigerweise innerhalb der Probezeit aufgelöst (RS0028290 ua).
§ 1158 Abs 2 ABGB für Arbeiter und § 19 Abs 2 AngG für Angestellte – die beiden Bestimmungen werden völlig deckungsgleich interpretiert (9 ObA 118/13p ua; Reissner in ZellKomm 3§ 1158 ABGB Rz 6) – sehen die Möglichkeit vor, ein Dienstverhältnis auf Probe für die Höchstdauer von einem Monat zu vereinbaren. Während dieses Zeitraums kann das Dienstverhältnis von jedem Vertragsteil ohne Angabe eines Grundes mit sofortiger Wirkung jederzeit aufgelöst werden (RS0028290). Der Zweck eines Probearbeitsverhältnisses liegt darin, dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu geben, sich von der Eignung des Arbeitnehmers für die zugedachte Stelle zu überzeugen, bevor er ihn endgültig in den Dienst nimmt; umgekehrt soll auch der Arbeitnehmer Gelegenheit haben, die Verhältnisse im Betrieb kennenzulernen (RS0028444). Die enge zeitliche Begrenzung der Zulässigkeit der Vereinbarung eines Probemonats dient der Vermeidung der Umgehung des arbeitsrechtlichen Bestandschutzes (9 ObA 118/13p mwN). Auch die Bestimmungen und Zielsetzungen des AÜG stehen der Zulässigkeit der Vereinbarung einer kurzfristigen Probezeit nicht entgegen (RS0029094; 9 ObA 161/91; 9 ObA 602/91; 9 ObA 101/04z). Daraus ergibt sich, dass auch im gegenständlichen Fall die Vereinbarung einer Probezeit auch unter Berücksichtigung der Vorschriften und Zielsetzungen des AÜG zulässig war.
Die Berufungsausführungen beachten diese ständige Rechtsprechung und herrschende Lehre nicht. Vielmehr wird in Bezug auf die Frage des allgemeinen Kündigungsschutzes nach § 105 ArbVG für das Probearbeitsverhältnis mit einer Mindermeinung in der Lehre, die den Berufungssenat nicht überzeugt, argumentiert.
Soweit in der Berufung Ausführungen und Differenzierungen in Bezug auf ein Arbeitsverhältnis zur Probe und ein Arbeitsverhältnis auf Probe angestellt werden, sind diese rechtlich unbeachtlich, weil sich der Kläger dabei unzulässigerweise von den erstgerichtlichen Feststellungen entfernt.
Auch die Argumentation mit der Unklarheitenregel des § 915 ABGB ist verfehlt, weil ausgehend von den erstgerichtlichen Feststellungen kein Raum für eine Anwendung dieser Unklarheitenregel ist.
Nicht nachvollzogen werden können auch die Berufungsausführungen, wonach die konkrete Beendigung des Dienstverhältnisses durch die Beklagte „sittenwidrig und unbillig vorgenommen worden“ sei. Wie oben bereits eingehend aufgezeigt wurde, kann ein Dienstverhältnis auf Probe während der Probezeit von jedem Vertragsteil ohne Angabe eines Grundes mit sofortiger Wirkung jederzeit aufgelöst werden (RS0028290). Da es somit für die Auflösung eines Dienstverhältnisses auf Probe keines Grundes bedarf, ist für den Berufungssenat nicht nachvollziehbar, warum die von der Beklagten gesetzeskonform vorgenommene Auflösung des Dienstverhältnisses sittenwidrig oder unbillig sein sollte. Demzufolge war das Erstgericht auch nicht gehalten, sich im Zusammenhang mit der Auflösung des Dienstverhältnisses auf Probe mit dem in der Berufung ins Treffen geführten „Aspekt der Sittenwidrigkeit“ auseinanderzusetzen.
Dabei ist zu betonen, dass die ständige Rechtsprechung an sich bei der Lösung während der Probezeit die Motivation des Erklärenden – abgesehen vom Fall einer schikanösen Rechtsausübung – völlig unberücksichtigt lässt. So wurde es als unproblematisch angesehen, dass ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis löst, wenn der Arbeitnehmer in der Probezeit erkrankt. Eine derartige Lösung des Arbeitsverhältnisses ist grundsätzlich auch nicht diskriminierend iSd Gleichbehandlungsrechts. Auch wenn der Arbeitnehmer einen Arbeitsunfall erleidet, ist das einer Lösung im Probemonat nicht hinderlich (Näheres dazu siehe Reissner aaO Rz 66 mit zahlreichen Judikaturnachweisen). Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist kein Ausnahmefall gegeben, in dem der Oberste Gerichtshof die Auflösung eines Probearbeitsverhältnisses als diskriminierend iSd Gleichbehandlungsgesetzes angesehen hat (Näheres dazu siehe Reissner aaO mwN). Der Kläger führt in seiner Berufung keine konkreten Argumente ins Treffen, aus welchen Gründen die Lösung seines Dienstverhältnisses auf Probe durch die Beklagte einen Diskriminierungstatbestand darstellen sollte.
Im Hinblick darauf, dass der Oberste Gerichtshof es als unproblematisch ansieht, dass ein Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis löst, wenn der Arbeitnehmer in der Probezeit erkrankt (9 ObA 161/91; 9 ObA 66/14t; Reissner aaO), ist das vom Kläger in seiner Rechtsrüge zuletzt erhobene Argument, dass sich das Erstgericht nicht mit der geltend gemachten Inzweifelziehung des Krankenstandes auseinandergesetzt habe, im gegenständlichen Verfahren rechtlich nicht relevant.
Auch die Ausführungen des Klägers „zu den Grenzen der Auflösung des Probearbeitsverhältnisses“ gehen ins Leere, weil auf Basis der erstgerichtlichen Feststellungen und der dargestellten ständigen Rechtsprechung und herrschenden Lehre keine Gründe ersichtlich sind, warum das verfahrensgegenständliche Dienstverhältnis auf Probe von der Beklagten nicht innerhalb der vereinbarten Probezeit hätte aufgelöst werden dürfen.
Nach herrschender Auffassung ist die spezifische Lösung eines Probearbeitsverhältnisses eine Beendigungsform eigener Art und keine Kündigung, sodass Kündigungsschutzvorschriften im Allgemeinen nicht zur Anwendung kommen oder vom Kollektivvertrag für die Kündigung vorgesehene Formvorschriften nicht auch auf diese Lösung bezogen werden können (Näheres dazu siehe ReissneraaO § 19 AngG Rz 62 mwN).
Der unberechtigten Berufung war daher spruchgemäß nicht Folge zu geben.
Die Parteien haben die Kosten ihrer Rechtsmittelschriften selbst zu tragen, weil es für Anfechtungen nach den §§ 105 bis 107 ArbVG im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren keine Kostenersatzpflicht gibt ( NeumayraaO § 58 ASGG Rz 2 mwN; RS0113037).
Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO vorliegt.
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