14R17/25k – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Mag. Koch als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Bartholner und Mag. Schaller in der Rechtssache der klagenden Partei A* , derzeit unbekannten Aufenthalts, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich , vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen EUR 2.340,24 sA, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 6.11.2024, GZ ** 14, in nicht öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 419,57 (darin EUR 69,93 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Erkenntnis vom 19.1.2021 eine gegen die Anhaltung der Klägerin in Schubhaft erhobene Beschwerde der Klägerin vom 12.1.2021 als unbegründet ab (Beilage ./1).
Zur Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gegen das abweisende Erkenntnis Beilage ./1 stellte die Klägerin beim Verwaltungsgerichtshof einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der Beigabe eines Rechtsanwalts als Verfahrenshelfer.
Mit Beschluss vom 7.4.2021 (Beilage ./2) bewilligte der Verwaltungsgerichtshof der Klägerin die Verfahrenshilfe antragsgemäß.
Der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer ** bestellte mit Bescheid vom 8.4.2021 den Rechtsanwalt Mag. Michael Raffaseder zum Verfahrenshelfer der Klägerin.
Die von der Klägerin erhobene Revision vom 18.5.2021 an den Verwaltungsgerichtshof wurde jedoch in weiterer Folge von dem von der Klägerin frei gewählten Klagevertreter erhoben.
Der Verwaltungsgerichtshof hob das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.1.2021 (Beilage ./1) in weiterer Folge mit Erkenntnis vom 21.12.2022 wegen Rechtswidrigkeit durch die Verletzung von Verfahrensvorschriften auf (Beilage ./5).
Mit der am 21.4.2024 eingelangten Klage begehrte die Klägerin soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung gestützt auf den Titel der Amtshaftung zuletzt (eingeschränkt) EUR 2.340,24 näher aufgeschlüsselten Schadenersatz für anwaltliche Vertretungskosten des Klagevertreters für die Revision an den Verwaltungsgerichtshof. Das Anwaltshonorar sei ihr durch die unvertretbare Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.1.2021 (Beilage ./1) entstanden.
Die Beklagtewandte stark zusammengefasst im Wesentlichen ein, die Klägerin habe ihre Schadenminderungsobliegenheit nach § 1304 ABGB verletzt, weil sie den Klagevertreter trotz der bereits erfolgt gewesenen Bewilligung der Verfahrenshilfe und Beigabe eines Rechtsanwalts als Verfahrenshelfer mit der Erstattung der Revision beauftragt habe.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage statt. Es ging vom eingangs wiedergegebenen unstrittigen Sachverhalt aus, und folgerte rechtlich im Wesentlichen, die Klägerin habe ihre Schadenminderungspflicht nicht verletzt: Sie habe vielmehr selbst noch nach der Bewilligung der von ihr beantragten Verfahrenshilfe die Entscheidung treffen dürfen, lieber den konkret (auf Fremdenrecht, Anm des Berufungsgerichts ) spezialisierten Klagevertreter honorarpflichtig mit ihrer Vertretung im Anlassverfahren zu beauftragen, als die unentgeltlichen Dienste des bereits bestellten Verfahrenshelfers, der auf andere Rechtsgebiete (als das Fremdenrecht, Anm des Berufungsgerichts ) spezialisiert sei, in Anspruch zu nehmen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, die Klage abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1. Die Berufung vertritt im Kern den Standpunkt, es verletze die Schadenminderungspflicht der Klägerin, dass nicht der der Klägerin bereits beigegeben gewesene Verfahrenshilfeanwalt, sondern der von der Klägerin trotzdem beauftragte Klagevertreter die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erstattet habe (Berufung S 4, 8).
2. Diese Ansicht wird vom Berufungsgericht nicht geteilt:
Wie das Berufungsgericht bereits in seiner von der Berufung auch zitierten Entscheidung 14 R 109/22k ausführlich dargelegt hat, ist die „Zweckmäßigkeit“ eines Rettungsaufwands aus einer Sicht ex ante betrachtet am objektivenVergleichsmaßstab des Verhaltens einer vernünftigen/verständigen Durchschnittsperson in derselben Sachlage wie der Geschädigte zu beurteilen (RS0023573; RS0023516 [T1, T3], RS0023055).
Der Geschädigte muss dabei bloß ihm objektiv und subjektiv zumutbare Maßnahmen ergreifen, die den Schaden hier: die Schubhaftabwehren, verringern, oder zumindest nicht vergrößern (RS0027015 [T6], RS0026909, RS0023573, RS0027043). Was „zumutbar“ ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile im Einzelfall und den Grundsätzen des redlichen Verkehrs (RS0027787). Objektiv zumutbar ist eine Handlung, die ein verständiger Durchschnittsmensch aus einer Sicht ex ante gesetzt hätte, um eine nachteilige Veränderung seiner Lage zu verhindern (vgl RS0023573, RS0027015, RS0026909).
3. Rechtlich entscheidend für das Vorliegen der Verletzung einer Schadenminderungsobliegenheit ist also der Vergleichsmaßstab des Vorgehens eines in die Situation des Geschädigten versetzten vernünftigen Durchschnittsmenschen.
Entgegen der offenbaren Ansicht der Berufung kommt es dabei allerdings nicht darauf an, ob dem Geschädigten die Verfahrenshilfe (bereits) bewilligt wurde oder nicht, und/oder ob ihm (bereits) ein Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer beigegeben wurde oder nicht: Eine verständige und vernünftige Durchschnittsperson an der Stelle der Klägerin würde es nämlich falls und sobald sich ihr die konkrete Gelegenheit bietet vorziehen, sich in einem wegen ihrer Schubhaft geführten Verwaltungsverfahren von einem auf Fremdenrecht und/oder Schubhaftangelegenheiten spezialisierten Rechtsanwalt vertreten zu lassen, als von einem von der Rechtsanwaltskammer ohne Berücksichtigung des in der konkreten Rechtssache erforderlichen Rechtsgebiets zugeteilten Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer, weil aus einer vernünftigen ex ante Sicht betrachtet realistischer Weise zu erwarten ist, dass ein fachlich einschlägig tätiger und erfahrener Rechtsanwalt deshalb auch über bessere einschlägige Rechts und Praxiskenntnisse im Fremden und Schubhaftrecht verfügt, als ein nicht regelmäßig auf diesen Rechtsgebieten tätiger Rechtsanwalt.
Eine vernünftige Maßperson an der Stelle der Klägerin würde daher ungeachtet des Umstands, dass ihr von der Rechtsanwaltskammer bereits ein Verfahrenshelfer (im Ergebnis nach dem Zufallsprinzip) zugeteilt wurde, trotzdem noch einen Rechtsanwalt mit fachlich einschlägiger Erfahrung auf dem speziell benötigten Rechtsgebiet beauftragen, falls dieser wie im vorliegenden Fall zur Annahme des Mandats bereit wäre.
4. Das Erstgericht hat die Verletzung einer Schadenminderungspflicht daher zutreffend verneint.
Der unberechtigten Berufung war ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Da der Streitwert am Schluss der Verhandlung erster Instanz nicht EUR 2.700 überstieg, gebührt im Rechtsmittelverfahren nur der einfache Einheitssatz (§ 23 Abs 10 RATG iVm § 501 ZPO). Die Revision ist gemäß § 502 Abs 2 ZPO jedenfalls unzulässig.