23Bs106/25v – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Aichinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Staribacher und den Richter Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen der Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB über dessen Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 31. März 2025, GZ **-58, nichtöffentlich den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Begründung:
Text
Der am ** geborene türkische Staatsangehörige A* wurde mit – infolge seinerseits angemeldeter Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung (ON 47) – zum Zeitpunkt der erstgerichtlichen Beschlussfassung nicht rechtskräftigem (vgl nunmehr jedoch ON 61) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. Jänner 2025 (ON 46.2) „der“ (vgl jedoch RIS-Justiz RS0095936)Vergehen der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB (§§ 15, 142 Abs 1; 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB) schuldig erkannt und hiefür „unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB“ nach § 287 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde die Vorhaft vom 16. August 2024, 16.10 Uhr bis 3. Jänner 2025, 13.00 Uhr auf die Strafe angerechnet, der Genannte befindet sich zu diesem Verfahren nach wie vor in Haft.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er „sich am 16.08.2024 in **, wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuss von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch Handlungen begangen, die ihm außer dieses Zustands als Verbrechen des Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB und das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB zugerechnet würden, indem er Alkohol konsumierte und
I./ mit Gewalt gegen eine Person B* C* eine fremde bewegliche Sache, nämlich das Smartphone ihrer Mutter D* C* im Wert von EUR 1.000,- sowie Waschmittel, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er B* C* das Papiersackerl, in dem sich die Sachen befanden, entriss und sie gegen eine Mauer stieß, wodurch sie sich Abschürfungen am Oberarm und am Knie zuzog;
II./ eine fremde Sache, die einen wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur bildet, unbrauchbar gemacht bzw […] verunstaltet, indem er die Toilette und das Waschbecken im Arrestbereich der Polizeiinspektion ** verstopfte und die Sicherheitsverwahrungszelle anschließend mit Urin und Kot beschmierte und den Putz von der Wand kratzte, wodurch ein Schaden iHv EUR 300,00 entstand.“
Mit angefochtenen Beschluss wies die Vorsitzende des Schöffengerichts den Antrag des (vormals) Angeklagten vom 4. März 2025 (ON 52) „auf bedingte Entlassung infolge Anrechnung der Vorhaft nach Verbüßung der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe gemäß § 46 StGB in analoger Anwendung des § 265 Abs 1 StPO“ – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.61) – ohne dessen Anhörung aus general- und spezialpräventiven Erwägungen ab (ON 58).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des A* (ON 59), der keine Berechtigung zukommt.
Liegen die zeitlichen Voraussetzungen für die bedingte Entlassung aus einer Freiheitsstrafe infolge Anrechnung einer (hier:) Vorhaft schon im Zeitpunkt des Urteils vor, so hat das Gericht dem Angeklagten den Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit mit Beschluss bedingt nachzusehen, wenn auch die übrigen im § 46 StGB genannten Voraussetzungen vorliegen (§ 265 Abs 1 erster Satz StPO). Treten die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung aus der Freiheitsstrafe aufgrund anzurechnender Vorhaft nach dem Urteil erster Instanz, aber noch vor der Einleitung des Strafvollzuges ein, dann ist zur Entscheidung über die bedingte Entlassung in analoger Anwendung des § 265 StPO das erkennende Gericht zuständig (RIS-Justiz RS0116527). Eine solche Entscheidung (in analoger Anwendung des § 265 StPO) hat bereits aufgrund des erstgerichtlichen Urteils zu erfolgen, wenn es – wie vorliegendenfalls - allein darum geht, Angeklagte, die das gegen sie ergangene Urteil bekämpfen, gegenüber solchen, die auf Urteilsanfechtung verzichten, nicht zu benachteiligen (RIS-Justiz RS0116527 [T2]).
Die zeitlichen Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe liegen aufgrund anzurechnender Vorhaft fallbezogen seit 31. März 2025 vor, zwei Drittel derselben werden am 16. Juni 2025 verbüßt sein.
Nach § 46 Abs 1 StGB ist nach Verbüßung der Hälfte der im Urteil verhängten zeitlichen Freiheitsstrafe oder des nicht bedingt nachgesehenen Teils einer solchen Strafe der Rest der Strafe unter Bestimmung einer Probezeit bedingt nachzusehen, sobald unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB anzunehmen ist, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird. Nach § 46 Abs 2 StGB ist ein Verurteilter, der die Hälfte, aber noch nicht zwei Drittel der Freiheitsstrafe verbüßt hat, trotz Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs 1 solange nicht bedingt zu entlassen, als es im Hinblick auf die Schwere der Tat ausnahmsweise des weiteren Vollzuges der Strafe bedarf, um der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.
Die Prognose künftigen Verhaltens erfordert eine Gesamtwürdigung aller dafür maßgeblichen Umstände, so insbesondere die Art der Tat, das private Umfeld des Verurteilten, sein Vorleben und seine Aussichten auf ein redliches Fortkommen in Freiheit (vgl Jerabek/Ropper, WK 2StGB § 46 Rz 15/1). Dabei ist nach § 46 Abs 4 StGB auf den Umstand Bedacht zu nehmen, inwieweit durch den bisherigen Vollzug der Strafe eine Änderung der Verhältnisse, unter denen die Tat begangen wurde, eingetreten ist oder durch Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB erreicht werden kann. Ist die Annahme berechtigt, dass der Verurteilte durch die bedingte Entlassung – allenfalls unter Berücksichtigung der Wirkung von Maßnahmen gemäß §§ 50 bis 52 StGB – nicht weniger als durch die weitere Verbüßung der Strafe von der Begehung strafbarer Handlungen abgehalten wird, so ist im Regelfall der Rest der Strafe bedingt nachzusehen.
Der Beschwerdeführer weist neben der in diesem Verfahren erfolgten Verurteilung zwei weitere Verurteilungen (vgl zum Begriff „Verurteilung“ im Sinne der StPO mit Blick auf Punkt 2. der Strafregisterauskunft Kert,WK-StPO § 1 StRegG Rz 4) auf (ON 14). Zunächst wurde er mit Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 30. Juni 2015, AZ **, der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung nach § 125 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zehn Wochen verurteilt. Der bezughabenden gekürzten Urteilsausfertigung lässt sich entnehmen, dass ihm unter einem die Weisung erteilt worden war, „sich einem [Anti-]Aggressionstraining zu unterziehen“ (Einsicht Verfahrensautomation Justiz). Offenkundig vermochte jedoch weder die erfolgte Verurteilung noch die erteilte Weisung ausreichend spezialpräventive Wirkung zu entfalten, delinquierte A* doch im Jahr 2017 – sohin während offener Probezeit – neuerlich und (wie aus der diesbezüglichen, in der Verfahrensautomation Justiz einsehbaren gekürzten Urteilsausfertigung ersichtlich) nunmehr alkoholisiert spezifisch einschlägig, weswegen er mit Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 6. März 2019, AZ **, wegen zweier Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen dreimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Ausgehend von der nunmehr erfolgten Verurteilung hat A* ungeachtet der ihm bereits gewährten Resozialisierungschancen im Zustand voller Berauschung einen Raub und eine schwere Sachbeschädigung begangen, wobei es sich seiner Ansicht zuwider - da bei Rauschtaten auch die verdeckten Taten (Grunddelikte) für die Beurteilung maßgebend sind, ob Vorverurteilungen, die auf der gleichen schädlichen Neigung beruhen, gegeben sind (15 Os 134/91 mwN; vgl auch Jerabek/Ropper, WK² StGB § 71 Rz 9 mwN) – wiederum um einschlägige Delinquenz handelt.
Angesichts der solcherart neuerlichen einschlägigen Straffälligkeit trotz bereits gewährter Rechtswohltaten in Form zweier bedingter Strafnachsichten kann nicht davon ausgegangen werden, dass der durch die bisherige – erst wenige Monate andauernde - Haft eingeleitete Umdenkprozess ausreichend ist, um den Rechtsmittelwerber im Fall seiner bedingten Entlassung – selbst unter Anordnung von Maßnahmen nach §§ 50 bis 52 StGB (die Weisung, sich einem „Anti-Aggressionstraining“ zu unterziehen, hat schon bisher nicht deliktsverhindernd gewirkt) – gleich wirksam von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten wie der weitere Vollzug. Vielmehr lässt eine Gesamtwürdigung der angesprochenen Aspekte die dem Beschwerdeführer - der eigenen Angaben zufolge keine Beschäftigung in Aussicht hat (ON 57.4 S 2) - zu erstellende Kriminalprognose negativ ausfallen, woran die nach der Haft bestehende Wohnmöglichkeit nichts zu ändern vermag.
Da einer bedingten Entlassung derzeit somit bereits spezialpräventive Erwägungen entgegenstehen, erübrigt sich ein Eingehen auf die im bekämpften Beschluss weiters angesprochenen generalpräventiven Aspekte.
Einer Anhörung bedurfte es nicht, da die Bestimmung des § 152a StVG im vorliegenden Verfahren von vornherein nicht anwendbar ist (siehe zu § 152 StVG Pieber,WK² StVG § 152 Rz 5). Im Übrigen würde aber auch die (nicht rechtskräftige) Strafzeit 18 Monate nicht übersteigen (RIS-Justiz RS0131225).
Damit entspricht der angefochtene Beschluss der Sach- und Rechtslage, weshalb der Beschwerde ein Erfolg zu versagen war.