JudikaturOLG Wien

23Bs26/25d – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
17. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufungen des Genannten sowie der Staatsanwaltschaft jeweils wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 20. November 2024, GZ **-98.4, sowie die implizite Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO gefassten Beschluss nach der am 17. April 2025 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten Dr. Aichinger, im Beisein der Richterin Mag. Staribacher und des Richters Mag. Trebuch LL.M. als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Strnad sowie des Verteidigers MMag. Manuel Steffen LL.M., jedoch in Abwesenheit des Angeklagten A* durchgeführten Berufungsverhandlung

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

II. den Beschluss gefasst:

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss ersatzlos aufgehoben.

Entscheidungsgründe:

Text

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Schuld- sowie Freispruch eines Mitangeklagten, ein Adhäsionserkenntnis und einen Verweis des A* sowie einer weiteren Privatbeteiligten mit ihren privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg enthaltenden Urteil wurde der Genannte des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I./1./) und des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4(I./2./) StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt. In einem wurde gemäß § 53 Abs 1 StGB iVm § 494a Abs 1 Z 4 StPO die ihm mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 7. März 2017, AZ B*, gewährte teilbedingte Strafnachsicht widerrufen.

Nach dem Inhalt des – gegenständlich relevanten - Schuldspruchs hat der am ** geborene österreichische Staatsbürger A* am 3. September 2023 in ** nachstehend angeführte Personen am Körper verletzt, und zwar

I./1./ C*, indem er ihm mehrere Faustschläge ins Gesicht versetzte, wodurch dieser eine Prellung des Unterkiefers und der Lippe sowie eine blutende Wunde im Bereich der rechten Wange erlitt;

I./2./ D*, indem er ihm einen Faustschlag gegen das Nasenbein versetzte, worauf dieser zu Boden ging und mit seinem Kopf auf dem Betonboden aufschlug, in Form einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung und einer an sich schweren Verletzung, nämlich einer Fraktur des Stirnbeins, des rechten Augenhöhlendaches und der rechten Stirnhöhlenwand verbunden mit Lufteintritt in das Schädelinnere und in die rechte Augenhöhle, einer Nasenbeintrümmerfraktur sowie von Prellungen des Brustkorbes, der linken Schulter, des Beckens, des linken Knies und des Unterschenkels.

Bei der Strafbemessung wertete der Erstrichter drei einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen eines Vergehens mit einem Verbrechen erschwerend, mildernd demgegenüber keinen Umstand.

Gegen dieses Urteil richten sich – nach ausdrücklicher Zurückziehung der zunächst durch den Angeklagten ebenso angemeldeten Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld (ON 105 S 2) - die jeweils rechtzeitig angemeldeten (ON 100 und ON 102) und fristgerecht ausgeführten Berufungen des Angeklagten (ON 105) und der Staatsanwaltschaft (ON 104) jeweils wegen Strafe mit gegenteiligem Anfechtungsziel. Gegen den Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO wendet sich die implizite Beschwerde des Angeklagten.

Zur Straffrage:

Rechtliche Beurteilung

Grundlage für die Bemessung der Strafe nach § 32 StGB ist die Schuld des Täters. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, inwieweit die Tat auf eine gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnende oder gleichgültige Einstellung des Täters und inwieweit sie auf äußere Umstände oder Beweggründe zurückzuführen ist, durch die sie auch einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen Menschen naheliegen könnte. Im Allgemeinen ist die Strafe umso strenger zu bemessen, je größer die Schädigung oder Gefährdung ist, die der Täter verschuldet hat oder die er zwar nicht herbeigeführt, aber auf die sich sein Verschulden erstreckt hat, je mehr Pflichten er durch seine Handlung verletzt, je reiflicher er seine Tat überlegt, je sorgfältiger er sie vorbereitet oder je rücksichtsloser er sie ausgeführt hat und je weniger Vorsicht gegen die Tat hat gebraucht werden können.

Die vom Erstgericht im Übrigen zutreffend angenommenen Strafzumessungsgründe sind zunächst zum Nachteil des Angeklagten dahin zu ergänzen, als hinsichtlich I./2./ des Schuldspruchs der Umstand, dass die herbeigeführten Verletzungsfolgen nicht nur an sich schwer waren, sondern auch mit einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung einhergingen (US 7 sowie ON 2.32 und ON 27 S 8), zusätzlich erschwerend zu werten ist (RIS-Justiz RS0132896).

Auch ist im Rahmen allgemeiner Strafzumessungserwägungen (RISJustiz RS0090597, RS0090954) aggravierend zu berücksichtigen, dass der Angeklagte die Taten während einer offenen Probezeit beging.

Soweit der Angeklagte die Ansicht vertritt, seine letzte (einschlägige) Verurteilung bzw Tat würde lange zurückliegen, welcher Umstand mildernd zu berücksichtigen sei, ist ihm zu entgegnen, dass dies – selbst bei Zutreffen - keinen Milderungsgrund darstellen würde (RIS-Justiz RS0091522, RS0091514). Davon abgesehen wurde er zuletzt mit Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 9. Mai 2019 unter anderem wegen einer am 1. Jänner 2019 begangenen Körperverletzung zu einer fünfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die bis 5. Mai 2021 vollzogen wurde (laut IVV befand sich A* zu unterschiedlichen Verurteilungen insgesamt von 5. Juli 2019 bis 5. Mai 2021 in Haft). Von einem längeren Wohlverhalten könnte daher dessen ungeachtet keine Rede sein (vgl RIS-Justiz RS0108563).

Dem weiteren Vorbringen des Angeklagten, „durch das erstinstanzliche Urteil [sei] die junge Familie für einen erheblichen Zeitraum zerrissen“ und ihm werde „durch das Urteil auch die Möglichkeit nach beruflicher Fußfassung genommen“ , ist zu entgegnen, dass mit dem Postulat, die entsozialisierenden Folgen einer Strafe möglichst gering zu halten, eine generelle Milderung der Strafe nicht zwangsläufig angestrebt wird ( Mayerhofer, StGB 6 § 32 Anm 2).

Die in der Berufung des Angeklagten weiters geltend gemachte Unbesonnenheit (§ 34 Abs 1 Z 7 StGB) setzt voraus, dass der Tat keine kriminelle Neigung oder grundsätzliche Geringschätzung fremder Interessen zugrunde liegt (RIS-Justiz RS0091026). Davon kann aber vor dem Hintergrund seiner spezifisch einschlägigen Vorstrafen keine Rede sein (vgl auch RIS-Justiz RS0090997).

Auch der Berauschung des Angeklagten zu den Tatzeitpunkten (US 6) kommt keine mildernde Wirkung zu, könnte dies doch nur ausnahmsweise dann der Fall sein, wenn der Vorwurf, dass sich der Täter in einen solchen Zustand versetzt hat, die durch den Rauschzustand bewirkte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit nicht aufwöge, wofür fallbezogen keine Anhaltspunkte vorliegen (RIS-Justiz RS0091056).

Wenn A* weiters für sich als mildernd in Anspruch nimmt, dass er im Zuge des Vorfalls selbst verletzt worden sei, ist ihm zu entgegnen, dass die Annahme des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 19 StGB – soweit hier von Interesse – eine (in casu jedoch nicht vorliegende) beträchtliche Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung voraussetzt.

Schließlich trifft die Ansicht des Angeklagten, er habe „keine einseitige von Aggression geprägte Attacke auf einen gänzlich Unbeteiligten zu verantworten“, nicht zu (vgl US 6: „[…] stieß ihn ohne Anlass gegen die Brust, um eine Auseinandersetzung zu provozieren“), auch wenn er letztlich ebenso Opfer einer (leichten) Körperverletzung wurde.

Die Staatsanwaltschaft vermochte hinwieder in ihrem Rechtsmittel ebensowenig zusätzliche Erschwerungsgründe aufzuzeigen.

Bei objektiver Abwägung der somit insgesamt geringfügig zum Nachteil des Angeklagten korrigierten Strafzumessungslage und der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB anzustellenden Erwägungen erweist sich bei einem (unter Anwendung des § 39 Abs 1 und Abs 1a StGB) zur Verfügung stehenden Strafrahmen von sechs Monaten bis zu siebeneinhalb Jahren Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung, dass das Ausmaß der verhängten Strafe in einer realistischen Relation zum Unrechts- und Schuldgehalt der konkreten Taten stehen muss (RISJustiz RS0090854), die ausgemessene Sanktion durchaus als schuld- und tatangemessen sowie generalpräventiven Erwägungen gerecht werdend und somit weder in die eine noch die andere Richtung korrekturbedürftig.

Die Voraussetzungen für eine auch nur teilbedingte Strafnachsicht liegen – der Ansicht des Angeklagte zuwider – nicht vor, weil angesichts des spezifisch einschlägig getrübten Vorlebens und der neuerlichen Straffälligkeit innerhalb offener Probezeit nicht anzunehmen ist, dass eine solche ausreichen werde, um ihn künftig von der Begehung strafbarer Handlungen abzuhalten.

Zum Beschluss:

Zum Zeitpunkt der vorliegenden Beschlussfassung nach § 494a StPO war – wie auch im Ersturteil zutreffend festgehalten (US 15 und US 17) - die zu AZ B* des Landesgerichts St. Pölten gewährte teilbedingte Strafnachsicht bereits mit rechtskräftigem Beschluss vom 13. Mai 2024 für endgültig erklärt worden (§ 43 Abs 2 StGB). Es durfte daher weder das erkennende noch ein anderes Gericht ohne vorangegangene prozessordnungsgemäße Kassation über den Entscheidungsgegenstand der teilbedingten Nachsicht neuerlich absprechen (RIS-Justiz RS0091864 [insb T8 und T10]; Jerabek/Ropper,WK² StGB § 43 Rz 27).

Der dennoch (offenkundig irrig) ergangene Beschluss, der wegen der Bindungswirkung des vorher ergangenen Beschlusses über die Endgültigkeit der Strafnachsicht keine Rechtswirkung entfalten konnte, war daher - in Stattgebung der impliziten Beschwerde – ersatzlos aufzuheben.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.