JudikaturOLG Wien

32Bs85/25x – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
14. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in der Strafsache gegen A*wegen §§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, 12 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. Jänner 2025, GZ ***, nach der am 14. April 2025 unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Mag. Seidl, im Beisein der Richterinnen Dr. Vetter und Mag. Wilder als weitere Senatsmitglieder, in Gegenwart der Oberstaatsanwältin Mag. Salfelner, LL.M. sowie des Angeklagten A* und seines Verteidigers Mag. Timo Gerersdorfer durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Berufung wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Ausschaltung der Anwendung des § 43a Abs 4 StGB auf drei Jahre erhöht .

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem bekämpften auch einen unangefochtenen Verfalls und Einziehungsausspruch enthaltendenUrteil wurde A* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach §§ 28a Abs 1 zweiter und dritter Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG, 12 zweiter Fall StGB (A./) und des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter und sechster Fall, Abs 2 Z 2, Abs 4 Z 3 SMG (B./) schuldig erkannt und hiefür bei aktenkonformer Anrechnung der Vorhaft unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 28a Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von 30 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 4 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe im Ausmaß von 20 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

Demnach hat A* in ** und an anderen Orten als Mitglied einer kriminellen Vereinigung bestehend aus B*, C*, D*, E* und F* sowie ihm selbst und anderen teils bekannten, teils unbekannten Mitgliedern dieser Vereinigung vorschriftswidrig Suchtgift (nämlich Kokain, enthaltend zumindest 60 % Cocainbase) in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, und zwar

A./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge nach Österreich ein- bzw aus Österreich ausgeführt (3./) bzw einen anderen dazu bestimmt (1./, 2./), nämlich indem er

1./ im Sommer 2020 bei F* 1 kg Kokain, von dem er wusste, dass dieses in Österreich (**) bei C* gelagert wurde, bestellte, welches ihm in der Folge von E* im Auftrag des F* aus Österreich in die Slowakei gebracht wurde;

2./ kurz vor dem bzw am 5. März 2021 einen unbekannten Kurier damit beauftragte, 2 kg Kokain aus der Slowakei nach Österreich zu bringen und in ** dem G* zu übergeben, was der unbekannte Kurier auch am 5. März 2021 machte;

3./ am 18.Juli 2023 in ** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit einem noch unbekannten Mittäter (§ 12 StGB) 3 kg Kokain – das sie zuvor in ** von D* übernommen hatten – in die Slowakei brachte;

B./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge übersteigenden Menge einem anderen überlassen, nämlich das zu A./1./ und 3./ bezeichnete Suchtgift an unbekannte Abnehmer in der Slowakei, bzw dem G* verschafft, nämlich durch die zu A./2./ genannte Tathandlung.

Bei der Strafbemessung werteten die Tatrichter das Geständnis und den bisherigen ordentlichen Lebenswandel als mildernd, erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen, den langen Tatzeitraum und die mehrfache Qualifikation.

Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete (ON 502) und schriftlich ausgeführte Berufung der Staatsanwaltschaft Wien, mit der eine Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe und die Ausschaltung teilbedingter Strafnachsicht angestrebt wird (ON 534).

Rechtliche Beurteilung

Die Berufung ist im Recht.

Der vom Angeklagten angeführten Selbststellung am 23. September 2024 (ON 452.1.214) kommt nur untergeordnete Bedeutung zu, erfolgte diese doch während eines aufrechten Europäischen Haftbefehls (ON 452.127.1; ON 452.1.202) und unter dem Eindruck seiner von den slowakischen Behörden zuvor erfolgten zwischenzeitigen Festnahme (ON 400.136; ON 498 S 31).

Eine vom Angeklagte angesprochene Suchtgiftabhängigkeit wird von der Rechtssprechung nicht als Milderungsgrund anerkannt (RIS-Justiz RS0087417 [T 17] sowie 15 Os 145/16m).

]).

Hingegen ist das Handeln aus Gewinnstreben (US 7) erschwerend zu berücksichtigen, weil ein solches kein Tatbestandselement der in Rede stehenden strafbaren Handlungen des SMG ist (RISJustiz RS0088028, RS0108874).

Weiters sind die Strafbemessungsgründe dahin zu konkretisieren, dass das Zusammentreffen von zwei Verbrechen als erschwerend zu werten ist.

Bei rechtbesehener Abwägung der vom Erstgericht im Übrigen zutreffend dargestellten Strafzumessungslage erweist sich die von den Tatrichtern festgesetzte Sanktion bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe schon mit Blick auf die vom Angeklagten zu vertretende Suchtgiftmenge nicht tat und schuldadäquat. So hat etwa das Oberlandesgericht Wien im Falle eines 256fachen Übersteigens der Grenzmenge bei der Einfuhr von Suchtgift nach Österreich über einen geständigen und unbescholtenen Täter zu AZ 32 Bs 52/25v eine dreijährige Freiheitsstrafe verhängt. Mit Blick darauf, dass der Angeklagte bereits durch seine Taten in Ansehung von A./ die Grenzmenge (§ 28b SMG) 240 Mal überschritten hat, er das Suchtgift in weiterer Folge noch anderen überließ und er im Rahmen einer kriminellen Vereinigung handelte, bestand daher die Notwendigkeit die Freiheitsstrafe auf ein dem verwirklichten Handlungs , Gesinnungsunwert und Erfolgsunwert entsprechendes Ausmaß von drei Jahren zu erhöhen, das ausgehend von einer Strafdrohung von einem bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe nicht nur dem abgelegten Geständnis, sondern auch Belangen der Generalprävention ausreichend Rechnung trägt, da damit im Rahmen von grenzüberschreitendem professionell organisiertem Suchtgifthandel agierenden tatgeneigten Personen gezeigt wird, welche Konsequenzen die Begehung vergleichbarer Delinquenz mit sich bringt.

Das Abstellen des Angeklagten auf über andere Angeklagte in derselben kriminellen Organisation verhängte Freiheitsstrafen verbietet sich aufgrund der in § 32 Abs 1 StGB normierten Einzeltatschuld (RIS-Justiz RS0090678, RS0090917; vgl auch Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 14 § 32 Rz 2).

Im Recht ist die Berufung auch mit ihrer Kritik an der bedingten Nachsicht eines Teils der über den Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe nach § 43a Abs 4 StGB, denn die erwähnte Vorschrift kommt nur in extremen Ausnahmefällen zum Tragen (RIS-Justiz RS0092050; Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StGB 14§ 43a Rz 5 mit Verweis auf Konflikt- oder Krisensituationen). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Selbst unter Berücksichtigung des bisherigen Wohlverhaltens des Angeklagten und seiner umfassend geständigen Verantwortung ist angesichts des langen Tatzeitraums und der Menge des eingeführten und überlassenen Suchtgifts sowie der Deliktskumulierung die in § 43a Abs 4 StGB geforderte hohe Wahrscheinlichkeit hinkünftiger Deliktsfreiheit nicht gegeben, sodass die teilweise bedingte Nachsicht auszuschalten war. Es ist nämlich ausgehend von den genannten Erwägungen nicht anzunehmen, dass die bloße Androhung der Vollziehung des bedingt nachgesehenen Teils genügen wird, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Darüber hinaus gebieten aber auch generalpräventive Erwägungen zur Eindämmung der Suchtgiftkriminalität den Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe, handelt es sich bei den hier verurteilten Delikten nach dem Suchtmittelgesetz doch um strafbare Handlungen mit hohem Gefährdungspotenzial zum Nachteil einer Vielzahl von Menschen, denen nur mit einer empfindlichen und auch zu vollziehenden Strafe wirksam begegnet werden kann, ist doch präsumtiven Delinquenten die Diskrepanz zwischen dem strafrechtlichen Risiko und dem aus der Straftat erhofften finanziellen Vorteil nachdrücklich vor Augen zu führen.

Die Anwendung des § 41 Abs 3 StGB scheitert bereits an den äußerst gewichtigen Erschwerungsgründen, darüber hinaus bieten sich mit Blick auf den langen Tatzeitraum und die Mehrzahl der Tatangriffe nicht genügend Anhaltspunkte für die gesetzlich geforderte günstige Prognose.