7Ra14/25t – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Glawischnig als Vorsitzende, die Richterin Mag. Derbolav Arztmann und den Richter Mag. Zechmeister sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Albert Koblizek und ao. Univ. Prof. Mag. Dr. Monika Drs in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , **, vertreten durch Dr. Christine Riess, Rechtsanwältin in Waidhofen an der Ybbs, wider die beklagte Partei B* GmbH , **, vertreten durch Fieldfisher Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, wegen EUR 10.551,24 sA, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 10.12.2024, ** 13, gemäß den §§ 2 Abs 1 ASGG, 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.433,82 (darin EUR 238,97 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 17.2.2020 bis 30.9.2023 bei der Beklagten als technischer Angestellter auf Basis des Dienstvertrags Beil./1 tätig.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage von der Beklagten die Zahlung des Klagsbetrags im Wesentlichen mit der Begründung, dass es sich dabei um offene Ansprüche aus den Boni bezüglich der Jahre 2021, 2022 und 2023 handle (zur näheren Aufschlüsselung dieser behaupteten offenen Boni Ansprüche siehe ON 1.1, 3). Der Kläger brachte - soweit für das Berufungsverfahren relevant - zusammengefasst vor, dass seine Ansprüche auf Ergänzungszahlung zu den Boni 2021 und 2022 nicht verfallen seien. Diesen Ansprüchen lägen unrichtige und nicht ordnungsgemäße Abrechnungen der Beklagten sowie demzufolge zu geringe Auszahlungen der Boni zugrunde. Die Rechnungsgrundlagen für die bezahlten (zu niedrigen) Boni seien ihm seitens der Beklagten nicht offen gelegt worden. Für den Kläger sei aufgrund der deutlich niedriger als erwarteten Bonus Zahlung des Jahres 2021 im Mai 2022 klar gewesen, dass die Abrechnung nicht stimmen könnte, weshalb er dies umgehend nach Erhalt des Schreibens zunächst bei seinem Vorgesetzten, C*, und in weiterer Folge beim Geschäftsführer der Beklagten, DI D*, moniert habe. Trotz weiterer mehrfacher schriftlicher Anfragen seitens des Klägers sei die Beklagte aber weitere Erklärungen oder gar eine Berechnungsgrundlage (bis heute) schuldig geblieben. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten bzw das Unterlassen der Offenlegung der Berechnungsgrundlagen und modalitäten es dem Kläger bis zuletzt praktisch verunmöglicht, die (teilweise erhaltenen) Boni 2021 und 2022 nachzuvollziehen. Insbesondere aus diesem Grund sei die Berufung der Beklagten auf die Verfallsklausel sittenwidrig.
Die in der zwischen den Streitteilen am 6.6.2023 schriftlich abgeschlossenen einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers zum 30.9.2023 enthaltene Vereinbarung, wonach mit dieser Vereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche abgegolten und verglichen seien, umfasse nicht die Boni Ansprüche des Klägers der Jahre 2021, 2022 und 2023. Das Thema Boni sei bei dem Gespräch vom 6.6.2023, bei dem die Auflösungsvereinbarung getroffen worden sei, kein Thema gewesen. Soweit er aufgrund der Bereinigungsklausel der Auflösungsvereinbarung auf seine offenen Bonusansprüche verzichtet haben sollte, sei dies ein nach der Drucktheorie unwirksamer Verzicht.
Entgegen der Behauptungen der Beklagten habe er keine „Schlechtleistungen“ erbracht. Vielmehr habe er in den Jahren 2021, 2022 und 2023 eine Zielerreichung von 100 % aufweisen können. Im Vorfeld zum Gespräch vom 6.6.2023 sei seitens der Beklagten ein Argumentarium in Richtung einer möglichen Entlassung oder Kündigung des Klägers und nachfolgenden gerichtlichen Entlassungs- und Kündigungsanfechtung aufgebaut worden. Aufgrund der einvernehmlichen Auflösung seines Dienstverhältnisses sei es aber nicht dazu gekommen. Entgegen der Behauptungen der Beklagten habe er weder einen Compliance Verstoß begangen, noch seien seine Zeiterfassungen fehlerhaft gewesen. Er sei dem Arbeitsplatz nie unentschuldigt ferngeblieben.
Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und beantragte Klagsabweisung. Sie brachte - soweit für das Berufungsverfahren relevant - zusammengefasst vor, die vom Kläger geltend gemachten Ergänzungsansprüche betreffend die Boni 2021 und 2022 seien bereits verfallen. Der Kläger habe seine persönlichen Zielvorgaben nicht eingehalten. Seine individuelle Zielerreichung sei ab dem zweiten Halbjahr 2022 nur noch bei 50 % gelegen. Tatsächlich seien die unterdurchschnittlichen Leistungen des Klägers Anlass für die einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses gewesen. Der Kläger sei erstmalig am 16.4.2023 verwarnt worden, wobei Anlass unter anderem ein Compliance Verstoß, fehlerhafte Zeiterfassung und Verletzung der Dienstpflichten gewesen sei. Am 6.6.2020 (gemeint wohl: 6.6.2023) sei es zu einer weiteren Verwarnung des Klägers wegen unentschuldigtem Fernbleiben vom Arbeitsplatz, Verletzung der Kernzeiten und Verletzung der Dienstpflichten gekommen. Nach dieser zweiten Verwarnung sei eine Kündigung oder sogar Entlassung des Klägers im Raum gestanden. Das entsprechende Gespräch mit dem Kläger habe schließlich in einer einvernehmlichen Auflösung des Dienstvertrags gemündet. Der Kläger habe aufgrund der am 6.6.2023 geschlossenen Vereinbarung eine freiwillige Abgangsentschädigung von vier Monatsgehältern erhalten und sei zudem fast vier Monate dann dienstfrei gestellt worden. Auch ein allfälliger Bonus für 2023 hätte von dieser Vereinbarung unzweifelhaft umfasst werden sollen, um eine endgültige Beendigung und Bereinigung der wechselseitigen Beziehung herbeizuführen. Die Auflösungsvereinbarung sei ausgewogen und benachteilige den Kläger nicht.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab.
Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
„Der Kläger war ab 17. Februar 2020 bei der beklagten Partei als technischer Angestellter auf Basis des Dienstvertrages Beilage./1 tätig. Dieser sieht in Punkt 5 einen variablen Bonus vor:
„...Für die Funktion als „Technischer Einkäufer“ geht zusätzlich zum Bruttojahresentgelt ein variabler Bonus mit Zielerreichung in der Höhe von 15 % des Jahres Bruttogehalts als vereinbart. Dieser Bonus gelangt entsprechend Zielerreichung zur Auszahlung...“
Punkt 13 des Dienstvertrages normiert:
„Offene Ansprüche aus dem gegenständlichen Dienstverhältnis sind, soweit gesetzlich oder im Rahmen des anzuwendenden Kollektivvertrages nicht etwas anderes vorgesehen ist, bei sonstigem Verfall innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit beim Dienstgeber schriftlich geltend zu machen. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleiben die generellen Verjährungs-und Verfallsfristen gewahrt.“
Dem Kläger wurde mit Maigehalt 2022 ein Bonus von € 4.196,99 ausbezahlt (Beilagen./A,./B,./4). Mit Maigehalt 2023 wurde ihm ein Bonus von € 4.393,69 gewährt (Beilagen./C,./D,./5). Für das Jahr 2023 wurde ihm kein Bonus ausbezahlt.
Am 6. Juni 2023 beendeten die Parteien einvernehmlich das Dienstverhältnis. Hintergrund war, dass die beklagte Partei mit der Arbeitsleistung des Klägers nicht zufrieden war und deswegen jedenfalls die Kündigung des Klägers möglicherweise sogar die Entlassung geplant gehabt hatte, um das Dienstverhältnis zu beenden. Bereits am 18. April 2023 hatte es eine Verwarnung gegeben, eine zweite schriftliche Verwarnung war vorbereitet.
Der Kläger war kurz vor Gesprächsbeginn am 6. Juni 2023 um 16:00 von der Prokuristin Mag. E* mittels Outlook zu diesem Gespräch geladen worden. Anwesend waren der Geschäftsführer der beklagten Partei, der ehemalige Vorgesetzte des Klägers C*, Mag. E* sowie der Kläger selbst. Die Anwesenheit weiterer Personen wurde vom Kläger nicht verlangt.
Mag. E* teilte dem Kläger mit, dass sich seit der ersten Verwarnung am 18. April nicht viel geändert habe und man mit seiner Arbeitsleistung unzufrieden sei. Der Geschäftsführer ergänzte, dass eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses keinen Sinn mache und sprach die Möglichkeit einer einvernehmlichen Auflösung an. Dem Kläger wurde eine bereits vorbereitete Auflösungsvereinbarung vorgelegt, die eine Beendigung des Dienstverhältnisses mit Wirksamkeit zum 30. September 2023, eine sofortige widerrufliche Dienstfreistellung sowie eine Abgangsentschädigung in der Höhe von drei Monatsgehältern vorgesehen hatte. Mag. E* erörterte mit dem Kläger jeden Satz der Vereinbarung. Sie forderte ihn auf, sich Bedenkzeit zu nehmen und auch mit dem Betriebsrat darüber zu reden. Das Thema der Boni wurde bei dem Gespräch nicht angesprochen.
Nachdem der Kläger die Vereinbarung durchgelesen hatte, forderte er statt einer Abgangsentschädigung von drei Monatsgehältern vier, dies im Bestreben, kommerziell das Beste herauszuholen. Mag. E* und der Geschäftsführer der beklagten Partei gingen auf den Änderungswunsch ein, worauf Mag. E* den Raum verließ, die Vereinbarung abänderte und neuerlich ausdruckte.
In der Form, die nunmehr als Beilage./2 dem Gericht vorliegt, wurde die Vereinbarung dem Kläger neuerlich vorgelegt und er von Mag. E* wiederum gefragt, ob er nicht mit dem Betriebsrat reden möchte. Dies verneinte der Kläger. Weitere Änderungswünsche monierte er nicht, worauf der Kläger, der Geschäftsführer der beklagten Partei sowie Mag. E* die Auflösungsvereinbarung unterfertigten.
Diese lautet auszugsweise:
„Wir vereinbaren hiermit die einvernehmliche Auflösung ihres Dienstverhältnisses per 30.9.2023. Sie erhalten von uns eine freiwillige Abgangsentschädigung von vier Monatsgehältern. Sie sind bis 30.9.2023 widerruflich dienstfreigestellt und konsumieren in dieser Zeit ihren kompletten Resturlaub und ZA. Mit dieser Vereinbarung sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche abgegolten und verglichen.“ (Beilage./2)
Insgesamt hatte das Gespräch 15-20 Minuten gedauert. Dass der Kläger von C*, Mag. E* oder dem Geschäftsführer der beklagten Partei unter Druck gesetzt worden wäre, kann nicht festgestellt werden. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass er nicht gewusst hätte, was er unterfertigt.
Mit E-Mail vom 19. Juni 2023 monierte der Kläger erstmals die falsche Berechnung des Bonus, der ihm mit Mai Gehalt 2023 für das Jahr 2022 ausbezahlt worden war (Beilage./E).“
Rechtlich führte das Erstgericht zusammengefasst aus, dass die vereinbarte einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers wirksam sei. Der Kläger behaupte darüber hinaus auch nicht die Unwirksamkeit der einvernehmlichen Auflösung per se, sondern moniere, dass dieser keine Bereinigungswirkung im Hinblick auf die klagsgegenständlichen Boni zukommen. Mache eine Partei nach Abschluss eines Vergleichs ein Recht geltend, so müsse sie im Bestreitungsfall die Voraussetzungen für das Nichteintreten der Bereinigungswirkung des Vergleichs behaupten und unter Beweis stellen. Dieser Beweis sei dem Kläger nicht gelungen. In der Formulierung „Mit dieser Vereinbarung sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche abgegolten und verglichen“, sei eine Generalklausel zu sehen, mit der der strittige Sachverhalt und Ansprüche einvernehmlich geregelt würden. Im Zweifel erstrecke sich die Bereinigungswirkung eines anlässlich der Auflösung geschlossenen Vergleichs auf alle aus diesem Rechtsverhältnis entspringenden oder damit zusammenhängenden gegenseitigen Forderungen, also auch auf etwaige Boni. Die Bereinigungswirkung würde selbst dann eintreten, wenn in dem Vergleich keine Generalklausel aufgenommen worden wäre. Sie umfasse auch solche Ansprüche, an die die Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zwar nicht gedacht hätten, an die sie aber hätten denken können.
Auch eine Berufung auf einen Verstoß gegen die „Drucktheorie“ gehe ins Leere. Nur ein Verzicht auf unabdingbare Ansprüche könne der Arbeitnehmer während des aufrechten Dienstverhältnisses nicht wirksam abgeben. Bei den klagsgegenständlichen Boni handle es sich nicht um unabdingbare Ansprüche.
Insgesamt folge hieraus, dass bereits aufgrund der Auflösungsvereinbarung die Ansprüche nicht zu Recht bestünden, weshalb das Klagebegehren abzuweisen gewesen sei.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich rechtlicher Feststellungsmängel mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt auch die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt .
Zum Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung:
Die Entscheidung, ob eine Berufungsverhandlung im Einzelfall erforderlich ist, steht seit dem BudgetbegleitG 2009 generell im Ermessen des Berufungsgerichts (RIS-Justiz RS0127242; 4 Ob 21/13m ua). Die hierdurch erfolgte Abschaffung des Antrags auf Abhaltung einer mündlichen Berufungsverhandlung verstößt nicht gegen Art 6 MRK (RIS-Justiz RS0126298; 4 Ob 21/13m ua). Der Berufungssenat hält keine Beweiswiederholung, Beweisergänzung oder Erörterung des Vorbringens für erforderlich, weshalb dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung nicht zu folgen war.
Zur Berufung des Klägers :
I. Der Kläger führt in seiner Rechtsrüge im Wesentlichen aus, dass seine bereits entstandenen Bonusansprüche bei Abschluss der schriftlichen Vereinbarung vom 6.6.2023 dem Grunde nach unstrittig gewesen seien. Lediglich die korrekte Berechnung sei noch von der korrekten Endabrechnung abhängig gewesen. Damit sei klar, dass die Ansprüche auf korrekte Bonuszahlungen nicht von der Bereinigungswirkung der Auflösungsvereinbarung erfasst worden seien. Mit dem Kläger seien im Gespräch vom 6.6.2024 (gemeint wohl: 6.6.2023) die Varianten einer Vertragsbeendigung erörtert worden (Kündigung und Entlassung seien im Raum gestanden). Wirtschaftlicher Druck sei damit gegeben gewesen. Dies genüge bereits den Erfordernissen im Sinne der „Drucktheorie“. Nach dieser Theorie sei selbst ein ausdrücklicher Verzicht auf Ansprüche unwirksam. Verzichte ein Arbeitnehmer im Rahmen der Gespräche über eine einvernehmliche Auflösung auf die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Arbeitgeber noch bevor er seine Endabrechnung erhalten und die noch ausstehenden Entgeltansprüche überwiesen bekommen habe, sei die Verzichtserklärung unwirksam. Die vom Erstgericht zitierte Judikatur, wonach sich die Bereinigungswirkungen eines anlässlich der Auflösung geschlossenen Vergleichs im Zweifel auf alle aus dem Rechtsverhältnis entspringenden oder damit zusammenhängenden gegenseitigen Forderungen erstrecke, sei mangels Vorliegens eines Zweifelsfalls nicht einschlägig. Eben weil kein Zweifelsfall über die Auslegung der Reichweite der Verzichtserklärung vorliege, sei auch der Verweis der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung darauf, dass auch Ansprüche, an die die Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses zwar nicht gedacht hätten, an die sie aber hätten denken können, von der Bereinigungswirkung erfasst werden, nicht einschlägig.
Aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung habe das Erstgericht keine Feststellungen dazu getroffen, wie hoch die Zielerreichung des Klägers nach dem Bonusprogramm gewesen sei, „weshalb in rechtlicher Beurteilung nicht abgeleitet werden konnte“, dass dem Kläger die im Klagebegehren angesprochenen Bonuszahlungen noch zustünden. Es werde daher die Feststellung begehrt, dass in den Jahren 2021, 2022 und 2023 die gesetzten und im Rahmen der Bonusvereinbarung relevanten Ziele zu 100 % erreicht worden seien.
II. Die Beklagte repliziert in ihrer Berufungsbeantwortung zusammengefasst wie folgt:
Bei den gegenständlichen Ansprüchen handle es sich nicht um einen zwingenden gesetzlichen oder kollektivvertraglichen und auch nicht um einen unabdingbaren Anspruch des Arbeitnehmers, sodass die Berufung des Klägers auf die Drucktheorie schon aus diesem Grund verfehlt sei. Darüber hinaus sei ein Verzicht ausdrücklich von einem Vergleich zu unterscheiden, bei welchem (wechselseitig) strittige Sachverhalte und Ansprüche einvernehmlich geregelt würden. Ein Vergleich könne auch mit generalbereinigender Wirkung abgeschlossen werden, wonach sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem Dienstverhältnis bereinigt und verglichen würden. Vorliegendenfalls liege ein solcher zulässiger Vergleich vor. Der Kläger versuche sich hier des Kunstgriffs zu bedienen, dass seine - bereits entstandenen - Bonusansprüche (dem Grunde nach) unstrittig gewesen seien. Lediglich die korrekte Berechnung sei noch von der Endabrechnung abhängig gewesen. Dies sei falsch, weil die vom Kläger gestellten Ansprüche auf eine höhere Provision sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach strittig gewesen seien. Darüber hinaus bringe der Kläger selbst in seiner Berufung vor, dass für ihn und auch die Vertreter der Beklagten bei der Besprechung vom 6.6.2023 klar gewesen sei, dass die Bonusansprüche zustünden. Er habe in diesem Zeitpunkt auch die Ansicht vertreten, dass seine Bonusansprüche falsch berechnet seien. Er hätte also jedenfalls daran denken können, dass diese Ansprüche aufgrund der eindeutigen Formulierung „Mit dieser Vereinbarung sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche abgegolten und verglichen“, von der Bereinigungswirkung erfasst seien. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass der Kläger fast vier Monate dienstfrei gestellt worden sei und zusätzlich vier Monate Abgangsentschädigung erhalten habe. Das Dienstverhältnis des Klägers hätte am 6.6.2023 bereits zum 15.9.2023 mittels Dienstgeberkündigung ordentlich beendet werden können. Dennoch sei sein Anstellungsverhältnis bis 30.9.2023 aufrecht erhalten worden, wobei die Beklagte auf die Arbeitsleistung des Klägers verzichtet habe. Weiters seien dem Kläger vier Monatsentgelte Abgangsentschädigung ausgezahlt worden, hinsichtlich der dem Kläger zweifellos klar gewesen sei, dass diese freiwillige Entschädigung eine Bereinigungswirkung entfalten sollte, weil er rechtlich keinerlei Anspruch auf diese Beträge gehabt habe. Dies ergebe sich sogar zweifelsfrei aus seiner Aussage vor Gericht. Es sei evident, dass der geschlossene Vergleich für den Kläger in keiner Weise nachteilig sei, weil die gewährte Abgangsentschädigung die nunmehr geltend gemachten Bonusforderungen des Klägers der Höhe nach bei Weitem übersteige. Nehme man auf die verlängerte Kündigungsfrist (und damit weitere 15 Tage Fortzahlung des Entgelts) und die Dienstfreistellung Bedacht, so wäre die einvernehmliche Auflösung für den Kläger wesentlich günstiger als eine Dienstgeberkündigung gewesen.
Der behauptete Feststellungsmangel liege nicht vor, weil die begehrte Feststellung aufgrund der dargelegten Bereinigungswirkung ohne Belang sei.
III. Das Berufungsgericht hat dazu Folgendes erwogen:
1. Der Vergleich (§ 1380 ABGB) ist vom Verzicht (§ 1444 ABGB) zu unterscheiden. Im Vergleich werden strittige oder zweifelhafte Tatumstände durch beiderseitiges Nachgeben einvernehmlich mit streitbereinigender Wirkung neu festgelegt; im zweitgenannten Fall verzichtet der Gläubiger auf ihm unstrittig zustehende Ansprüche. Nur einen solchen Verzicht auf unabdingbare Ansprüche kann der Arbeitnehmer während des aufrechten Dienstverhältnisses nicht wirksam abgeben (9 ObA 183/90 uva; RIS-Justiz RS0029958).
1.1. Nach herrschender Rechtsprechung kann sich ein Dienstnehmer auch über an sich unverzichtbare Ansprüche während des aufrechten Dienstverhältnisses wirksam vergleichen, wenn dadurch strittige oder zweifelhafte Ansprüche bereinigt werden; ein solcher Vergleich kann nur nach den allgemeinen Regeln angefochten werden (RIS Justiz RS0029958; 9 ObA 183/90; SZ 64/5 uva; vgl auch RS0028337).
1.2. Vergleichskonstruktionen anlässlich der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses bieten (neben der Möglichkeit umfassender Streitbereinigung) vor allem den Vorteil, dass darin „integrierte“ Verzichte von Arbeitnehmern auf streitige oder zweifelhafte Ansprüche durchwegs auch dann zulässig und wirksam sind, wenn „isolierte“ Verzichtserklärungen (wegen der Unverzichtbarkeit von Ansprüchen) nicht in Frage kämen (vgl Nunner Krautgasser ; Ghahramani Hofer in Reissner/Neumayr , ZellHB AV Klauseln² Besonderer Teil, 78. Klausel [Stand 1.6.2019, rdb.at] Rz 78.01).
1.3. Streitig ist ein Recht dann, wenn die Parteien darüber uneins sind, ob und in welchem Umfang das betreffende Recht entstanden ist bzw noch besteht. Zweifelhaft ist ein Recht, sofern zwischen den Parteien Uneinigkeit über seinen Bestand, seinen Inhalt, seinen Umfang oder sein Erlöschen besteht; auch die Zweifelhaftigkeit der Beweisbarkeit wird als ausreichend erachtet. Die Kriterien der Strittigkeit bzw der Zweifelhaftigkeit können sich nicht nur auf Rechtsfragen, sondern auch auf Tatfragen beziehen und gegenwärtige sowie zukünftige Verhältnisse betreffen. Sie sind nach herrschender Auffassung rein subjektiv aus der Sicht der Parteien zu beurteilen, selbst wenn deren Standpunkt bei objektiver Betrachtung unter Umständen unzutreffend sein möge ( Nunner Krautgasser; Ghahramani Hofer aaO Rz 78.03 mwN).
1.4. Eine besondere Ausprägung des Vergleichs stellt der sogenannte „Generalvergleich“ dar. Dabei handelt es sich um einen Vergleich, der nicht nur einen aktuellen Streitfall, sondern sämtliche Ansprüche aus einem Rechtsverhältnis (oft aus einem Dauerschuldverhältnis) bereinigen soll ( Nunner Krautgasser; Ghahramani Hofer aaO Rz 78.04 mwN).
1.5. Der Vergleich zeichnet sich - wie erwähnt - dadurch aus, dass die Parteien streitige oder zweifelhafte Rechte durch beiderseitiges Nachgeben neu festlegen. Gerade im arbeitsrechtlichen Konnex ist die Abgrenzung von Vergleich und Verzicht bedeutsam: Zu berücksichtigen ist, dass Verzichtserklärungen (insbesondere im Zuge einer „Gesamtbereinigung“ sämtlicher noch offener Ansprüche anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses) häufig auch Elemente eines Vergleichs bilden (vgl 9 ObA 10/05v; Nunner Krautgasser; Ghahramani Hofer aaO Rz 78.08 f). Vor allem im Hinblick auf die Unabdingbarkeit (und die damit zusammenhängende Unverzichtbarkeit) vieler Arbeitnehmeransprüche ist wesentlich, ob eine Vereinbarung als „bloßer“ Verzicht oder aber als (insoweit „flexiblerer“) Vergleich ausgestaltet ist (Näheres dazu siehe Nunner Krautgasser; Ghahramani Hofer aaO Rz 78.09 und 78.23 ff mwN).
1.6. Wie oben bereits ausgeführt wurde, steht nach herrschender Rechtsprechung und Lehre die Unverzichtbarkeit unabdingbarer Ansprüche der umfassenden Bereinigungswirkung eines „echten“ Vergleichs nicht entgegen: Zwar können Arbeitnehmer auf unabdingbare Ansprüche während des aufrechten Arbeitsverhältnisses nicht wirksam verzichten. Ein Vergleich über an sich unverzichtbare Ansprüche ist jedoch bereits während des aufrechten Arbeitsverhältnisses zulässig und wirksam, sofern dadurch strittige oder zweifelhafte Ansprüche bereinigt werden. Entsprechendes gilt auch für Verzichtserklärungen, die anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Rahmen einer Gesamtregelung abgegeben werden. Solche Gesamtregelungen sehen häufig Abfertigungsverzichte im Zusammenhang mit der Umwandlung einer Entlassung in eine einvernehmliche Beendigung vor. Eine solche Konstruktion wird durchwegs als Vergleich qualifiziert, weil die Vereinbarung typischerweise auch zumindest noch ungewisse Rechte umfasst. Entsprechendes gilt etwa auch für eine Vereinbarung, in der (trotz Selbstkündigung des Arbeitnehmers) bei gleichzeitigem Verzicht auf eine Erfolgsprämie eine Abfertigung gewährt wird (Näheres dazu siehe Nunner Krautgasser; Ghahramani Hofer aaO Rz 78.24 mwN).
1.7. Hinsichtlich der Wirksamkeit solcher Vergleiche ist eine Prüfung nach dem Günstigkeitsprinzip anzustellen. Dabei ist nicht die vertragliche Regelung mit der gesetzlichen zu vergleichen, sondern es ist zu ermitteln, ob die Einbuße bestimmter Rechtspositionen durch Vorteile an anderer Stelle - vor allem auch durch die Klärung einer bisher strittigen Sach- und Rechtslage - aufgewogen wird (9 ObA 315/90; 9 ObA 138/02p ua; RS0028341; Nunner Krautgasser; Ghahramani Hofer aaO Rz 78.26 mwN).
2. Ausgehend von der dargestellten Sach- und Rechtslage zeigt sich, dass die in der schriftlichen Vereinbarung der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers vom 6.6.2023 enthaltene Regelung, dass mit dieser Vereinbarung sämtliche wechselseitigen Ansprüche abgegolten und verglichen sind, einen Vergleich (§ 1380 ABGB) darstellt, der anlässlich der einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses des Klägers mit dem Ziel geschlossen wurde, sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten abschließend zu bereinigen.
2.1. Konkret handelt es sich bei diesem vereinbarten Vergleich um einen sogenannten „Generalvergleich“, mit dem sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus dem Dienstverhältnis des Klägers bereinigt werden sollen. Sogar auf Basis des Vorbringens des Klägers (in Verbindung mit den unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Feststellungen) zeigt sich, dass mit dieser Vereinbarung ein Generalvergleich geschlossen wurde, mit dem sämtliche wechselseitigen Ansprüche verglichen wurden, weil im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung - jedenfalls subjektiv aus der Sicht der Vertragsparteien - wechselseitig streitige und zweifelhafte Rechte und Ansprüche vorlagen. So hatte der Kläger selbst bereits im erstinstanzlichen Verfahren ein Vorbringen in diese Richtung erstattet (Näheres dazu siehe das oben auszugsweise wiedergegebene Vorbringen des Klägers), auf dessen Grundlage sich klar ergibt, dass die Höhe der Bonuszahlungen für die Jahre 2021 und 2022 zwischen den Parteien strittig war.
2.2. Darüber hinaus ist abermals zu betonen, dass die Kriterien der Strittigkeit bzw der Zweifelhaftigkeit sich nicht nur auf Rechtsfragen beziehen können, sondern auch auf Tatfragen und gegenwärtige sowie zukünftige Verhältnisse betreffen können. Strittige Tat- und Rechtsfragen waren neben der Frage der Höhe der dem Kläger zustehenden Bonuszahlungen auch die Frage, ob eine Entlassung oder Kündigung des Klägers rechtswirksam erfolgen könnte. So bringt der Kläger sogar selbst in seiner Berufung vor, dass im Gespräch vom 6.6.2024 (gemeint wohl 6.6.2023) „die Varianten einer Vertragsbeendigung erörtert wurden (Kündigung und Entlassung standen im Raum)“.
2.3. Dafür, dass hier kein „Verzicht“, sondern ein Vergleich vorliegt, spricht auch, dass - wie die Beklagte in ihrer Berufungsbeantwortung zutreffend herausgearbeitet hat - der Kläger im Rahmen der vereinbarten Generalbereinigung günstiger gestellt wurde als im Fall seiner Kündigung. So wurde er beispielsweise fast vier Monate dienstfrei gestellt und erhielt zusätzlich von der Beklagten eine „freiwillige Abgangsentschädigung“ von vier Monatsgehältern. Damit zeigt sich, dass auch dem oben dargelegten Prüfungsmaßstab des Günstigkeitsprinzips mit dem gegenständlichen Generalvergleich entsprochen wurde (Näheres dazu siehe oben und Nunner Krautgasser; Ghahramani Hofer aaO Rz 78.26 mwN).
3. Die vom Kläger ins Treffen geführte Entscheidung 8 ObA 11/16z ist mangels vergleichbarer Sachlage für den vorliegenden Fall nicht aussagekräftig. In dem vom Obersten Gerichtshof zu beurteilenden Fall wurde - im Unterschied zu hier - in der Auflösungsvereinbarung nicht auf sämtliche wechselseitigen Ansprüche verzichtet und wurden dort auch keine freiwilligen finanziellen Vorteile zu Gunsten des Dienstnehmers vereinbart.
4. Zusammengefasst ergibt sich somit, dass im Rahmen der schriftlichen Auflösungsvereinbarung vom 6.6.2023 zwischen den Streitteilen ein sogenannter Generalvergleich abgeschlossen wurde. Diesem kommt eine umfassende Bereinigungswirkung zu. Ein solcher Vergleich regelt grundsätzlich sämtliche (auch zukünftigen) Ansprüche, die für die Parteien erkennbar waren, und zwar unabhängig davon, ob sie diese Ansprüche tatsächlich bedacht haben oder nicht (9 ObA 10/05v; RS0032470 [T2]; Nunner Krautgasser; Ghahramani Hofer aaO Rz 78.31 mwN).
4.1. Eine der anerkannten Ausnahmefälle von diesem Grundsatz (Näheres dazu siehe Nunner Krautgasser; Ghahramani Hofer aaO mwN) liegt hier nicht vor. Bei den in der Klage geltend gemachten Boni Forderungen handelt es sich beispielsweise nicht um Ansprüche, an die die Streitteile nicht denken bzw mit deren späteren Entstehen sie trotz Anwendung der pflichtgemäßen Sorgfalt nicht rechnen konnten. Es lagen insofern auch nicht Rechte vor, die eine Partei der anderen „geflissentlich verheimlicht“ hat.
5. Letztlich ist dem Kläger zusätzlich zu entgegnen, dass eine Partei, die nach dem Abschluss eines Generalvergleichs ein Recht geltend macht, im Bestreitungsfall die Behauptungs- und Beweislast für das diesbezügliche Nichteintreten der Bereinigungswirkung trifft (3 Ob 504/77; 8 ObA 175/01w; 2 Ob 45/12z; RS0032504; Nunner Krautgasser; Ghahramani Hofer aaO Rz 78.31 mwN). Dieser Beweis ist dem Kläger im gegenständlichen Verfahren nicht gelungen.
6. Ausgehend von der dargestellten Sach- und Rechtslage zeigt sich, dass der vom Berufungswerber gerügte Feststellungsmangel nicht vorliegt. Die vom Kläger behaupteten noch offenen Boni Ansprüche sind von der Bereinigungswirkung des Generalvergleichs umfasst, weshalb es rechtlich irrelevant ist, ob der Kläger in den Jahren 2021, 2022 und 2023 die gesetzten und im Rahmen der Bonusvereinbarung relevanten Ziele zu 100 % erreicht hat.
7. Der unberechtigten Berufung war daher spruchgemäß nicht Folge zu geben.
8. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf die §§ 2 Abs 1 ASGG, 41 Abs 1 und 50 ZPO. Der Kläger hat der Beklagten die tarifmäßig verzeichneten Kosten ihrer Berufungsbeantwortung zu ersetzen.
9. Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG geforderten Qualität nicht zur Beurteilung vorlag. Das Berufungsgericht ist bei seiner Entscheidung von der zitierten einhelligen höchstgerichtlichen Rechtsprechung ausgegangen; es liegt eine Einzelfallentscheidung vor.