10Rs9/25d – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Atria als Vorsitzenden, die Richterin Mag. Oberbauer und den Richter Mag. Schmoliner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Helmut Oberzaucher (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Elisabeth Schubert (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. A* , geb. **, **, vertreten durch die Rohregger Rechtsanwalts GmbH in Wien, wider die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt , **, wegen Korridorpension, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 30.09.2024, GZ **-8, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen (I.) und zu Recht erkannt (II.):
Spruch
I. Das Berufungsverfahren wird fortgesetzt.
II. Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Berufung selbst zu tragen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am ** geborene Kläger kündigte sein Dienstverhältnis zum 31.3.2024 wegen des Pensionsantritts. Er erfüllte die Voraussetzungen für den Bezug einer Korridorpension nach § 4 Abs 2 APG zum 1.2.2024 und bezog ab 1.4.2024 eine Korridorpension von EUR 2.777,66 monatlich. Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe bezog er nicht.
Mit Bescheid vom 10.4.2024 (Beilage ./A = ./1) anerkannte die Beklagte den Anspruch des Klägers auf Korridorpension ab 1.4.2024 und sprach aus, dass deren Höhe EUR 2.777,66 betrage.
Der Klägererhob dagegen die auf Zuerkennung des Erhöhungsbetrags nach § 34 APG ab 1.4.2024 in Höhe von EUR 160,35 monatlich gerichtete Klage im Wesentlichen mit der Begründung, die Bestimmung des § 34 APG sei verfassungswidrig. Sie verstoße gegen das Bestimmtheitsgebot und den Gleichheitsgrundsatz, indem sie jene Personen wie den Kläger benachteilige, bei denen die Anspruchsvoraussetzungen erstmals im Jahr 2024 erfüllt werden.
Die Beklagte wandte ein, der Kläger habe keinen Anspruch auf den Erhöhungsbeitrag, weil die Voraussetzungen dafür mangels ausreichender Beitragsmonate noch nicht schon 2023 vorgelegen hätten und er die Korridorpension nicht in Folge der Beendigung des Arbeitslosengeld- oder Notstandshilfeanspruchs angetreten habe.
Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es ging dabei vom eingangs wiedergegebenen, im Berufungsverfahren unstrittigen Sachverhalt aus.
Rechtlich folgerte es, ein Erhöhungsbeitrag nach § 34 Abs 2 APG stehe dem Kläger nicht zu, weil er die Voraussetzungen nach Abs 1 Z 2 und 3 der zitierten Bestimmung – die nicht verfassungswidrig sei – nicht erfülle.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers ausschließlich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Urteil im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern, hilfsweise es aufzuheben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Mit der Berufung verband der Kläger einen Parteienantrag an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art 140 B-VG.
Die Beklagte beteiligte sich nicht am Berufungsverfahren.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt .
I. Das Berufungsgericht hielt mit Beschluss vom 13.2.2025 mit dem Berufungsverfahren bis zum Einlangen der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über den vom Kläger gestellten Antrag auf Normenkontrolle inne.
Mit Beschluss vom 25.2.2025, **-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung des Antrags des Klägers mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg ab.
Das Verfahren vor dem Berufungsgericht war daher gemäß § 528b Abs 3 ZPO von Amts wegen fortzusetzen.
II. 1.§ 34 APG in der hier anzuwendenden Fassung (BGBl I 133/2023) lautet:
Erhöhung von Pensionen mit Stichtag im Jahr 2024
(1) Das Ausmaß folgender Pensionsleistungen ist – im Anschluss an ihre Feststellung nach den §§ 5 und 6 – zu erhöhen (Abs. 2), wenn ihr Stichtag nach § 223 Abs 2 ASVG (§ 113 Abs 2 GSVG, § 104 Abs 2 BSVG) in das Kalenderjahr 2024 fällt:
1. Alterspensionen nach § 4 Abs 1 oder § 253 ASVG (§ 130 GSVG, § 121 BSVG), Schwerarbeitspensionen nach § 4 Abs 3 und vorzeitige Alterspensionen nach § 25 Abs 4 und 5;
2. Korridorpensionen nach § 4 Abs 2, für die am 31. Dezember 2023 bereits die Anspruchsvoraussetzungen – mit Ausnahme der Voraussetzung des Fehlens einer die Pflichtversicherung begründenden Erwerbstätigkeit oder eines die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs 2 ASVG übersteigenden Erwerbseinkommens am Stichtag – vorgelegen sind;
3. Korridorpensionen nach § 4 Abs 2, die infolge der Beendigung des Arbeitslosengeld- oder des Notstandshilfeanspruchs nach §§ 22 und 38 AlVG im Kalenderjahr 2024 angetreten werden;
4. Pensionen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit (Erwerbsunfähigkeit).
(2) Der Erhöhungsbetrag nach Abs. 1 beläuft sich auf 6,2% der Gesamtgutschrift 2022, geteilt durch 14 und vermindert oder erhöht im gleichen prozentuellen Ausmaß wie die Leistung nach § 5 Abs 1 in Verbindung mit § 5 Abs 2 oder 4 und § 6 Abs 1 und 2 bzw nach § 25 Abs 4 und 5.
(3) Der Erhöhungsbetrag ist ab Zuerkennung der Pension Bestandteil der Pensionsleistung.
(4) Der Erhöhungsbetrag gebührt auch zu Pensionsleistungen nach Abs 1, die für die Ermittlung von Hinterbliebenenpensionen (§ 7 Z 1) zu berechnen sind.
2. Mit seinen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Bestimmung wird der Kläger auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs verwiesen, der dazu ausführte:
Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl VfGH 4.12.2023, G 197-202/2023 uva, mwN dazu, dass Regelungen über eine Pensionserhöhung im Allgemeinen nicht in das Eigentumsgrundrecht eingreifen) lässt das Vorbringen des Antrages die behaupteten Verfassungswidrigkeiten als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass er keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Vor dem Hintergrund maßgeblicher Unterschiede im Tatsächlichen bestehen auch keine Bedenken ob des Gleichheitsgrundsatzes gegen den Ausschluss von der Gewährung einer Erhöhung von Pensionen mit Stichtag im Jahr 2024 für Fälle, in denen der Versicherte anders disponieren hätte können:
Der Antragsteller übersieht, dass der in § 34 Abs 1 Z 3 APG erwähnte Anspruch auf Arbeitslosengeld ua voraussetzt, dass der Betroffene der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (vgl § 7 Abs 1 Z 1 AlVG), was wiederum ua dessen Arbeitswilligkeit iSd § 9 AlVG bedingt (vgl § 7 Abs 2 leg.cit.). Im Falle von Personen, die ihre Erwerbstätigkeit aufgeben, um den Erhöhungsbetrag zu erwirken, wird dieses Kriterium idR nicht erfüllt sein, sodass diesfalls kein Arbeitslosengeldanspruch besteht und – als Folge dessen – kein Erhöhungsbetrag gemäß § 34 Abs 1 Z 3 APG zusteht.
Die in Rede stehende Bestimmung ist (schon nach ihrem Wortlaut, umso mehr unter Heranziehung der Materialien) einer eindeutigen Auslegung zugänglich, sodass die erhobenen Bedenken wegen Verstoßes gegen Art 18 B-VG nicht zutreffen (zur Zulässigkeit der Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe vgl VfSlg 3981/1961, 18.550/2008, 19.530/2011 und 20.070/2016).
3. Ausgehend davon versagt auch die Rechtsrüge:
3.1.Unstrittig erfüllte der Kläger die Voraussetzung des § 4 Abs 2 APG (Erwerb von mindestens 480 Versicherungsmonaten) erst zum 1.2.2024.
Voraussetzung für die Gewährung eines Erhöhungsbeitrags nach § 34 Abs 1 Z 2 APG ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung, dass die Anspruchsvoraussetzungen bereits am 31.12.2023 vorgelegen sind. Das war beim Kläger nicht der Fall, weshalb er keinen Anspruch auf einen Erhöhungsbeitrag nach dieser Bestimmung hat.
3.2.Da zudem feststeht, dass der Kläger die Korridorpension nicht infolge Beendigung des Arbeitslosengeld- oder Notstandshilfeanspruchs angetreten hat, sondern aufgrund der Beendigung des Dienstverhältnisses zum 31.3.2024, ist auch die Voraussetzung des § 34 Abs 1 Z 3 APG nicht erfüllt.
4. Zusammengefasst erfüllt der Kläger damit keine der in § 34 genannten Voraussetzungen für den Erhöhungsbeitrag. Gegen die Höhe der Korridorpension ohne Erhöhungsbeitrag wendet sich die Berufung nicht, weshalb sie insgesamt erfolglos bleiben musste.
5.Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit gemäß § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG wurden in der Berufung nicht vorgebracht und sind aus dem Akteninhalt nicht zu erkennen. Der Kläger hat daher die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
6.Die primär behauptete Verfassungswidrigkeit des § 34 APG wurde vom dazu berufenen Verfassungsgerichtshof entschieden. Sonstige Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO stellen sich angesichts der klaren gesetzlichen Regelung nicht (vgl RS0042656), weshalb die ordentliche Revision nicht zulässig ist.