2R41/25a – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann (Vorsitzender) sowie die Richter MMag. Popelka und Dr. Nowak in der Rechtssache der klagenden Partei A*, **, vertreten durch Dr. Josef Fromhold, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. B* GmbH, **, vertreten durch Mag. Katharina Kurz, Rechtsanwältin in Wien, und 2. C* GmbH, **, vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Graz, wegen EUR 22.250 samt Anhang, über den Kostenrekurs der klagenden Partei (Rekursinteresse: EUR 742,80) gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 21.2.2025, **-35, in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Spruch
Dem Kostenrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird in seinem Punkt 1. dahin abgeändert, dass er zu lauten hat:
„1. Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit EUR 3.396,48 (darin EUR 566,08 USt) bestimmten Prozesskosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Die zweitbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 203,95 (darin EUR 33,99 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
B e g r ü n d u n g:
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin von der Erst- und der Zweitbeklagten unter Behauptung deren Solidarhaftung Zahlung.
In dritter Instanz wies der Oberste Gerichtshof die Klage in Ansehung der Zweitbeklagten ab; in Ansehung der Erstbeklagten hob er die Urteile der Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Hinsichtlich der Revision der Zweitbeklagten hob der OGH überdies die Kostenaussprüche der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht die Fällung einer neuen Entscheidung über die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens auf.
Die Zweitbeklagte verzeichnete in ihrem am Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz gelegten Kostenverzeichnis für die Tagsatzung vom 6.9.2023 EUR 662,50 netto samt doppeltem Einheitssatz zuzüglich USt.
In ihren Einwendungen gegen dieses Kostenverzeichnis sprach sich die Klägerin gegen den Zuspruch des doppelten Einheitssatzes für jene Tagsatzung aus, dieser stehe, weil sich die Zweitbeklagte in dieser Tagsatzung durch die Erstbeklagtenvertreterin habe substituieren lassen, wegen Verstoßes gegen das Missbrauchsverbot nicht zu; dass den Beklagten bloß Kopfteile – hier also die Hälfte – zuzusprechen gewesen wären, rügte die Klägerin in ihren Einwendungen nicht; diese enthielten auch keine Alternativrechnung der den Beklagten nach Ansicht der Klägerin im Falle deren Prozessgewinns zustehenden Kosten.
Mit dem angefochtenen Beschluss erkannte das Erstgericht die Klägerin schuldig, der Zweitbeklagten deren mit EUR 4.111,98 bestimmten Verfahrenskosten des erstinstanzlichen Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen (Punkt 1. des Spruches). Der Zweitbeklagten würden für die Verhandlung vom 6.9.2023 EUR 662,50 netto samt doppeltem Einheitssatz zuzüglich USt zustehen.
Das Erstgericht entschied in jenem Beschluss auch über die Kosten des Berufungsverfahrens (Punkt 2. des Spruches); diese Entscheidung blieb unbekämpft.
Nur gegen die Höhe des Zuspruchs der erstinstanzlichen Kosten an die Zweitbeklagte (Punkt 1. des Spruches) richtet sich der Kostenrekurs der Klägerin aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass die Klägerin zu einem erstinstanzlichen Kostenersatz von bloß EUR 3.369,18 verhalten werde, also um EUR 742,80 weniger.
Die Zweitbeklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist teilweise – zum größten Teil – berechtigt .
1. In ihrem Kostenrekurs moniert die Klägerin, das Erstgericht habe der Zweitbeklagten zu Unrecht die vollen Kosten für die Tagsatzung vom 6.9.2023 zugesprochen, obwohl die Klägerin bereits in ihren Einwendungen gegen die Kostenverzeichnisse der Beklagten darauf hingewiesen habe, dass die Vertreterin der Zweitbeklagten bei dieser Tagsatzung nicht aus ** angereist und eingeschritten, sondern von der Erstbeklagtenvertreterin Mag. Katharina Kurz substituiert worden sei.
Damit könne es aber nicht angehen, dass beide Beklagten für diese Tagsatzung jeweils den vollen Kostenersatz geltend machen könnten und (einstweilen nur die Zweitbeklagte) zugesprochen erhielten, vielmehr könnten für diese Tagsatzung vom 6.9.2023 beide Beklagte jeweils nur 50% hiervon und sodann 10% Streitgenossenzuschlag verrechnen.
1.1. Die Rekursgegnerin weist zutreffend darauf hin, dass die Einwendungen der Klägerin nicht alternativ durchgerechnet sind.
Es entspricht nun aber der Rechtsprechung des erkennenden Senats (OLG Wien 2 R 129/19h) wie auch der jüngsten Rechtsprechung des OLG Wien (13 R 124/24m, 15 R 193/23x = RW0000947 T2), dass § 54 Abs 1a ZPO nur verlangt, dass die Einwendungen „begründet“ sein müssen. Es ist daher ausreichend, wenn erkennbar ist, welche Positionen des Kostenverzeichnisses aus welchen Gründen und in welcher Höhe beanstandet werden.
Die fehlende Alternativkalkulation in den Einwendungen der Klägerin hindert per se also nicht eine Wahrnehmung im Rechtsmittelverfahren.
1.2. Gemäß § 54 Abs 1a ZPO hat das Gericht das Kostenverzeichnis seiner Entscheidung zu Grunde zu legen, soweit der durch einen Rechtsanwalt vertretene Gegner gegen die verzeichneten Kosten keine begründeten Einwendungen erhebt. Ohne konkrete Einwendungen sind daher nur offenbare Unrichtigkeiten sowie Schreib- und Rechenfehler wahrzunehmen (RL0000133; vgl auch RW0000471, RW0000817, RW0000947, RG0000064).
1.2.1. Nach ständiger Rechtsprechung sind allerdings alle den Anspruchsgrund betreffenden Umstände nicht einwendungspflichtig ( Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.60, 1.72 mzwN), so etwa nicht erbrachte Leistungen ( ders , aaO Rz 1.71).
1.2.2. Werden etwa Kosten für eine Tagsatzung verzeichnet, die in Wahrheit nicht stattgefunden hat, ist der Anspruchsgrund betroffen. Dieser Umstand ist also nicht einwendungspflichtig.
1.2.3. Nichts anderes gilt im vorliegenden Fall: Statt zwei Anwälten erschien nur eine – die Erstbeklagtenvertreterin – zur Tagsatzung. Sie überreichte (pflichtgemäß) zwei Kostenverzeichnisse, in denen jedoch jeweils die vollen Kosten für jene Tagsatzung verzeichnet wurden – geradeso, als wäre auch der Zweitbeklagtenvertreter erschienen. Auch hier ist also der Anspruchsgrund betroffen.
1.2.4. Trotz des Fehlens von diesbezüglichen Einwendungen der Klägerin gegen die Kostenverzeichnisse der Beklagten ist dem Rekursgericht die Überprüfung des monierten Ansatzes daher möglich.
1.3. Dass der Zweitbeklagten der doppelte Einheitssatz zusteht, ist im Rekursverfahren zu Recht nicht mehr strittig.
1.4. Dringt der Kläger, der mehrere Beklagte mit der Behauptung ihrer Solidarhaftung in Anspruch nimmt, gegen einen oder mehrere Beklagte durch, unterliegt er aber zumindest gegen einen, so hat der obsiegende Beklagte, sofern alle Beklagten durch denselben – gemeinsamen – Anwalt vertreten sind, Anspruch auf die anteilige Kopfquote der Gesamtkosten aller Beklagten samt Streitgenossenzuschlag; volle Kosten stehen dem obsiegenden Beklagten dann zu, wenn er durch einen eigenen Anwalt vertreten war (zu all dem Obermaier , Kostenhandbuch 4 Rz 1.357, jeweils mzwN in FN 1450 bis 1454).
1.5. Im vorliegenden Fall bezweifelt die Rekurswerberin, dass die Zweitbeklagte in der Tagsatzung vom 6.9.2023 durch einen eigenen Anwalt vertreten gewesen sei.
1.5.1. Das Rekursgericht hat sich bereits mit einem ganz vergleichbaren Fall befasst, in dem für den dortigen Drittbeklagten in einer Verhandlung nicht der Drittbeklagtenvertreter selbst, sondern die Erstbeklagtenvertreterin unter Berufung auf die erteilte Substitutionsvollmacht einschritt. Es führte aus:
„Gemäß § 31 Abs 2 ZPO kann der Rechtsanwalt die ihm erteilte Prozessvollmacht für einzelne Akte oder Abschnitte des Verfahrens an einen anderen Rechtsanwalt übertragen. Auch § 14 RAO berechtigt den Rechtsanwalt, im Verhinderungsfall einen andern Rechtsanwalt unter gesetzlicher Haftung zu substituieren.
Dem prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt ist damit im Außenverhältnis zwingend die Befugnis eingeräumt, für einzelne Prozesshandlungen oder Verfahrensabschnitte einen anderen Rechtsanwalt zu substituieren, d.h. ihm eine Untervollmacht zu erteilen, die für den betreffenden Bereich ebenfalls Prozessvollmacht ist ( Domej in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 31 ZPO Rz 17).
Die Untervollmacht wird zwar vom Hauptvertreter, aber als direkte Vertretungsmacht für die Partei in deren Namen erteilt ( Zib in Fasching/Konecny 3§§ 31, 32 ZPO Rz 40). Der Unterbevollmächtigte ist damit Vertreter der Partei, nicht ihres Hauptbevollmächtigten ( Domej aaO Rz 19).“ (OLG Wien 16 R 71/24i).
Durch einen jeweils eigenen Anwalt seien die dort in Rede stehenden Parteien (Erst- und Drittbeklagte) in der betreffenden Tagsatzung nicht vertreten gewesen, sodass eine Honorierung bloß nach Kopfteilen inklusive Streitgenossenzuschlag gebühre, so das Rekursgericht weiter.
1.5.2. Dem ist beizupflichten: Die Übertragung der Prozessvollmacht gemäß § 31 Abs 2 ZPO ist„Unterbevollmächtigung über den vollen gesetzlich definierten Vollmachtsumfang der §§ 31, 32 ZPO.“ ( Zib in Fasching/Konecny 3II/1 §§ 31, 32 ZPO Rz 38 [Stand 1.9.2014, rdb.at]) und führt gerade dazu, dass der Substitut die Partei vertritt, nicht aber den Substituenten.
1.5.3. In der Tat waren die Beklagten im vorliegenden Fall in der Tagsatzung vom 6.9.2023 daher von einer gemeinsamen Anwältin, der Erstbeklagtenvertreterin, vertreten, sodass die Zweitbeklagte bloß Anspruch auf die anteilige Kopfquote der Gesamtkosten aller Beklagten samt Streitgenossenzuschlag hat.
1.5.4. Der Zweitbeklagten stehen an Kosten für das erstinstanzliche Verfahren daher nicht EUR 4.111,98 brutto zu, sondern EUR 3.396,48 brutto: Statt EUR 1.590 brutto gebühren ihr für die Teilnahme an der Tagsatzung vom 6.9.2023 EUR 874,50 (662,50 x 2 [doppelter Einheitssatz] x 1,1 [Streitgenossenzuschlag] x 1,2 [USt] : 2 [Kopfteile; bei zwei Beklagten daher die Hälfte]). Damit sprach ihr das Erstgericht (bei richtiger Berechnung) um EUR 715,50 zu viel an Kosten zu.
2. Mit ihrem Rekurs dringt die Klägerin daher zum größten Teil durch.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf §§ 43 Abs 2 erster Fall, 50 ZPO iVm § 11 RATG.
Angesichts des Rekursinteresses von EUR 742,80 war die Klägerin zu rund 4 Prozent und damit nur verhältnismäßig geringfügig unterliegend.
Die Bemessungsgrundlage beträgt im Anwendungsbereich des § 43 Abs 2 erster Fall ZPO den ersiegten Betrag, hier also EUR 715,50. Zufolge Tarifsprungs (bei EUR 730) wirkte sich dies auch konkret auf die Kosten des Rekursverfahrens aus.
Gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO ist der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.