3R154/24z – OLG Wien Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Wien hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Iby als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. a Müller und den Kommerzialrat Langenbach, MBA, in der Rechtssache der klagenden Partei A* , geb. **, Selbständiger, **, vertreten durch die Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Wien, wider die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, vertreten durch Dr. in Nina Ollinger, Rechtsanwältin in Purkersdorf, wegen EUR 28.641,20 sA, über die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 27.6.2024, **-29, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.007,02 (darin enthalten EUR 501,17 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger betreibt eine Hotelpension in **. Die Beklagte ist Franchisegeberin für „C*“ Backshop Filialen. Der Kläger bewarb sich im Herbst 2020 bei der Beklagten als Franchisenehmer für einen Backshop.
Der Kläger bekam im November 2020 die Musterverträge von der Beklagten zur Durchsicht übermittelt, sah sich diese durch und überprüfte wichtige sowie unklare Punkte. Das Sonderkündigungsrecht des Franchisegebers kam ihm nicht unklar oder diskussionswürdig vor. Als Vertragsstandort war der Backshop in der D*, vorgesehen.
Der Franchise Vertrags lautet auszugsweise:
„16.
Sonderkündigungsrecht des Franchise-Gebers
16.1. Ausdrücklich als vereinbart gilt ein Sonderkündigungsrecht des Franchise-Gebers für den Fall, dass der Franchise-Geber im Zuge der Ausbildung des Franchise-Partners zu der Überzeugung gelangt, dass der Franchise-Partner zur Führung eines eigenen Systembetriebs nicht geeignet ist, da er die Anforderungen an zukünftige Franchise-Partner nicht erfüllt. Der Franchise-Geber wird eine solche Entscheidung nach reiflicher Überlegung und Abwägung treffen. Diese Entscheidung liegt jedoch im alleinigen Ermessen des Franchise-Gebers.
16.2. Das Sonderkündigungsrecht entspricht einer Auflösung aus einem wichtigen Grund und ist ohne Einhaltung einer Frist zulässig. Der Ausspruch dieses Sonderkündigungsrecht darf jedoch nur vor Übernahme des Vertragsstandortes durch den Franchise-Partner erfolgen. Die Ausübung dieses Sonderkündigungsrechtes erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes an den Franchise-Partner.“
Die Gründung einer Personengesellschaft für den Betrieb der Franchise-Filiale wurde von der Beklagten nicht gefordert. Das wusste der Kläger zwar, er entschied sich aber dennoch dafür, eine Personengesellschaft für den Zweck der Franchise-Partnerschaft abzuschließen.
Der Notartermin zur Gründung der Personengesellschaft „E* KG“ fand am 16.6.2021 statt. Die Gesellschafter beantragten letztlich die Eintragung mit dem Firmenwortlaut „F* KG“, die am 14.7.2021 erfolgte. Für die Errichtung der Personengesellschaft und den Firmenbuchantrag fielen für den Kläger EUR 500 beim Notar und EUR 126,20 beim Firmenbuch des Handelsgerichts Wien an. Der Kläger ist Komplementär, sein Onkel G* ist Kommanditist der Gesellschaft.
Am 17.6.2021 fand der Termin zur Unterzeichnung des Franchisevertrags statt. Der Kläger unterzeichnete die Verträge als Inhaber der „E* KG“. Der Franchisevertrag wurde schließlich von der Geschäftsführung der Beklagten gegengezeichnet. Es stellte sich jedoch heraus, dass im Vertrag noch die alte Firmenbezeichnung „E* KG“ der vom Kläger eigens gegründeten KG angegeben war. Es wurde ein neuer Vertrag mit der eingetragenen Firmenbezeichnung „F* KG“ aufgesetzt, welcher aber aufgrund der Beendigung des Übernahmeprozesses von der Geschäftsführung der Beklagten letztlich nicht gegengezeichnet wurde.
Jeder potentielle Franchisepartner der Beklagten muss nach Vertragsabschluss eine Einschulungsphase absolvieren, welche einerseits dazu dient, einen potentiellen Franchisepartner einzuschulen und andererseits, dessen Fähigkeiten und Eignung zur Führung einer eigenen Filiale vor deren Übergabe zu prüfen. Der Kläger war vom 21.6.2021 bis 21.7.2021 zur Einschulung in drei Filialen und der Zentrale der Beklagten. Im Zuge der Einschulung stellte sich heraus, dass der Kläger sich nicht in der körperlichen Verfassung befand, einen Backshop eigenverantwortlich zu führen, und er nicht in der Lage ist, diesen operativ zu betreuen.
Aufgrund dessen erklärte die Beklagte dem Kläger persönlich ohne Verzug nach Bekanntwerden der Umstände am 23.7.2021, keine Franchisepartnerschaft mit ihm einzugehen und den angedachten Standort in der „D*“ nicht an ihn zu übergeben. Dies wurde in einer E-Mail der Beklagten vom 11.08.2021 nochmals schriftlich bestätigt, bevor jegliche Verbindlichkeiten einer zukünftigen Franchisepartnerschaft entstehen konnten.
Der Kläger erstellte im Zuge des Übergabe-Prozesses aus eigenem Antrieb Konzepte, um zB Zusatzeinkünfte für die Beklagte durch Belieferung von Hotels mit Frühstück zu akquirieren. Dies war keine Vorgabe der Beklagten.
Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Einzelpositionen seiner diversen Tätigkeiten und Aufwendungen zwischen dem 27.8.2020 und 4.8.2021 konnten weder ein konkreter Zeitpunkt noch ein konkretes Ausmaß noch der jeweils genaue finanzielle Aufwand des Klägers festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, ob und in welchem konkreten Ausmaß sein Onkel dem Kläger bei diesen Tätigkeiten half oder eigene Tätigkeiten entfaltete und/oder Aufwendungen selbst trug. Eine Abtretung solcher Ansprüche an den Kläger konnte nicht festgestellt werden.
Der Kläger begehrt EUR 28.641,20 sA. Er habe im Vertrauen auf das Zustandekommen des Franchise Vertrages hinsichtlich des Backshops im Einkaufszentrum „D*“ mit seinem Onkel zahlreiche Arbeitsstunden zur Vorbereitung des Geschäfts aufgewendet und das zeitaufwendige Filialleitertraining absolviert. Der vom Kläger bereits unterzeichnete Franchise-Vertrag sei von der Beklagten höchst überraschend zurückgezogen worden. Die Beklagte habe sich erst im Verfahren auf das – den Kläger gröblich benachteiligende und sittenwidrige – Sonderkündigungsrecht berufen und die vertraglich vorgesehenen Formvorschriften (Ausübung mittels eingeschriebenen Briefes) nicht eingehalten. Der Vertrauensschaden in Höhe des Klagsbetrags setze sich aus den Auslagen/Spesen (Reise-, Versendungs- und Vertragserrichtungskosten, Notar, Rechtsanwalt, Gebühren, Beratungskosten) sowie zahlreichen Eigenleistungen zwischen 27.8.2020 und 4.8.2021 zusammen. Sein Onkel habe ihm dessen Ansprüche abgetreten.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und brachte vor, dass in Pkt 16 des Franchisevertrags ein Sonderkündigungsrecht des Franchisegebers für den Fall vorgesehen sei, dass der potentielle Franchisepartner nicht zur Führung eines eigenen Systembetriebes geeignet sei. Der Kläger habe den Vertrag am 17.6.2021 unterzeichnet, bei der Beklagten musste der Vertrag erst der Geschäftsführung vorgelegt werden. Der Kläger habe sich ab 21.6.2021 in der Einschulungsphase befunden. Dabei habe sich herausgestellt, dass er nicht geeignet sei, einen Backshop eigenverantwortlich zu führen und diesen operativ und wirtschaftlich erfolgreich zu betreuen. Die – von der Beklagten zur Führung der Filiale nicht verlangte - Gesellschaftsgründung durch den Kläger sei mit 14.7.2021 erfolgt. Die Beklagte habe dem Kläger gegenüber nicht suggeriert, eine „Idealbesetzung“ zu sein, sodass ein Ersatz von allfälligen Schäden aus culpa in contrahendo ausscheide. Der Kläger sei Unternehmer, das Risiko (und die damit verbundenen Kosten) der Gründung einer KG sei nicht auf die Beklagte abwälzbar. Die vom Kläger behaupteten aufgewendeten Zeiten für die Vorbereitung des Franchisevertragsverhältnisses seien völlig überzogen und nicht ersatzfähig. Hinsichtlich jener Tätigkeiten und Aufwendungen, die vom Geschäftspartner des Klägers, seinem Onkel, erbracht worden wären, fehle es an der Aktivlegitimation. Die Einschulung sei eine von der Beklagten erbrachte Leistung gewesen, die mit Aufwendungen verbunden gewesen sei. Die Beklagte erhob eine Gegenforderung bis zur Höhe der Klagsforderung, mindestens jedoch von EUR 2.800 an Aufwand der Beklagten in der Einschulungsphase des Klägers. Der Kläger schulde gem Pkt 11 des Vertrags eine Einstiegsgebühr von EUR 25.000.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 27.6.2024 wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es traf dazu die auf den Seiten 1 und 4 bis 8 der Urteilsausfertigung ersichtlichen Feststellungen, auf die verwiesen wird und die am Beginn der Entscheidungsgründe zusammengefasst und soweit für das Berufungsverfahren von Relevanz wiedergegeben werden.
Rechtlich kam es zum Ergebnis, dass der in der letzten Tagsatzung gestellte dort zurückgewiesene Beweisantrag (Urkunden Beilagen ./G ./R samt Vorbringen dazu) grob schuldhaft verspätet gestellt worden sei und eine weitere Beweisaufnahme erfordert hätte. Der Kläger hätte unter Berücksichtigung der Erörterung ausreichend Zeit gehabt, die von ihm geltend gemachten Positionen früher zu belegen. Außerdem hätten die Urkunden teilweise aus einzelnen losen Blättern bestanden, die nicht nachvollziehbar geordnet und nicht ZPO-konform bezeichnet gewesen seien. Da keine weiteren beantragten Zeugen der beiden Parteien ausständig waren, hätte die Zulassung des ergänzenden Vorbringens samt äußerst umfangreicher Urkundenvorlage in jedem Fall eine Replik der Beklagten und eine weitere Verhandlung erfordert. In der Sache ging es davon aus, dass ein Franchisevertrag zwischen der Personengesellschaft des Klägers und der Beklagten abgeschlossen worden sei, der als Dauerschuldverhältnis aus wichtigen Gründen jederzeit gelöst werden könne. Das von der Beklagten ausgeübte Sonderkündigungsrecht in der Einschulungsphase sei weder gröblich benachteiligend noch sittenwidrig. Die Beklagte habe unter Beweis gestellt, dass der Kläger die Anforderungen an einen Franchisepartner nicht erfülle. Dass die Beklagte keinen eingeschriebenen Brief geschickt habe, sei nicht relevant, weil der Kläger die Kündigungserklärung erhalten und angenommen habe. Er sei auch nicht gegen die Kündigung vorgegangen, sondern fordere Schadenersatz unter dem Titel eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses. Der Kläger habe die einzeln geltend gemachten Positionen seines Begehrens nicht unter Beweis stellen können. Die Kosten für Notar und Firmenbuchanträge seien nicht ersatzfähig, weil die Gründung einer Personengesellschaft von der Beklagten weder vorgesehen gewesen noch gefordert worden sei. Nicht festgestellt habe werden können, ob und welche Tätigkeiten und Aufwendungen des Onkels des Klägers abgegolten werden sollten und ob überhaupt eine Zession von dessen allfälligen Ansprüchen erfolgt sei.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung samt sekundärer Feststellungsmängel mit einem auf Klagsstattgabe gerichteten Abänderungs-, in eventu Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt, der Berufung keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist nicht berechtigt.
1.1 In seiner Verfahrensrüge macht der Berufungswerber geltend, dass das Erstgericht wesentliche Urkunden des Klägers zum Leistungsumfang nicht zugelassen habe. Der Beweiszweck sei konkretisiert und es sei dargelegt worden, welche Passagen in den vorgelegten Urkunden wesentlich seien, die zum Beweis des tatsächlichen Umfangs der Leistungen vorgelegt worden seien, die der Kläger im Glauben getätigt habe, die Filialleitung übertragen zu bekommen. Selbst dann, wenn das Gericht die Urkunden zu Recht zurückgewiesen hätte, hätte es Feststellungen über die vom Kläger getätigten Aufwendungen positiv oder negativ treffen müssen.
1.2Das Erstgericht stützte die Zurückweisung der Urkunden in der Tagsatzung vom 1.12.2023 auf § 179 zweiter Satz ZPO und traf im Urteil folgende (unbekämpft) gebliebene Feststellung: „Hinsichtlich der vom Kläger geltend gemachten Einzelpositionen seiner diversen Tätigkeiten und Aufwendungen zwischen dem 27.8.2020 und 4.8.2021 konnten weder ein konkreter Zeitpunkt noch ein konkretes Ausmaß, noch der jeweils genaue finanzielle Aufwand des Klägers festgestellt werden.“
1.3.1Nach § 179 erster Satz ZPO können die Parteien grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung neue auf den Gegenstand dieser Verhandlung bezügliche tatsächliche Behauptungen und Beweismittel vorbringen.
Solches Vorbringen kann jedoch nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung vom Gericht auf Antrag oder von Amts wegen zurückgewiesen werden, wenn es, insbesondere im Hinblick auf die Erörterung des Sach- und Rechtsvorbringens, grob schuldhaft nicht früher vorgebracht wurde und seine Zulassung die Erledigung des Verfahrens erheblich verzögern würde.
Eine solche Verzögerung kann nur eintreten, wenn die Zulassung die Entscheidung der Sache hinausschieben würde, der Schluss der Verhandlung also auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden müsste. Um den neuen Beweisantrag zu erledigen, müsste zumindest noch eine sonst nicht erforderliche zusätzliche Tagsatzung stattfinden oder ein anderer Verfahrensschritt erforderlich sein, der eine Hinausschiebung der Entscheidung zur Folge hätte (OLG Wien, 1 R 44/09m = RW0000452; vgl auch 3 Ob 61/07b; Annerl in Fasching/Konecny 3II/3 § 179 ZPO Rz 76, 78; Trenker in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 179 ZPO Rz 9; Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack, ZPO § 179 ZPO Rz 6).
Die Partei, die Vorbringen nicht bei erster Gelegenheit erstattet, hat von sich aus darzutun, dass das Verfahren bei rechtzeitigem Vorbringen nicht rascher hätte beendet werden können, sofern Gegenteiliges nicht schon nach der Aktenlage naheliegt. Diesbezüglich weiterbestehende Unsicherheiten gehen dann zu ihren Lasten.
Die Bestimmung ist nicht nur auf tatsächliche Behauptungen sondern auch auf Beweismittelanträge anzuwenden, und zwar selbst dann, wenn diese nicht mit einem neuen Vorbringen verbunden sind (vgl AnnerlaaO § 179 ZPO Rz 51; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 275 Rz 3).
1.3.2 Das Erstgericht erörterte bereits in der vorbereitenden Tagsatzung vom 29.11.2022 (ON 15.2, S. 2) unter Bezugnahme auf die von den Parteien gestellten Beweisanbote, dass den Kläger hinsichtlich der geltend gemachten Positionen eine erhebliche Beweislast treffe und das Beweisverfahren über einzelne Telefonate und Schreiben sowie Beobachtung von C*-Filialen geführt werden müsste, die Position über EUR 2.579,20 gänzlich zweifelhaft und am ehesten nachvollziehbar Aufwendungen wie etwa Notarkosten für die Firmengründung und die Errichtung eines Gesellschaftsvertrags oder die Hinzuziehung von berufsmäßigen Parteienvertretern wie einem Steuerberater seien. Weiters wies der Erstrichter darauf hin, dass die Kosten der langwierigen Unternehmensbeobachtung und der Ausarbeitung von Konzepten nur zustehen können, falls die Beklagte solche Leistungen gefordert hätte.
Auch in der darauffolgenden Tagsatzung vom 2.6.2023 (ON 22.2, S. 2) wies der Erstrichter darauf hin, dass abgesehen von der Gebühr und den Rechnungen des Notars und allenfalls des Steuerberaters derzeit keine Positionen betraglich festgemacht werden können. Auch nach Rückfrage des Richters stellte der Kläger keine weiteren Anträge.
Wenn der Kläger sodann erst in der (letzten) Tagsatzung vom 1.12.2023 zum Beweis seines Aufwandes im Glauben an den Vertragsabschluss umfangreiche Urkunden (./G bis ./R) vorlegte, die teilweise nicht geordnet oder ZPO-konform bezeichnet waren (vgl ON 25.4, S. 4), liegt eine grob schuldhafte Verspätung vor, weil dem Kläger die Beweisthemen sowie die Notwendigkeit der Beweismittel spätestens seit der vorbereitenden Tagsatzung bekannt sein mussten - selbst wenn es sich, wie der Kläger behauptet, nur um eine Konkretisierung des bisherigen Beweisanbots gehandelt haben mag (← 1.3.1).
1.3.3 Zwar haben Urkundenvorlagen im Regelfall keinen Einfluss auf die Verfahrenserledigung, doch kann es dadurch zu einer Verzögerung kommen, etwa wenn die Urkunde geeignet ist, Gegenvorbringen zu provozieren, sodass dennoch eine weitere Beweisaufnahme stattfinden müsste (vgl AnnerlaaO § 179 ZPO Rz 77).
Hier ergibt sich aus dem Protokoll (ON 25.4 S. 2ff) dass bei einer Zulassung der zurückgewiesenen Urkunden eine weitere Tagsatzung mit Beweisaufnahme durch ergänzende Einvernahme des bereits vernommenen Zeugen H* stattgefunden hätte.
Diesen Einfluss der Urkundenvorlage auf die Verfahrensdauer stellt der Kläger in der Berufung nicht in Frage.
1.4 Der vom Kläger behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor. Er wäre überdies auch deshalb nicht relevant, weil einer Klagsstattgebung das Fehlen einer rechtswidrigen Handlung der Beklagten entgegensteht und die zurückgewiesenen Urkunden lediglich zum Beweis des behaupteten Schadens dienten.
2.1 Der Grundsatz, dass bei der Rechtsrügedie Gesetzmäßigkeit des Urteils nach allen Richtungen zu prüfen ist, gilt dann nicht mehr, wenn der begehrte Anspruch auf mehrere selbständig zu beurteilende Anspruchsgrundlagen gestützt wird und sich die Rechtsausführungen nur auf eine dieser Tatsachen beziehen (vgl RS0043338). Der Kläger stützt seinen Anspruch in der Berufung nur auf den Ersatz des Vertrauensschadens auf culpa in contrahendo, weil der Franchisevertrag mit der Beklagten nicht zu Stande gekommen sei.
2.2 Jeder Schadenersatzanspruch setzt den – vom Geschädigten zu erbringenden - Nachweis der Rechtswidrigkeit voraus. Entgegen der Rechtsansicht des Klägers war das Sonderkündigungsrecht wirksam vereinbart und war die Beklagte ausgehend vom festgestellten Sachverhalt berechtigt, davon Gebrauch zu machen.
2.3.1Hier liegt ein Individualvertrag zwischen zwei Unternehmern vor, mag er auch aus formularmäßigen Bausteinen zusammengesetzt sein, der dem Kläger - den Feststellungen folgend - mehr als ein halbes Jahr vor der Unterfertigung zur Durchsicht übermittelt wurde. Eine Unwirksamkeit der Bestimmung kann sich nur aus einer – in der Berufung nicht behaupteten - Intransparenz oder einem Verstoß gegen § 879 Abs 1 ABGB ergeben.
2.3.2 Punkt 16 des Franchise-Vertrags, der mit der im Fettdruck hervorgehobenen Überschrift „Sonderkündigungsrecht des Franche-Gebers“ versehen ist, sieht vor, dass dem Franchisegeber vor Übernahme des Vertragsstandorts ein Sonderkündigungsrecht zusteht, wenn er im Zuge der Ausbildung des Franchisepartners zu der Überzeugung gelangt, dass der Franchisepartner zur Führung eines eigenen Systembetriebs nicht geeignet ist, weil er die Anforderungen an zukünftige Franchisepartner nicht erfüllt. Die Ausübung erfolgt mittels eingeschriebenen Briefes.
2.3.3Franchiseverträge sind gesetzlich nicht typisiert und unterliegen keiner bestimmten Formpflicht (vgl RS0008962). Sie kommen insbesondere nicht erst mit Übermittlung der unterfertigten Urkunde an den Vertragspartner zu Stande, sondern mit einer Willensübereinkunft der Parteien, sodass aus der nicht mehr erfolgten Übermittlung eines beidseitig unterschriebenen zweiten Vertrags keine Unwirksamkeit des Vertrags und der darin enthaltenen Sonderkündigungsklausel abgeleitet werden kann.
2.3.4Auch die Vereinbarung eines Sonderkündigungsrechts in Franchiseverträgen ist weder gesetzlich verboten noch sittenwidrig: Zum Einen können auch Franchiseverträge als Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen jederzeit gelöst werden (vgl RS0071395 [T1]). Zum Anderen ist es für Franchiseverträge typisch, dass die Rechtseinräumung, bestimmte Waren und/oder Dienstleistungen unter Verwendung von Name, Marke und Ausstattung des Franchisegebers zu vertreiben, die Beachtung des von Franchisegebers entwickelten Organisations- und Werbesystems voraussetzt, wobei der Franchisegeber eine Kontrolleüber die Geschäftstätigkeit des Franchisenehmers ausübt (vgl RS0071387). Die vom Kläger behauptete „Übermacht“ der Beklagten als Franchisegeberin ist insoweit vertragstypisch, weil der Franchisenehmer bei seiner Tätigkeit die Vorgaben der Franchisegeberin (hier beispielsweise: bei der Produktion, Darbietung und Abrechnung der Backwaren) zu beachten hat.
Dass Sonderkündigungsrechte in Franchiseverträgen unüblich wären, behauptet auch der Kläger (zu Recht) nicht. Sie dienen dazu, die Einheitlichkeit und Qualität des Franchisesystems zu gewährleisten und die Zusammenarbeit mit einem Franchisenehmer, dem die Eignung für die Führung eines Systemsbetriebs fehlt und der damit den Ruf der dahinterstehende Marke gefährdet, möglichst schnell und unkompliziert zu beenden.
Da das Sonderkündigungsrecht nur vor der Übergabe des Vertragsstandortes ausgeübt werden kann – also bevor die unternehmerische Tätigkeit des Franchisenehmers beginnt - und weil sich der Franchisegeber erst in der Einschulungsphase einen persönlichen Eindruck von der Eignung des Franchisenehmers machen kann, ist dieses hier vorgesehene einseitige Sonderkündigungsrecht des Franchisegebers für den Fall der fehlenden Eignung auch nicht gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 1 ABGB. Daran ändert es auch nichts, dass die Beurteilung der fehlenden Eignung des Franchisenehmers laut der Vertragsklausel im alleinigen Ermessen des Franchisegebers liegt, ist die Regelung doch so zu verstehen (vgl die Formulierungen „zur Überzeugung gelangt, dass … Anforderungen … nicht erfüllt“ und „Der Franchisegeber wird eine solche Entscheidung nach reiflicher Überlegung und Abwägung treffen.“), dass dem Franchisegeber das Sonderkündigungsrecht nur dann zusteht, wenn seine Einschätzung, der Franchisegeber sei ungeeignet, objektiv begründet war.
2.3.5 Das Sonderkündigungsrecht wurde demnach wirksam vereinbart.
2.4.1 Den unbekämpft gebliebenen Feststellungen nach haben die Mitarbeiter der Beklagten während der Einschulung festgestellt, dass der Kläger nicht in der körperlichen Verfassung war, einen „C*“ Backshop eigenverantwortlich zu führen , und er auch nicht in der Lage ist, diesen operativ zu betreuen.
Damit stehen aber nicht nur „operative Schwächen“ des Klägers fest, sondern rechtfertigt diese Feststellung – entgegen der Ansicht des Klägers – die Beendigung der Vertragsbeziehung aus wichtigem Grund, weil daraus die fehlende Eignung des Klägers abzuleiten ist, einen Systembetrieb der Beklagten zu führen. Dabei spielt es auch keine Rolle, welche Tätigkeit der Kläger als selbständiger Hotelier erbringt. Daraus könnte auch nicht zwingend ableitet werden, dass er sich „in kaufmännischer Hinsicht“ als Filialleiter qualifiziert.
Dass sich der Kläger die Zubereitung und Backprogramme nicht merken konnte und beim Umgang mit der Kassa überfordert war, ist für die Beurteilung seiner Eignung für einen Backshop relevant, weil er als Kommanditist der Franchisenehmerin in der Lage sein muss, die Vorgaben des Franchisegebers an seine Mitarbeiter zu kommunizieren und deren Einhaltung zu überwachen, um so die Einheitlichkeit und die Qualität des Systembetriebs und der Marke zu schützen.
2.4.2 Dass sich die Beklagte bei Beendigung der Vertragsbeziehung zunächst nicht auf das Sonderkündigungsrecht berufen hat, macht die Beendigung nicht rechtswidrig, weil weder im Gesetz noch im Vertrag die Pflicht normiert ist, einen bestimmten den Franchisevertrag beendenden Grund unverzüglich geltend zu machen, widrigenfalls er verwirkt wäre.
2.4.3 Pkt 16 des Vertrags regelt nur, dass die Ausübung des Sonderkündigungsrechts mittels eingeschriebenen Briefes erfolgt. Sie trifft keine Aussage über die Wirksamkeit der Ausübung des Sonderkündigungsrechts und macht sie insbesondere nicht von einer bestimmten Form abhängig. Wäre dies gewollt gewesen, wäre eine entsprechende Klausel leicht zu formulieren gewesen: „Die Ausübung des Sonderkündigungsrechts ist nur dann wirksam, wenn sie mittels eingeschriebenen Briefes an den Franchise-Partner erfolgt.“ Im Übrigen geht der Kläger selbst von einer wirksamen Kündigung aus, klagt er doch nicht auf Feststellung des Bestands des Vertrags.
2.5 Die Beklagte hat demnach zu Recht vom wirksam vereinbarten Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht und somit keine rechtswidrige Handlung gesetzt, die eine Schadenersatzpflicht auslösen könnte.
2.6 Aus der festgestellten „reibungslosen Kommunikation“ bis zur Einschulungsphase kann nicht geschlossen werden, dass die Beklagte dem Kläger suggeriert habe, er sei eine „Idealbesetzung“ und sie würde von ihrem Sonderkündigungsrecht keinen Gebrauch machen. Einen sonstigen Vertrauenstatbestand, der einen Zuspruch aus culpa in contrahendo rechtfertigen würde, hat der Kläger weder behauptet noch unter Beweis gestellt.
3.Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf den §§ 41 und 50 ZPO.
4. Die ordentliche Revision war zuzulassen, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit von einseitigen Sonderkündigungsrechten in Franchiseverträgen fehlt.