JudikaturOLG Wien

2R2/25s – OLG Wien Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
26. Februar 2024

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Hofmann als Vorsitzenden, den Richter MMag. Popelka und den Kommerzialrat Mag. Sertic, in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH, **, vertreten durch die Brand Neuhauser Donner-Reichstädter Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei B*, geboren am **, **, vertreten durch die Schmelz Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung (Rekursstreitwert EUR 35.000), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 29.11.2024, GZ ***, in nicht öffentlicher Sitzung den Beschluss gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 2.198,76 (darin EUR 366,46 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung:

Text

Die Klägerin ist Betreiberin des Hotels C* an der Adresse ***, D*.

Die Beklagte inserierte die von ihr aufgrund eines Bestandvertrags genutzte Wohnung mit der Adresse E*, D*, auf der Plattform „F*“, wo sie die Wohnung über einen längeren Zeitraum hinweg, spätestens seit Jänner 2024, regelmäßig an Touristen für kurzzeitige Aufenthalte zur Vermietung anbot. Das Inserat wies mindestens ein Fremdenbett auf, erhielt etwa 110 Kundenbewertungen und bot die Unterkunft zu einem Preis von EUR 49,00 pro Übernachtung an. Im Inserat wurden zusätzliche Dienstleistungen wie „PROFESSIONELLE nachhaltige Reinigung“ angegeben sowie die Nähe zu Sehenswürdigkeiten und Supermärkten hervorgehoben.

Eigentümerin der Wohnung ist die G* GmbH Co KG.

Der Mietvertrag der Beklagten endete am 30.9.2024, nachdem die Hausverwaltung den befristeten Vertrag nicht verlängert hatte. Die Wohnung wurde am 2.10.2024 an die von der Eigentümerin beauftragte Hausverwaltung zurückgestellt.

Die Beklagte ist bei der Wirtschaftskammer D* unter dem Firmennamen B* und mit einem Unternehmenssitz in der E*, D*, registriert. Eine Gewerbeanmeldung oder eine Betriebsanlagengenehmigung liegen für die Beklagte nicht vor.

Nach dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan der Stadt D* befindet sich die Wohnung ausschließlich in einer Wohnzone.

Die Klägerin begehrt, die Beklagte dazu zu verpflichten, es ab sofort im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen,

1. die genannte Wohnung entgegen der Bestimmung des [gemeint] § 7a Abs 3 Wr BauO im Wege der gewerblichen Nutzung für kurzfristige Beherbergungszwecke zu vermieten, wenn sich diese Wohnung gemäß den D*er Bebauungsplänen in einer „Wohnzone“ befindet, sowie

2. die Wohnung entgegen der Bestimmung der §§ 111 Abs 1 Z 1 iVm 94 Z 26 GewO ohne Gewerbeberechtigung im Wege der gewerblichen Nutzung für kurzfristige Beherbergungszwecke zu vermieten.

Zu Punkt 2 des Klagebegehrens erhebt die Klägerin ein Eventualbegehren. Zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruchs beantragt sie die Erlassung einer mit den Hauptbegehren inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung.

Die Beklagte, die in einem Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin stehe, habe gegen [gemeint] § 7a Abs 3 Wr BauO (Verbot gewerblicher Kurzzeitvermietung in Wohnzonen) sowie wegen fehlender Gewerbeberechtigung und fehlender Betriebsanlagengenehmigung gegen die Gewerbeordnung verstoßen. Damit liege ein Rechtsbruch iSd § 1 Abs 1 Z 1 UWG vor, der einen Unterlassungsanspruch der Klägerin begründe.

Die Beklagte wandte ein, dass mangels Wiederholungsgefahr kein Unterlassungsanspruch bestehe. Aufgrund der Rückgabe der Wohnung sei es der Beklagten faktisch und rechtlich unmöglich, die Wohnung weiterzugeben.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Sicherungsantrag ab. Es nahm den eingangs zusammengefasst wiedergegebenen, auf den Seiten 3 bis 4 des Beschlusses ersichtlichen Sachverhalt als bescheinigt an.

Rechtlich führte das Erstgericht im Wesentlichen aus: Die Beklagte habe gegen die GewO verstoßen, indem sie ohne Gewerbeberechtigung und ohne Betriebsanlagengenehmigung das reglementierte Gewerbe nach § 111 Abs 1 iVm § 94 Z 26 GewO betrieben habe. Außerdem habe sie durch die kurzfristige Vermietung der in einer Wohnzone gelegenen Wohnung gegen [gemeint] § 7a Abs 3 WrBauO verstoßen. Diese Gesetzesverstöße hätten ihr einen Wettbewerbsvorteil gegenüber rechtstreuen Mitbewerbern verschafft. Ein solches Verhalten sei nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG unlauter, weshalb die Klägerin als Betreiberin eines Beherbergungsbetriebs und unmittelbare Mitbewerberin der Beklagten grundsätzlich ein Recht auf Unterlassung gemäß § 14 UWG habe. Die Beklagte habe die Wohnung allerdings bereits vor der Klagseinbringung an die Hausverwaltung zurückgegeben, weshalb sie keine rechtliche oder tatsächliche Möglichkeit mehr habe, die Wohnung weiterhin zu vermieten. Durch das eng formulierte Unterlassungsbegehren, das ausschließlich auf die klagsgegenständliche Wohnung abziele, sei das damit beanstandete Verhalten nicht mehr fortsetzbar. Mangels Wiederholungsgefahr fehle es somit an einer wesentlichen Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 24 UWG.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss im Sinn der Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt .

1. Der Rekurs wendet sich gegen die Verneinung der Wiederholungsgefahr durch das Erstgericht. Von einem Fehlen der Wiederholungsgefahr sei nur auszugehen, wenn jede rechtliche Möglichkeit fehle, weiter in der wettbewerbsverletzenden Form tätig zu werden. Die Beklagte habe die Wohnung zum Klagszeitpunkt weiterhin über die Plattform „F*“ angeboten, weshalb davon auszugehen sei, dass sie damals weiter über die Wohnung verfügungsberechtigt gewesen sei. Sie hätte zB die Wohnung über einen zurückbehaltenen Schlüssel anbieten können. Außerdem sei davon auszugehen, dass sie auch andere Wohnungen über die Plattform „F*“ anbiete und systematisch ein rechtswidriges Geschäftsmodell betreibe. Außerdem könne sie zB einen neuen Mietvertrag oder einen Untermietvertrag mit dem neuen Mieter schließen und die Wohnung dann wieder selbst vermieten oder über Strohmänner anbieten. Von einer die Wiederholungsgefahr ausschließenden Sinnesänderung der Beklagten könne keine Rede sein. Reversible Beseitigungshandlungen würden die Wiederholungsgefahr nicht beseitigen.

2. Ein Unterlassungsanspruch wird durch zwei Elemente konkretisiert: Eine Unterlassungspflicht und die Gefahr, dass dieser Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird (RS0037660 [T7]). Das Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes indiziert die Wiederholungsgefahr; für den Wegfall ist der Beklagte behauptungs- und beweispflichtig (RS0037661 [T7]; RS0005402). Er hat daher jene besonderen Umstände darzutun, die eine Wiederholung seiner Handlung als völlig ausgeschlossen oder doch äußerst unwahrscheinlich erscheinen lassen (RS0080065 [T1]).

Fällt die Wiederholungsgefahr weg, sei es, dass ein wettbewerbswidriges Verhalten aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist (zB Veräußerung des Unternehmens und Ausscheiden aus dem Gewerbebetrieb ohne Anzeichen dafür, dass das Geschäft in anderer Form wieder aufgenommen wird), sei es, dass es aus rechtlichen Gründen zu keinem Verstoß kommen kann (zB durch Wegfall der Verbotsnorm), dann besteht kein Unterlassungsanspruch nach § 14 UWG (vgl RS0037664).

3. Bei Schließung eines Geschäfts wird im allgemeinen die Wiederholungsgefahr wegfallen, wenn nicht ernstliche Anzeichen dafür bestehen, dass es - wenn auch in anderer Form - wieder aufgenommen wird (RS0077206 [T1]). Trotz Geschäftsschließung nach gewerbebehördlicher Untersagung besteht aber Wiederholungsgefahr bei aufrechter Registrierung im Handelsregister (RS0077206 [T2]). Ernstliche Anzeichen dafür, dass mit der Aufgabe einer bestimmten Geschäftstätigkeit noch nicht der endgültige Rückzug der Beklagten vom Markt verbunden ist, bestehen auch, wenn die Betriebsübertragung auf eine GmbH erfolgte, deren Alleingesellschafterin wiederum die Beklagte ist (RS0077206 [T4]).

Zum Wegfall der Wiederholungsgefahr führt etwa die Nichtfortführung eines Unternehmens durch den eintretenden Masseverwalter (RS0080065 [T9]). Wenn ein Unternehmer, der durch Unterlassung der Gewerbeanmeldung gegen § 1 UWG verstoßen hat, noch vor der Entscheidung des Erstgerichts das Gewerbe anmeldet, so ist ein Sachverhalt eingetreten, der eine Wiederholung des Wettbewerbsverstoßes so gut wie unmöglich macht (RS0080065 [T19]), weil es außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegt, das er die Gewerbeberechtigung in Zukunft wieder verlieren, das Gewerbe aber dennoch ausüben würde (vgl 4 Ob 2051/96p). Hingegen liegen allein im Ausscheiden eines Gesellschafters als Geschäftsführer noch keine zum Wegfall der Wiederholungsgefahr führenden besonderen Umstände, wenn er es allein in der Hand hat, aufgrund eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses wieder in diese Position zurückzukehren (4 Ob 145/01d).

Beim Ausscheiden eines Angestellten aus einem Unternehmen kommt ein Wegfall der Wiederholungsgefahr in Betracht, wenn für ihn keine rechtliche Möglichkeit mehr besteht, in der beanstandeten Form tätig zu werden (vgl 4 Ob 338/74).

4. Diese Grundsätze können auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt übertragen werden. Demnach ergibt sich:

Durch die nach Beendigung des Mietvertrags erfolgte Rückgabe der Wohnung an den Eigentümer ist der Beklagten faktisch und rechtlich die Möglichkeit entzogen, über die Wohnung weiter zu verfügen. Damit fällt – analog zur Schließung eines Geschäfts - grundsätzlich die Gefahr der Vermietung dieser Wohnung durch die Beklagte weg. Anderes könnte sich nur ergeben, wenn dennoch Anzeichen für die Möglichkeit einer künftigen weiteren Vermietung durch die Beklagte vorlägen. Dies ist hier aber nicht der Fall.

Die von der Klägerin ins Treffen geführte Annahme, die Beklagte könne die Wohnung auch noch nach der Rückgabe an den Eigentümer unter Verwendung eines widerrechtlich zurückbehaltenen Schlüssels (heimlich) weiter vermieten, ist lebensfern und als äußerst unwahrscheinlich zu qualifizieren. Vielmehr ist anzunehmen, dass der Eigentümer die Wohnung an eine andere Person vermietet.

Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte – nachdem der Mietvertrag vermieterseitig nicht verlängert wurde – eine realistische Möglichkeit hätte, die Wohnung im eigenen Namen, in Untermiete oder durch einen Strohmann wieder anzumieten. Die Verständigung durch die Hausverwaltung, dass das Mietverhältnis nicht verlängert werde, erfolgte nach der (unstrittigen, daher vom Berufungsgericht verwertbaren, vgl RS0121557 [T3]) Beilage ./2 bereits im Juni 2024; auch die Rückgabe der Wohnung erfolgte vor Einbringung der Klage. Insoweit steht hier auch nicht im Raum, dass die Rückgabe nur temporär im Hinblick auf das gegenständliche Verfahren erfolgt sein könne.

Der Verlust der rechtlichen und faktischen Verfügungsmöglichkeit über eine Wohnung ist auch keine „reversible Beseitigungshandlung“ im Sinn der Judikatur, wonach beispielsweise die Entfernung des unzulässigen Inhalts von einer Website die Vermutung der Wiederholungsgefahr noch nicht beseitigt (vgl Wiebe/Kodek, UWG 2 § 14 Rz 23/1 mwN).

5. Der Argumentation, wonach das Inserat auf der Plattform „F*“ zum Zeitpunkt der Klageeinbringung noch abrufbar gewesen sei, ist entgegenzuhalten, dass sich auch daraus nicht die faktische bzw rechtliche Möglichkeit einer künftigen Vermietung der Wohnung durch die Beklagte ergibt. Soweit die Klägerin daraus ableitet, dass die Beklagte zu diesem Zeitpunkt weiter über die Wohnung verfügungsberechtigt gewesen sei, entfernt sie sich vom bescheinigten Sachverhalt.

6. Aus dem Argument, die Beklagte könne andere Wohnungen in vergleichbarer Weise wettbewerbswidrig vermieten, ist für den Standpunkt der Klägerin nichts zu gewinnen, weil das Unterlassungsbegehren – worauf schon das Erstgericht zutreffend hinwies – nur auf das Verbot der Vermietung der konkreten Wohnung Top * im Haus E*, D*, gerichtet ist.

7. Auch der Einwand, dass ein Sinneswandel der Beklagten nach dem Sachverhalt nicht indiziert sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die Wiederholungsgefahr fällt hier nicht deshalb weg, weil eine Sinnesänderung der Beklagten anzunehmen wäre, sondern weil sie faktisch und rechtlich nicht mehr die Möglichkeit hat, das vom erhobenen Unterlassungsbegehren umschriebene Verhalten zu setzen, und der Eintritt einer Sachverhaltsänderung, wonach sie dazu künftig wieder imstande wäre, äußerst unwahrscheinlich ist.

Ist ein neuerlicher Wettbewerbsverstoß bereits aus objektiven Gründen auszuschließen, so ist die Frage nach einem Sinneswandel für den Wegfall der Wiederholungsgefahr ohne Bedeutung (vgl Kodek/Leupold in Wiebe/Kodek, UWG 2 § 14 Rz 24).

Dem Rekurs ist daher nicht Folge zu geben.

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 EO, §§ 50, 41 ZPO.

9. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes nach §§ 402, 78 EO, §§ 526, 500 Abs 2 Z 1 ZPO orientiert sich an der unbedenklichen Bewertung durch den Kläger.

10. Der ordentliche Revisionsrekurs war nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von der in § 528 Abs 1 ZPO geforderten Qualität nicht zur Beurteilung standen.