JudikaturOLG Linz

10Bs150/25t – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
18. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* B*wegen des Verbrechens der Erpressung nach §§ 12 dritter Fall, 144 Abs 1 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 11. Februar 2025, Hv*-159, nach der in Anwesenheit der Oberstaatsanwältin Mag. Breier, des Angeklagten und seines Verteidigers Mag. Trunez durchgeführten Berufungsverhandlung am 18. August 2025 zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und nach Ausschaltung des § 43 Abs 1 StGB und zusätzlicher Anwendung des § 37 Abs 1 StGB eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je EUR 27,00, im Fall der Uneinbringlichkeit 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** in ** (Russische Föderation) geborene A* B*, Staatsangehöriger der Russischen Föderation, des Verbrechens der Erpressung als Beitragstäter nach §§ 12 dritter Fall, 144 Abs 1 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 19 Abs 1 JGG nach § 144 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurde die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer zweijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat A* B* am 1. Juni 2023 in ** zur strafbaren Handlung des C*,

der mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz einen anderen durch gefährliche Drohung zu einer Handlung genötigt hat, die diesen am Vermögen schädigte, indem er am 1. Juni 2023 D* durch die sinngemäße Äußerung, dass er ihn abstechen oder zusammenschlagen werde, wenn er nicht die „am Handy vorbereitete“ Überweisung tätige, zur Überweisung von 1.500 Euro auf das Konto des B* veranlasste,

dadurch beigetragen, dass er sein Konto zur Verfügung stellte und im Zuge der Tatbegehung seine Kontodaten bekanntgab, das Geld behob und an den unmittelbaren Täter weitergab.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, das Alter unter 21 Jahren und den untergeordneten Tatbeitrag als mildernd; als erschwerend wurde kein Umstand angenommen.

Gegen den Strafausspruch richtet sich - nach Zurückweisung Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten (ON 163) durch Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 11. Juni 2025, 12 Os 43/25b-4 (ON 165.1) - die Berufung mit welcher der Angeklagte eine Reduktion des Strafmaßes und die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB anstrebt.

Die Berufung ist teilweise berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Voranzustellen ist, dass nach § 32 Abs 1 StGB die Strafbemessungsschuld tat- und täterbezogen zu beurteilen ist, wobei durch Präventionserwägungen bei der Strafbemessung im engen Sinne das Maß des Schuldangemessenen weder über- noch unterschritten werden darf (vgl Tipold in Leukauf/Steininger, StGB 4§ 32 Rz 9; RIS-Justiz RS0090600).

Soweit der Angeklagte unzulässig im Rahmen seiner Berufung wegen Strafe den Schuldspruch in Frage stellt, ist darauf inhaltlich nicht einzugehen.

Die vom Erstgericht angeführten Strafzumessungskriterien wurden vollständig erfasst. Wenn der Angeklagte zudem vermeint, dem Verhalten habe ein gewisser Leichtsinn innegewohnt, der mildernd zu berücksichtigen sei, so spricht dieser erkennbar den Strafmilderungsgrund der Unbesonnenheit im Sinn des § 34 Abs 1 Z 7 StGB an. Unbesonnen handelt, wer spontan einem augenblicklichen Willensimpuls folgt, der aus besonderen Gründen der Lenkung durch das ruhige Denken entzogen ist und ohne diese unterdrückt worden wäre (RIS-Justiz RS0091000 [T11]; Birklbauer/Stiebellehner in Triffterer/Rosbaud/Hinterhofer , SbgK-StGB § 34 Rz 59). In der meist sich unvermutet ergebenden Tatsituation wird die Gefährlichkeit der Handlung nicht näher bedacht. Die Rechtsprechung verweigert diesen Milderungsgrund, wenn der Tat eine kriminelle Neigung des Täters oder eine grundsätzliche Geringschätzung fremder Interessen zugrunde liegt ( Riffel in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 34 Rz 18; RIS-Justiz RS0091026). Mit Blick auf die durch die Tat zum Ausdruck kommende Geringschätzung fremder Interessen, nämlich des Vermögens des Opfers, kommt dem Angeklagten der Milderungsgrund der Tatbegehung aus Unbesonnenheit nicht zugute. Darüber hinaus ist kein entsprechender augenblicklicher Willensimpuls im Sinn einer Kurzschlussreaktion (vgl dazu Birklbauer/Stiebellehner in Hinterhofer(Hrsg), SbgK-StGB § 34 StGB Rz 60) ersichtlich, war der Angeklagte nach den Feststellungen doch während des Gesprächs zwischen C* und D* von Beginn an anwesend und wurde der Angeklagte erst nach einer gewissen Zeit nach den ausgesprochenen Drohungen um dessen Bankverbindung gefragt (Urteil ON 159/S 2). Von einer augenblicklichen Eingebung kann daher nicht gesprochen werden. Da der Angeklagte für die Begehung der Tat keine Vermögenswerte erlangte, ist auch nicht auszumachen, worin die Ursache eines etwaigen Willensimpulses, der nach den charakterlichen Gegebenheiten des Täters in der Regel unterdrückt worden wäre, zu sehen sein könnte.

Die vom Angeklagten angestrebte Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB dient als Korrektiv von im Einzelfall zu hohen Mindeststrafdrohungen bei untergeordneten Beteiligungsformen oder in Fällen atypisch leichter Verwirklichung schwerer und deshalb mit strengen Mindeststrafdrohungen versehener Straftatbestände (RIS-Justiz RS0102152). Entscheidend für die Unterschreitung der Untergrenze ist eine für den Täter günstige Konstellation der Strafzumessungsgründe und eine ebensolche Prognose ( Leukauf/Steininger/Tipold, StGB 4 § 41 Rz 4 mwN). Die außerordentliche Strafmilderung darf dabei allerdings nur zur Anwendung kommen, wenn eine Strafuntergrenze normiert ist. Liegt keine Strafuntergrenze vor, gibt es von vornherein keine Hindernisse, bei Bagatellfällen eine der Tatschuld angemessene Strafe zu verhängen (EBRV 1971, 136; Flora in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 41 Rz 7). Da im vorliegenden Fall aufgrund der Anwendbarkeit des § 19 Abs 1 JGG in gegenständlicher Konstellation ein Mindestmaß an angedrohter Freiheitsstrafe aufgrund des § 5 Z 4 JGG entfällt, liegt keine Strafuntergrenze vor, sodass die außerordentliche Strafmilderung nicht mehr zur Anwendung kommen kann. Eine Strafmäßigung kommt somit unter diesem Aspekt nicht in Betracht.

In der Berufungsverhandlung erteilte der Angeklagte nunmehr im Sinn des § 295 Abs 2 StPO seine Zustimmung zur Umwandlung der bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in eine unbedingte Geldstrafe. Ausgehend davon erachtet das Berufungsgericht unter Berücksichtigung des vom Erstgericht besonders hervorgehobenen untergeordneten Tatbeitrags des bislang unbescholtenen, zur Tatzeit unter 21 Jahre alten Angeklagten, die Anwendung des § 37 Abs 1 StGB für gerechtfertigt. Es liegen keine spezialpräventiven Gründe vor, die eine Freiheitsstrafe notwendig erscheinen lassen, um ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Vielmehr ist im Sinn der gemäß § 32 Abs 2 und 3 StGB anzustellenden Erwägungen die Verhängung einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen tat- und schuldangemessen. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes entspricht den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten, der monatlich ca EUR 2.100,00 verdient und keine Sorgepflichten hat. Die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe ergibt sich aus dem zwingenden Umrechnungsschlüssel des § 19 Abs 3 StGB.