12Ra29/25h – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Vorsitzende, Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. und Dr. Dieter Weiß als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Helmut Mitter, BSc (Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Knoll (Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, Köchin, **, **gasse **, vertreten durch Mag. Andreas Wimmer, Rechtsanwalt in Hallein, gegen die beklagte Partei B* GmbH , FN **, **, **straße **, vertreten durch die Kopp - Wittek Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen brutto EUR 14.283,15 sA , über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. Februar 2025, Cga*-30, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagende Partei die mit EUR 1.696,02 (darin EUR 282,67 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte betreibt in der Wintersaison ein Hotel mit Restaurant. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte waren mit den Geschäftsführern der Beklagten langjährig freundschaftlich verbunden. In der Saison 2022/23 half die Klägerin auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung in der Küche der Beklagten tageweise aus. In der Wintersaison 2023/2024 sollte sie die Position der Küchenchefin einnehmen und daher wurde Ende Oktober 2023 ein vom 1. November 2023 bis 30. April 2024 befristeter Dienstvertrag abgeschlossen. Mit Schreiben vom 18. Jänner 2024 wurde die Klägerin entlassen. Auf das Dienstverhältnis fand der Kollektivvertrag für Arbeiter im Hotel- und Gastgewerbe Anwendung.
Mit Klage vom 8. Mai 2024 begehrte die Klägerin an Kündigungsentschädigung EUR 14.283,15 brutto und brachte dazu zusammengefasst vor, dass sie unberechtigt entlassen worden sei; die von der Beklagten behaupteten Entlassungsgründe würden nicht vorliegen. Jedenfalls sei die Entlassung verfristet.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte im Wesentlichen ein, dass die Klägerin berechtigt entlassen worden sei. So habe sie am 4. und 11. Jänner 2024 verspätet die Arbeit angetreten; am 1. Jänner 2024 eine Kellnerin im Restaurant der Beklagten aufgefordert, eine Konsumation ihrer Verwandten entgegen den eindeutigen Vorschriften nicht zu bonieren; während des Dienstverhältnisses eine unzulässige Nebentätigkeit ausgeübt, indem sie auf der Webseite „C*“ aktiv gewesen sei und sich geweigert, Überstunden zu verrichten. Obwohl sie keinerlei Personalhoheit gehabt habe, habe die Klägerin zwei Küchenmitarbeiter entlassen, welche nur unter hohem Einsatz der Beklagten im Betrieb gehalten hätten werden können, und, um den Verlust der zwei Arbeitsplätze zu kompensieren, ihren Lebensgefährten und ihre minderjährige Tochter zu Küchentätigkeiten eingeteilt. Schließlich sei die Klägerin vom Briefträger während ihres Krankenstandes am 19. Jänner 2024 außerhalb der Ausgehzeiten nicht zu Hause angetroffen worden.
Mit dem angefochtenen Urteilgab das Erstgericht der Klage statt. Neben den eingangs wiedergegebenen Feststellungen legte es den im Urteil auf den Seiten 2 bis 6 festgestellten Sachverhalt zugrunde, auf den gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Die für das Berufungsverfahren wesentlichen Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Auch der Lebensgefährte der Klägerin führte aus freundlicher Ergebenheit zur Beklagten fallweise unterstützende Tätigkeiten aus, so half er etwa beim Abräumen des Geschirrs und beim Instandsetzen der Heizung aus.
Nur fallweise leistete die Klägerin Überstunden. Dass sich die Klägerin nach dem 23. Dezember 2023 geweigert hätte, Überstunden zu leisten, konnte nicht festgestellt werden. Die Klägerin wurde nie ermahnt, dass sie zu wenig arbeiten würde.
Am 16. Dezember 2023 kam es in der Küche der Beklagten zu einem Streit. Die Klägerin sprach die Entlassung von zwei Köchen aus, die sich wütend an die Geschäftsführung wandten. Letztlich konnten die beiden Köche zum Bleiben überredet werden. Die Klägerin wurde in einem Gespräch nachdrücklich daraus aufmerksam gemacht, dass sie nicht die Befugnis zur Auflösung eines Dienstverhältnisses habe.
Die Klägerin ist auf der Seite „D*“ aktiv. Dabei handelt es sich um eine Plattform, über welche Content Creator zahlenden Abonnenten exklusiven Zugang zu ihren Inhalten gewähren. Dabei kann es sich auch um pornographische Inhalte handeln. Der Beklagten war bekannt, dass die Klägerin auch als Playboymodel aktiv war. Ob die Klägerin auf ihrem D*-Account auch pornographische Inhalte zur Verfügung stellt, konnte nicht festgestellt werden. Die Klägerin ging immer offen damit um, dass sie einen D*-Account betreibt; der Beklagten waren die Social Media Aktivitäten der Klägerin zumindest grob bekannt.
Die Dienstnehmer der Beklagten haben als Teil der Saisonverträge Kost und Logis frei. Für Konsumationen im Restaurant der Beklagten in der Freizeit als Gast erhalten die Dienstnehmer einen Rabatt von 50 % auf die Getränke, während das Essen stets selbst zu bezahlen ist. Für die Klägerin gab es keine davon abweichende Sondervereinbarung. Die Klägerin, ihre Tochter und ihr Lebensgefährte wurden öfters aus Freundschaft von der Beklagten zum Essen eingeladen. Anderen Familienangehörigen der Klägerin wurde nie ein Gratisessen spendiert.
Am 1. Jänner 2024 hatte die Klägerin Dienst. Die Tante der Klägerin und ihre Familie waren an diesem Tag Gäste im Restaurant der Beklagten. Die Klägerin verlangte von der Kellnerin, dass sie die Bestellung auf einen Zettel schreiben solle, anstatt diese im System einzugeben. Zumal die Kellnerin die Bestellungen sehr wohl auf den Tisch der Klägerin bonierte, beschwerte sich die Klägerin. Am Ende des Tages blieb dieser Tisch im System offen. Die Familie der Klägerin verließ das Restaurant, ohne die Rechnung zu begleichen. Ein Gespräch zwischen der Klägerin und der Geschäftsführung der Beklagten über diese Rechnung fand nicht statt. Üblicherweise werden die offenen Beträge auf den Tischen der Dienstnehmer am Ende des jeweiligen Monats abgerechnet. Die Rechnung vom 1. Jänner 2024 ist bis heute offen. Die Kellnerin berichtete noch am gleichen Tag der Restaurantleiterin vom Vorfall.
Am 4. Jänner 2024 hätte die Klägerin laut Dienstplan ihren Dienst mittags antreten sollen; sie erschien aber nicht. Die Beklagte wies die Klägerin via WhatsApp um 13.18 Uhr auf ihren Dienstbeginn um 12:00 Uhr hin und fragte nach, ob bei der Klägerin alles ok sei. Auf diese Nachricht antwortete die Klägern umgehend und trat kurz später um 13.30 Uhr ihren Dienst an.
Am 11. Jänner 2024 hatte die Klägerin laut Dienstplan von 9.30 bis 12.30 Uhr und von 16.30 bis 22.00 Uhr Dienst. Von 8.20 bis 9.25 Uhr hatte die Klägerin einen Arzttermin. Davon setzte die Klägerin die Beklagte am Vortag in Kenntnis. Die Klägerin arbeitete am 11. Jänner 2024 von 16.30 bis 22.01 Uhr. Die Klägerin wurde hinsichtlich ihres Nichterscheinens am restlichen Vormittag nicht ermahnt.
Die Beklagte bot der 13-jährigen Tochter der Klägerin bereits im Jahr 2021 an, im Hotel zu „schnuppern“, um die Abläufe im Hotel kennenzulernen. Im Dezember 2023 sah sie etwa bei der Rezeption zu, war mit der Hausdame im Housekeeping begleitend unterwegs oder half aus Spaß bei Tätigkeiten in der Küche mit. Der Beklagten war dies bekannt.
Die Klägerin war von 17. Jänner bis zum 14. Februar 2024 infolge Krankheit arbeitsunfähig. Von diesem Krankenstand unterrichtete die Klägerin die Beklagte; in der Arbeitsunfähigkeitsmeldung wurden Ausgehzeiten von 10.00 bis 12.00 Uhr und von 14.00 bis 16.00 Uhr vermerkt. Am 18. Jänner 2024 erfuhr die Beklagte erstmals von der Anweisung der Klägerin vom 1. Jänner 2024, dass die Kellnerin die Bestellung ihrer Familie auf einem Zettel vermerken solle, anstelle diese im System zu erfassen. Die Beklagte war von dieser Vorgehensweise erbost und sprach mit Schreiben vom 18. Jänner 2024 gegenüber der Klägerin die Entlassung aus.
Das Schreiben konnte der Klägerin zunächst am 19. Jänner 2024 nicht zugestellt werden, weil die sich im Krankenstand befindliche Klägerin um 9.23 Uhr zu Hause nicht angetroffen werden konnte. Über die Hinterlegung wurde die Klägerin von der Beklagten am 19. Jänner 2024 per WhatsApp informiert.
Rechtlich kam das Erstgericht zum Ergebnis, dass die Klägerin als Arbeiterin beschäftigt gewesen sei. Gründe für die vorzeitige Lösung eines Dienstverhältnisses seien bei sonstiger Verwirkung des Entlassungsrechts unverzüglich geltend zu machen. Mit Ausnahme des Vorfalls vom 1. Jänner 2024 könne daher keiner zur Begründung der ausgesprochenen Entlassung herangezogen werden. Erkennbar stütze sich die Beklagte auf den Entlassungsgrund des § 82 lit d GewO 1859, allerdings habe auch in diesem Fall in der Regel der Arbeitgeber die subjektive Tatseite zu beweisen, was nicht gelungen sei. Dass die Rechnung nach wie vor offen sei, sei der Klägerin nicht anzulasten. Dass die Klägerin am 19. Jänner 2024 gegebenenfalls gegen die verordnete Ausgehzeit verstoßen habe, rechtfertige ebenfalls nicht die am Tag zuvor ausgesprochene Entlassung. Der Klägerin stehe daher die begehrte Kündigungsentschädigung zu.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten aus den Berufungsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem auf eine Klagsabweisung gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung die Bestätigung des Ersturteils.
Die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandelnde Berufung ist nicht berechtigt .
Rechtliche Beurteilung
1 Die Streitteile gehen offenbar übereinstimmend davon aus, dass das Arbeitsverhältnis durch Entlassung am 18. Jänner 2024 endete. Die Beklagte vertritt in der Berufung weiterhin die Ansicht, dass die Entlassung gerechtfertigt gewesen sei, was die Berufungsbeantwortung bestreitet. Die Höhe der begehrten Kündigungsentschädigung ist hingegen unstrittig.
2 In Zusammenhang mit dem Social Media Auftritt der Klägerin bekämpft die Beklagte die Feststellung, dass es sich bei den Inhalten auf der Website „D*“ auch um pornografische handeln könne. Die Berufung begehrt die Ersatzfeststellung, dass dieser Internetdienst in erster Linie genutzt werde, um erotische oder pornografische Inhalte zu produzieren und zu veröffentlichen.
2.1Wenn die Beklagte zur Begründung der Ersatzfeststellung ua auf § 269 ZPO verweist, so handelt es sich diesbezüglich jedenfalls um keine allgemeinkundige bzw gerichtskundige Tatsache. Der Ersatzfeststellung mangelt es auch an der notwendigen rechtlichen Relevanz, konnte das Erstgericht zur Frage, ob die Klägerin auf ihrem Account auch pornografische Inhalte zur Verfügung stellte, doch nur eine – unbekämpft gebliebene – Negativfeststellung treffen. Diese geht aufgrund der Behauptungs- und Beweispflicht des Arbeitgebers für das Vorliegen eines Entlassungsgrunds (vgl RIS-Justiz RS0029127) zu Lasten der Beklagten; und zwar unabhängig davon, ob der „D*-Auftritt“ der Beklagten bekannt war oder nicht bzw die Internetseite abrufbar war oder nicht.
2.2 Der von der Beklagten erhobenen Mängelrüge, dass kein Sachverständigengutachten aus dem IT-Bereich zur Frage der Zugänglichkeit des D*-Account der Klägerin eingeholt worden sei, fehlt es damit ebenso an der notwendigen Relevanz.
2.3 „Pornografische Auftritte“ der Klägerin im Hotel behauptete die Beklagte in erster Instanz nicht. Sie brachte dazu lediglich vor, dass das Herstellen von pornografischem Material im Betrieb der Beklagten nie gestattet oder toleriert worden sei oder wäre.
3 Die berechtigte vorzeitige Auflösung eines Dienstverhältnisses ist nur aus einem wichtigen Grund möglich. Dieser liegt nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung nur dann vor, wenn dem die Auflösung begehrenden Vertragspartner die Fortsetzung unzumutbar ist (vgl Pfeilin ZellKomm³ § 25 AngG Rz 23). Dies ist dann der Fall, wenn der Dienstnehmer Interessen des Dienstgebers so schwer beeinträchtigt, dass diesem eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum nächsten Kündigungstermin bzw bis zum Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer nicht zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0029107).
3.1Der Arbeitgeber muss daher – bei sonstigem Verlust des Entlassungsrechts – die Entlassung ohne Verzug, das heißt sofort nachdem ihm der Entlassungsgrund bekannt geworden ist, aussprechen (RIS-Justiz RS0029131 [T8, T9]). Diesem Grundsatz liegt der Gedanke zugrunde, dass ein Arbeitgeber, der eine ihm bekannt gewordene Verfehlung des Arbeitnehmers nicht unverzüglich mit der Entlassung beantwortet, die Weiterbeschäftigung dieses Arbeitnehmers offenbar nicht als unzumutbar ansieht und auf die Ausübung des Entlassungsrechts im konkreten Fall verzichtet (OGH 8 ObA 40/23z [Rz 3] mwN).
3.2 Als wichtigen Grund für die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses macht die Beklagte ua einen Vorfall vom 16. Dezember 2023 geltend. Dass die Klägerin unberechtigterweise zwei Köche entließ und von der Geschäftsführung auf ihre diesbezügliche mangelnde Befugnis „nachdrücklich aufmerksam gemacht“ wurde, stellte das Erstgericht – entgegen den Berufungsausführungen – ohnehin fest (vgl Urteil S 3 letzter Absatz). Die Beklagte legt der Klägerin zudem zur Last, dass sie an diesem Tag ihren Lebensgefährten und ihre minderjährige Tochter ohne Wissen der Beklagten zu Küchenarbeiten herangezogen habe und begehrt – anstelle der erstgerichtlichen Feststellungen, wonach der Lebensgefährte aus freundlicher Ergebenheit fallweise unterstützende Tätigkeiten ausgeführt und die Tochter beim „Schnuppern“ mitgeholfen habe – die Ersatzfeststellung, der Geschäftsführer der Beklagten habe aufgrund seiner persönlichen Wahrnehmungen am 16. Dezember 2023 sofort die Tätigkeit der Minderjährigen in der Küche untersagt.
Daraus folgt aber, dass der Geschäftsführer der Beklagten am 16. Dezember 2023 Kenntnis von den Vorfällen hatte, jedoch keine Entlassung aussprach.
3.3 Dass die Klägerin am 4. und 11. Jänner 2024 nicht zeitgerecht zum Dienst erschien, war der Beklagten ebenfalls tagesaktuell bekannt. Wenn die Beklagte in diesem Zusammenhang die Feststellung begehrt, dass sie ihre Ablehnung des eigenwilligen Vorgehens der Klägerin dieser gegenüber erklärt habe, ist ihr die unbekämpft gebliebene Feststellung entgegen zu halten, wonach die Klägerin nicht ermahnt wurde.
3.4 Das Erstgericht ging daher zutreffend davon aus, dass die Beklagte bezüglich dieser Verfehlungen gegen den Grundsatz der Unverzüglichkeit verstieß und ihr Entlassungsrecht verwirkte. Mit dieser Rechtsansicht des Erstgerichts setzt sich die Berufung nicht auseinander, sondern geht davon aus, dass diese Entlassungsgründe nachgeschoben werden können.
3.5Zutreffend ist, dass der Arbeitgeber im gerichtlichen Verfahren alle Entlassungsgründe geltend machen und solche auch „nachschieben“ kann, sofern sie nur im Zeitpunkt der Vornahme der Entlassung bereits vorgelegen sind und das Entlassungsrecht nicht insoweit bereits untergegangen ist (RIS-Justiz RS0029131; Kuderna , Entlassungsrecht² 51). Dies verkennt die Berufung in Zusammenhang mit den Vorfällen vom 16. Dezember 2023 sowie 4. und 11. Jänner 2024.
3.6 Nach den erstgerichtlichen Feststellungen konnte zwar die Klägerin am 19. Jänner 2024 vom Zusteller zu Hause nicht angetroffen werden, doch können in der Zeit zwischen der Übergabe der schriftlichen Entlassung zur Post (= Ausspruch) und deren Zugehen entstandene Entlassungsgründe zur Begründung einer Entlassung nicht mehr herangezogen werden ( Kuderna , Entlassungsrecht² 51 [FN 4]).
4 Gemäß § 82 Abs 1 lit d GewO 1859 kann ein Arbeitnehmer sofort entlassen werden, wenn er sich eines Diebstahls, einer Veruntreuung oder einer sonstigen strafbaren Handlung schuldig macht, welche ihn des Vertrauens des Gewerbeinhabers unwürdig erscheinen lässt.
4.1Beruft sich der Dienstgeber auf diesen Entlassungstatbestand, muss er die dafür maßgeblichen objektiven und subjektiven Tatsachen vorbringen und beweisen. Der Entlassungsgrund besteht aber nur dann, wenn das behauptete Verhalten tatsächlich strafbar ist (RIS-Justiz RS0060324).
4.2Die subjektive Tatseite des Straftatbestands der Untreue gemäß § 153 StGB erfordert zum einen den Vorsatz, die eingeräumte Befugnis zu missbrauchen, zum anderen den Vorsatz, dem Geschäftsherrn einen Vermögensschaden zuzufügen (vgl Kirchbacher/Sadoghi in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 153 Rz 42 [Stand 1.3.2025, rdb.at]). Ein Bestimmungstäter muss ebenfalls mit dem deliktspezifischen Vorsatz handeln ( Fabrizy in Höpfel/Ratz, WK² StGB § 12 Rz 42 [Stand 1.5.2014, rdb.at]).
4.3 Darauf hat auch das Erstgericht im Wesentlichen hingewiesen und einen Vorsatz der Klägerin unter Hinweis darauf, dass sie die Bestellung dokumentiert haben wollte, verneint. Zudem traf es in seiner rechtlichen Beurteilung die dislozierte Feststellung, dass die Klägerin die Beklagte nicht um den Bestellungsbetrag bringen wollte. Der Umstand, dass die Klägerin nicht wollte, dass die Bestellung im Kassensystem aufscheint, lässt nicht den Schluss zu, dass sie nicht bereit war, für die Konsumation etwas zu bezahlen. Das Berufungsgericht hegt daher keine Bedenken gegen die Rechtsansicht des Erstgerichts.
4.5Das Vorliegen eines Entlassungsgrunds nach § 82 GewO ist zu verneinen. Einen allgemeinen Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit gibt es im Bereich des § 82 GewO nicht (RIS-Justiz RS0060324 [T4, T5]).
5 Der Berufung musste daher insgesamt ein Erfolg versagt bleiben.
6Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50, 41 ZPO.
7Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig, da keine erheblichen Rechtsfragen zur Lösung anstanden. Ob ein Entlassungsgrund verwirklicht wurde, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0106298).