2R88/25m – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache der Klägerin A* , geboren am **, Angestellte, **straße **, **, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte B* Limited , **, **, **, **, vertreten durch Mag. Patrick Bugelnig, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 63.335,52 s.A., über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 19. Mai 2025, Cg*-11, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit EUR 3.763,62 (darin EUR 627,27 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte hat ihren Geschäftssitz in Malta und ist eine in Malta registrierte Limited Liability Company. Sie bietet u.a. über die Internetseite **, die in verschiedenen Sprachen - so auch der deutschen Sprache - zugänglich und aus Österreich abrufbar ist, Online-Glücksspiele an. Bei der Registrierung eines Online-Accounts bei der Beklagten enthält die Länderauswahl auch Österreich. Die Beklagte verfügt für ihr Online-Glücksspielangebot über eine aufrechte Lizenz der Malta Gaming Authority unter der Lizenznummer **, aber über keine österreichische Glücksspielkonzession nach dem GSpG.
Zwischen 15.02.2013 bis 13.08.2024 nutzte die Klägerin die von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspiele als Freizeitaktivität, wobei sie weder Sportwetten noch Poker-Spiele konsumierte und sich stets an ihrem Wohnort in ** aufhielt. Nach Saldierung der Ein- und Auszahlungen hat die Klägerin in diesem Zeitraum insgesamt EUR 63.335,52 bei den von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspielen verloren. Nachdem sie von der Rückforderbarkeit erfuhr, spielte die Klägerin keine Online-Glücksspiele mehr.
Die Klägerin begehrt die Rückzahlung ihres Spielverlustes. Ihr komme ein bereicherungs- und schadenersatzrechtlicher Anspruch wegen fehlender österreichischer Lizenz der beklagten Partei zu.
Die beklagte Partei bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte vor allem ein, dass das österreichische Glücksspielmonopol mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar sei. Das Anbieten von Glücksspielen aufgrund ihrer maltesischen Glücksspielkonzession sei daher rechtmäßig. Darüber hinaus sei der Beginn des begehrten Zinslaufs unzutreffend. Verzugszinsen stünden erst ab dem Zeitpunkt zu, ab dem die beklagte Partei die Möglichkeit habe, den behaupteten Anspruch zu befriedigen; dies sei hier die Zustellung der Klage.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 63.335,52 samt 4 % Zinsen seit 14.08.2024sowie zum Kostenersatz. Seiner Entscheidung legte es die auf den Seiten 3 bis 5 seines Urteils aufzufindenden Feststellungen zugrunde, die - soweit unstrittig - eingangs zusammengefasst wiedergegeben wurden und auf die im übrigen gemäß § 500a ZPO verwiesen wird.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, es sei österreichisches Recht anzuwenden. Die österreichischen Höchstgerichte seien zur Auffassung gelangt, dass das österreichische System der Glücksspielkonzession nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt und auch unter Bedachtnahme auf die Werbemaßnahmen der Konzessionäre nicht gegen Unionsrecht verstoße. Welche Änderungen im Verhältnis zur Sachlage nach 2016 eine abweichende Beurteilung der Kohärenz begründen würden, um die Unionsrechtskonformität in Zweifel zu ziehen, sei nicht ausreichend konkretisiert vorgebracht worden. Inwiefern die von der Beklagten vorgelegten Werbungen exzessiv wären, sei nicht erkenntlich, würden sie doch in notwendiger und erforderlicher Weise dem Zweck, den Verbraucher in Richtung legales und behördlich kontrolliertes Glücksspiel zu lenken, entsprechen. Um neben dem Angebot anderer (illegaler) Glücksspielwebsites bestehen zu können und bemerkt zu werden, müssten die Konzessionäre ähnlich effektive Werbungen schalten, die die Aufmerksamkeit von Verbrauchern auf sich ziehe. Die vorgelegten Rechtsgutachten und Beschlüsse ließen somit noch nicht auf eine Inkohärenz des gesamten Glücksspielmonopols schließen. Die vom GSpG vorgegebenen Kontrollinstrumente würden dafür sorgen, dass Spieler, die gegebenenfalls durch die Werbung der Konzessionäre deren Angebot wahrnehmen würden, durchgehend durch Instrumente des Spieler- und Jugendschutzes geschützt wurden. Die Gesellschafterstruktur der C* sowie der D* GmbH sowie deren festgestellte Werbemaßnahmen würden an der Richtigkeit und Aktualität der höchstgerichtlichen Entscheidungen zum österreichischen Glücksspielmonopol nichts ändern. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens aus den Fachbereichen 04.60 Marktforschung und 04.50 Werbepsychologie sei wegen rechtlicher Unerheblichkeit nicht notwendig, zumal bereits höchstgerichtlich in zahlreichen vergleichbaren Konstellationen ausgesprochen worden sei, dass auch nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlicher Auswirkungen das österreichische System der Glücksspielkonzessionen nicht gegen Unionsrecht verstoße. Aus diesen Gründen sei auch von der Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art 267 AEUV abzusehen gewesen. Was die Unanwendbarkeit des § 14 GSpG wegen fehlender Notifizierung des Budgetbegleitgesetzes 2011 anlange, würde eine allfällige Unanwendbarkeit des § 14 GSpG idF des BudgetbegleitG nichts an dem in § 3 GSpG normierten Glücksspielmonopols ändern; dies unabhängig von der Frage, ob eine Notifizierung überhaupt erforderlich gewesen sei. Aufgrund des unionsrechtskonformen Glücksspielmonopols handle es sich bei dem von der beklagten Partei angebotenen Glücksspiel in Österreich folglich um verbotenes Glücksspiel. Nach § 879 Abs 1 ABGB sei ein gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßender Vertrag unwirksam und damit nichtig. Was auf der Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksvertrags gezahlt worden sei, sei rückforderbar. Verbotene Spiele erzeugten nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer könne die bezahlte Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünden. Den Rückforderungsanspruch des Verlustbetrags zu verweigern, widerspräche dem Zweck des Glücksspielverbotes. Die Kondiktion bei verbotenen und sittenwidrigen Verträgen erfolge nach § 877 ABGB. Dem Klagebegehren sei daher vollinhaltlich stattzugeben gewesen. Der Zinsenanspruch bestehe entgegen dem Rechtsstandpunkt der Beklagten ab 14.08.2024 als Bereicherungszinsen zu Recht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung, hilfsweise beantragt sie - allenfalls nach Verfahrensergänzung - die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an das Erstgericht, in eventu dazu beantragt sie die Abänderung dahingehend, dass Verzugszinsen erst ab dem 21.01.2025 zu zahlen seien.
Die Klägerin strebt in ihrer Berufungsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteils an.
Die Berufung, die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln war, ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsrüge erweist sich zur Frage der Kohärenz des GSpG als nicht stichhaltig, sodass gemäß § 500a ZPO auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Erstgerichts verwiesen werden kann. Ergänzend ist zu betonen, dass auch nach jüngster Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücks- spielmonopols abschließend beantwortet ist (zuletzt 7 Ob 86/24h). Eine zu dieser Frage erhobene außerordentliche Revision einer maltesischen Onlineglücksspielanbieterin wurde trotz Nichtbehandlung der behaupteten Stoffsammlungsmängel und sekundärer Feststellungs- mängel durch das Berufungsgericht vom OGH zurückgewiesen (8 Ob 138/22k). Es wurde auch die Anregung auf neuerliche Befassung des Europäischen Gerichtshofs abgelehnt (7 Ob 86/24h). Aus der Entscheidung des EuGH C-920/19 „Fluctus“ ergibt sich kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen (2 Ob 146/22t). Die letzte Beurteilung der Kohärenz bezog sich auf den Spielzeitraum bis 26.7.2023, betrifft also weitaus überwiegend den Klagszeitraum. Sämtliche begehrten ergänzenden Feststellungen erweisen sich daher als rechtlich nicht relevant (7 Ob 168/22i). Eine neuerliche Befassung des EuGH kommt nicht in Betracht, weil die unionsrechtlichen Grundsätze geklärt sind (7 Ob 168/22i).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann auch der Mängelrüge kein Erfolg beschieden sein: den behaupteten Verfahrensmängeln (unterlassene Einholung von Sachverständigen- gutachten aus den Fachbereichen Medienwesen und Werbepsychologie) fehlt es insofern an Entscheidungsrelevanz und braucht daher nicht weiter darauf eingegangen werden.
Auch die Beurteilung des Zinsanspruchs der Klägerin ist nicht korrekturbedürftig (vgl 4 Ob 210/23w). In diesem vergleichbaren Fall hatte der OGH trotz eines erst am 15.04.2022 bei Gericht eingelangten europäischen Zahlungsbefehl angesichts eines vom 23.03.2015 bis 11.09.2016 dauernden Spielzeitraums Zinsen (infolge Verjährungseinwand erst) ab 05.03.2019 zugesprochen. Dort wie hier gilt, dass alle Arten von Zinsen aus einer fälligen zu erstattenden Geldsumme ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund der Zahlungspflicht als Verzögerungszinsen im Sinne des § 1333 ABGB gelten und darunter auch Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme (Vergütungszinsen) zählen (vgl RIS-Justiz RS0032078).
Die Berufung bleibt daher erfolglos.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.
Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO war nicht zuzulassen, weil die Rechtsrüge der Beklagten keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt.