JudikaturOLG Linz

11Ra24/25s – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Richter Senatspräsident Dr. Robert Singer als Vorsitzenden, Mag. Herbert Ratzenböck und Dr. Patrick Eixelsberger in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* B* , geboren am **, ** **-Straße **, **, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in Vöcklabruck, gegen die beklagte Partei C* GmbH (FN **), **, **, vertreten durch Dr. Otto Urban, Mag. Andreas Meissner und Mag. Thomas Laherstorfer, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen EUR 18.827,16 (davon EUR 11.227,20 brutto) sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 3. Juni 2025, Cga* 8, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.254,84 (darin enthalten EUR 209,14 an USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Text

Begründung:

Der Kläger war bei der Beklagten bis 28.2.2025 als Elektrotechniker beschäftigt. Mit Mahnklage vom 2.4.2025 begehrte er von der Beklagten die Zahlung von (teils netto, teils brutto) EUR 18.827,16 sA an offenen Ansprüchen aus dem vorangeführten Dienstverhältnis.

Das Erstgericht erließ am 2.4.2025 antragsgemäß den Zahlungsbefehl. Dieser konnte der Beklagten jedoch an der in der Mahnklage angeführten Adresse nicht zugestellt werden (vgl ON 3).

Aufgrund des Zustellantrags des Klägers ON 5 ordnete das Erstgericht mit Verfügung vom 23.4.2025 (ON 6) antragsgemäß die neuerliche Zustellung des Zahlungsbefehls an die Beklagte an, und zwar zu Handen des Geschäftsführers Ing. D* an dessen im Zustellantrag angeführte Privatadresse.

Die Zustellung des Zahlungsbefehls erfolgte sodann am 28.4.2025 an der Privatadresse des Geschäftsführers der Beklagten an dessen dort tätige private Reinigungskraft.

Am 28.5.2025 erhob die Beklagte Einspruch gegen den Zahlungsbefehl.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Einspruch als verspätet zurück, weil dieser außerhalb der vierwöchigen Einspruchsfrist eingebracht worden sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, womit primär die ersatzlose Aufhebung des Beschlusses angestrebt wird.

Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs meint, dass die Zustellung an die Reinigungskraft unwirksam gewesen sei, weil die Reinigungskraft weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber der Beklagten sei und diese sich auch nicht regelmäßig an der Abgabestelle aufhalte. Der Zahlungsbefehl sei dem Geschäftsführer erst am 30.4.2025 zugekommen, weshalb die Zustellung gemäß § 7 ZustG mit diesem Tag als bewirkt anzusehen sei. Die vierwöchige Einspruchsfrist habe demnach am 28.5.2025 geendet, sodass der Einspruch rechtzeitig sei.

Dazu ist auszuführen:

1.1 Gemäß § 13 Abs 1 ZustG sind Dokumente dem Empfänger grundsätzlich an der Abgabestelle zuzustellen.

1.2. Ist der Empfänger keine natürliche Person, so ist das Dokument gemäß § 13 Abs 3 ZustG einem zur Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen. Wer dieser befugte Vertreter ist, richtet sich nach den die Organisation der juristischen Person regelnden Vorschriften (RS0083868). Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann jedem Geschäftsführer, der für die Gesellschaft zu zeichnen oder mitzuzeichnen befugt ist, rechtswirksam zugestellt werden (vgl bloß Stumvoll in Fasching/Konecny³§ 13 ZustG Rz 18).

1.3 Gemäß § 2 Z 1 ZustG ist Empfänger die von der Behörde in der Zustellverfügung (§ 5 ZustG) namentlich als solcher bezeichnete Person. Ist wie hier Empfänger eine juristische Person, hat die Zustellverfügung entweder einen individuell bestimmten zur Empfangnahme befugten Vertreter der juristischen Person ausdrücklich in dieser Funktion oder die juristische Person selbst ohne Nennung einer vertretungsbefugten Person anzuführen bzw zu bezeichnen ( Riesz in Frauenberger-Pfeiler/Riesz/Sander/Wessely,Österreichisches Zustellrecht³ § 5 ZustG Rz 10).

1.4 Wird der Vertreter als Adressat genannt, wird er zum „Empfänger im formellen Sinn“. In einem solchen Fall darf ihm dann auch unter anderem an seiner Wohnanschrift zugestellt werden. Da er zum formellen Empfänger wird, kann nach § 16 ZustG zudem an einen (auf den Vertreter bezogenen) Ersatzempfänger zugestellt werden ( Gitschthaler in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 87 [§ 2 ZustG] Rz 4/3 mwN; StumvollaaO § 13 ZustG Rz 22/1; Wessely in Frauenberger-Pfeiler/Riesz/Sander/Wessely,Österreichisches Zustellrecht³ § 16 ZustG Rz 4).

1.5 Hier wurde in der Zustellverfügung des Erstgerichts ausdrücklich die Zustellung an die beklagte GmbH zu Handen von deren Geschäftsführer verfügt. Damit wurde dieser zum formellen Empfänger. Demnach durfte die Zustellung an dessen Wohnanschrift (vgl § 2 Z 4 ZustG) erfolgen und war dieser Bezugspunkt der zulässigen Ersatzempfänger gemäß § 16 ZustG.

2.1 Gemäß § 16 Abs 1 ZustG darf eine Sendung, wenn sie dem Empfänger nicht zugestellt werden kann und an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend ist, an diesen zugestellt werden, sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder sein Vertreter im Sinn des § 13 Abs 3 ZustG regelmäßig an der Abgabestelle aufhält.

2.2 Nach § 16 Abs 2 ZustG kommt als Ersatzempfänger jede erwachsene Person in Betracht, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebtzur Annahme bereit ist. Das Risiko der rechtzeitigen Weitergabe des Zustellstücks an den Empfänger durch den Ersatzempfänger trägt grundsätzlich ersterer (RS0083880; Gitschthaler aaO§ 87 [§ 16 ZustG] Rz 2 mwN; StumvollaaO § 16 ZustG Rz 36).

2.3 Im vorliegenden Fall wurde der Zahlungsbefehl in der Wohnung des Geschäftsführers der Beklagten an die dort tätige, von ihm privat angestellte Reinigungskraft zugestellt. Diese ist als seine Arbeitnehmerin eine taugliche Ersatzempfängerin im Sinn des § 16 Abs 2 ZustG. Demnach liegt ein vom Rekurs ausschließlich relevierter Verstoß gegen § 16 Abs 1 und 2 ZustG nicht vor. Es ist daher von einer wirksamen Zustellung des Zahlungsbefehls am 28.4.2025 auszugehen.

3. Im Zeitpunkt der Einbringung des Einspruchs am 28.5.2025 war demnach die vierwöchige Einspruchsfrist des § 248 Abs 2 ZPO iVm § 431 Abs 1 ZPO und § 56 ASGG bereits abgelaufen, weshalb das Erstgericht mit dem angefochtenen Beschluss den Einspruch der Beklagten gemäß § 249 Abs 1 Satz 2 ZPO (iVm § 431 Abs 1 ZPO und § 56 ASGG) ohne Verhandlung zu Recht zurückgewiesen hat.

4. Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

6. Die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses folgt aus § 528 Abs 2 Z 2 ZPO (vgl RS0044518, RS0044487; Musger in Fasching/Konecny³ § 528 ZPO Rz 61).