JudikaturOLG Linz

2R77/25v – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
13. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden, Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache des Klägers A* , geb. **, **-Straße **, **, vertreten durch die Niedermayr, Gutbrunner Rechtsanwälte GmbH in Steyr, gegen den Beklagten B* C*, geb. **, **straße **, **, vertreten durch die DR. SCHILCHEGGER RECHTSANWALTSGESELLSCHAFT MBH in Anif, wegen Erbschaft (Streitwert: EUR 70.000,00), über den Rekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 8. Mai 2025, Cg*-20, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt EUR 30.000,00.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Die Streitteile sind Halbbrüder und Neffen der am 31. Jänner 2024 verstorbenen D* C*. Der Kläger erhebt die Erbschaftsklage (eingelangt am 20. Dezember 2024) gegen den Beklagten, der aufgrund des Testaments vom 7. März 2011 im Verlassenschaftsverfahren nach D* C* als Alleinerbe eingeantwortet wurde.

Der Kläger bringt vor, es sei davon auszugehen, dass das Testament vom 7. März 2011 mangels Testierfähigkeit der Erblasserin ungültig sei, weshalb ihm aufgrund des (früheren) Testaments der Erblasserin vom 13. August 1993 eine Erbenstellung gemeinsam mit dem Beklagten zur Hälfte zukomme. Die Verstorbene sei zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung am 11. März 2011 aufgrund einer bestehenden psychischen Einschränkung derart eingeengt gewesen, dass sie nicht wissen habe können oder gewusst habe, was sie konkret verfügt habe. Es sei allgemein bekannt, dass sich die Verstorbene wegen eines entsprechenden Hintergrunds immer wieder in psychiatrischen Kliniken befunden habe. Auch habe er vernommen, dass Notare die Verstorbene weggeschickt hätten, wenn sie der Auffassung gewesen seien, sie sei nicht geschäfts- oder testierfähig.

In der Klage (ON 1) führte er dazu die einzuholenden Krankengeschichten, sowie ein psychiatrisches Gutachten zur Testierfähigkeit als Beweismittel.

Im vorbereitenden Schriftsatz vom 30. Jänner 2025 (ON 5) stellte der Kläger unter anderem die Beweisanträge auf Einholung von Krankengeschichten hinsichtlich der Verstorbenen in nachstehenden Einrichtungen in denen sie sich nach seiner Kenntnis im genannten Zeitraum zur Behandlung befunden hat:

Der Beklagte sprach sich unter Berufung auf die Persönlichkeitsrechte der Verstorbenen sowie die Verschwiegenheitspflicht von Ärzten, sonstigen Gesundheitsberufen und Krankenanstalten sowie wegen Unzulässigkeit von Erkundungsbeweisen und aufgrund der Amtshaftungsbestimmungen des §§ 1328a iVm 16 ABGB gegen den Beweisantrag und die Einholung der Krankengeschichten aus (Replik ON 7,8).

In der mündlichen Streitverhandlung vom 10. April 2025 (ON 11.2,2) wies das Erstgericht die Parteienvertreter darauf hin, dass die Beweisanbote „Beischaffung des Verlassenschaftsakts“, „Beischaffung des Strafakts“ sowie „Einholung der Krankengeschichte“ nicht ZPO-konform gestellt seien, zumal konkret darzulegen sei, was beigeschafft werden solle. Im Übrigen verwies das Gericht darauf, dass es keine Krankengeschichte einholen werde.

Mit Beschluss vom 25. April 2025 bestellte das Erstgericht entsprechend den Beweisanträgen des Klägers den Sachverständigen Dr. G* aus dem Fachbereich Psychiatrie, Neurologie unter Bedachtnahme auf das beiderseitige Parteienvorbringen und die bisher vorliegenden Beweisergebnisse zur Erstattung von Befund und Gutachten zur Frage,

„War die verstorbene D* C*, geboren am **, verstorben am 31. Jänner 2024 am 7. März 2011 testierfähig oder war ihre Testierfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung nicht mehr gegeben?“

zum gerichtlichen Gutachter. Es trug den Parteien auf, dem Sachverständigen alle zur Erfüllung seines Auftrags erforderlichen Hilfestellungen zu gewähren, insbesondere sämtliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

Mit E-Mail vom 8. Mai 2025 teilte das Büro des Sachverständigen dem Erstgericht mit, dass für die Erstellung des Gutachtens die Krankengeschichte von Frau C* über ihre Behandlung in der Klinik F* hilfreich wäre, sich aber aus dem Bestellungsbeschluss die Anforderung der Krankengeschichte nicht ergebe, weshalb sich das Klinikum weigere, die Krankengeschichte zu übermitteln. Die Krankengeschichte werde seitens des Klinikums erst übermittelt, wenn eine Anforderung seitens des Landesgerichts oder die Zustimmung zur Einholung vorliege. Der Sachverständige ersuchte um Mitteilung, ob das Gutachten ohne die Krankengeschichte erstellt werden solle oder, ob er diese nach Zustimmung des Gerichts einholen könne.

Daraufhin fasste das Erstgericht den angefochtenen Beschluss vom 8. Mai 2025 (ON 20.2) in dem es ohne Begründung spruchgemäß erklärte, dass die Zustimmung zur Einholung der Krankengeschichte von Frau C* vom F* Klinikum erteilt wird.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs des Beklagten aus den Gründen der Nichtigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dem Rekurs stattzugeben und den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben, in eventu den Beschluss dahin abzuändern, dass die Zustimmung zur Einholung der Krankengeschichte durch den Sachverständigen Dr. G* versagt werde. Wiederum hilfsweise wird ein Zurückverweisungsantrag gestellt.

In seiner Rekursbeantwortung beantragt der Kläger dem Rekurs keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur (abgesonderten) Anfechtbarkeit:

Der Rekurs gegen einen Beschluss ist nur dann nicht statthaft, wenn ihn das Gesetz für unzulässig erklärt; im Zweifel ist daher jeder Beschluss mit Rekurs anfechtbar, auch wenn es sich dabei um eine „prozessleitende Verfügung“ handelt, für die das Gesetz Anfechtbarkeit vorsieht (RS0043726; Kodek in Rechberger/Klicka ZPO 5 Rz 2 zu § 514). Da der Beschluss keinen Auftrag an die Parteien beinhaltet, ist er (auch) abgesondert anfechtbar (§ 359 Abs 2 ZPO). Der Rekurs ist damit zulässig.

2. Zur Begründungspflicht:

Nach § 428 Abs 1 ZPO müssen Beschlüsse über widerstreitende Anträge und Beschlüsse, durch welche ein Antrag abgewiesen wird, begründet werden. Damit ist zu prüfen, ob widerstreitende Anträge vorliegen.

Da sich der Beklagte bisher ausdrücklich gegen eine Einholung der Krankengeschichte durch das Gericht ausgesprochen hat (Replik ON 7, 8 Punkt C)) ist zum Entscheidungszeitpunkt des Erstgerichts von einer, einem widerstreitenden Verhältnis gleichgelagerten Sachlage zwischen den Streitteilen zur Frage der Einholung der Krankengeschichte, hier durch den Sachverständigen, auszugehen. Das Erstgericht hätte daher den Beschluss ON 20, für den es zudem keinen ausdrücklichen Antrag einer der Parteien, sondern bloß eine Anfrage des Sachverständigen gibt, zumindest gemäß § 428 Abs 1 ZPO (analog) begründen müssen.

Durch den völligen Mangel der Begründung ist der Beschluss nicht überprüfbar, was zur von Amts wegen wahrzunehmenden Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO führt (RS0042133; Pimmer in Fasching/Konecny 3 IV/1 § 477 ZPO Rz 1 und 84). Der bekämpfte Beschluss war daher schon aus diesem Grund als nichtig aufzuheben. Ein Eingehen auf die weiteren Rekursausführungen erübrigt sich. Das weitere Verfahren richtet sich nach den Anträgen der Parteien.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

Der Bewertungsausspruch gründet sich auf §§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 1 ZPO und orientiert sich am vom Kläger angegebenen Interesse.

Die Nichtzulassung des ordentlichen Revisionsrekurses richtet sich nach § 528 Abs. 1 ZPO; dem Erstgericht wurde keine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen (§ 527 Abs 2 ZPO). Im Grunde liegt eine abändernde Entscheidung vor. Erhebliche Rechtsfragen waren nicht zu lösen (Einzelfall).