1R32/25v – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Dr. Wolfgang Seyer als Vorsitzenden, Dr. Stefan Estl und Dr. Christoph Freudenthaler, in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A* B* , geboren am **, selbständig, C* **, D* C*, und 2. B* E* GmbH, FN **, C* **, D* C*, beide vertreten durch die Linsinger Partner Rechtsanwälte OG in St. Johann im Pongau, gegen die beklagte Partei F* , geboren am **, Nachrichtentechniker, C* **, D* C*, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in Seekirchen am Wallersee, wegen Beseitigung (Streitwert EUR 16.000,00) und Unterlassung (Streitwert EUR 16.000,00) über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 11. Februar 2025, Cg*-53, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit EUR 3.740,04 (darin EUR 623,34 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Erstkläger ist Geschäftsführer der Zweitklägerin. Die Zweitklägerin ist Eigentümerin des Grundstückes .40 der EZ **, KG G* C*, wobei sich in dem dort befindlichen Geschäftsgebäude eine Trafik und ein Café befinden. Der Beklagte ist Eigentümer des benachbarten Grundstückes .50 der EZ H*, KG G* C*.
Die klagenden Parteien begehren die Beseitigung der am westlichen Grundstücksteil des Grundstücks .50, KG G* C*, widerrechtlich montierten auf dem Lichtbild Beilage ./C ersichtlichen Überwachungskamera sowie die Unterlassung der Überwachung des Grundstücks der klagenden Parteien oder Erweckung eines derartigen Eindrucks. Der Beklagte habe Anfang 2022 unterhalb seines Balkons eine Überwachungskamera installiert, die das Grundstück der klagenden Parteien filme. Die klagenden Parteien hätten dem nicht zugestimmt, sie und ihre Mieter fühlten sich einem ständigen Überwachungsdruck ausgesetzt, weshalb ein rechtswidriger Eingriff in ihre Privatsphäre vorliege. Die Kameraüberwachung sei nicht gerechtfertigt.
Der Beklagte bestreitet, beantragt die Klage abzuweisen und wendet ein, er habe die Liegenschaft EZ H* KG G* C* an ein Telekommunikationsunternehmen vermietet. Dieses habe eine Kamera angebracht, um die Liegenschaft sowie die im Jahr 2021 errichtete E-Ladestation zu überwachen und Vandalismus Akten in diesem Bereich zu begegnen. Diese Kamera sei so installiert, dass eine Überwachung der Kläger unmöglich sei.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Erstgericht der Klage – im zweiten Rechtsgang - statt. Es legte seiner Entscheidung den auf Urteilsseiten 3 bis 13 ersichtlichen Sachverhalt zugrunde, auf den gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Diese Feststellungen sind wie folgt wiederzugeben (die bekämpften Urteilsannahmen sind in Kursivschrift dargestellt):
Die Zweitklägerin erwarb das Grundstück .40 mit Kaufvertrag vom 18.12.2020. Der Beklagte erwarb Eigentum am Grundstück .50 mit Kaufvertrag vom 27.3.2002.
Im Gebäude der Zweitklägerin befindet sich ein Geschäftslokal und eine Trafik. Außerdem ist geplant, dort fünf Mietwohnungen zu errichten; wobei sich derzeit dort keine Wohnung befindet. Der Haupteingang der Trafik für die Kunden befindet sich auf der vom Beklagtengrundstück abgewandten Seite. Auf der dem Beklagtengrundstück zugewandten Seite befindet sich der Eingang für Lieferanten, Mitarbeiter und Eigentümer.
Auf der Liegenschaft des Beklagten ist eine E-Ladestation installiert, und zwar auf der dem Grundstück der Zweitklägerin zugewandten Seite (Eingang für Lieferanten).
Das Grundstück der Zweitklägerin .40 und das Grundstück des Beklagten .50 sind wie folgt benachbart:
In Annäherung zum Lieferanteneingang des Gebäudes auf der Liegenschaft der Zweitklägerin (grünes Gebäude) zeigt sich die Örtlichkeit wie folgt:
Die an dieser Stelle dargestellten Lichtbilder wurden entfernt.
Der Beklagte lies zur Begrenzung seines Grundstückes die auf obigen Lichtbildern ersichtliche weiße Markierung anbringen. Ob diese weiße Markierung tatsächlich die Grundstückgrenze des Beklagten darstellt, steht nicht fest. Die zwischen dem Beklagtengrundstück und dem Grundstück der Zweitklägerin befindliche Fläche wird seit jeher als öffentliche Verkehrsfläche genutzt. Auf dem gegenständlichen Bereich, der von der Kamera eingesehen wird, gehen Menschen zu Fuß oder fahren mit dem Fahrrad, teilweise drehen Autofahrer um.
Die auf obigem Lichtbild ersichtlichen 2 Kanaldeckel befinden sich außerhalb der vom Beklagten gesetzten weißen Bodenmarkierung. Diese Fläche ist ebenso eine öffentliche Fläche.
Unter dem Balkon des Gebäudes auf der Beklagtenliegenschaft (auf der dem Grundstück der Zweitklägerin zugewandten Seite) ist eine Überwachungskamera wie folgt angebracht:
Das an dieser Stelle dargestellte Lichtbild wurde entfernt.
(Beilage ./G).
(Beilage ./C)
Bei gegenständlicher Kamera handelt es sich um eine Dome Kamera, konkret vom Kameratyp UVC-G3-Dome, eine IP Kamera des Herstellers **. Diese Kamera liefert Bild und Ton mit einer maximalen Auflösung von 2 MP (1920 x 1080 Pixel). Sie verfügt über ein eingebautes Mikrofon sowie eine Infrarotunterstützung, welche die Sicht bei schlechten Lichtverhältnissen verbessert. Der Blickwinkel der Kamera ist nicht per Fernsteuerung veränderbar (weder durch Zoomen noch durch Schwenken). Um den Sichtbereich zu verändern, muss die Kamera mechanisch verstellt werden. Ein Verstellen des Objektives aus der Ferne ist nicht möglich. Die Kamera kann sowohl Bild- als auch Tonaufnahmen machen und nimmt immer dann auf, wenn ihr Sensor eine Bewegung registriert (Motiondetection). Es kann bei der Kamera auch permanentes Filmen eingestellt werden.
Die Aufnahmen können lokal, über den eingebauten SD-Kartenslot (MicroSD Card mit max 32 GB) oder über einen externen Speicher abgespeichert werden.
Die Kameraaufnahmen können über eine Smart-Phone App, die auf zumindest einem Firmenhandy der I* (deren selbstständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Beklagte ist) installiert wurde, angesehen und live wiedergegeben werden. Wie lange die Daten auf der App gespeichert werden und ob diese gelöscht werden, kann nicht festgestellt werden. Jeder der diese App und die entsprechenden Zugangsdaten hat, kann auf die Daten der Kamera zugreifen. Es kann nicht festgestellt werden, über wie viele Smart-Phones auf die Aufnahmen zugegriffen werden kann. Es kann nicht festgestellt werden, wie lange die Daten auf der App gespeichert werden und ob sie gelöscht werden.
Es kann nicht festgestellt werden, wie lange die Aufnahmen gespeichert werden, wer aller Zugriff auf diese Daten hat, wo sie überall gespeichert werden, ob sie auch auf einem dazugehörigen Videoserver gespeichert werden und ob sie nach einer gewissen Zeit wieder gelöscht werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass betreffend die Aufnahmen der Kamera ein Schutz- und/ oder Löschkonzept besteht. Der Aufnahmebereich der Kamera umfasst auch öffentliche Verkehrsflächen. Es kann nicht festgestellt werden, dass in diesem Zusammenhang irgendwelche Schutzmaßnahmen (zB verpixeln) ergriffen werden.
Zum Schutzziel:
Die Kamera dient der Überwachung des Gebäudes und E-Ladestation auf der Beklagtenliegenschaft. Schutzziel der Kamera ist es, den Nahbereich der E-Ladestation, insbesondere die E-Ladestation sowie das Haus des Beklagten zu überwachen.
Zum Sichtbereich der Kamera:
Die Kamera ist auf ca 3,1 Meter Höhe montiert. Sie zeigt den auf der folgenden Abbildung dargestellten Sichtbereich, wobei festzuhalten ist, dass der gesamte auf dieser Abbildung dargestellte Bereich den Sichtbereich der Kamera darstellt:
Die Kamera hat in der montierten Position (lt. Lichtbild oben) einen Erfassungsbereich von ca 10,6m x 4,6 m. Der Blickwinkel ist 110°. Durch das mechanische Verstellen des Objektives kann die Reichweite der Kamera erhöht oder auch vermindert werden. Der Aufnahmebereich der Kamera geht über die vom Beklagten angebrachten weißen Bodenmarkierungen hinaus, so liegen auch die neben der weißen Bodenmarkierung gelegenen 2 Kanalsdeckel im Aufnahmebereich der Kamera. Die Identifikation der auf den Aufnahmen abgebildeten Personen ist gegeben.
Der Sichtbereich der Kamera umfasst nicht die Liegenschaft des Zweitklägers. Der Aufnahmebereich der Kamera reicht bis knapp vor die Hausmauer der Liegenschaft der Zweitklägerin heran. Es wird durch die Kamera auch der Bereich vor dem Lieferanteneingang der Liegenschaft der Zweitklägerin überwacht. Es ist der Lieferanteneingang der Zweitklägerin ohne ein Durchschreiten des Blickfeldes der Kamera so gut wie nicht erreichbar. Dies führt dazu, dass die Mitarbeiter der Zweitklägerin, Lieferanten, der Erstkläger etc welche den Lieferanteneingang der Zweitklägerin betreten wollen grundsätzlich gefilmt werden.
Die Kamera zeigt die Liegenschaft des Beklagten. Betreffend die Liegenschaft des Beklagten ist jedoch lediglich ein kleiner Bereich der Hausmauer im Sichtbereich der Kamera. Die E-Ladestation, welche unmittelbar bei der Hausmauer der Liegenschaft des Beklagten situiert ist, ist vom Aufnahmebereich der Kamera umfasst. Der überwiegend durch die Kamera überwachte Bereich ist nicht Schutzziel. Der Aufnahmebereich der Kamera umfasst zu einem Großteil Flächen, die als öffentliche Verkehrsflächen genutzt werden.
Im folgenden Bild sind sowohl das Haus der Zweitklägerin (gelegen auf Grundstück .40) als auch jenes des Beklagten (gelegen auf Grundstück .50) sowie das Blickfeld der Kamera zu sehen. Der blau markierte Kegel zeigt wiederum den Aufnahmebereich der Kamera:
Vom Lieferanteneingang des Hauses auf dem Grundstück der Zweitklägerin ist die Kamera unter dem Balkon auf dem Grundstück des Beklagten sichtbar. Die Kamera zeigt in Richtung der Liegenschaft der Zweitklägerin, insbesondere zum Lieferanteneingang. Durch den derzeitigen Standort und die konkrete Ausrichtung der Kamera/Montageposition der Kamera entsteht bei den Klägern selbst, sowie auch den Mitarbeitern, Lieferanten, Gästen etc und auch bei einem unbeteiligten Dritten, bei Betreten oder Verlassen des Bereiches rund um den Lieferanteneingang, die berechtigte Befürchtung, dass sie sich im Überwachungsbereich der Kamera befinden und von den Aufnahmen bzw Aufzeichnungen erfasst sind. Sie sind dadurch einem Überwachungsdruck ausgesetzt.
Auf die Überwachung wird an der Fassade des Gebäudes auf dem Beklagtengrundstück durch ein Hinweisschild – wie auf den nachfolgenden Lichtbildern ersichtlich – auch hingewiesen.
Die Grundstücksgrenze der Liegenschaft der Zweitklägerin ist die Hausmauer des Gebäudes auf dem Grundstück der Zweitklägerin.
Bevor die gegenständliche Kamera angebracht wurde, wurde der Erstkläger nicht darüber informiert.
Der Erstkläger A* B* sah bereits öfters Aufnahmen der Kamera, wobei diese immer den gleichen Ausschnittsbereich zeigten.
Mag. J* bekam beim Lieferanteneingang stehend den Eindruck, dass die Kamera in diese Richtung zeigt. Ebenso hatte K* denselben Eindruck. Der Erstkläger fühlt sich durch die Kamera überwacht. Als Geschäftsführer der Zweitklägerin hält er sich etwa einmal wöchentlich auf der Liegenschaft der Zweitklägerin auf.
Die gegenständliche Kamera wurde nicht vom Beklagten sondern von der Firma I* ** GmbH, welche Mieterin der Liegenschaft des Beklagten ist, montiert.
Die gegenständliche Kamera wurde Anfang 2022 dort montiert, wobei sich bereits davor seit dem Jahr 2004 eine Kamera befand. Der Vorbesitzer des Grundstücks der Zweitklägerin war mit der Montage der damaligen Kamera einverstanden.
Wenn die Kamera ummontiert wird, ist sie grundsätzlich in der Lage die klägerische Liegenschaft aufzuzeichnen.
Die Firma I* ** GmbH ist ein Kommunkationsnetzbetreiber, sodass in das Gebäude viele wichtige Leitungen wie etwa die Notrufleitung vom L* **, ** oder der M* hineingehen. Des weiteren verfügt die I* ** GmbH über E-Fahrzeuge, die auch an der vor dem Gebäude installierten E-Ladestation getankt werden. Die Fahrzeuge der I* ** GmbH gehören zu den Blaulichtfahrzeugen. Die I* ** GmbH wurde während der Corona-Pandemie auch von der M* beauftragt den maximalen Schutz der Netzwerke zu gewährleisten. In der Vergangenheit kam es bereits zu Beschädigungen am Gebäude bzw Fenster oder der E-Ladestation auf der Liegenschaft des Beklagten, wobei derartiges in den letzten 3 bis 5 Jahren 3 bis 5 mal vorgekommen ist. Einmal kam es dazu, dass eine Person gewaltsam ins Haus eindrang und einen großen Monitor zerstörte. In unmittelbarer Nähe befindet sich auch eine Bar. Teilweise nimmt die Polizei in die Aufzeichnungen Einsicht, wenn es zu strafbaren Handlungen in der Nachbarschaft gekommen ist.
Alternative Montageposition:
Es gibt alternative Montagepositionen.
Das folgende Bild zeigt eine Veranschaulichung der alternativen Montageposition:
Das an dieser Stelle dargestellte Lichtbild wurde entfernt.
Mit dieser alternativen Montageposition wird die Liegenschaft der Zweitklägerin sowie auch der Bereich des Lieferanteneinganges gar nicht gefilmt. Es wird hierdurch auch eine deutlich geringere Fläche innerhalb der weißen Bodenmarkierung dargestellt, wodurch die Überwachung der öffentlichen Verkehrsfläche geringer ist. Dennoch kann die E-Ladestation sowie auch des Gebäude des Beklagten überwacht und somit das Schutzziel erreicht werden.
Eine weitere noch schonendere Montage der Kamera ist direkt über der Ladeinfrastrukur möglich. Bei einer Montage an der Wand in einer Höhe von ca 3m mit der Objektivrichtung der Kamera in Richtung Boden, kann die Ladeinfrastruktur überwacht werden, eine Überwachung des Grundstückes der Zweitklägerin ist damit mechanisch aber ausgeschlossen. Eine Überwachung des Bereiches beim Lieferanteneingangs findet dadurch nicht statt. Die Überwachung der öffentlichen Verkehrsfläche ist dadurch auch viel geringer.
Bei diesen beiden Montagepositionen findet eine Störung/Belästigung der Kläger nicht statt. Ein ständiger Überwachungsdruck entsteht dadurch somit nicht. Die Kläger sowie auch die Mitarbeiter, Lieferanten, Gäste etc wie auch ein unbeteiligter Dritter müssen sich bei beiden alternativen Positionen nicht kontrolliert fühlen, wenn sie die Liegenschaft betreten oder verlassen. Durch beide Alternativpositionen entsteht aufgrund des Standortes oder der Ausrichtung der Kamera bei Betreten oder Verlassen des Bereiches rund um den Lieferanteneingang nicht die berechtigte Befürchtung, dass sie sich im Überwachungsbereich der Kamera befinden und von den Aufnahmen bzw Aufzeichnungen erfasst sind.
Die aufgezeigte 2. Alternativposition (direkt über die Ladeinfrastruktur) der Kamera stellt die noch schonendere Montageposition dar.
In rechtlicher Hinsicht kam das Erstgericht zum Schluss, dass ein Eingriff in die Privatsphäre der klagenden Parteien vorliege, weil d ie Kamera den Bereich bis knapp vor die Hausmauer der Zweitklägerin, so auch den Bereich vor dem Lieferanteneingang und öffentlich zugängliche Orte filme, die dem Hausrecht des Beklagten nicht unterliegen. Es sei dem Beklagten zwar zuzugestehen, sein Gebäude sowie auch die E-Ladestation zu überwachen, darüber hinaus bestehe jedoch kein Erfordernis.
Gegen dieses Urteil erhebt die beklagte Partei Berufung wegen unrichtiger Tatsachenfeststellungen und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Klage vollinhaltlich abzuweisen.
Die Kläger beantragen, der Berufung nicht Folge zu geben.
Die Berufung ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1. Zur Tatsachenrüge:
1.1. Die Beklagte ficht folgende Feststellungen an: „Der Aufnahmebereich der Kamera reicht bis knapp vor die Hausmauer der Liegenschaft der Zweitklägerin heran. Es wird durch die Kamera auch der Bereich vor dem Lieferanteneingang der Liegenschaft der Zweitklägerin überwacht. Es ist der Lieferanteneingang der Zweitklägerin ohne ein Durchschreiten des Blickfeldes der Kamera so gut wie nicht erreichbar.“ (US 9 dritter Absatz). Sie wünscht dazu nachstehende Ersatzfeststellungen: Der Aufnahmebereich der Kamera reiche in etwa vier Meter vor die Hausmauer der Liegenschaft der Zweitklägerin heran. Weder der Lieferanteneingang der Liegenschaft der Zweitklägerin, noch der direkte Bereich vor diesem Lieferanteneingang würden von der Kamera überwacht. Der Lieferanteneingang der Zweitklägerin sei auch ohne ein Durchschreiten des Blickfeldes der Kamera erreichbar.
Die Berufungsargumente beschränken sich in diesem Punkt darauf, auf die Abbildung auf Seite 6 in ON 31 (schriftliches Gutachten) zu verweisen und daraus eigene Schlussfolgerungen im Sinn der begehrten Ersatzfeststellungen zu ziehen. Dabei versäumt es die beklagte Partei, sich mit der umfangreichen Beweiswürdigung des Erstgerichtes zu diesen bekämpften Feststellungen (US 16 bis 18) auch nur ansatzweise auseinanderzusetzen. Die beklagte Partei legt nicht dar, welche beweismäßigen Überlegungen ergeben sollen, dass der Aufnahmebereich der Kamera in etwa vier Meter vor der Hausmauer der Liegenschaft der Zweitklägerin ende.
Der Sachverständige hat dargelegt, dass die Kamera auf eine Länge von ca 10,6 m filmt (ON 44.3 Seite 3), wobei auf dem von der beklagten Partei relevierten Bild (Abbildung 3 in ON 31) ein Kanaldeckel ersichtlich ist, der 7,5 m von der Kamera – laut den Ausführungen des Sachverständigen (ON 31 Seite 7) – entfernt ist. Auf dem von der beklagten Partei relevierten Bild ist auch ersichtlich, dass der Sichtbereich der Kamera ca 3,1 m über den Kanaldeckel hinausreicht. In seinem schriftlichen Gutachten ON 45 hat der Sachverständige den Richtung des Hauses der Zweitklägerin ausgerichteten Kegel, der von der Kamera gefilmt wird, bildlich dargestellt (ON 45 Seite 5). Damit harmonieren sind die ersten beiden Sätze der bekämpften Feststellungen, weshalb diese vollkommen unbedenklich sind. Ob der Lieferanteneingang der Zweitklägerin ohne Durchschreiten des Blickfeldes der Kamera so gut wie nicht erreichbar ist (dritter Satz der bekämpften Feststellungen), ist hingegen – wie in der rechtlichen Beurteilung gezeigt wird – unerheblich.
1.2. Die beklagte Partei bekämpft ferner folgende Feststellungen: „Der überwiegend durch die Kamera überwachte Bereich ist nicht Schutzziel. Der Aufnahmebereich der Kamera umfasst zu einem Großteil Flächen, die als öffentliche Verkehrsflächen genutzt werden.“ (US 9 letzter Absatz). Dazu wünscht die beklagte Partei die Ersatzfeststellungen: Der durch die Kamera überwachte Bereich sei Schutzziel. Es könne nicht festgestellt werden, ob der Aufnahmebereich zu einem Großteil Flächen umfasse, die als öffentliche Verkehrsfläche genützt würden.
Der Beklagte beruft sich hier zusammengefasst auf seine eigene Aussage und er meint, daraus wären die gewünschten Ersatzfeststellungen zu folgern.
Dem ist zu entgegnen:
Die beklagte Partei hat außer Streit gestellt, dass der Nahbereich der E-Lade-Station, insbesondere die E-Lade-Station von der Kamera überwacht werden sollte (ON 44.3 Seite 6). Demnach steht das Schutzziel der Kamera außer Streit. Allein schon die Abbildung 2 in ON 31 (= ON 31 Seite 6) bzw die Abbildung 3 in ON 31 (= ON 31 Seite 7), mit der eingezeichneten Vermessung des Sichtbereichs und die darauf ersichtliche E-Lade-Station zeigen (zusammen mit dem in ON 45 Seite 5 eingezeichneten) Filmkegel, dass der überwiegend durch die Kamera überwachte Bereich nicht Schutzziel ist. Damit korrespondieren auch die Ausführungen des Sachverständigen (ON 44.3 Seite 3). Dass diese überwachte Fläche als öffentliche Verkehrsfläche genutzt wird, schilderte auch der Beklagte so (siehe ON 44.3 Seite 9).
Auch diese Feststellungen sind damit unbedenklich.
1.3. Die beklagte Partei bekämpft ferner folgende Feststellung: „ Mit dieser alternativen Montageposition wird die Liegenschaft der Zweitklägerin sowie auch der Bereich des Lieferanteneingangs gar nicht gefilmt.“
Die Beweisrüge in diesem Punkt ist allein schon deshalb nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil es der Beklagte verabsäumt, eine gewünschte Ersatzfeststellung anzuführen (vgl dazu RS0041835). Das Berufungsgericht hat sich daher mit der Beweisrüge in diesem Punkt nicht weiter auseinanderzusetzen.
2. Zur Rechtsrüge:
Der Beklagte meint, der Anspruch auf Beseitigung der Kamera müsse bereits daran scheitern, dass diese nach den Feststellungen das Grundstück der Zweitklägerin nicht überwache. Es bestehe auch kein Überwachungsdruck für den Erstkläger, weil dieser wisse, dass die Kamera immer dasselbe Bild zeige und die Liegenschaft der Zweitklägerin nicht filme. Bezogen auf einen Überwachungsdruck der Lieferanten, Mieter oder Bewohner der Liegenschaft lägen keine Feststellungen vor. Der Beklagte habe somit nicht in die Privatsphäre oder Geheimsphäre der Lieferanten, Mieter oder Bewohner eingegriffen. Da es bereits drei- bis fünfmal in den letzten drei bis fünf Jahren zu Sachbeschädigungen im Bereich der E-Ladestation oder nahe gelegenen Fenster gekommen sei, habe der Beklagte ein berechtigtes Interesse sich vor solchen Sachbeschädigungen mittels der Videokamera zu schützen. Die aktuelle Montageposition der Kamera sei auch das schonendste Mittel zur Zweckerreichung, weil die festgestellte alternative Montageposition die auf der anderen Seite gelegenen Gebäude bzw Bereiche davor filmen würde; dadurch könnte ein Überwachungsdruck bei anderen Personen erzeugt werden. Sollte dennoch ein Überwachungsdruck für die Kläger bestehen, so führe eine Interessenabwägung zwischen dem verfolgten Schutzziel des Beklagten und den behaupteten Beeinträchtigungen der Kläger bezogen auf ihre Privatsphäre dazu, dass das mit der Kamera verfolgte Schutzziel höher anzusetzen sei.
Dazu ist auszuführen:
Der Beklagte zweifelt im vorliegenden Fall zu Recht das Vorliegen der Voraussetzungen zur Anwendbarkeit der DSGVO (Artikel 2 Abs 1 iVm Artikel 4 Z 1, 2 und 6 DSGVO) sowie, dass es sich bei ihm um den Verantwortlichen nach Artikel 4 Z 7 DSGVO handelt, nicht an.
Wie das Erstgericht korrekt ausgeführt hat, ist nach Artikel 6 Abs 1 lit f DSGVO zu prüfen, ob die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt. Dabei ist nach folgendem Prüfungsschema vorzugehen: Vorliegen eines berechtigten Interesses zur Verarbeitung, Erforderlichkeit der Verarbeitung zur Verwirklichung dieses Interesses und kein Überwiegen der Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person (6 Ob 150/19f mwN).
Das Datenschutzgesetz idF des Datenschutz-Anpassungsgesetzes 2018 (BGBl I 2018/120) enthält im Gegensatz zur DSGVO explizite Bestimmungen zur Bildverarbeitung (6 Ob 150/19f).
§ 12 DSG regelt die Zulässigkeitserfordernisse für eine Bildaufnahme. Von den in § 12 Abs 2 DSG aufgezeigten Erlaubnistatbeständen könnte hier lediglich jener des § 12 Abs 2 Z 4 DSG („wenn im Einzelfall überwiegende berechtigte Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten bestehen und die Verhältnismäßigkeit gegeben ist“) anwendbar sein.
In § 12 Abs 3 DSG wird die Interessenabwägung bereits auf gesetzlicher Ebene für „quasi massenhaft auftretende Fallkonstellationen“ vorgenommen (6 Ob 150/19f). Von diesen Erlaubnistatbeständen kommt jener des § 12 Abs 3 Z 1 DSG schon deshalb nicht in Betracht, weil – nach den Feststellungen – der überwiegend durch die Kamera überwachte Bereich nicht Schutzziel ist und zum Großteil Flächen umfasst, die als öffentliche Verkehrsflächen genutzt werden (US 9 letzter Absatz). Dass ein anderer der in § 12 Abs 3 DSG normierten Erlaubnistatbestände vorliege, macht die Berufung zu Recht nicht geltend, sondern sie meint, dass die vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten des Beklagten ausschlagen würde.
Gemäß § 16 ABGB hat jeder Mensch angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte und ist daher als eine Person zu betrachten. Aus dieser Norm wird das Persönlichkeitsrecht jedes Menschen auf Achtung seines Privatbereichs und seiner Geheimsphäre abgeleitet (6 Ob 103/07a; vgl RS0009003; 6 Ob 184/24p). Gemäß § 20 Abs 1 ABGB idF BGBl I 148/2020 kann derjenige, der in einem Persönlichkeitsrecht verletzt worden ist oder eine solche Verletzung zu besorgen hat, auf Unterlassung und Beseitigung des widerrechtlichen Zustands klagen. Diese Bestimmung ist gemäß § 1503 Abs 16 ABGB auf jene Fälle anzuwenden, in denen die verletzende Handlung nach dem 31. Dezember 2020 gesetzt wurde. Im Übrigen leitet die Rechtsprechung aus dem Carakter der Persönlichkeitsrechte als absolute Rechte Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche bei Verletzungen dieser Rechte auch dann ab, wenn sie gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen sind (6 Ob 184/24p mwN). Die höchstgerichtliche Rechtsprechung bejaht eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Privatsphäre (Geheimsphäre) bereits dann, wenn sich die Person durch die Überwachungsmaßnahme einer Videokamera kontrolliert fühlen musste, und zwar selbst dann, wenn es sich dabei nur um eine Attrappe handeln sollte (RS0107155 [T3, 5 und 8]; 6 Ob 36722w). Dabei ist auf den Überwachungsdruck abzustellen, den der Überwachte empfindet, sodass es nicht darauf ankommt, wie die Kamera konkret eingestellt ist und wie scharf die Aufnahme tatsächlich ist (6 Ob 6/06k; 6 Ob 150/19f).
Im vorliegenden Fall soll nach dem verfolgten Schutzziel die Kamera dazu dienen, den Nahebereich der E-Ladestation, insbesondere die E-Ladestation sowie das Haus des Beklagten zu überwachen (US 8). Demgegenüber geht tatsächlich der Aufnahmebereich der Kamera erheblich über dieses verfolgte Schutzziel hinaus, indem zu einem Großteil Flächen überwacht werden, die als öffentliche Verkehrsflächen genutzt werden (US 9 letzter Absatz) und es wird durch die Kamera auch der Bereich vor dem Lieferanteneingang der Liegenschaft der Zweitklägerin überwacht (US 9 zweiter Absatz). Damit ist die Überwachungsmaßnahme (Videoüberwachung) in ihrer tatsächlichen Form verglichen mit dem verfolgten Schutzziel eindeutig als überschießend und damit schon aus diesem Grund nicht als gerechtfertigt zu betrachten. Es wäre Sache des Beklagten, den Aufnahmebereich so einzustellen und einzuschränken, dass damit nur der Bereich für das mit dieser Überwachungsmaßnahme verfolgte Schutzziel gefilmt wird, ehe er sich nach einer Interessenabwägung auf eine Rechtfertigung der Bildaufnahme berufen könnte. Der Beklagte hat kein berechtigtes Interesse zu erfahren, wann und wie oft der Kläger, Lieferanten oder sonstige Nutzer der Liegenschaft der Zweitklägerin über den Lieferanteneingang zu- oder weggehen.
Der Berufung ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO.
Bei der Verletzung von höchst persönlichen Rechten, die einer Bewertung durch Geld unzulänglich sind, hat kein Bewertungsausspruch nach § 500 Abs 2 ZPO zu erfolgen (vgl RS0042418 [T9]). Bei den Ansprüchen nach dem DSG handelt es sich um höchst persönliche Ansprüche (RS0042418 [T12; vgl auch T17]). Ein Bewertungsausspruch gemäß § 500 Abs 2 ZPO hat daher nicht zu erfolgen.
Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zulässig, weil das Berufungsgericht den vorliegenden Fall nach einer gesicherten höchstgerichtlichen Rechtsprechung beurteilen konnte.