JudikaturOLG Linz

1R16/25s – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
19. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht durch die Richter Dr. Wolfgang Seyer als Vorsitzenden, Dr. Stefan Estl und Dr. Christoph Freudenthaler in der Rechtssache der klagenden Partei A* B* , geboren am **, Landwirt, **, **, vertreten durch die Linsinger Partner Rechtsanwälte OG in St. Johann im Pongau, gegen die beklagten Parteien 1. C* GmbH Co KG , FN **, **straße **, ** und 2. D* C* , geboren am **, Unternehmer, **straße **, **, beide vertreten durch Rechtsanwälte Waltl Partner in Zell am See, wegen Feststellung (Streitwert EUR 7.700,00), Unterlassung (Streitwert EUR 7.700,00) und Leistung EUR 600,00, über die Berufung der klagenden Partei (Berufungsstreitwert EUR 7.700,00) gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 19. Dezember 2024, Cg*-11, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 1.604,22 (darin EUR 267,37 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 5.000,00, nicht jedoch EUR 30.000,00.

Die ordentliche Revision ist zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Alleineigentümer der EZ ** KG E*, unter anderem bestehend aus den Grundstücken 690 und 691. Der Zweitbeklagte ist der Geschäftsführer der Komplementärin (C* GmbH, FN **) der erstbeklagten Partei.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die geltend gemachte Unterlassungsverpflichtung der beklagten Parteien, die Grundstücke des Klägers 690 und 691 zur Materialgewinnung zu nutzen.

Der Kläger begehrte (1.) festzustellen, dass der zwischen der klagenden Partei und der erstbeklagten Partei für 2023 vereinbarte Materialabbau auf den Grundstücken 690 und 691 der KG E* durch die erstbeklagte Partei vollständig erfüllt sei, (2.) die beklagten Parteien gegenüber der klagenden Partei zu verpflichten, ab sofort die Nutzung der Grundstücke 690 und 691 der KG E* zur Materialgewinnung zu unterlassen und (3.) die beklagten Parteien zu verpflichten, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 600,00 zuzüglich 4 % Zinsen ab Klagseinbringung zu zahlen. Die klagende Partei brachte dazu vor, sie habe für das Jahr 2023 mit der erstbeklagten Partei einen Materialabbau für 2023 auf den Grundstücken 690 und 691 gegen eine Entschädigung von EUR 12.000,00 vereinbart, nicht jedoch auch für das Jahr 2024. Am 31. Jänner 2024 habe die klagende Partei festgestellt, dass die erstbeklagte Partei einen weiteren Materialabbau vornehme und ins Eigentumsrecht der klagenden Partei eingreife, wobei Material im Wert von mindestens EUR 600,00 von den Beklagten entfernt worden sei.

Die Beklagten beantragten, die Klage abzuweisen und erwiderten, die von der klagenden Partei behauptete Vereinbarung existiere nicht. Tatsächlich sei die erstbeklagte Partei von der Gemeinde F* und dem Land Salzburg mit Hochwasserschutzmaßnahmen bei der G* beauftragt worden. Dabei sei vereinbart worden, dass die erstbeklagte Partei den im Zuge dieser Maßnahmen geförderten Schotter und Kies behalten und für eigene Zwecke verwenden dürfe. Die beklagte Partei habe dazu die Grundstücke 690 und 691 nicht benutzt und von diesen Grundstücken auch niemals Schotter abgebaut bzw verwertet. Eigentümerin des Flussbettes der G* sei die Republik Österreich; es handle sich dabei um ein öffentliches Gewässer. Die beklagten Parteien hätten ausschließlich Material vom Flussbett verwendet. Bei der G* handle es sich um das Grundstück 1023/1 der EZ ** KG E*.

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Erstgericht das Klagebegehren zur Gänze ab. Es traf in seinem Urteil auf den Seiten 3 bis 6 zweiter Absatz folgende Feststellungen:

Die G* (= **) stellt sich im klagsrelevanten Abschnitt im SAGIS wie

folgt dar:

Das an dieser Stelle dargestellte Lichtbild wurde entfernt. (Beilage ./C SAGIS-Auszug mit den klagsgegenständlichen markierten Flächen)

Das auf dem SAGIS-Auszug ersichtliche Becken (= der Bereich zwischen den bewaldeten Flächen) wird zum Rückhalt von Geschiebe des H* und der G* genutzt. Der wasserführende Teil der G* verändert seinen Lauf innerhalb dieses Beckens und legt dort Material (Geschiebe) ab. Im Jahr 2007 wurde durch Rodungsarbeiten in diesem Bereich ein Geschiebeausschüttungsraum hergestellt, mit dem Zweck Murenereignisse aus dem H* in geregelter Weise abzuleiten und Mureneinstöße in die G* zu vermeiden.

Das an dieser Stelle dargestellte Lichtbild wurde entfernt.

Ungefähr einen Kilometer flussabwärts befindet sich ein Rückhaltedamm und davor ein wasserrechtlich bewilligtes Wasserretentionsbecken .

Im G*-Tal kam es in den letzten Jahren immer wieder zu Hochwasserereignissen, die große Mengen an Geschiebe in den klagsgegenständlichen Bereich transportierten.

Es ist sinnvoll das Geschiebe aus dem Geschiebeausschüttungsraum zu entfernen, da so verhindert werden kann, dass sich das flussabwärts befindliche Retentionsbecken mit Geschiebe füllt und der Hochwasserschutz nicht funktioniert. Dies ist im Interesse der öffentlichen Wassergenossenschaft die das flussabwärts befindliche Retentionsbecken betreibt, im Interesse der Landesstraßenverwaltung sowie im Interesse aller Anrainer.

In den Jahren 2021/2022 traten I*, Mitarbeiter des Land Salzburg/Bereich Wasserwirtschaft und der Bürgermeister der Gemeinde F* J* an den Zweitbeklagten, als Geschäftsführer der Komplementärin der erstbeklagten Partei, heran und ersuchten ihn um die Räumung und Leerhaltung des Geschiebeausschüttungsraumes durch Materialentnahme. Das Becken der G* war aufgrund von Hochwasserereignissen mit Gesteinsmaterial gefüllt. Sie einigten sich mündlich darauf, dass die erstbeklagte Partei eine mobile Brechanlage und Siebanlage aufstellt, das Material verarbeitet und für sich weiter verwenden könne. Über Grundgrenzen wurde nicht gesprochen. Die erstbeklagte Partei begann mit den Arbeiten, wobei sowohl im Jahr 2023 als auch im Jahr 2024 Material von den im SAGIS-Auszug gelb markierten Flächen abtransportiert wurde. Das Ausmaß und die Qualität des auf diesen Flächen abgebauten Materials kann nicht festgestellt werden. Die mit Erlen bewachsene Uferböschung wurde nicht tangiert. Die erstbeklagte Partei bekam als Gegenleistung für ihre Arbeiten das von ihr entnommene Material. Eine gewisse Menge an Material brachte die erstbeklagte Partei auf eine Landesbaustelle nach **, dafür wurden vom Land Salzburg Transport und Verladung bezahlt.

Im August 2023 war das Material des letzten Hochwassers annähernd entfernt. Daraufhin sind im Sommer/Herbst 2023 die nächsten Hochwasserereignisse eingetreten und das Becken wurde wieder mit Geschiebe gefüllt. Die Vereinbarung zwischen der erstbeklagten Partei und dem Land Salzburg sowie der Gemeinde F* betreffend die Leerhaltung des Geschiebeausschüttungsraumes gilt bis auf Widerruf und soll in der KW 51 im Jahr 2024 beendet werden.

Bei dem abgebauten Material handelt es sich um Gestein (Schotter, Kies, Sand), das im Zuge von Hochwasserereignissen in die G* transportiert wurde (= Geschiebe).

Aufgrund des Materialabbaus kontaktierte der Kläger den Zweitbeklagten und es kam im Frühjahr 2023 zu einem Treffen, bei dem auch K* vom Land Salzburg und der Vater des Klägers L* B* anwesend waren. Der Kläger forderte eine Entschädigung für das entnommene Geschiebe. Ob es im Zuge dieses Gespräches zu einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und der erstbeklagten Partei kam, kann nicht festgestellt werden.

Rechtlich führte das Erstgericht aus: Bei der G* (= **) handle es sich um ein öffentliches Gewässer im Sinn des § 2 Abs 1 lit a WRG, da diese im Anhang A zum WRG genannt sei. Die Grundstücke des Klägers seien nicht öffentliches Wassergut im Sinn des WRG. Die Wasserwelle samt dem Geschiebe sei öffentliches Gut. Das antransportierte Geschiebe stehe nicht im Eigentum des Klägers. Das Unterlassungsbegehren sowie das Zahlungsbegehren gehe somit ins Leere. Die behauptete Vereinbarung zwischen dem Kläger und der erstbeklagten Partei hinsichtlich des Materialabbaus im Jahr 2023 habe nicht festgestellt werden können. Daher sei die Klage insgesamt abzuweisen gewesen.

Der Kläger ficht mit seiner Berufung nur die Abweisung seines Unterlassungsbegehrens wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung an und will insoweit erkennbar eine klagsstattgebende Entscheidung erreichen.

Die Beklagten beantragen in ihrer Berufungsbeantwortung, das erstinstanzliche Urteil zu bestätigen.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Anfechtungserklärung:

Die Berufungsschrift hat gemäß § 467 Z 3 ZPO die bestimmte Erklärung zu enthalten, inwieweit das Urteil angefochten wird, die ebenso bestimmte kurze Bezeichnung der Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe), und die Erklärung, ob die Aufhebung oder eine Abänderung, und welche beantragt werde (Berufungsantrag).

Stehen eine Anfechtungserklärung, Berufungsgründe und Berufungsantrag – wie hier – nicht in Einklang, so genügt es, wenn der Zusammenhang der Berufungsschrift verlässlich erkennen lässt, was der Berufungswerber erreichen will (RS0042142; vgl auch RS0109220; 4 Ob 172/22f mwN).

Wenngleich die klagende Partei in ihrem Berufungsantrag beantragt, „dass dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgegeben“ werde, ist doch angesichts ihrer klaren Rechtsmittelerklärung, die nur die Abweisung des Unterlassungsbegehrens bekämpft, wie auch nach dem im Rubrum angeführten Berufungsinteresse (EUR 7.700,00) und dem Rechtsmittelvortrag klar, dass sich die klagende Partei nur gegen die Abweisung des Unterlassungsbegehrens wendet. Die Abweisung des Feststellungsbegehrens und des Geldleistungsbegehrens sind daher unbekämpft geblieben, weil dazu in den Berufungsgründen inhaltliche Ausführungen völlig fehlen (vgl 3 Ob 59/08k; 4 Ob 172/22f).

2. Der Kläger argumentiert, gemäß § 9 Abs 1 WRG bedürfe jede über den Gemeingebrauch hinausgehende Benutzung des öffentlichen Gewässers einer Bewilligung der Wasserrechtsbehörde. Ein zulässiger Gemeingebrauch an öffentlichen Gewässern dürfe nicht so weit gehen, dass sich ein Unternehmen (unter Zuhilfenahme besonderer Vorrichtungen) das abbaubare Material alleine vereinnahme. § 5 Abs 1 zweiter Satz WRG sei demnach im vorliegenden Fall nicht anzuwenden. Das Recht zur unentgeltlichen Benutzung fremden Grundes werde erst durch eine wasserrechtliche Bewilligung erworben; solange eine solche nicht erwirkt worden sei, sei der ausführende Unternehmer auf die Einwilligung des jeweiligen Grundeigentümers angewiesen. Das bedeute für die vorliegende Sache, dass der Kläger den Beklagten den eigenmächtigen Materialabbau auf seinen Grundstücken gerichtlich untersagen lassen könne.

Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei der G* (auch ** genannt) um ein öffentliches Gewässer im Sinn des § 2 Abs 1 lit a WRG, da diese im Anhang A zum WRG verzeichnet ist. Die öffentlichen Gewässer sind Allgemeingut und nicht Vermögen des Staates (vgl Bachler in Oberleitner/Berger [Hrsg] § 1 WRG Rz 1 sowie § 2 WRG Rz 2). Gemäß § 1 WRG bilden öffentliche Gewässer einen Teil des öffentlichen Guts (§ 287 ABGB [1 Ob 31/11g]). Das Eigentumsrecht daran wird vom Bund ausgeübt (Bachler aaO § 1 WRG Rz 1; 1 Ob 31/11g). Das Wasserbett wird durch den regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen höchsten („vollen“) Wasserstand begrenzt (SZ 53/38), wobei auch eine Überflutung durch 30-jährige Hochwässer noch zählt (1 Ob 50/04s [Holzner in Rummel/Lukas ABGB 4 § 287 Rz 6). Wasserführende und verlassene Bette öffentlicher Gewässer und deren Hochwasserabflussgebiet gelten auch ohne Aufnahme in ein öffentliches Buch gemäß § 4 Abs 1 WRG bis zum Beweis des Gegenteils als öffentliches Wassergut (vgl 1 Ob 7/01p; Holzner aaO § 408 Rz 1). Die Grenze gegen ein öffentliches Gewässer (Seebett) richtet sich, wenn nicht anderes festgelegt, nach dem (regelmäßig wiederkehrenden) ordentlichen Höchstwasserstand (Holzner aaO § 408 ABGB Rz 3 mwN).

Als horizontale Abgrenzung des Gewässerbettes (Wasserbett, Gerinne) gegen das Umland ist – unabhängig von einer bestimmten Wasseranschlagslinie – das „Ufer“ anzusehen, das ist ein in der Natur mehr oder minder deutlich wahrnehmbarer Geländestreifen (Bachler in Oberleitner/Berger [Hrsg] Vor § 1 WRG Rz 6). In vertikaler Hinsicht ist als Gewässerbett (als den Wasserlauf in Form und Richtung bestimmende Landfläche) nur der zwischen den Ufern gelegene gewachsene Boden zu bezeichnen; das darauf – wenn auch in größeren Zeiträumen – von der Wasserwelle antransportierte bzw umgelagerte Material (Sand, Kies, Schotter, Sediment, „alluvio“ und „avulsio“) gehört zwar zur Sohle des Gewässers, kann aber mangels Stabilität rechtlich nicht als Gewässerbett angesehen werden (Bachler aaO Rz 7).

Im vorliegenden Fall steht das Becken der G* fest, und zwar ist es der Bereich zwischen dem bewaldeten Flächen (US 4). Der wasserführende Teil der G* verändert seinen Lauf innerhalb dieses Beckens und er legt dort Material (Geschiebe) ab. Die erstbeklagte Partei hat, wie vom Land Salzburg/Bereich Wasserwirtschaft und vom Bürgermeister der Gemeinde F* gebeten, sowohl im Jahr 2023 als auch im Jahr 2024 Material (Geschiebe) von den im SAGIS-Auszug gelb markierten Flächen abtransportiert. Die mit Erlen bewachsene Uferböschung wurde dabei nicht tangiert (US 5). Daraus folgt, dass sämtliche Arbeiten der Erstbeklagten innerhalb des Bettes des öffentlichen Gewässers stattfanden. Durch diese Arbeiten hat die erstbeklagte Partei iSd obigen Definition auch nicht in das Gewässerbett selbst eingegriffen bzw dieses verändert.

Wie bereits ausgeführt sind die Grenzen zwischen dem wasserführenden oder verlassenen Bett eines öffentlichen Gewässers und den anrainenden Grundstücken anderer Eigentümer als des Bundes nach dem regelmäßig wiederkehrenden ordentlichen Höchstwasserstand zu ziehen (1 Ob 50/04s). Die im oben dargestellten SAGIS-Auszug gelb markierten Flächen, auf denen die Arbeiten der erstbeklagten Partei stattfanden, liegen zur Gänze innerhalb des Bettes des öffentlichen Gewässers. Die Arbeiten betrafen überdies nur die Entfernung des Geschiebes. Zu einer Eigentumsfreiheitsklage (§ 523 ABGB) ist daher der Kläger am Wasserbett nicht legitimiert. Maßnahmen der Hoheitsverwaltung, wie die Regelung und Sicherung des Gemeingebrauchs können mit privatrechtlichen Mitteln nicht erzwungen werden (vgl RS0010522 [T19]; vgl Bachler in Oberleitner/Berger [Hrsg] § 8 WRG Rz 8).

Der Berufung ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

Der Bewertungsausspruch gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO orientiert sich an der Bewertung des Unterlassungsanspruchs in der Klage.

Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist zulässig, weil, soweit ersichtlich, eine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehlt, inwieweit bei geltend gemachten Abwehransprüchen (§ 523 ABGB) an öffentlichen Gewässern zwischen Grundeigentum und „Gewässereigentum“ zu differenzieren ist.