10Bs5/25v – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A* wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 85 Abs 2 iVm Abs 1 Z 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Strafe gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 3. Dezember 2024, GZ*-150, nach der in Anwesenheit des Oberstaatsanwaltes Mag. Zentner, des Angeklagten und seines Verteidigers Dr. Harrer durchgeführten Berufungsverhandlung am 10. Februar 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und nach Ausschaltung des § 43a Abs 3 StGB die Freiheitsstrafe auf 30 Monate erhöht.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil – das auch einen Teilfreispruch umfasst – wurde der am ** geborene A* des Verbrechens der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen nach § 85 Abs 2 iVm Abs 1 Z 2 StGB, des Vergehens der Freiheitsentziehung nach den §§ 15 Abs 1, 99 Abs 1 StGB, des Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB und des Vergehens der Unterschlagung nach § 134 Abs 1 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des § 85 Abs 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 24 Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe von 16 Monaten unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen. Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde er weiters verpflichtet, binnen 14 Tagen der Privatbeteiligten B* einen Betrag von EUR 24.800,00, der Privatbeteiligten C* einen Betrag von EUR 500,00 und dem Privatbeteiligten D* einen Betrag von EUR 155,00 zu bezahlen.
Nach dem Schuldspruch hat A*
1. am 29. September 2023 in E* dadurch, dass er mit dem Fahrrad frontal mit der Fußgängerin B* kollidierte, diese in Form mehrfach imprimierter Frakturen der Schädelkalotte frontal mittig mit Fragmentbildung, eines komplexen Fraktursystems der Augenhöhlen und Anteilen des Oberkiefers, einer Nasenbeinfraktur, eines Bruchs der Siebbeinzellen, einer Subarachnoidalblutung in frontalen Abschnitten, Kontusionsblutungen des Gehirnes betont rechts frontalseitig, einer Teilamputation des rechten Ohres, eines Bruchs des III. Fingers (Mittelfingers) rechtsseitig, einer Verletzung des kleinen linken Fingers, eines Bruchs des rechtsseitigen dritten Mittelhandstrahles, einer Einblutung in die Stirnhöhle und einer Einblutung in beide Kieferhöhlen am Körper verletzt und bei dieser dadurch, wenn auch nur fahrlässig, eine schwere Dauerfolge, nämlich eine auffallende Verunstaltung in Form einer auffallenden Narbe an der Stirn samt Einschränkung der Muskelfunktion sowie einer Impression der rechten Augenhöhle, Narben und Funktionseinschränkungen am Mittelfinger rechts sowie des kleinen Fingers links, herbeigeführt;
2. in E* am 30. August 2022 versucht, C* widerrechtlich in deren Wohnung im zweiten Stock gefangen zu halten, indem er einen Zurrgurt am Türknauf an der Außenseite der Wohnungstür und am gegenüberliegenden Stiegengeländer festband, was ein Öffnen der Wohnungstür unmöglich machte;
3. nachgenannten Personen fremde bewegliche Sachen teils durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar
a. im Zeitraum Anfang 2023 bis Dezember 2023 in E* Verfügungsberechtigten der Geschäfte F* und G* in mehreren wöchentlichen Angriffen alkoholische Getränke und andere Waren, indem er die Waren an sich nahm und ohne zu bezahlen das Geschäft verließ,
b. am 26. September 2023 in ** einem Unbekannten ein rotes Fahrrad der Marke Puch, Modell Clubman, Rahmennummer **, indem er dieses an sich nahm und benutzte,
c. in der Nacht von 27. September 2023 auf 28. September 2023 D* Lebensmittel, ca. EUR 120,00 Bargeld, Zigaretten und ein Mobiltelefon, indem er mit einem unbekannten Werkzeug die Nebeneingangstüre zu dessen Imbissstand aufbrach und dort die Gegenstände an sich nahm;
4. im Februar 2024 in E* ein fremdes Gut, das er gefunden hat, nämlich einen E- Scooter der Marke Mi, Typ "Electric Scooter Pro 2“, Seriennummer **, des H* im Wert von ca. EUR 500,00, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er diesen an sich nahm.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht mildernd das zum Faktum 2. und teilweise zum Faktum 3. abgelegte reumütige und zur Wahrheitsfindung beitragende Geständnis, den Umstand, dass die Tat zu Faktum 2. beim Versuch blieb, sowie den bisherigen ordentlichen Lebenswandel; erschwerend hingegen das Zusammentreffen eines Verbrechens mit Vergehen und die Faktenhäufung innerhalb der gemäß § 29 StGB zu bildenden Subsumtionseinheit zu Faktum 3.
Mit ihrer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung strebt die Staatsanwaltschaft die Verhängung einer höheren und gänzlich unbedingten Freiheitsstrafe an (ON 152).
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung ist berechtigt.
Schuldaggravierend zu werten ist, dass das Opfer durch die Tat mehrere Verletzungen mit jeweils schweren Dauerfolgen erlitten hat, da bereits der Eintritt einer schweren Dauerfolge den Strafrahmen begründet.
Da der Erfolgsunwert nicht auf das tatbestandliche Erfolgsunrecht (innertatbestandliche Folgen) beschränkt ist, sondern auch darüber hinausreichende außertatbestandliche Folgen erfasst sind, sofern sie dem Täter nur als verschuldet (§ 32 Abs 3 StGB) zugerechnet werden können ( Riffel in aaO § 32 Rz 85), sind die bei C* durch die Tat verursachte akute Belastungsreaktion und Anpassungsstörung schuldaggravierend in Anschlag zu bringen, handelt es sich doch um Umstände, welche nicht die durch die verletzte Norm geschützten Rechtsgüter betreffen.
Zusätzlich erschwerend ist der längere Tatzeitraum beim Faktum 3.a.
Festzuhalten ist, dass der Berufungsargumentation zuwider dem Angeklagten die mangelnde Schuldeinsicht nicht zum Nachteil gereichen darf. Die Wertung der leugnenden Verantwortung eines Angeklagten als eine für die Zumessung der Strafhöhe entscheidende Tatsache stellt eine unrichtige Gesetzesanwendung dar ( Riffel in aaO § 32 Rz 43f; RIS-Justiz RS0090897; RIS-Justiz RS0056731; RIS-Justiz RS0090912 ua.).
In Gesamtschau der - ergänzten - Strafzumessungskriterien erweist sich (ausgehend von einem Strafrahmen von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe) eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten, dies entspricht einem Fünftel des zur Verfügung stehenden Strafrahmens, nicht als schuld- und tatangemessen. Die Freiheitsstrafe war daher auf 30 Monate zu erhöhen, um dem konkreten Unrechtsgehalt der Tat und der individuellen Täterschuld sowie generalpräventiven Aspekten gerecht zu werden.
Gemäß § 43a Abs 4 StGB kommt die Gewährung einer teilbedingten Strafnachsicht bei zwei, nicht aber drei Jahre übersteigenden Freiheitsstrafen nur in Betracht, wenn eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Rechtsbrecher keine weiteren strafbaren Handlungen mehr begehen werde. Die geforderte hohe Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens setzt ein eindeutiges und beträchtliches Überwiegen jener Umstände voraus, die auf Seite des Täters dafür sprechen, dass es sich im Hinblick auf sein bisheriges Vorleben, seine Persönlichkeit und sein soziales Verhalten um eine nach menschlichem Ermessen einmalige Verfehlung gehandelt hat, wie dies etwa auf Straftaten aus Konfliktssituationen und Krisensituationen zutreffen kann (RIS-Justiz RS0092042). Die Anwendung dieser Bestimmung ist sohin auf extreme Ausnahmefälle beschränkt, die gleichsam einmalige Verfehlungen vor Augen haben (RIS-Justiz RS0092050).
Eine derart qualifiziert günstige Spezialprognose kann dem Angeklagten fallkonkret aber nicht attestiert werden. So ist das Vorgehen für einen mit den rechtlichen Werten verbundenen Menschen in keiner Weise erklärlich, beging der Angeklagte die Taten doch (überwiegend) zum Nachteil willkürlich ausgewählter Opfer. Zudem zeugt die Tatsache, dass innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums ein Verbrechen sowie mehrere Vergehen begangen wurden, von einer gegenüber rechtlich geschützten Werten ablehnenden Einstellung des Angeklagten. Die Annahme hoher Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens ist daher fallkonkret - ungeachtet der bisherigen Unbescholtenheit – nicht gegeben.