6R8/25a – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Einzelrichterin (§ 8a JN) in der Rechtssache des Klägers A*-B*, geboren am **, Senior Controller, **gasse **, vertreten durch die Themmer, Toth Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beklagten DI C* B*, geboren am **, Architekt, **, wegen (eingeschränkt) EUR 150.000,00 sA, über den Rekurs des Klägers gegen den Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 9. Dezember 2024, GZ*-35, beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung eines Pflichtteils (ein Sechstel) von zuletzt EUR 150.000,00 sA. Seine am 2. Juli 2023 verstorbene Großmutter hatte drei Söhne, nämlich seinen vorverstorbenen Vater, den er repräsentiere, den Beklagten und seinen Onkel. Die Verstorbene habe dem Beklagten am 3. November 2004 eine zu touristischen Zwecken genutzte Luxusimmobilie in D* geschenkt. Deren Wert sei der Verlassenschaft hinzuzurechnen.
Der Beklagte bestritt und wendete unter anderem ein, dass schon mangels Schenkungsabsicht der Verstorbenen kein Schenkungsvertrag, sondern ein Übergabsvertrag geschlossen worden sei, in welchem sich der Beklagte zur Erbringung einer Reihe von Ausgedingsleistungen verpflichtet habe. Der Wert der Gegenleistungen, nämlich die Ausgedingsleistungen sowie das Wohnungsrecht der Verstorbenen, würden bei weitem den Wert der übergebenen Wohnung, einer Substandardwohnung, übersteigen.
Mit Beschluss vom 22. Mai 2024 bestellte das Erstgericht Ing. E* zum Sachverständigen mit dem Auftrag, zu folgenden Fragen ein Gutachten zu erstatten:
„ a) Wie hoch war der Wert der Liegenschaft 406/692 Anteile an der EZ ** der KG ** verbunden mit Wohnungseigentum an W 1 zum Stichtag 03.11.2024?
b) Auf welche Höhe belief sich der Wert für das Wohnungsrecht der Übergeberin laut Vertrag Beilage./F? “ (ON 11).
Dieser Gutachtensauftrag wurde mit Beschluss vom 24. Juli 2024 dahin ergänzt, dass der Sachverständige auch das Ausgedingsrecht der Übergeberin laut Beilage./F bewerten und für den Fall, dass sich die Nutzwertanteile der Liegenschaft zum Bewertungszeitpunkt geändert darstellen, dies als Variante im Gutachten zur Darstellung bringen soll (ON 14).
Der bestellte Sachverständige erstattete ein ausführliches Gutachten, in dem er die an ihn vom Erstgericht gestellten Fragen beantwortete (ON 15). Für dieses Gutachten begehrte der Sachverständige Gebühren von EUR 7.054,00 (ON 16), wozu er unter anderem ein nach Datum, Leistung und Stundenanzahl gegliedertes Leistungsverzeichnis vorlegte.
In der Tagsatzung vom 18. Oktober 2024 erfolgte eine ausführliche Gutachtenserörterung (ON 30.3), wofür der Sachverständige mit Eingabe vom 21. Oktober 2024 Gebühren von EUR 2.604,00 ansprach und dazu wiederum ein Leistungsverzeichnis vorlegte (ON 31).
Dagegen erhob der Kläger Einwendungen. Das Sachverständigengutachten sei mehrfach unvollendet und mangelhaft geblieben und insgesamt wertlos. Die Gebühren des Sachverständigen seien gemäß § 25 Abs 3 GebAG wegen völliger Unbrauchbarkeit entweder nicht zuzuerkennen oder entsprechend zu mindern. Zudem hätte der Sachverständige die Zeitangaben nur pauschaliert ohne Detaillierung der einzelnen Leistungen bekannt gegeben (ON 34).
Mit dem angefochtenen Beschluss bestimmte das Erstgericht die Gebühren des Sachverständigen für die Erstattung des schriftlichen Gutachtens vom 18. Juli 2024 und für die Gutachtenserörterung in der Verhandlung vom 18. Oktober 2023 samt Ausarbeitung der Fragen antragsgemäß mit gesamt EUR 9.658,00.
Nach der für das Rekursverfahren wesentlichen Begründung des Erstgerichts sei der Anspruch auf die Gebühr gemäß § 25 Abs 1 GebAG gegeben, wenn das Gutachten in Befolgung des gerichtlichen Auftrags erstattet worden sei. Die Richtigkeit und Brauchbarkeit des Gutachtens sei für ein Gebührenbestimmungsverfahren grundsätzlich unbeachtlich. Das Gutachten sei weder völlig unbrauchbar, noch so mangelhaft abgefasst gewesen, dass es nur deshalb einer Erörterung bedurft hätte. Auch der verzeichnete Zeitaufwand sei, da weder der Beweis des Gegenteils angetreten worden sei, noch wahrscheinlich erscheine, berechtigt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der rechtzeitige Rekurs des Klägers wegen Verfahrensmängeln sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Hilfsweise wird die gänzliche Streichung der Gebühren oder eine Kürzung auf ein Viertel oder die Hälfte der angesprochenen Gebühren begehrt.
Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Der Kläger bringt in seinem Rekurs – ohne dies einem bestimmten Rekursgrund zuzuordnen – im Wesentlichen vor, dass das Gutachten unvollständig geblieben sei, was sich schon daran zeige, dass das Erstgericht in der Verhandlung vom 11. Dezember 2024 das Verfahren gemäß § 193 Abs 3 ZPO vorbehaltlich der Gutachtensergänzung geschlossen habe. Auch bezüglich der Ertragswertberechnung, der Ermittlung des Bodenwertes als auch bezüglich des Vergleichswertverfahrens sei das Gutachten in wesentlichen Punkten unvollständig geblieben, weshalb der Sachverständige seinen Gebührenanspruch – zumindest teilweise – verloren habe.
Dazu ist Folgendes auszuführen:
Ist die Tätigkeit des Sachverständigen aus seinem Verschulden unvollständig geblieben, so hat er keinen, sonst nur einen Anspruch auf die seiner unvollendeten Tätigkeit entsprechende Gebühr. Hat der Sachverständige aus seinem Verschulden seine Tätigkeit nicht innerhalb der vom Gericht festgelegten Frist erbracht oder sein Gutachten so mangelhaft abgefasst, dass es nur deshalb einer Erörterung bedarf, so ist die Gebühr für Mühewaltung um ein Viertel zu mindern (§ 25 Abs 3 GebAG).
Der Gebührenanspruch des Sachverständigen nach § 25 Abs 1 GebAG richtet sich also nach der Erfüllung des erteilten Auftrags, die Anspruchsvoraussetzungen sind daher gegeben, wenn das Gutachten in Befolgung des gerichtlichen Auftrages erstattet wurde. Die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens eines Sachverständigen ist im Gebührenbestimmungsverfahren hingegen nicht zu überprüfen (RS0059129; RS0132211; OLG Wien 2 R 20/16z). § 25 Abs 3 GebAG stellt nicht auf eine inhaltliche Unvollständigkeit ab, sondern auf eine verfahrensrechtliche Unvollendetheit der Sachverständigentätigkeit. Ob nämlich das Gutachten für die im Verfahren relevanten Fragen eine ausreichende Grundlage darstellt, kann im Gebührenbestimmungsverfahren nicht entschieden werden (OLG Linz 1 R 44/16w, 1 R 112/15v; Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG 4§ 25 GebAG E 199). Auch Schlüssigkeit, Beweiskraft, Tauglichkeit und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens sind im Gebührenbemessungsverfahren nicht zu beurteilen (RS0059129 [T6]). Der Sachverständige hat daher selbst dann Anspruch auf Gebühren, wenn ihm ein Fehler unterlaufen sein sollten. Nur dann, wenn ein Gutachten völlig unbrauchbar in dem Sinn ist, dass eine Erfüllung des Gutachtensauftrags gar nicht zu erkennen ist, dürfen die Gebühren nicht zugesprochen werden (RS0132211; Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 25 GebAG E 256). Wird die schriftliche Gutachtensergänzung und die mündliche Gutachtenserörterung durch die umfangreiche Fragestellung einer Partei veranlasst, so hat keine Gebührenminderung zu erfolgen (Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 25 GebAG E 230). Für eine Gebührenkürzung wegen Erörterungsbedürftigkeit müssen die Mängel des Gutachtens einzige Ursache für die Gutachtenserörterung sein (OLG Linz 1 R 44/16w, 1 R 112/15v, 2 R 21/12i).
Hier hat der Sachverständige den erteilten Gutachtensauftrag zur Gänze erfüllt. Entgegen der Darstellung des Klägers erfolgte nämlich der Schluss der Verhandlung gemäß § 193 Abs 3 ZPO nicht wegen einer notwendigen Gutachtensergänzung aufgrund dessen Unvollständigkeit bzw Nichterfüllung des erteilten Gutachtenauftrags, sondern um nach Vorliegen weiterer Beweisergebnisse, insbesondere der Personalbeweise, beim Sachverständigen eine Überprüfung dahingehend zu veranlassen, ob diese neuen Beweisergebnisse etwas an seiner bisherigen gutachterlichen Einschätzung ändern (vgl ON 37.4 S 20 und 21).
Entgegen der Auffassung des Klägers waren auch nicht Mängel des Gutachtens einzige Ursache für die durchgeführte Gutachtenserörterung, sondern der Umstand, dass der Kläger nahezu alle Ergebnisse des Gutachtens hinterfragt hat. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Gutachtensergänzung ausschließlich (§ 25 Abs 3 GebAG: „ nur“) wegen behaupteter Mängel erforderlich war. Vielmehr geht aus dem Protokoll der Tagsatzung (ON 30.3) hervor, dass das Gutachten ganz allgemein erörtert sowie Fragen der Parteien auch ausgehend von weiterem Parteienvorbringen beantwortet wurden. Ob der Sachverständige bei der Bemessung des Ertragswertes allenfalls von falschen Prämissen (Restnutzungsdauer ohne Behinderung durch ein Wohnungsgebrauchsrecht; nachhaltig erzielbare Erträge aus der touristischen Vermietung) ausging, betrifft die inhaltliche Richtigkeit des Gutachtens. Damit vermag der Kläger keine Mangelhaftigkeit iSd § 25 Abs 3 GebAG aufzuzeigen. Gleiches gilt für die Behauptung, dass der Bodenwert unrichtig ermittelt worden wäre und die zur Ermittlung des Bodenwertes als auch für das Vergleichswertverfahren herangezogenen Vergleichswerte unvollständig geblieben wäre. Diese Argumente zielen darauf ab, dass das Gutachten inhaltlich unrichtig bzw unschlüssig sei. Damit vermengt der Rekurs wieder das Verfahren in der Hauptsache mit der Prüfung des Gebührenanspruchs. Nur dann, wenn ein Gutachten völlig unbrauchbar in dem Sinne ist, dass eine Erfüllung des Auftrages des Erstgerichts gar nicht zu erkennen ist, dürften Gebühren nicht zugesprochen werden. Davon kann hier keine Rede sein, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass die vom Sachverständigen angewandte Methode im Rahmen des Gebührenbestimmungsverfahrens nicht zu bewerten ist (OLG Wien 13 R 213/15m).
Zuletzt wendet sich der Kläger gegen die geltend gemachte Anzahl der Mühewaltungsstunden, da diese für bloße Internetrecherchen unglaubwürdig wären.
Die Gebühr für Mühewaltung nach § 34 Abs 1 GebAG ist die Entlohnung für die eigentliche Sachverständigentätigkeit, die in der Erstattung von Befund und Gutachten besteht. Mit dieser Gebühr wird auch jede ordnende, stoffsammelnde, konzeptive und ausarbeitende Tätigkeit des Sachverständigen zur Vorbereitung des Gutachtens honoriert. Zu der im Rahmen der Mühewaltung aufgewendeten Zeit gehört auch der Zeitaufwand für die Vorbereitung des Gutachtens (Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 34 GebAG E 3). Nach § 38 Abs 2 GebAG hat der Sachverständige die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, zu bescheinigen. Die Gutachterarbeit ist vor allem eine geistige Tätigkeit, die kaum nach objektiven Gesichtspunkten eingeschätzt werden kann. Die Angaben eines gerichtlich beeideten Sachverständigen über den Zeitaufwand sind so lange als wahr anzunehmen, als nicht das Gegenteil bewiesen wird (Krammer/Schmidt/Guggenbichler aaO § 34 GebAG E 186ff und § 38 GebAG E 93ff). Das Gericht hat insbesondere nicht zu prüfen, ob es objektiv möglich gewesen wäre, die vom Sachverständigen erbrachten Leistungen in einem kürzeren Zeitraum zu erbringen. Eine Prüfung der „Angemessenheit“ der vom Sachverständigen aufgewendeten Zeit hat daher im Allgemeinen nicht zu erfolgen. Das Ausmaß der bei der Mühewaltung aufgewendeten Zeit ist eine Tatfrage (RS0059243). Dessen Angaben könnten nur durch begründete Tatsachenfeststellungen widerlegt werden (RS0059212).
Das Erstgericht beantwortete die Tatfrage, wie viele Stunden der Sachverständige für die Gutachtenserstellung (Mühewaltung) aufgewendet hat, dahin, dass es den vom Sachverständigen angegebenen Stundenaufwand als bescheinigt ansah. Dem setzt der Kläger im Rekurs keine stichhaltigen Argumente entgegen; der behauptete Zeitaufwand erscheint für das vorliegende umfangreiche Gutachten angemessen. Jedenfalls wird das Gegenteil weder durch den Akteninhalt bewiesen, noch im Rekurs durch stichhaltige Argumente plausibilisiert.
Insgesamt musste dem Rekurs daher ein Erfolg versagt bleiben.
Der Kläger hat zutreffend keine Kosten verzeichnet, da gemäß § 41 Abs 3 letzter Satz GebAG im Gebührenbestimmungsverfahren kein Kostenersatz stattfindet.
Gemäß § 528 Abs 2 Z 5 ZPO ist ein Revisionsrekurs gegen Entscheidungen über Gebühren von Sachverständigen jedenfalls unzulässig.