JudikaturOLG Linz

8Bs268/24d – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
03. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd, sowie den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A*wegen der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 12 zweiter Fall, 223 Abs 1, 224 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 4. Dezember 2024, HR*-8, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Gegen A* behängt bei der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis zu St* ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 12 zweiter Fall, 223 Abs 1, 224 StGB sowie solcher nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB.

Mit dem angefochtenen Beschluss wurde über Antrag der Staatsanwaltschaft Ried im Innkreis gemäß § 115 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StPO die Beschlagnahme folgender sichergestellter

Datenträger sowie der Daten, die darauf gespeichert sind, zum Zwecke der Auswertung und Auffindung von Dateninhalten sowie Software, die zur Benützung/Speicherung von Falsifikaten bzw zur Kommunikation mit den Fälschern oder allfälligen Abnehmern der Falsifikate geeignet ist, sowie sonstige für das Ermittlungsverfahren relevante Beweise, die auf eine Tatbegehung des Beschuldigten zu den unten angeführten Straftaten schließen lassen,

für den Zeitraum 1. Mai 2023 bis 19. November 2024, wobei auch solche Daten umfasst sind, deren Zeitstempel nicht vorhanden ist oder offensichtlich nicht korrekt ist und die in anderen Daten enthalten sind (Containerformate wie ZIP, Anhänge zu E-Mails udgl);

hinsichtlich der Datenkategorien (jeweils samt den damit verbundenen Metadaten und Daten, die auf räumlich getrennten Speichermedien gespeichert werden und auf die von den durchsuchten Örtlichkeiten [Cloud-Speicher, Online-E-Mail-Postfächer, externes Hosting, etc] zugegriffen werden kann)

angeordnet, nämlich:

Begründend führte das Erstgericht an, dass die angeführten elektronischen Geräte im angeführten Zeitraum im weiteren Verfahren wegen der andauernden Auswertung als Beweismittel benötigt würden und die Beschlagnahme aufgrund des sozialen Störwertes der verdachtsmäßigen Straftaten verhältnismäßig seien; demgegenüber gelindere Mittel zur Datenbeschaffung nicht möglich schienen.

Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde des Beschuldigten, der mit der zusammengefassten Argumentation, der Anzeiger D* nehme mit unzutreffender Belastung Rache am Beschuldigten; zudem seien die von diesem angegebenen Reisepässe oder Führerscheine bei der Durchsuchung der Wohnung des Beschuldigten auch nicht sichergestellt worden, die Abwendung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Abweisung des Beschlagnahmeantrags anstrebt (ON 13).

Das Rechtsmittel ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 115 Abs 1 StPO ist eine Beschlagnahme zulässig, wenn die sichergestellten Gegenstände voraussichtlich im weiteren Verfahren als Beweismittel erforderlich sein werden (Z 1), privatrechtlichen Ansprüchen unterliegen (Z 2) oder dazu dienen werden, die gerichtliche Entscheidung auf Konfiskation (§ 19a StGB), auf Verfall (§ 20 StGB), auf erweiterten Verfall (§ 20b StGB), auf Einziehung (§ 26 StGB) oder eine andere gesetzlich vorgesehene vermögensrechtliche Anordnung zu sichern (Z 3). Gemäß § 115 Abs 2 StPO hat das Gericht über eine Beschlagnahme auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder einer von der Sicherstellung betroffenen Person unverzüglich zu entscheiden. Inhaltlich gelten für den gerichtlichen Beschlagnahmebeschluss, dem eine Sicherstellung vorangehen kann, aber nicht muss, grundsätzlich die gleichen Voraussetzungen wie für die Sicherstellungsanordnung der Staatsanwaltschaft ( Tipold/Zerbes in Fuchs/RatzWK StPO § 115 Rz 18), in der nach § 102 StPO ua die Tat, deren der Beschuldigte verdächtig ist, und die Tatsachen, aus denen sich ergibt, dass die Anordnung oder Genehmigung zur Aufklärung der Straftat erforderlich und verhältnismäßig ist, enthalten und begründet sein müssen. Aus Beweisgründen ist eine Beschlagnahme iSd Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dann nicht zulässig, wenn ihr Zweck auf geeignete Weise – etwa durch Bild-, Ton- oder sonstige Aufnahmen oder durch Kopien schriftlicher Aufzeichnungen – substituiert werden kann (§ 110 Abs 4 iVm § 115 Abs 3 StPO; vgl Tipold/Zerbes in Fuchs/Ratz,WK StPO § 110 Rz 50, 75 und § 115 Rz 6; Kirchbacher, StPO 15§ 115 Rz 3). Während an den Grad des Tatverdachts bei der Sicherstellung keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind, weil die Sicherstellung lediglich einen ersten Zugriff bewirkt und der provisorischen Sicherung dient, bedarf es für die Beschlagnahme eines Verdachtsmoments, das qualitativ höherwertig ausgestaltet sein muss als das für die Sicherstellung erforderliche. Im Unterschied zum sogenannten dringenden Tatverdacht, der einen höheren Grad an Wahrscheinlichkeit, dass der Beschuldigte die ihm angelastete Straftat begangen hat, voraussetzt (RIS-Justiz RS0107304) und demnach erfordert, dass die belastenden Momente stärker sind als die entlastenden (RIS-Justiz RS0040284), genügt für eine Beschlagnahme aber ein einfacher Tatverdacht.

Ein solcher einfacher Tatverdacht, der über eine bloße Vermutung hinausgeht, liegt fallkonkret in Ansehung der bisherigen Ermittlungsergebnisse in objektiver und subjektiver Hinsicht dahingehend auch vor, der Beschuldigte habe in E*

1. zu noch festzustellenden Zeitpunkten unbekannte Täter dazu bestimmt (§ 12 zweiter Fall StGB), falsche inländische öffentliche Urkunden bzw ausländische öffentliche Urkunden, die durch Gesetz oder zwischenstaatlichen Vertrag inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt sind, nämlich österreichische Führerscheine, Führerscheine von EWR-Ländern und Befähigungsnachweise für Heizungsbauer, Heizungstechniker, Dachdecker, Elektriker etc, herzustellen, wobei er mit dem Vorsatz gehandelt habe, dass diese im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache, nämlich der Berechtigung zur Lenkung von Kraftfahrzeugen sowie der Berechtigung zur Ausübung der jeweiligen Gewerbe, gebraucht würden;

2. zu noch festzustellenden Zeitpunkten falsche inländische öffentliche Urkunden bzw ausländische öffentliche Urkunden, die durch Gesetz oder zwischenstaatlichen Vertrag inländischen öffentlichen Urkunden gleichgestellt seien, nämlich österreichische Führerscheine, Führerscheine von EWR-Ländern und Befäigungsnachweise, im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, nämlich der Berechtigung zur Lenkung von Kraftfahrzeugen sowie der Berechtigung zur Ausübung der jeweiligen Gewerbe, indem er die falschen Befähigungsnachweise bei den zuständigen Gewerbebehörden und die falschen Führerscheine im Zuge von Kontrollen durch die Polizei vorgezeigt habe.

Dieser gründet auf die bisherigen Ermittlungsergebnisse der Polizeiinspektion E* zu **, insbesondere die Angaben des Zeugen D* (ON 2.3f), mögen auch diese genannten Dokumente bei der Durchsuchung nicht aufgefunden worden sein. Dabei ist der hinreichende Verdacht durch den Umstand, dass der Beschuldigte nach eigenen Angaben über zumindest zwei Lenkerberechtigungen in Österreich und Deutschland verfügt, aber keine einzige dieser Lenkerberechtigungen in seinen Wohnräumlichkeiten zum Zeitpunkt der Durchsuchung vorlag, nicht entscheidungswesentlich relativiert. Wenn auch D* Forderungen aus seinem zurückliegenden Arbeitsverhältnis beim Beschuldigten, damit ein Motiv sowohl für eine richtige als auch für eine denkmöglich falsche Belastung haben mag, sagt er allerdings zum einen in Details aus, die, selbst wenn Ungenauigkeiten, wie in der Beschwerde aufgezeigt, vorliegen, nicht per se die Aussage von vornherein als nicht glaubhaft erscheinen lassen, und zum anderen wurden immerhin bei der Durchsuchung in den Wohnräumlichkeiten des Beschuldigten am 19. November 2024 nach dem Anlassbericht (vgl ON 7.2) von den Beamten sieben Urkunden (Geburtsurkunde Nordmazedonien, beglaubigte Übersetzungen) sichergestellt, welche nach deren Ansicht aufgrund der Oberflächenbeschaffenheit dieser Urkunden (Melierfasern aufgedruckt, Stempel aufgedruckt, Wasserzeichen nachgeahmt) ausreichend verdächtig erschienen, sodass Umstände vorliegen, die den Verdacht stützen, dass unvorgreiflich der im Gange befindlichen Auswertungen verdachtsmäßig ge- oder verfälschte, zum Teil auch öffentliche Urkunden im Verfügungsbereich des Beschuldigten vorhanden waren. Ziel einer Beweismittelbeschlagnahme nach § 115 Abs 1 Z 1 StPO ist es, eine Beweissache für ihre Verwendung im Strafverfahren zu sichern. Sie ist zulässig, wenn der Gegenstand zu Beweiszwecken in einem bestimmten Verfahren erforderlich ist und der Gegenstand geeignet ist, ein Beweisthema zu führen, in dem er entweder selbst beweisrelevant ist oder sich darauf beweisrelevante Spuren befinden. Die Bedeutung für die konkrete Untersuchung muss nachvollziehbar sein. Dazu kommt die Erwartung, dass der betreffende Gegenstand weiterhin als Beweismittel erforderlich ist ( Tipold/Zerbesin WK StPO § 110 Rz 5 und § 115 Rz 6). Zur Klärung bedarf es – im Sinne der erstgerichtlichen Ausführungen – der Auswertung der sichergestellten elektronischen Geräte, wobei keinerlei Gründe ersichtlich sind, weshalb diese nicht geeignet sein könnte, entsprechende (be- oder entlastende) Beweisergebnisse hervorzubringen. Die Auswertung der im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden elektronischen Geräte zur Bekräftigung, aber auch Entkräftung des einfachen Tatverdachts ist daher notwendig und kann auch nicht durch gelindere Mittel iSd §§ 115 Abs 3, 110 Abs 4 StPO ersetzt werden. Die Beschlagnahme ist zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts und zum angestrebten Erfolg verhältnismäßig iSd § 5 Abs 1 StPO, weil andere zielführende Ermittlungsmaßnahmen zur unverzüglichen und endgültigen Klärung des Tatverdachts derzeit nicht zur Verfügung stehen.

Damit bestehen jene Voraussetzungen, die derzeit begründet annehmen lassen, dass die Beweissicherung im Sinne einer Beschlagnahme der bisherigen Sicherstellung als Maßnahme künftiger Beweismittelsicherung dient; dies zumindest so lange, wie auch das Erstgericht zutreffend anführt, als diese für den zu erreichenden Zweck erforderlich ist; zugleich bei soweit überschaubar fehlenden alternativen Ermittlungsansätzen in dieser Konstellation.

Die Beschwerde blieb daher ohne Erfolg.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.