6R181/24s – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Dr. Karin Gusenleitner-Helm und Mag. Hermann Holzweber in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Ried im Innkreis zu FN ** eingetragenen A* GmbH , **, **, wegen Verhängung von Zwangsstrafen, über den Rekurs sowohl der Gesellschaft als auch der Geschäftsführerin B*, geboren am **, **, **, gegen die Beschlüsse des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 5. Dezember 2024, Fr*-5 und 6, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Den Rekursen wird nicht Folge gegeben.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
Der Stichtag für den Jahresabschluss der im Firmenbuch des Landesgerichtes Ried im Innkreis zu FN ** eingetragenen A* GmbH ist der 31. Dezember. Einzige Geschäftsführerin ist B*. Mit Beschluss des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 22. Jänner 2024, *, wurde das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 23. Mai 2024 wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt und das Sanierungsverfahren aufgehoben.
Wegen unterbliebener Einreichung des Jahresabschlusses zum 31. Dezember 2023 bis zum 30. September 2024 (Stichtag der Zwangsstrafverfügungen) verhängte das Firmenbuchgericht am 5. November 2024 über die Gesellschaft und ihre Geschäftsführerin Zwangsstrafen in der Höhe von jeweils EUR 700,00 (ON 1 und 2). Die Gesellschaft und ihre Geschäftsführerin erhoben gegen die Zwangsstrafverfügung Einspruch. Zur Begründung verwiesen sie darauf, dass das Unternehmen in einem Sanierungsverfahren gewesen sei und dieses auch Auswirkungen auf den Jahresabschluss 2023 gehabt habe. Nachdem die Unterlagen des Masseverwalters erst nach Abschluss des Verfahrens eingelangt seien, sei der Jahresabschluss verspätet fertiggestellt worden, um bereits alle Rechtsfolgen des Sanierungsverfahren in die Bilanz 2023 einfließen zu lassen. Eine vorherige Eintragung hätte zu verfälschten Daten im Firmenbuch geführt.
Mit den angefochtenen Beschlüssen je vom 5. Dezember 2024 verhängte das Erstgericht im ordentlichen Verfahren über die Gesellschaft und die Geschäftsführerin Zwangsstrafen von je EUR 700,00 (ON 5 und 6).
Nach der erstgerichtlichen Beschlussbegründung sei der Jahresabschluss spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag beim Firmenbuchgericht zur Offenlegung einzureichen. Hier sei der Jahresabschluss zum 31. Dezember 2023 allerdings nicht bis zum 30. September 2024 eingereicht worden. Zwangsstrafen gemäß § 283 UGB seien unter die Geldstrafen iSd § 58 Z 2 IO zu subsumieren und würden gemäß § 156 Abs 5 Satz 2 IO durch einen Sanierungsplan nicht berührt. Überdies seien die bekämpften Zwangsstrafen erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens verhängt worden. Sie seien daher von den Wirkungen des früher eröffneten und bereits seit 23. Mai 2024 aufgehobenen Insolvenzverfahrens nicht betroffen.
Gegen die Verhängung der Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren richten sich die Rekurse der Gesellschaft und der Geschäftsführerin, mit denen sie die Aufhebung der Zwangsstrafe beantragen. Sie argumentieren im Wesentlichen damit, dass im anhängigen Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung der am 22. Jänner 2024 eingesetzte Masseverwalter für die Geschäftsgebarungen verantwortlich gewesen sei und er weder beauftragt noch mitgeteilt habe, dass die Bilanzen fertigzustellen und an das Firmenbuch weiterzuleiten seien. Da der Masseverwalter auch die Buchhaltung in Zusammenarbeit mit dem Steuerberater gemacht habe, habe die Geschäftsführerin davon ausgehen dürfen, dass die Bilanzen ordnungsgemäß eingebracht würden. Erst mit Schreiben vom 5. Dezember 2024 sei sie darauf aufmerksam gemacht worden, dass der Masseverwalter den Auftrag für die Bilanzerstellung nicht erteilt habe. Zum Abgabetermin 31. Mai 2024 sei der Insolvenzverwalter Geschäftsführer gewesen.
Die Rekurse sind nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die gesetzlichen Vertreter einer Kapitalgesellschaft haben den Jahresabschluss in den ersten fünf Monaten des Geschäftsjahres für das vorangegangene Geschäftsjahr aufzustellen (§ 222 Abs 1 UGB) und spätestens neun Monate nach dem Bilanzstichtag beim Firmenbuchgericht zur Offenlegung einzureichen (§ 277 Abs 1 UGB). Der Bilanzstichtag der hier betroffenen Gesellschaft ist der 31. Dezember. Der Jahresabschluss zum 31. Dezember 2023 wäre daher bis spätestens 30. September 2024 beim Erstgericht einzureichen gewesen. Tatsächlich wurde der Jahresabschluss erst am 6. November 2024 beim Firmenbuchgericht – somit verspätet – eingereicht.
Die Erstellung und Einreichung des Jahresabschlusses ist eine der Haupt- und Kardinalpflichten der Geschäftsführer einer GmbH. Nach § 283 Abs 2 UGB ist bei nicht rechtzeitiger Einreichung des Jahresabschlusses eine Zwangsstrafverfügung über die Geschäftsführer (§ 283 Abs 1 UGB) und über die Gesellschaft (§ 283 Abs 7 UGB) zu verhängen. § 283 Abs 1 UGB setzt für eine zwingende Bestrafung lediglich das Verstreichen der Offenlegungspflicht voraus (RS0127330). Die Zwangsstrafe sanktioniert nicht ein punktuell begangenes Unrecht, sondern einen rechtswidrigen Dauerzustand, der mit Ablauf der neunmonatigen Frist des § 277 Abs 1 UGB (hier mit Ablauf des 30. September 2024) beginnt und erst mit der vollständigen Einreichung des Jahresabschlusses (hier mit der Einreichung am 6. November 2024) endet (RS0079560 [T17]).
Nach § 283 Abs 2 Satz 2 und 3 UGB kann von der Verhängung einer Zwangsstrafe abgesehen werden, wenn das Organ offenkundig durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der fristgerechten Offenlegung gehindert war. Der Geschäftsführer muss in allen Fällen nachweislich alles unternommen haben, um die rechtzeitige Erfüllung seiner gesetzlichen Pflichten zu gewährleisten (RS0123571).
Die Verhängung einer Zwangsstrafe im ordentlichen Verfahren erfordert Verschulden der Geschäftsführer selbst (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 34), wobei bereits leichte Fahrlässigkeit schadet (RS0123571; 6 Ob 66/12t mwN). Die Unmöglichkeit oder das mangelnde Verschulden, also die der Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht entgegenstehenden Hindernisse, haben die Geschäftsführer im Zwangsstrafenverfahren darzutun (6 Ob 214/15m).
Nach ständiger Rechtsprechung treffen die Pflichten nach §§ 277ff UGB nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Kapitalgesellschaft den Insolvenzverwalter, der die Offenlegungspflichten bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu erfüllen hat, und zwar grundsätzlich auch für Zeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und selbst bei zwischenzeitig geschlossenem Unternehmen (RS0039298 [T3, T6]). Während der Dauer eines Insolvenzverfahrens sind allerdings gemäß der am 20. Juli 2015 in Kraft getretenen Bestimmung des § 285 Abs 1 UGB keine Zwangsstrafverfügungen nach § 283 UGB zu erlassen.
Wird das Unternehmen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens fortgeführt, lebt die Offenlegungsverpflichtung wieder auf, nicht jedoch, wenn das Insolvenzverfahren zur Abwicklung und letztlich zur Löschung des Unternehmens führt. Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens können Zwangsstrafen also auch für Vorperioden wieder verlangt werden (Schuster in Straube/Ratka/Rauter, UGB II/RGL 3 § 285 Rz 6; Dokalik in U. Torggler, UGB³ § 285 Rz 2), sofern der Rechtsträger fortbesteht (Zib in Zib/Dellinger, UGB § 285 Rz 5; 6 Ob 230/20x; OLG Graz 4 R 72/24a).
Zwangsstrafen können nur gegen den tatsächlichen Organvertreter verhängt werden (Zib in Zib/Dellinger, UGB § 283 Rz 29). Maßgeblich ist die tatsächliche Organvertreterstellung bei Zustellung der Zwangsstrafverfügung. Hat der Organvertreter seine Funktion im Stadium des Offenlegungsverzugs erlangt, so sind gegen ihn Zwangsstrafen zu verhängen, weil er nunmehr zur Offenlegung verpflichtet und auch fähig ist (Zib aaO § 283 Rz 23).
Der Bestrafungszeitraum der angefochtenen Beschlüsse erstreckt sich nach dem Inhalt der zugrunde liegenden Zwangsstrafverfügungen auf den Zeitraum „bis 30. September 2024“. Die erste Zwangsstrafe wird nämlich für die Unterlassung der Offenlegung des Jahresabschlusses innerhalb der Frist von neun Monaten nach dem Bilanzstichtag verhängt (6 Ob 136/21z). Da das Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung bereits Ende Mai 2024 aufgehoben wurde, lag die Verantwortung für die Übermittlung des Jahresabschlusses (bis 30. September 2024 als Stichtag der Zwangsstrafverfügungen) bei der Geschäftsführerin.
Um somit einer Bestrafung nach § 283 UGB zu entgehen, hätte die Geschäftsführerin im Zwangsstrafenverfahren – und zwar gemäß § 283 Abs 2 fünfter Satz UGB bereits im Einspruch (6 Ob 133/11v) – die Unmöglichkeit der (rechtzeitigen) Einreichung des Jahresabschlusses infolge eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses (RS0123571 [T7]) bzw ein mangelndes Verschulden darzutun (6 Ob 133/11v).
Ausgehend davon kann den Rekursen kein Erfolg beschieden sein. Der Hinweis im Einspruch auf das anhängig gewesene Sanierungsverfahren ändert – wie bereits dargelegt – nichts an der Verantwortung der Geschäftsführerin für die Übermittlung des Jahresabschlusses an das Firmenbuchgericht bis zum 30. September 2024. Soweit in den Rekursen nunmehr vorgetragen wird, man sei davon ausgegangen, dass der Masseverwalter die Bilanzen beauftragen und an das Firmenbuch weiterleiten werde, ist damit für die Rekurswerber nichts gewonnen. Zum einen ist auf das außerstreitrechtliche Neuerungsverbot zu verweisen, wonach die Zulässigkeit des Vorbringens von Neuerungen von der Partei zu behaupten und schlüssig darzulegen ist (Kodek in Gitschthaler/Höllwerth² § 49 AußStrG Rz 32 mwN; RS0120290; 6 Ob 230/20x). Die Rekurswerber sind ihrer Darlegungspflicht insofern nicht bloß nicht nachgekommen, sondern haben ihr Rekursvorbringen kommentarlos um Neuerungen ergänzt, sodass diese unbeachtlich sind.
Abgesehen davon ergibt sich aus diesem neuen Vorbringen ohnehin nicht, dass sie durch zweckentsprechende Organisationsmaßnahmen in ihrem Geschäftsbereich für eine rechtzeitige Erfüllung ihrer Offenlegungspflichten gesorgt hätten (RS0127065; auch RS0123571 [T1]) oder sie ihren Kontrollpflichten dahin, ob die Einreichung des Jahresabschlusses durch den Insolvenzverwalter auch tatsächlich erfolgt war, nachgekommen wären. Da damit die Geschäftsführerin nicht alles unternommen hat, um die rechtzeitige Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten zu gewährleisten, ist ihr dies als eigenes Verschulden anzulasten.
Damit ist den Rekursen der Gesellschaft und der Geschäftsführerin nicht Folge zu geben.
Der ordentliche Revisionsrekurs nach § 62 Abs 1 AußStrG ist nicht zuzulassen, weil erhebliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Rechtsfragen nicht zu lösen waren.