Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Friedrich als Vorsitzenden sowie die Richterin Dr. Klammer und den Richter Mag. Melichar als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie der Aussprüche über die Schuld und die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 15.4.2025, GZ **-8, nach der am 8.10.2025 in Anwesenheit der Schriftführerin Rp Mag. Ölmez, des Oberstaatsanwaltes Mag. Willam, des Verteidigers RA Mag. Kraak für RA Dr. Andreas Kolar, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* des Vergehens des Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 erster Fall StGB sowie zweier Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB schuldig erkannt und nach dem ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 7 Monaten sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB wurde die am 29.1.2025 von 10.32 Uhr bis 14.18 Uhr erlittene Verwahrungshaft auf die Freiheitsstrafe angerechnet.
Nach dem Schuldspruch hat A* am 29.01.2025 in **
Gegen dieses Urteil richtet sich die rechtzeitig angemeldete und fristgerecht schriftlich ausgeführte Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit und der Aussprüche über die Schuld und die Strafe (ON 14). Diese mündet in die Anträge, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Strafsache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen, in eventu das angefochtene Urteil aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden, in eventu die Strafe herabzusetzen sowie einen Teil bedingt nachzusehen.
Die Oberstaatsanwaltschaft vertritt in ihrer ausführlichen schriftlichen Stellungnahme die Ansicht, der Berufung werde nicht Folge zu geben sein.
Die Berufung erweist sich als nicht berechtigt.
Gestützt auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 1a StPO moniert die Berufung, dass der Angeklagte trotz notwendiger Verteidigung während der Hauptverhandlung nicht anwaltlich vertreten war.
Dabei verkennt die Berufung, dass der Strafantrag und das Ersturteil dem Angeklagten nicht den zweiten, sondern lediglich den bis zu drei Jahre reichenden ersten Strafsatz des § 269 Abs 1 StGB, somit den Vergehenstatbestand und nicht den Verbrechenstatbestand zur Last legen. Auch das Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB ist mit einer Strafdrohung von bis zu drei Jahren sanktioniert. Deshalb bestand die in § 61 Abs 1 Z 5 StPO normierte Notwendigkeit der Vertretung durch einen Verteidiger hier nicht.
Der Berufungswerber rügt weiters eine Unvollständigkeit des Urteils im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 zweiter Fall StPO. Unvollständig im Sinn der Z 5 ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt lässt. Die fehlende Erörterung dieser Verfahrensergebnisse macht die in Hinsicht auf entscheidende Tatsachen getroffenen Feststellungen aus formalen Gründen mangelhaft. Dem Rechtsmittelgericht obliegt die Kontrolle, ob alles aus seiner Sicht Erwägenswerte in die Begründung eingeflossen ist, nicht aber eine Überprüfung des Inhalts dieser Erwägungen. Dies ist der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vorbehalten ( Ratz in Fuchs/Ratz, WK StPO § 281 Rz 421). Wenn der Berufungswerber vorbringt, das Erstgericht hätte sich nicht mit der Aussage des Angeklagten auseinandergesetzt und diese nicht gewürdigt, ist er auf die ausführliche, sich mit sämtlichen Beweisergebnissen auseinandersetzende Beweiswürdigung und die Ausführungen zur Glaubwürdigkeit des Angeklagten (US 6 vorletzter und letzter Absatz sowie US 7 erster Absatz) zu verweisen.
Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO macht der Berufungswerber einen Feststellungsmangel geltend indem es das Erstgericht unterlassen habe, Umstände festzustellen, die für die rechtliche Beurteilung der Tat wesentlich gewesen wären, obwohl die Ergebnisse des Beweisverfahrens auf das Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes nach § 8 StGB hingewiesen hätten. Dieser Feststellungsmangel läge jedoch nur dann vor, wenn die Verantwortung des Angeklagten oder die Beweislage insgesamt auf das Vorhandensein eines für die Beurteilung der Tat erheblichen Umstandes hinweisen, über den eine Feststellung im Urteil fehlt ( Mayerhofer, StPO 6§ 281 Z 9b Rz 50). Es ist jedoch weder der Verantwortung des Angeklagten noch den übrigen Beweisergebnissen zu entnehmen, dass der Berufungswerber irrig eine Rechtfertigungslage angenommen hätte. Mit dem Hinweis auf die Aussage des Angeklagten, wonach ihm nie gesagt worden sei, warum die Polizisten vor seiner Türe standen, entfernt sich der Angeklagte von den erstgerichtlichen Feststellungen, wonach die Polizisten dem Angeklagten eröffneten, dass sie auf der Suche nach D* seien und sich erkundigt hätten, ob sie sich an seiner Adresse aufhalte. Dies habe der Angeklagte verneint. Ebenso habe er die anschließende Frage verneint, ob er einer freiwilligen Nachschau zustimme (US 9). Ein nach § 8 StGB zu beurteilendes Vorbringen des Angeklagten in der Hauptverhandlung wäre somit nur dann beachtlich, wenn seine Verantwortung insgesamt Anhaltspunkte auch für die Annahme ergäbe, der Angeklagte habe in vermeintlicher Notwehr eine Abwehrhandlung gesetzt. Der Angeklagte stellte hingegen jegliche Tätlichkeiten gegen die einschreitenden Polizeibeamten entschieden in Abrede, sodass Putativnotwehr schon von vorne herein ausscheidet. Die Oberstaatsanwaltschaft weist in ihrer Stellungnahme zutreffend darauf hin, dass der Rechtsmittelwerber offenkundig auch den Regelungsinhalt des § 269 Abs 4 StGB übersieht. Danach scheidet eine Bestrafung nach § 269 Abs 1 StGB nur dann aus, wenn die Behörde oder der Beamte zu einer Amtshandlung ihrer Art nach nicht berechtigt ist. Dass der Angeklagte irrtümlich geglaubt habe, die Polizei dürfe keine Festnahmen aussprechen und vollziehen, kann nicht angenommen werden und wird vom Berufungswerber auch nicht behauptet.
Der Schuldberufung des Angeklagten gelingt es nicht, Bedenken des Berufungsgerichts an der inhaltlichen Richtigkeit der entscheidenden Urteilsannahmen zu beiden Punkten des Schuldspruchs hervorzurufen. Nicht richtig ist das Vorbringen in der Berufung, dass sich das Erstgericht nur auf die Aussagen der Polizeibeamten B* und C* gestützt und sich nicht mit der Aussage des Angeklagten auseinandergesetzt habe. Der Erstrichter hat sich in einer nachvollziehbaren und ausführlichen Beweiswürdigung mit sämtlichen Verfahrensergebnissen auseinandergesetzt, wobei er auch auf den persönlichen Eindruck des Angeklagten und der einvernommenen Zeugen zurückgreifen konnte. Aufgrund dieses persönlichen Eindrucks hat der Erstrichter unter Erörterung der Verfahrensergebnisse schlüssig seine Urteilsannahmen zur äußeren und inneren Tatseite begründet. Darüber hinaus konnte er auf die Videosequenzen, welche einen Teil der Amtshandlung der Polizeibeamten und der Widerstandshandlungen des Angeklagten zeigen, zurückgreifen. Die aktengetreue Beurteilung der Verfahrensergebnisse durch das Erstgericht wird ausdrücklich geteilt, dies gilt auch für die erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen zur subjektiven Tatseite.
Bei der Strafbemessung innerhalb des bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe reichenden Strafrahmens des § 269 Abs 1 erster Strafsatz StGB wertete das Erstgericht keinen Umstand als mildernd, jedoch zwei Vorstrafen die auf derselben schädlichen Neigung beruhen wie die nunmehr verurteilten Handlungen, das Zusammentreffen von mehreren Vergehen sowie die Opfermehrheit hinsichtlich des Faktums 1 als erschwerend. Diese Strafzumessungsgründe sind zu korrigieren und zu präzisieren. Als mildernd ist zu berücksichtigen, dass sämtliche Taten beim Versuch blieben (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB). Als erschwerend sind nicht nur zwei Vorstrafen, die auf der selben schädlichen Neigung beruhen wie die nunmehr verurteilten Handlungen, zu berücksichtigen, sondern insgesamt fünf einschlägige Vorstrafen und zwar jene welche Suchtgiftweitergaben und Suchtgifthandel (dazu RIS-Justiz RS0091972 [T4 und T5]) betreffen (Punkt 1., 2. und 4. der Strafregisterauskunft) sowie die Verurteilungen wegen gefährlicher Drohung (RIS-Justiz RS0092020 [T8 und T16]) und wegen Sachbeschädigung (Punkte 5. und 6. der Strafregisterauskunft). Bei letzterer Verurteilung handelt es sich um ein Aggressionsdelikt (Beschädigung einer Eingangstüre mit einem Einkaufswagen sowie durch dagegen Schlagen), welches einschlägig zu den hier zur Aburteilung gelangten Taten ist (RIS-Justiz RS0091417 [T3 und T6]). Auch die Begehung von Straftaten während offener Probezeit ist im Rahmen der allgemeinen Strafbemessung nach § 32 StGB schulderhöhend zu berücksichtigen. Das Zusammentreffen mehrerer Vergehen ist zu präzisieren als Zusammentreffen von drei Vergehen. Von einem langen Zurückliegen der Vorstrafen kann angesichts der bis ins Jahr 2022 reichenden Verurteilungen nicht gesprochen werden.
Ausgehend davon sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Strafbemessungsgrundsätze des § 32 StGB entspricht die bei dem heranzuziehenden Strafrahmen nach § 269 Abs 1 erster Strafsatz StGB von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vom Erstgericht ausgemessene Sanktion dem Unrechtsgehalt der Tat des Angeklagten und seiner personalen Täterschuld und bedarf keiner Herabsetzung.
Die Anwendung der §§ 37 Abs 1, 43 Abs 1 und 43a Abs 2 oder 3 StGB scheitert an spezialpräventiven Gründen, zumal den Angeklagten weder die Verhängung von bedingten oder unbedingten Geld- und Freiheitsstrafen noch der teilweise Vollzug von Freiheitsstrafen und eine bedingte Entlassung von weiterer Delinquenz abzuhalten vermochten.
Der Berufung war sohin nicht Folge zu geben.
Der Ausgang des Berufungsverfahrens hat die im Spruch angeführten Kostenfolgen.
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