5R100/24f – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Berufungsgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Engers als Vorsitzenden sowie die Richterinnen des Oberlandesgerichts Mag. Rofner und Mag. Kitzbichler als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei A* , vertreten durch Dr. Alexander Amann LL.M. (UCLA), Rechtsanwalt in LI 9487 Gamprin-Bendern, gegen die beklagte Partei B* AG, vertreten durch die Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, wegen (ausgedehnt) EUR 16.154,06 sA, über den Zulassungsantrag der klagenden Partei gemäß § 508 Abs 1 ZPO und die damit verbundene Revision in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Der Antrag der klagenden Partei, die Revision für zulässig zu erklären, sowie die mit diesem Antrag verbundene Revision werden zurückgewiesen .
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Antrags sowie der Revision selbst zu tragen.
Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht zulässig.
Text
Begründung:
Gegenstand des Verfahrens sind Schadenersatzansprüche des Klägers aus dem Kauf eines „abgasmanipulierten“ Fahrzeugs, dessen Herstellerin die Beklagte ist. Gestützt auf §§ 874 ABGB, § 146 StGB iVm § 1311 ABGB sowie RL 2007/46/EG und VO 715/2007/EG jeweils iVm § 1311 ABGB begehrt der Kläger die Zahlung von EUR 16.154,06 sA mit der wesentlichen Begründung, angesichts der im Fahrzeug verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung einen überhöhten Kaufpreis gezahlt zu haben. Bei der Berechnung der Wertminderung, die er mit 27 % der gesamten für den Erwerb des Fahrzeugs erbrachten Aufwendungen bezifferte, sei auf den Kaufzeitpunkt abzustellen; künftige Entwicklungen seien daher nicht zu berücksichtigen. Der Zinslauf beginne mit dem Zeitpunkt der Schadensentstehung, sohin mit Abschluss des Kaufvertrags über das manipulierte Fahrzeug, weil es sich um einen im Europarecht begründeten Anspruch handle und der effet utile-Grundsatz dies verlange.
Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, dem Kläger EUR 8.550,-- samt 4 % Zinsen seit 10.11.2022 zu zahlen; das Mehrbegehren von EUR 7.604,06 sA wies es ebenso ab wie das Zinsenmehrbegehren gerichtet auf den Zuspruch von Zinsen aus dem zuerkannten Betrag für den Zeitraum vom 1.10.2012 bis 9.11.2022.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine, jener der Beklagten hingegen teilweise Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass es die Beklagte zur Zahlung von EUR 3.990,-- samt 4 % Zinsen seit 10.11.2022 verpflichtete und das Mehrbegehren von EUR 12.164,06 samt 4 % Zinsen seit 1.10.2012 sowie von weiteren 4 % Zinsen aus EUR 3.990,-- von 1.10.2012 bis 9.11.2022 abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich der rechtzeitige, mit einer Revision verbundene Zulassungsantrag des Klägers gemäß § 508 Abs 1 ZPO mit dem Begehren, die ordentliche Revision doch für zulässig zu erklären. Er erweist sich aufgrund nachstehender Erwägungen als nicht berechtigt :
1.Das bereits im Berufungsverfahren vom Kläger vorgetragene Argument, die Schadensermittlung in einem Bereich von 5 bis 15 % des Kaufpreises könne zwar nach § 273 Abs 1 ZPO ohne Einholung eines Gutachtens vorgenommen werden, dies schließe aber auch im Fall einer Schutzgesetzverletzung nicht aus, dass ein exakt festgestellter Minderwert von mehr als 15 % zugesprochen werde, geht ins Leere, weil eine exakte Wertminderung hier gerade nicht festgestellt werden konnte. Ein Abweichen des Berufungsgerichts von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur Schadenshöhe zeigt der Zulassungswerber somit nicht auf; vielmehr entfernt sich der Zulassungsantrag vom festgestellten Sachverhalt.
2.Auch durch die bloße Wiedergabe der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die Ermittlung der Schadenshöhe nach der relativen Berechnungsmethode erfolgt, wenn das Klagebegehren gestützt auf § 874 ABGB zu Recht bestehen sollte [und der Getäuschte am Vertrag festhält], zeigt der Zulassungswerber nicht auf, inwiefern das Berufungsgericht diesen Grundsatz missachtet haben sollte. Vielmehr blendet er auch hinsichtlich dieses Aspekts – wie bereits im Berufungsverfahren – aus, dass die Wertminderung gerade nicht exakt festgestellt werden konnte.
3. Schließlich vermag der Zulassungswerber auch mit seinen Ausführungen zum Beginn des Zinslaufs keine neuen, nicht ohnedies bereits in seiner Berufung vorgetragenen und vom Berufungsgericht in seiner Entscheidung behandelten Argumente aufzuzeigen:
Nach gefestigter höchstgerichtlicher Rechtsprechung wird (auch) ein Schadenersatzanspruch wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung nach Art 5 VO 715/2007/EG erst mit der zahlenmäßig bestimmten Geltendmachung durch den Zugang einer Mahnung, Klage oder Klageerweiterung fällig, sodass Verzugszinsen erst ab diesem Zeitpunkt mit Erfolg gefordert werden können (10 Ob 2/23a; 3 Ob 184/24s). Der Oberste Gerichtshof hielt bereits zu 4 Ob 38/24b und 4 Ob 90/24z fest, dass auch aus der – wie hier – vom Kläger ins Treffen geführten Entscheidung des EuGH, C-295–298/04, Manfredi, keine gegenteiligen Schlüsse für einen Anspruch auf Verzugszinsen nach österreichischem Recht gezogen werden können; Anhaltspunkte dafür, dass der Effektivitätsgrundsatz einen Anspruch auf Zinsen aus dem zugesprochenen Schadenersatzbetrag ab dem Vertragsabschluss geböte, seien dieser Entscheidung nicht zu entnehmen, weshalb ein Hinweis auf dieselbe eine erhebliche Rechtsfrage nicht aufzeige (4 Ob 90/24z Rz 21; 4 Ob 38/24b Rz 17). Diese Ansicht hat das Höchstgericht auch in weiterer Folge vertreten (4 Ob 66/24w Rz 43).
Angesichts dieser klaren Rechtslage ist eine Vorlagepflicht des Berufungsgerichts gemäß Art 267 AEUV entgegen dem Standpunkt des Zulassungswerbers zu verneinen (vgl RIS-Justiz RS0082949 [T2, T3, T7]).
4.Der erkennende Senat sieht sich aus diesen Gründen nicht veranlasst, den seinerzeitigen Zulassungsausspruch zu revidieren. Der Zulassungsantrag des Klägers ist daher zusammen mit der Revision zurückzuweisen (§ 508 Abs 4 erster Satz ZPO).
5.Ein Kostenersatzanspruch steht dem erfolglosen Zulassungswerber nicht zu (§§ 50, 40, 41 Abs 1 ZPO).
6.Die absolute Unzulässigkeit eines weiteren Rechtszugs ergibt sich aus § 508 Abs 4 letzter Satz ZPO.